Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Der Klägerin wurde ab der Geburt ihres Sohnes Jeremy am 7. 4. 2003 antragsgemäß ein Kinderbetreuungsgeld im gesetzlichen Ausmaß zuerkannt. Sie war Ende Juli 2002 nach Österreich gekommen und hatte - zunächst - mit ihrem Ehegatten Dr. Gerhard K***** gemeinsam bei den Schwiegereltern in deren Wohnung in Wien gelebt. Ab August 2003 ging ihr Ehemann zur Facharztausbildung für Herzchirurgie an das Klinikum K***** (Deutschland), wo er zunächst eine kleine Wohnung bezog. Die Klägerin wohnte hingegen weiterhin ausschließlich in Wien bei den Schwiegereltern und besuchte ihren Ehemann ca einmal im Monat in K*****. Sie lebte daher mit ihrem Sohn Jeremy letztlich bis 30. 4. 2005 ständig in Wien in einem Haushalt bei den Schwiegereltern und zog erst danach zu ihrem Ehegatten nach Deutschland, wo sie nunmehr mit ihm und ihrem Sohn Jeremy in P***** lebt.
Mit Bescheid des Finanzamts Wien vom 21. 12. 2005 wurde der Antrag des Ehemanns der Klägerin auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind Jeremy ab September 2003 mit der Begründung abgewiesen, dass, wenn für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen sind, nach Art 76 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 (kurz: Verordnung) der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats (hier: gemäß Art 73 und 74) geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag ruhten. Werde in einem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnten, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so könne gemäß Art 76 Abs 2 der Verordnung der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Abs 1 anwenden, als ob Leistungen im ersten Mitgliedstaat gewährt würden.
Mit Bescheid der Familienkasse S***** (BRD) vom 10. 1. 2006 wurde dem Ehemann der Klägerin für die Zeit ab September 2003 ein Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz gewährt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Kindergeldzahlung in Österreich bis August 2003 erfolgt sei und das Arbeitsverhältnis in Deutschland ab September 2003 begonnen habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. 9. 2005 widerrief die beklagte Gebietskrankenkasse die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes der Klägerin ab 1. September 2003 und verpflichtete diese zur Rückzahlung des Kinderbetreuungsgeldes von 8.834,24 EUR für die Zeit vom 1. 9. 2003 bis 30. 4. 2005. Da ab 1. September 2003 weder ein Anspruch auf Familienbeihilfe noch auf eine gleichartige ausländische Leistung bestehe, seien die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 KBGG nicht erfüllt.
Die dagegen erhobene Klage beruft sich darauf, der Ehemann der Klägerin habe den Bezug der Familienbeihilfe abgemeldet, als er nach Deutschland arbeiten gehen musste, ohne zu wissen, dass „diese" eine Voraussetzung für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld sei. Er habe der Klägerin die Abmeldung nicht ausführlich bekanntgegeben. Deshalb habe sie versäumt den Familienbeihilfenantrag selbst zu stellen.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Dass ein Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe lediglich vom 1. 4. 2003 bis 31. 8. 2003 bestanden habe, sei - mangels Bekanntgabe - erst nachträglich festgestellt worden. Der Überbezug an Kinderbetreuungsgeld sei daher gemäß § 31 KBGG rückzufordern.
Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. 9. 2003 bis 30. 4. 2005 ein Kinderbetreuungsgeld im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren und stellte fest, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, das im Zeitraum vom 1. 9. 2003 bis 30. 4. 2005 bezogene Kinderbetreuungsgeld im Ausmaß von 8.834,24 EUR zurückzuzahlen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, gemäß § 2 Abs 1 KBGG habe ein Elternteil für sein Kind Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, sofern 1. für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem FLAG 1967, BGBl 376, bestehe oder für dieses Kind nur deswegen nicht bestehe, weil Anspruch auf eine gleichartige ausländische Leistung bestehe, 2. der Elternteil mit diesem Kind im gemeinsamen Haushalt lebe und 3. der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8 KBGG) des Elternteils im Kalenderjahr den Grenzbetrag von 14.600 EUR nicht übersteige. Hier seien die Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes im Zeitraum vom 1. 9. 2003 bis 30. 4. 2005 erfüllt, weil dem Ehemann der Klägerin mit Bescheid der Familienkasse S***** (BRD) vom 10. 1. 2006 ab September 2003 ein Kindergeld für den Sohn Jeremy zuerkannt worden sei. Dieses Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz sei eine gleichartige ausländische Leistung, die den Anspruch der Klägerin auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz nicht entstehen lasse. Da die Klägerin ihren ständigen Aufenthalt im klagsgegenständlichen Zeitraum in Österreich gehabt habe und auch die anderen Voraussetzungen (gleichartige ausländische Leistung) gegeben seien, sei die beklagte Partei zur Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes für den genannten Zeitraum verpflichtet.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Nach Wiedergabe der in einem „ähnlich gelagerten" Fall vom Obersten Gerichtshof zu 10 ObS 65/06s dargelegten Grundsätze, die auch für den gegenständlichen Fall relevant seien, führte es in rechtlicher Hinsicht aus:
Es sei unstrittig, dass die Klägerin in Österreich im maßgebenden Zeitraum keine Beschäftigung ausgeübt habe. Wesentlich seien daher die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie gewohnt habe. Der Wohnort als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts befinde sich stets an demjenigen Ort, an welchem eine Person den Mittelpunkt ihrer Lebensführung bzw ihrer Lebensinteressen habe (10 ObS 65/06s). Demnach sei Österreich für die Gewährung von Familienleistungen leistungszuständig und unterliege die Klägerin den österreichischen Rechtsvorschriften.
In Art 73 der Verordnung sei nur festgelegt, dass Arbeitnehmer und Selbstständige, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegen, für ihre in einem anderen Mitgliedstaat wohnenden Familienangehörigen Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staats haben, als ob die Familienangehörigen im Gebiet dieses Staats wohnen würden. Hier stehe das Kinderbetreuungsgeld jedoch der Klägerin zu, da sie die Betreuung des Kindes überwiegend durchgeführt habe. Ihr Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld richte sich daher nach den für sie geltenden Vorschriften. Art 73 der Verordnung betreffe nur jene Fälle, in denen ein in einem anderen Mitgliedstaat als Österreich beschäftigter, den dortigen Rechtsvorschriften unterliegender, Arbeitnehmer eine ihm zustehende Familienleistung für einen in einem anderen Mitgliedstaat wohnenden Familienanhörigen geltend mache. Das sei hier aber nicht der Fall.
Nach den österreichischen Rechtsvorschriften sei gemäß § 2 Abs 1 KBGG ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld unter anderem dann begründet, wenn für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem FLAG 1967 bestehe oder für dieses Kind nur deswegen nicht bestehe, weil Anspruch auf eine gleichartige ausländische Leistung bestehe. Nach den Feststellungen habe der Ehemann der Klägerin von Deutschland für den gegenständlichen Zeitraum ein Kindergeld für den Sohn Jeremy bezogen. Da somit ein Anspruch auf eine gleichartige ausländische Leistung bestanden habe, seien die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG erfüllt. Dass die anderen Voraussetzungen nicht vorlägen, habe die beklagte Partei nie behauptet. Da das Argument, dass Deutschland zur Erbringung sämtlicher Familienleistungen aufgrund der Bestimmungen der Verordnung vorrangig zuständig sei, somit nicht zutreffe, sei der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Die Revision sei zuzulassen, weil eine „erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO" vorliege.
Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klageabweisenden Sinne abzuändern und die Klägerin zur Zurückzahlung des für den Zeitraum 1. 9. 2003 bis 30. 4. 2005 bezogenen Kinderbetreuungsgeldes von 8.834,24 EUR binnen 4 Wochen zu verpflichten; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.
Die Revisionswerberin macht (zusammengefasst) geltend, die Verordnung sehe für Familienleistungen keine Individualbetrachtung vor, sondern stelle auf eine Familienbetrachtungsweise ab, weshalb nicht einzelne Personen in einer Familie für die Leistungszuständigkeit eines Mitgliedstaats ausschlaggebend seien, sondern die Familie insgesamt betrachtet werden müsse. Dies gehe etwa aus der Entscheidung des EuGH Rs C-543/03 (Dodl und Oberhollenzer) sowie Rs C-245/94 und C-312/94 (Hoever und Zachow) hervor, die sich ebenfalls mit der Frage befasst hätten, in welchem Mitgliedstaat die Familienleistungen zustünden, wenn ein Elternteil nicht erwerbstätig sei und der andere Elternteil eine grenzüberschreitende Beschäftigung ausübe, wobei die Familie in einem anderen als dem Beschäftigungsland des Vaters lebe. Der EuGH halte diesbezüglich fest, dass „... der Ehegatte eines Arbeitnehmers, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt und mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat lebt, aufgrund von Art 73 der Verordnung im Mitgliedstaat der Beschäftigung Anspruch auf eine Leistung, wie Erziehungsgeld, hat". Diese Ansicht habe der EuGH stets bestätigt. Ein Auseinanderfallen von Familienleistungen - wie zB ein Bezug von deutschem Kindergeld neben österreichischem Kinderbetreuungsgeld - sei in den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht vorgesehen, weil die Familienleistungen dort als Gesamtheit betrachtet würden und nicht zwischen einzelnen in Frage kommenden Ansprüchen differenziert werde. Die Leistungszuständigkeit bestehe daher grundsätzlich jeweils nur hinsichtlich eines Mitgliedstaats, der dann für sämtliche Familienleistungen aufzukommen habe, wobei dort auch alle Familienleistungen zu beantragen seien. Es bestehe kein Wahlrecht seitens der Wanderarbeitnehmer und ihrer Ehepartner.
Die in § 2 Abs 1 Z 1 KBGG enthaltene Formulierung „... eine gleichartige ausländische Leistung ..." müsse daher einzig als (Rechts-)Grundlage für die Leistung von Ausgleichszahlungen verstanden werden, sei jedoch insoweit entbehrlich, als sich eine entsprechende Verpflichtung ohnehin aus dem Gemeinschaftsrecht ergebe. Deshalb sei diese Wortfolge mit 1. 1. 2008 (BGBl I 2007/76) aus dem Gesetzestext entfernt worden (so auch die Materialien/Erläuterungen zu dieser Bestimmung).
Der Ansicht des Berufungsgerichts könnte nur dann gefolgt werden, wenn die Klägerin Alleinerzieherin und ein allfälliger Anspruch auf Familienleistungen daher - mangels Auslandsbezug - allein anhand der inländischen Vorschriften zu beurteilen wäre. Aus diesem Grund könne auch die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung (10 ObS 65/06s) nicht herangezogen werden: Nach dem dort festgestellten Sachverhalt habe nämlich keiner der Elternteile den Lebensmittelpunkt in Österreich gehabt, weil sie im Beobachtungszeitraum gemeinsam in den Niederlanden gelebt hätten, wo der Vater auch seine Beschäftigung ausgeübt habe, sodass mangels eines relevanten grenzüberschreitenden Elements im Verhältnis zu Österreich dort gar kein Anwendungsfall der Verordnung vorgelegen sei.
Im Gegensatz dazu regle der hier maßgebende Art 73 der Verordnung (wie sich schon aus seinem Wortlaut ergebe) auch den vorliegenden Fall, in dem die Familienangehörigen des Arbeitnehmers in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen wohnten. Diese Bestimmung garantiere die Gewährung der nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats vorgesehenen Familienleistungen, als ob die Familienangehörigen des Arbeitnehmers in dessen Gebiet wohnten, und solle hintanhalten, dass die Höhe oder die Gewährung von (hier: deutschen) Familienleistungen schlechthin seitens der Mitgliedstaaten vom Wohnsitz der Familienangehörigen des Arbeitnehmers abhängig gemacht werde. Andernfalls würde es den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit innerhalb des Gemeinschaftsgebiets zu beschränken.
Da der Ehemann der Klägerin Wanderarbeitnehmer sei, lege Art 73 der Verordnung fest, dass zur Erbringung der Familienleistungen Deutschland zuständig sei. Dabei sei es irrelevant, welcher Elternteil tatsächlich die deutschen Familienleistungen in Anspruch nehme. Auch die Ehegattin eines Wanderarbeitnehmers könne die deutschen Leistungen für sich selbst beanspruchen. Die Bestimmungen betreffend die Zuständigkeit sollten lediglich hintanhalten, dass der Ehemann der Klägerin als Arbeitnehmer in seinem Recht auf Freizügigkeit (wenn auch nur potentiell) beschränkt werde.
Um diese Freizügigkeit auch in der anderen Richtung nicht zu behindern, regle Art 10 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 574/72 (im Folgenden nur: Durchführungsverordnung), dass ein Wanderarbeitnehmer oder dessen Ehegatte Anspruch auf Ausgleichszahlungen im Wohnortstaat hätten, sofern die Familienleistungen des Wohnortsstaats höher seien. Art 10 Abs 1 lit a der Durchführungsverordnung sehe diesbezüglich aber auch vor, dass, sofern die Familienleistungen im Wohnstaat des Kindes - wie hier - unabhängig von Versicherungs- oder Beschäftigungsvoraussetzungen geschuldet würden, diese Ansprüche dann ruhten, wenn bereits Leistungen nach Art 73 der Verordnung geschuldet werden bzw in Ermangelung einer Antragstellung gemäß § 76 Abs 2 der Verordnung geschuldet würden (Art 10 Abs 1 lit b Z i der Durchführungsverordnung sei nicht anwendbar, weil die Klägerin im fraglichen Zeitraum keine Beschäftigung ausgeübt habe). Da Art 76 Abs 2 der Verordnung auch auf das Kinderbetreuungsgeld anzuwenden sei, wäre die Höhe der Ausgleichszahlung auch dann unter Anrechnung der fiktiven deutschen Leistungshöhe (wozu im bisherigen Verfahren allerdings die erforderlichen Feststellungen fehlten) festzusetzen, wenn die Klägerin das deutsche Erziehungsgeld nicht beantragt haben sollte. Das Berufungsgericht hätte das Verfahren daher allenfalls zur weiteren Ergänzung an die erste Instanz zurückverweisen müssen, weil sich erst daraus die Höhe eines allfälligen Anspruchs der Klägerin auf Leistung von Ausgleichszahlungen ergeben hätte, der den der beklagten Partei gebührenden Rückforderungsanspruch allenfalls mindern hätte können.
Die Revisionsbeantwortung hält dem - zusammengefasst - entgegen, die Klägerin sei im Zeitraum vom 7. 7. 2003 bis 30. 4. 2005 infolge des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld und der daraus resultierenden Pflichtversicherung im Bereich der Krankenversicherung sowie des Erwerbs von Kindererziehungszeiten, Anwartschaften und Kontogutschriften im Bereich der Alterssicherung zumindest im Zweig der Sozialen Sicherheit der österreichischen Rechtsordnung unterlegen. Sie erfülle daher die Arbeitnehmereigenschaft nach Art 1 lit a der Verordnung. Da ihr Wohnsitz im fraglichen Zeitraum ausschließlich im Inland gelegen sei und nicht das Sozialsystem eines anderen Mitgliedstaats nachwirke, unterliege sie allein den Vorschriften des Wohnsitzstaats, also den Rechtsvorschriften Österreichs. Die Familienleistung des Kindergeldes sei daher ausschließlich vom beklagten österreichischen Träger zu erbringen.
Sollte jedoch der Meinung der beklagten Partei, dass ein deutscher Träger zuständig sei, gefolgt werden, sei Art 10a lit b der VO (EWG) Nr 574/72 zu berücksichtigen. Danach seien dann, wenn - wie hier - für die Gewährung von Familienleistungen nacheinander die Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten zur Anwendung kämen und ein Träger während eines Zeitraums Familienleistungen gewährte, in dem diese von einem anderen Träger hätten gewährt werden müssen, diese Leistungen von den Trägern untereinander abzurechnen. Es wäre daher - entgegen der Ansicht der Beklagten - selbst in diesem Fall nicht die Klägerin zum Rückersatz verpflichtet. Vielmehr hätte sich die beklagte Partei direkt an den leistungszuständigen Träger in Deutschland zu wenden und mit diesem einen allfälligen Überbezug abzurechnen.
Dazu wurde Folgendes erwogen:
1. Von den Parteien wird zu Recht nicht in Zweifel gezogen, dass das österreichische Kinderbetreuungsgeld eine Familienleistung im Sinne des Art 4 Abs 1 lit h der genannten Verordnung und ihrer Durchführungsverordnung ist (10 ObS 109/07p mwN = RIS-Justiz RS0122905). Gleiches gilt für das deutsche Erziehungsgeld, das ebenfalls den Familienleistungen zuzurechnen ist (Igl in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 Art 72 VO 1408/71 Rz 3 und Art 73 VO 1408/71 Rz 4 mwN).
2.1. Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung wird in ihrem Art 2 festgelegt. Nach Art 2 Abs 1 der Verordnung gilt diese Verordnung unter anderem für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, und deren Familienangehörige. Der Begriff des „Arbeitnehmers" wird in Art 1 lit a Z i der Verordnung definiert. Danach besitzt eine Person die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Verordnung, wenn sie gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.
2.2. Im vorliegenden Fall ist der Vater des Kindes und Ehegatte der Klägerin aufgrund seiner unselbständigen Beschäftigung in Deutschland jedenfalls Arbeitnehmer im Sinne der Verordnung.
2.3. Die Klägerin selbst war jedenfalls in dem hier auch strittigen Zeitraum vom 1. 9. 2003 bis 31. 12. 2004 keine Arbeitnehmerin im Sinne der Verordnung, weil sie damals in keinem Zweig der sozialen Sicherheit versichert war. Aus der potentiellen Möglichkeit eines Krankenversicherungsschutzes im Falle eines zukünftigen Bezugs von Kinderbetreuungsgeld kann eine (fiktive) Arbeitnehmereigenschaft nicht abgeleitet werden. Dies würde zu einem unzulässigen Zirkelschluss führen: Die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Verordnung würde in diesem Fall den tatsächlichen Bezug des Kinderbetreuungsgeldes auslösen, wobei aber erst die mit diesem Kinderbetreuungsgeldbezug verbundene Krankenversicherung (vgl § 8 Abs 1 Z 1 lit f ASVG) die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Verordnung bewirken würde. Es würde damit das Ergebnis, also die Berechtigung zum Leistungserhalt, bereits als deren Voraussetzung, nämlich als Bestand einer Pflichtversicherung gewertet werden (Holzmann-Windhofer, Kinderbetreuungsgeld für EG-Wanderarbeitnehmer, SozSi 2008, 16 ff [20]).
Auch eine Ableitung der Arbeitnehmereigenschaft aus dem „Erwerb von Kindererziehungszeiten, Anwartschaften und Kontogutschriften im Bereich der Alterssicherung" kommt jedenfalls für den Zeitraum bis 31. 12. 2004 nicht in Betracht. Ersatzzeiten der Kindererziehung fallen nicht unter den Begriff „Pflichtversicherung" oder „freiwillige Weiterversicherung". Ersatzzeiten wirken sich erst in der Zukunft bei der Pensionsfeststellung aus, wenn bestimmte beitragspflichtige Pensionszeiten vorliegen (Holzmann-Windhofer aaO SozSi 2008, 19 f).
Durch die 62. ASVG-Novelle, BGBl I 2004/142, gibt es seit 1. 1. 2005 für Personen, die nach dem 31. 12. 1954 geboren wurden, keine Ersatzzeiten (§§ 226 ff ASVG) mehr. An ihre Stelle tritt eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG. Es wurden also die Ersatzzeiten in eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 8 ASVG umgewandelt (vgl W. Pöltner, Ausgewählte Rechtsfragen zum Pensionskonto, DRdA 2006, 437 ff [443]). Nach § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG besteht daher seit 1. 1. 2005 für Personen, die ihr Kind in den ersten 48 Kalendermonaten nach der Geburt tatsächlich und überwiegend im Inland erziehen, eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung, wenn sie zuletzt nach diesem Bundesgesetz pensionsversichert oder noch nicht pensionsversichert waren. Die Frage, ob für die Klägerin im hier ebenfalls strittigen Zeitraum vom 1. 1. 2005 bis 30. 4. 2005 eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung nach der zitierten Gesetzesstelle bestand und sie daher in diesem Zeitraum als Arbeitnehmerin im Sinne der Verordnung anzusehen ist, muss hier aber nicht abschließend geklärt werden, weil jedenfalls der Vater Arbeitnehmer im Sinne der Verordnung ist und die Verordnung daher im vorliegenden Fall jedenfalls Anwendung zu finden hat.
2.4. Eine weitere Voraussetzung für die Anwendung der Verordnung ist das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts. Diese Voraussetzung ist dahin zu verstehen, dass eine Anwendung der Vorschriften über die Koordination von Leistungen der sozialen Sicherheit nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte in Betracht kommt. Der danach als Grundvoraussetzung für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu fordernde gemeinschaftliche, grenzüberschreitende Bezug setzt also voraus, dass Personen, Sachverhalte oder Begehren eine rechtliche Beziehung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen. Diese Umstände können in der Staatsangehörigkeit, dem Wohn- oder Beschäftigungsort, dem Ort eines die Leistungspflicht auslösenden Ereignisses, vormaliger Arbeitstätigkeit unter dem Recht eines anderen Mitgliedstaats oder ähnlichen Merkmalen gesehen werden (vgl Eichenhofer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 Art 2 VO 1408/71 Rz 6 und 14; RIS-Justiz RS0117828 [T1] ua). Dieser notwendige grenzüberschreitende Gesichtspunkt besteht im vorliegenden Fall darin, dass der Vater des Kindes nach seiner Beschäftigung in Österreich im strittigen Zeitraum in Deutschland beschäftigt war, während die Klägerin mit dem gemeinsamen Kind damals in Österreich wohnte.
2.5. Als Ergebnis der bisher dargelegten Erwägungen ist daher festzuhalten, dass der zur Beurteilung stehende Sachverhalt sowohl in sachlicher als auch in persönlicher Hinsicht der Verordnung unterliegt.
3.1. Die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für Familienleistungen und damit für das österreichische Kinderbetreuungsgeld richtet sich grundsätzlich nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften. Titel II der Verordnung legt insbesondere fest, welche Rechtsvorschriften bei Erwerbstätigkeiten mit grenzüberschreitenden Anknüpfungspunkten anzuwenden sind, und stellt zu diesem Zweck einen detaillierten Katalog von Kollisionsnormen (Art 13 ff) auf. Ziel dieser Bestimmungen ist es, dass jede Person einer einzigen bestimmten Sozialrechtsordnung unterliegt; es sollen daher durch die Verordnung weder Versicherungslücken noch Doppelversicherungen oder Doppelleistungen entstehen. Diesem Verbot des Zusammentreffens von Leistungen entspricht auch Art 12 der Verordnung, wonach ein Anspruch auf mehrere Leistungen gleicher Art aufgrund der Verordnung grundsätzlich weder erworben noch aufrecht erhalten werden kann (Holzmann-Windhofer aaO SozSi 2008, 23).
3.2. Gemäß Art 13 Abs 1 der Verordnung unterliegen Personen, für die die Verordnung gilt, abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats; dieser ist nach Titel II der Verordnung zu bestimmen. Gemäß § 13 Abs 2 lit a der Verordnung unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt. Diese Bestimmung erklärt somit den Beschäftigungsort bei abhängiger Beschäftigung zum grundsätzlichen Anknüpfungspunkt. Die Anknüpfung an den Beschäftigungsort gilt für alle im Lohn- oder Gehaltsverhältnis Beschäftigten, also für „Arbeitnehmer" im Sinne der Verordnung. Gemäß Art 13 Abs 2 lit f der Verordnung unterliegt eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats auf sie anwendbar würden, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften. Wenn daher ein Beschäftigungsverhältnis oder eines der anderen in Art 13 Abs 2 der Verordnung genannten Verhältnisse nicht (mehr) besteht, gelten allein die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats.
3.3. Daraus folgt, dass der Vater des Kindes, der im klagsgegenständlichen Zeitraum in Deutschland im Sinne der Verordnung als „Arbeitnehmer" „abhängig beschäftigt" war, gemäß Art 13 Abs 2 lit a der Verordnung den deutschen Rechtsvorschriften unterlag (Beschäftigungsstaat). Die Klägerin, die in diesem Zeitraum hingegen keine Beschäftigung ausübte, unterlag gemäß Art 13 Abs 2 lit f der Verordnung den österreichischen Rechtsvorschriften (Wohnortstaat).
4.1. Mit diesen Kollisionsregeln findet man aber dann nicht das Auslangen, wenn etwa eine Person in mehreren oder beide Elternteile in verschiedenen Staaten Familienleistungen beanspruchen könnten. Der Gemeinschaftsgesetzgeber war daher gefordert, im Bereich der Familienleistungen spezielle Zuständigkeitsregeln aufzustellen, um dem Prinzip des Verbots des Zusammentreffens mehrerer gleichartiger Leistungen verschiedener Mitgliedstaaten (Art 12 der Verordnung) zu entsprechen (Holzmann-Windhofer aaO SozSi 2008, 23). Die Regelungen der Verordnung und der Durchführungsverordnung hinsichtlich der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten unterscheiden nicht zwischen den in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Familienleistungen, sondern legen vielmehr nur einen zuständigen Staat für alle seine Familienleistungen und gegebenenfalls einen anderen nachrangig zuständigen Staat für eine Ausgleichszahlung hinsichtlich aller dieser Familienleistungen fest.
4.2. So hat nach Art 73 der Verordnung ein Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staats, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staats wohnten. Es erhält somit der Arbeitnehmer, dessen Familienangehörige nicht im Beschäftigungsstaat wohnen, die Familienleistungen für seine Familienangehörigen nach dem Recht des Beschäftigungsstaats. Es hat daher im vorliegenden Fall der Vater für sein Kind Anspruch auf Familienleistungen nach den deutschen Rechtsvorschriften, als ob das Kind in Deutschland wohnte. Diese Vorschrift bewirkt jedoch keinen Ausschluss des Anspruchs auf Familienleistungen nach dem Recht des Wohnsitzstaats der Familienangehörigen. Für Fälle, in denen im Beschäftigungs- wie im Wohnortstaat Ansprüche auf Familienleistungen bestehen, treffen Art 76 der Verordnung und Art 10 der Durchführungsverordnung 574/72 eine Prioritätsregelung. Die Vorschrift des Art 76 der Verordnung ist auch auf einen Arbeitnehmer anwendbar, der mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen lebt, dessen Rechtsvorschriften er unterliegt. In diesem Fall kann sich der Ehegatte des Arbeitnehmers ebenfalls auf diese Vorschrift berufen (Igl in Fuchs aaO Art 73 VO 1408/71 Rz 2 mwN).
4.3. Im vorliegenden Fall kamen daher für den strittigen Zeitraum vom 1. 9. 2003 bis 30. 4. 2005 Ansprüche auf Familienleistungen sowohl in Österreich (Wohnortstaat) als auch in Deutschland (Beschäftigungsstaat) in Betracht. Für diesen Fall sieht die Verordnung die Prioritätsregeln des Art 76 der Verordnung sowie des Art 10 der Durchführungsverordnung vor. Die Anwendung dieser Bestimmungen erfolgt grundsätzlich unter Berücksichtigung der gesamten familiären Situation und unter Heranziehung beider Elternteile (Familienbetrachtungsweise):
Nach der Rechtsprechung des EuGH können Familienleistungen nämlich schon von ihrer Natur her nicht als Ansprüche betrachtet werden, die einem Einzelnen unabhängig von seiner familiären Situation zustehen. Das bedeutet, dass es - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - für die Anwendung der Antikumulierungsregeln nicht darauf ankommt, ob es sich bei dem Leistungsberechtigten um einen Familienangehörigen des Arbeitnehmers oder den Arbeitnehmer selbst handelt (RIS-Justiz RS0122909 = 10 ObS 197/07p), weil hier die gesamte familiäre Situation unter Heranziehung beider Elternteile zu berücksichtigen ist.
Diese Familienbetrachtungsweise führt dazu, dass es irrelevant ist, welcher Elternteil in welchem Staat die Familienleistungen beansprucht. Eine Individualbetrachtung nur des Elternteils, der die Familienleistungen beanspruchen möchte (zB Abstellen auf den betreuenden Elternteil bei Erziehungsleistungen), hat bei verheirateten oder in Lebensgemeinschaft lebenden Eltern nicht zu erfolgen (Holzmann-Windhofer aaO SozSi 2008, 24 mwN).
4.4. Die Bestimmung des Art 76 Abs 1 der Verordnung enthält Prioritätsregeln für jene Fälle, in denen nicht nur nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats Anspruch auf Familienleistungen besteht, sondern aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit des anderen Elternteils auch nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Familienangehörigen wohnen. Wird in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Abs 1 anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden (Art 76 Abs 2 der Verordnung).
Die Regelung des Art 76 Abs 1 der Verordnung ist in Bezug auf das österreichische Kinderbetreuungsgeld aber nicht einschlägig, weil nach österreichischem Recht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld unabhängig von einer Erwerbstätigkeit gebührt. Es ist vielmehr die Prioritätsregelung des Art 10 Abs 1 lit a der Durchführungsverordnung heranzuziehen. Danach ist für Familienleistungen vorrangig jener Staat zuständig, dessen Rechtsvorschriften der erwerbstätige Elternteil entsprechend Art 13 ff der Verordnung unterliegt (Beschäftigungsstaat). Im Wohnortstaat, als nachrangig zuständigem Staat, ruhen die Familienleistungen in Höhe der Leistungen des vorrangig zuständigen Staats. Der Wohnortstaat hat daher Ausgleichszahlungen zu erbringen, sofern dessen Leistungen höher sind.
4.5. Es ist daher im vorliegenden Fall Deutschland aufgrund des Art 13 Abs 2 lit a iVm Art 73 der Verordnung als Beschäftigungsstaat des Vaters für die Gewährung der Familienleistungen vorrangig zuständig. Welcher Elternteil dabei die deutschen Leistungen beansprucht und bezieht, ist irrelevant. Im nachrangig zuständigen Wohnortstaat (Österreich) ruhen die Familienleistungen in Höhe der deutschen Leistungen (unabhängig davon, welcher Elternteil diese beantragt und bezieht). Eine von der Klägerin bzw ihrem Ehegatten unterlassene Antragstellung im vorrangig zuständigen Staat (Deutschland) kann keine höheren Leistungsansprüche im nachrangig zuständigen Staat (Österreich) auslösen. Da eine unzulässige Lastenverschiebung auf den nachrangig zuständigen Staat vermieden werden soll, erfolgt in diesem Fall eine fiktive Anrechnung im Sinne des zitierten Art 76 Abs 2 der Verordnung.
4.6. Die hier vertretene Auffassung steht, wie die Revisionswerberin zutreffend ausführt, nicht im Widerspruch zu der von den Vorinstanzen für ihren Rechtsstandpunkt zitierten Entscheidung 10 ObS 65/06s = SSV-NF 20/47, weil in dem damals entschiedenen Fall beide Elternteile ihren Lebensmittelpunkt (Wohnort, Beschäftigung) in den Niederlanden hatten und daher gar kein Anwendungsfall der Verordnung vorlag.
4.7. Die Vorinstanzen haben in ihren Entscheidungen auf die Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG in der hier noch anzuwendenden Stammfassung (BGBl I 2001/103) verwiesen, wonach ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld unter anderem dann begründet ist, wenn für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht oder für dieses Kind nur deswegen nicht besteht, weil Anspruch auf eine gleichartige ausländische Leistung besteht. Diese Voraussetzung ist nach der Ansicht der Vorinstanzen erfüllt, weil der Ehegatte der Klägerin für den hier klagsgegenständlichen Zeitraum eine gleichartige ausländische Leistung (deutsches Kindergeld) für das gemeinsame Kind bezogen hat.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass die in § 2 Abs 1 Z 1 KBGG in der Stammfassung enthaltene Formulierung „... eine gleichartige ausländische Leistung ..." im Rahmen der dargestellten Zuständigkeitsregeln der Verordnung betreffend Familienleistungen nur als Rechtsgrundlage für die Gewährung von allfälligen Ausgleichszahlungen verstanden werden kann, die Österreich als nachrangig zuständiger Wohnortstaat zu erbringen hat (vgl in diesem Sinne auch die Erläuternden Bemerkungen zur RV 620 BlgNR XXI. GP 58: „Eine gleichartige ausländische Leistung könnte beispielsweise gebühren, wenn ein Grenzgänger in Liechtenstein beschäftigt ist, seinen Wohnsitz aber in Österreich hat. In diesem Fall soll trotzdem Kinderbetreuungsgeld gebühren."). Durch die Novelle des KBGG, BGBl I 2007/76, wurde dieser Passus über die „familienbeihilfenähnliche ausländische Leistung" ersatzlos gestrichen, weil sowohl die Familienbeihilfe als auch das Kinderbetreuungsgeld Familienleistungen im Sinne der Verordnung sind, welche in grenzüberschreitenden Sachverhalten anzuwenden ist (vgl RV 229 BlgNR XXIII. GP 4) und sich daher eine entsprechende Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen ohnehin aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt.
5.1. Zusammenfassend ergibt sich somit, dass in jenen Fällen, in denen - wie hier - ein anderer Mitgliedstaat (als Beschäftigungsstaat) vorrangig für die Familienleistungen zuständig ist, während Österreich als nachrangig zuständiger Staat festgestellt wurde, Österreich lediglich allfällige Ausgleichszahlungen zu leisten hat. Darunter ist im Bereich des Kinderbetreuungsgeldes der Differenzbetrag zwischen der Höhe der dem Kinderbetreuungsgeld nach Sinn und Zweck vergleichbaren ausländischen Leistung (hier: das deutsche Bundes- und Landeserziehungsgeld bzw das neue deutsche Elterngeld) und dem Kinderbetreuungsgeld zu verstehen (Holzmann-Windhofer aaO SozSi 2008, 26).
5.2. Da die Vorinstanzen zur Höhe dieser - dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld vergleichbaren - ausländischen Familienleistungen keine Feststellungen getroffen haben, steht ein allfälliger Differenzbetrag, auf den die Klägerin in Österreich Anspruch haben könnte, noch nicht fest. Es bedarf daher weiterer Feststellungen zur Frage, welche - dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld vergleichbaren - ausländischen Familienleistungen der Klägerin im maßgebenden Zeitraum bei einer entsprechenden Antragstellung vom zuständigen deutschen Träger hätten gewährt werden müssen.
5.3. Die Klägerin macht in ihrer Revisionsbeantwortung noch geltend, im vorliegenden Fall sei Art 10a lit b der Durchführungsverordnung zu berücksichtigen, welcher für Fälle, in denen für die Gewährung von Familienleistungen - wie im vorliegenden Fall - nacheinander die Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten zur Anwendung kamen und ein Träger während eines Zeitraums Familienleistungen gewährte, in dem diese von einem anderen Träger hätten gewährt werden müssen, vorsehe, dass diese Leistungen von den Trägern untereinander abzurechnen seien. Es müsse daher die beklagte Partei mit dem leistungszuständigen deutschen Träger abrechnen und dürfe das ausbezahlte Kinderbetreuungsgeld nicht von der Klägerin zurückfordern.
Nach Art 10a der Durchführungsverordnung sind in dem Fall, dass für einen Arbeitnehmer während eines Zahlungszeitraums, wie er in den Rechtsvorschriften eines oder zweier beteiligter Mitgliedstaaten für die Gewährung von Familienleistungen vorgesehen ist, nacheinander die Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten galten, unter anderem folgende Vorschriften anzuwenden:
a) Die Familienleistungen, die der Betreffende nach den Rechtsvorschriften jedes dieser Mitgliedstaaten beanspruchen kann, entsprechen der Anzahl der nach den jeweiligen Rechtsvorschriften geschuldeten täglichen Leistungen. Sehen die Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten keine täglichen Familienleistungen vor, so werden die Familienleistungen im Verhältnis der Dauer gewährt, während der für die betreffende Person die Rechtsvorschriften eines jeden Mitgliedstaats unter Berücksichtigung des in den jeweiligen Rechtsvorschriften festgelegten Zeitraums galten.
b) Hat ein Träger während eines Zeitraums Familienleistungen gewährt, in dem diese von einem anderen Träger hätten gewährt werden müssen, so rechnen diese Träger sie untereinander ab.
Die Bestimmung des Art 10a der Durchführungsverordnung behandelt somit die Frage des Wechsels der Zuständigkeit zweier Mitgliedstaaten „während eines Zahlungszeitraums, wie er in den Rechtsvorschriften eines oder zweier beteiligter Mitgliedstaaten für die Gewährung von Familienleistungen vorgesehen ist". Der Wechsel der Zuständigkeit zweier Mitgliedstaaten führt bei täglichen Familienleistungen zu keinen Schwierigkeiten, weil sich dem Ende des Bezugs der Familienleistungen von dem einem Mitgliedstaat nahtlos der Bezug der Leistung durch den anderen Mitgliedstaat anschließt. Bei monatlichen Familienleistungen werden die Leistungen im Verhältnis der Dauer der Zuständigkeit der beiden Mitgliedstaaten in diesem Monat gewährt. Hat ein Träger während eines solchen Zeitraums (zB bei monatlicher Auszahlung) Familienleistungen gewährt, in dem diese von einem anderen Träger hätten gewährt werden müssen, so rechnen diese Träger sie untereinander ab. Da es sich bei den hier in Betracht kommenden deutschen und österreichischen Leistungen jeweils um tägliche bzw monatliche Familienleistungen handelt, ist durch die Bestimmung des Art 10a der Durchführungsverordnung nur der Wechsel zwischen der Zuständigkeit zweier Mitgliedstaaten während des Monats (zB das Beschäftigungsverhältnis in Österreich endet mit 15. 9., das neue Beschäftigungsverhältnis in Deutschland beginnt am 16. 9.), nicht jedoch eine zu Unrecht erfolgte Leistung in einem Mitgliedstaat über eine längere Dauer erfasst. Die Bestimmung des Art 10a der Durchführungsverordnung kommt daher im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Eine allfällige Überzahlung einer Familienleistung wie im vorliegenden Fall ist vielmehr nach den nationalen Rechtsvorschriften hereinzubringen.
5.4. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Fassung des von den Vorinstanzen als berechtigt beurteilten Klagebegehrens jedenfalls verfehlt ist. Der angefochtene Bescheid vom 19. 9. 2005 widerrief die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes ab 1. 9. 2003 und verpflichtete die Klägerin gleichzeitig zur Rückzahlung des für die Zeit vom 1. 9. 2003 bis 30. 4. 2005 in der Höhe von 8.834,24 EUR zu Unrecht ausbezahlten Kinderbetreuungsgeldes. Die beklagte Gebietskrankenkasse kann daher - so jedoch die Formulierung des Urteilsspruchs erster Instanz - nicht neuerlich zur Gewährung eben dieser Familienleistungen, die sie unstrittig bereits erhalten hat, verpflichtet werden. Das Klagebegehren muss richtigerweise bloß auf Feststellung dahin lauten, dass der Rückforderungsanspruch der beklagten Partei für diesen Zeitraum nicht zu Recht bestehe. Dieses Feststellungsbegehren ist vom Leistungsbegehren umfasst (vgl 10 ObS 163/07d ua).
5.5. Da es somit zur Gewinnung der erforderlichen Tatsachengrundlage einer Verhandlung erster Instanz bedarf, war die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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