European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0100OB00059.22G.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.647,18 EUR (darin enthalten 274,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Der Kläger schloss mit der Erstbeklagten am 30. August 2012 einen Anwartschaftsvertrag und am 14. März 2013 einen Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag über die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses. Mit den statischen Berechnungen und der Erstellung der Bewehrungspläne beauftragte die Erstbeklagte den Zweitbeklagten als Subunternehmer, der die ursprünglich vorgesehene Stärke der Decken von 22 cm auf 20 cm änderte.
[2] Nach Übergabe des Objekts im September 2013 kam es zu nicht mehr normgemäßen Rissen an den Wänden, deren Ursache die zu dünn ausgeführten Decken vor allem über dem Erdgeschoss sind. Die Ursache der Risse (zu weiche Deckenkonstruktion) kann nur durch Aufkleben von CFK‑Lamellen auf den Decken endgültig behoben werden, was inklusive der Sanierung der bestehenden Risse Kosten von 20.000 EUR verursacht.
[3] Der Verkehrswert der Liegenschaft beträgt 660.000 EUR. Es ist davon auszugehen, dass potentielle Käufer wegen der Mängel ein „psychologisches Unbehagen“ haben, das sich trotz Sanierung mit CFK‑Lamellen in einem merkantilen Minderwert von 26.000 EUR niederschlägt.
[4] Das Erstgericht verurteilte die Beklagten, soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, dem Kläger zur ungeteilten Hand 26.000 EUR an merkantiler Wertminderung zu zahlen.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten nicht, jener des Zweitbeklagten hingegen Folge und wies ihm gegenüber das (allein bekämpfte) Begehren auf Ersatz der merkantilen Wertminderung ab.
[6] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Frage, ob der Subunternehmer für fehlerhafte Planungen auch dann deliktisch hafte, wenn der Bauherr im Zeitpunkt der Leistung noch gar nicht in seinem Recht auf Eigentum habe verletzt werden können, über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revisionen des Klägers und der Erstbeklagten sind entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels darin aufgezeigter Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.
I. Zur Revision des Klägers
[8] 1. Die Ersatzpflicht des Sachverständigen nach den §§ 1299 f ABGB beschränkt sich grundsätzlich auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten, also regelmäßig den Auftraggeber (RIS‑Justiz RS0026234; RS0026645 ua). Eine Haftung gegenüber einem Dritten kommt allerdings dann in Betracht, wenn die objektiv-rechtlichen Schutzwirkungen auf ihn zu erstrecken sind (RS0026234 [T13]). Das ist der Fall, wenn der Sachverständige damit rechnen musste, dass sein Gutachten (seine Tätigkeit) die Grundlage für die Disposition eines Dritten bilden wird (RS0106433; RS0026645 [T5]; RS0026234 [T4]). Derartige Ansprüche sind jedoch gegenüber eigenen Ansprüchen subsidiär, bestehen also nur, wenn der Dritte keinen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz gegenüber seinem Vertragspartner hat (RS0026645 [T14]). Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof einen „Durchgriff“ auf den vom Generalunternehmer im Wege eines Subauftrags verpflichteten Statiker schon wiederholt abgelehnt (1 Ob 232/05g; 3 Ob 71/97f ua). Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Zweitbeklagte hafte dem Kläger nicht nach §§ 1299 f ABGB, entspricht dieser Rechtsprechung.
[9] 2. Nach ständiger Rechtsprechung kommt eine Haftung des Erfüllungsgehilfen gegenüber dem Gläubiger des Geschäftsherrn bloß wegen Verletzung der Pflichten aus dem Schuldverhältnis nicht in Betracht. Der Erfüllungsgehilfe haftet vielmehr nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses rechtswidrig ist, er also deliktisch handelt (RS0022481; RS0022801). Wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, eine deliktische Haftung des Zweitbeklagten ergebe sich hier weder aus einer Verletzung von Schutzgesetzen (vgl RS0022656) noch einem Eingriff in absolut geschützte Rechte (vgl RS0022946), bedarf das keiner Korrektur.
[10] Warum § 13 ZTG 1993 (nunmehr § 11 ZTG 2019) ein Schutzgesetz sein soll, erklärt der Kläger nicht näher. Er hat sich im erstinstanzlichen Verfahren überdies auf die in der Revision behauptete Schutzgesetzverletzung nicht berufen.
[11] 2.1. Dem Eigentumsrecht kommt zwar absoluter Schutz zu (RS0010350). Warum der Kläger schon im Stadium der Planung des Hauses in seinem Eigentum verletzt worden sein soll, ist jedoch nicht nachvollziehbar. Er beruft sich dazu auf die kurz vor Erstellung der unrichtigen Bewehrungspläne erfolgte Anmerkung (der Zusage) der Einräumung von Wohnungseigentum im Grundbuch (§ 40 Abs 2 WEG), was aber schon deshalb nicht überzeugt, weil dadurch keine dinglichen Rechte erworben werden (vgl RS0118477). Zwar berechtigte ihn die Anmerkung, den späteren Erwerb des Eigentums am Mindestanteil und des Wohnungseigentums in deren Rang zu begehren (vgl RS0113522). Auch das ändert aber nichts daran, dass das Haus (unstrittig) erst nach Erstellung der Statik bzw der Bewehrungspläne errichtet wurde, sodass zu diesem Zeitpunkt kein Eigentum daran bestanden haben kann. Verletzt wurde der Kläger daher „nur“ in seinem Anspruch, dass das Werk mangelfrei hergestellt wird. Dabei handelt es sich aber nicht um ein absolut geschütztes Recht (vgl RS0023106). Mangels Relevanz bedarf es daher weder der vom Kläger vermissten Feststellungen zum Zeitpunkt der Grundbucheintragungen, der Leistungen des Zweitbeklagten oder des Verbaus der zu geringen Bewehrung, noch liegt in der Annahme des Berufungsgerichts, im Zeitpunkt der Planung sei der Kläger noch nicht Träger absolut geschützter Rechte gewesen, ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz oder das Verbot der Überraschungsentscheidung (§ 510 Abs 3 ZPO).
[12] 3. Die Behauptung, der Zweitbeklagte habe nicht bestritten, seine Haftung außergerichtlich anerkannt zu haben, findet im Akteninhalt keine Deckung. Tatsächlich hat der Kläger nämlich vorgebracht, der Zweitbeklagte habe einen Planungsfehler anerkannt. Selbst wenn der Zweitbeklagte dies zugestanden haben sollte, führt das nach dem Gesagten aber noch nicht zu seiner Haftung.
II. Zur Revision der Erstbeklagten
[13] 1. Merkantile Wertminderung ist positiver Schaden, der neben den Kosten der Behebung der technischen Wertminderung (der Reparatur) zu ersetzen ist (RS0031205). Bei der Ermittlung des merkantilen Minderwerts ist vom Differenzbetrag zwischen dem Zeitwert im Schadenszeitpunkt und dem in repariertem Zustand auszugehen (RS0030366). Eine auf der gefühlsmäßigen Abneigung des Käuferpublikums gegen reparierte Sachen beruhende merkantile Wertminderung ist auch bei Liegenschaften ersatzfähig (RS0109556; RS0031205 [T3]) und ohne Rücksicht auf einen nachträglichen Verkauf festzusetzen (RS0030378). Sie steht zudem unabhängig davon zu, ob die beschädigte Sache tatsächlich repariert wird (RS0030400). Ob im Einzelfall eine merkantile Wertminderung auch tatsächlich eingetreten ist, ist eine der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogene Tatfrage (3 Ob 30/22s; 10 Ob 113/98k; 5 Ob 47/98t ua). Liegen allerdings nur ganz geringfügige harmlose Schäden vor, ist eine trotz einwandfreier Reparatur verbleibende merkantile Wertminderung in der Regel nicht anzunehmen (RS0031166; Danzl in KBB6 § 1323 Rz 14 ua).
[14] 2. Diese Grundsätze zieht die Erstbeklagte nicht in Zweifel. Sie meint aber, dass aufgrund der Besonderheiten von Liegenschaften im Vergleich zu Fahrzeugen (etwa lange Lebensdauer; Sinken der Wertminderung mit zunehmendem Abstand zur Schädigung; keine vergleichbaren Alternativen für potentielle Käufer udgl), erst dann von einer tatsächlichen Wertminderung ausgegangen werden könne, wenn die Kosten der Reparatur 10 % des Marktwerts vor dem Schadenseintritt erreichen. Diese Ansicht überzeugt nicht.
[15] 2.1. Die Erstbeklagte bestreitet nicht, dass es auch bei Liegenschaften einer erheblichen Beschädigung bedarf, um eine Wertminderung annehmen zu können, bloße Bagatellschäden daher ausscheiden (jüngst etwa Kerschner in Kerschner/Kleiber/Ertl, Merkantiler Minderwert von Liegenschaft [2021], 25 mwN). Sie zieht die Grenze allerdings wesentlich weiter als die Vorinstanzen und stellt dabei auf den vor allem in Deutschland vertretenen Ansatz ab, einen Bagatellschaden zu bejahen, wenn die Reparaturkosten bis zu 10 % des Wiederbeschaffungswerts ausmachen (Oetker in MüKomm zum BGB9, § 249 Rz 55; Geigl, Haftpflichtprozess28, §§ 249, 250 BGB Rz 107 und 116; vgl auch Rassi, Der merkantile Minderwert bei Liegenschaften, RZ 2009, 162 [164]). Die Erstbeklagte übersieht dabei jedoch, dass die Bagatellgrenze auch in Deutschland oft unter dieser Grenze gezogen wird (vgl etwa die Aufstellung bei Kleiber in Kerschner/Kleiber/Ertl, 137 f). Dies ist auch verständlich. Zwar ist das Abstellen auf die Reparaturkosten vermeintlich einfach und leicht zu handhaben. Dabei werden aber die Umstände des Einzelfalls unberücksichtigt gelassen und damit zum Teil fragwürdige Ergebnisse erzielt: Derselbe, einen erheblichen Reparaturaufwand verursachende Schaden würde etwa bei hoch‑ und neuwertigen Liegenschaften zu keiner, bei geringwertigen bzw alten Liegenschaften hingegen zu einer Wertminderung führen. Richtigerweise dient dieser Ansatz daher nur der Orientierung (Kerschner, Der merkantile Minderwert bei der Liegenschaftsbewertung, ZVR 2007, 174 [178]).
[16] 2.2. Wenn die Vorinstanzen vor dem Hintergrund dieser Grundsätze hier einen harmlosen, ganz geringfügigen (Bagatell‑)Schaden verneinen, bedarf das keiner Korrektur. Bei Mängeln, die tragende Teile bzw die Statik betreffen, stellt es keine Fehlbeurteilung dar, trotz ordnungsgemäßer Reparatur sowie ungeachtet der auch zuvor nicht beeinträchtigten Tragfähigkeit davon auszugehen, dass potentielle Käufer im Vergleich zur schon ursprünglich fachgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben und daher dessen Verwertbarkeit eingeschränkt ist. Noch dazu, wenn – wie die Erstbeklagte selbst vorgebracht hat – weitere Risse nach der Sanierung nicht gänzlich auszuschließen sind.
[17] 3. Soweit die Erstbeklagte die Höhe des merkantilen Minderwerts bestreitet, geht sie nicht von den getroffenen Feststellungen aus.
[18] 4. Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Ein solcher ist nur dann gegeben, wenn das Berufungsgericht die Rechtsrüge in der Berufung als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtet und deshalb ihre sachliche Behandlung verweigert (RS0043231). Das ist hier nicht der Fall, weil das Berufungsgericht die Rechtsrüge zwar als nicht gesetzeskonform ausgeführt beurteilt, sie aber dennoch inhaltlich behandelt hat.
[19] III. Insgesamt zeigen der Kläger und die Erstbeklagte daher keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb die Revisionen zurückzuweisen sind.
[20] Die Kostenentscheidung beruht auf § 40 Abs 1, § 41 Abs 1 und § 50 ZPO.
[21] Der Kläger hat zutreffend geltend gemacht, dass die Revision der Erstbeklagten nicht zulässig ist, sodass er Anspruch auf Ersatz der Kosten seiner Revisionsbeantwortung hat (RS0112296). Demgegenüber hat der Zweitbeklagte nicht darauf hingewiesen, dass die Revision des Klägers unzulässig ist. Sein Rechtsmittelschriftsatz ist daher kein Beitrag zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, sodass er dessen Kosten selbst zu tragen hat.
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