European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00058.15Z.1001.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Kläger erwarben mit Kaufvertrag vom 26. 3. 1990 von der beklagten Bauträgergesellschaft eine zu diesem Zeitpunkt noch im Bau befindliche Eigentumswohnung samt Terrassen und Eigengarten um einen Kaufpreis von 5.052.000 ATS. Im Kaufvertrag wird das Ausmaß des Eigengartens mit ca 520 m 2 angegeben. Vor Unterfertigung des Kaufvertrags zeigte Ing. E*****, ein bevollmächtigter Mitarbeiter der beklagten Partei, den Klägern die südliche Grundstücksgrenze des damals verwilderten Gartens, indem er eine im Boden eingesetzte, überwucherte Grenzmarkierung freilegte. Dabei handelte es sich aber nicht um die korrekte Grenze, diese lag vielmehr zehn Meter weiter nördlich. Mit Hilfe eines Plans hätte Ing. E***** den richtigen Grenzverlauf feststellen können. Bevor den Klägern die Wohnung übergeben wurde, ließ die beklagte Partei an der von Ing. E***** bezeichneten Stelle einen Zaun errichten. Neunzehn Jahre nach Abschluss des Kaufvertrags (im Jahr 2009) wurden die Kläger von der südlichen Grundstücksnachbarin darüber informiert, dass eine Teilfläche des Gartens im Ausmaß von rund 130 m 2 laut Grenzkataster in ihrem Eigentum (also jenem der Nachbarin) stehe. Nachdem sich die Kläger von der Richtigkeit dieser Mitteilung überzeugt hatten, übergaben sie die Fläche an die Nachbarin. Die Wertminderung durch die Verkleinerung der Gartenfläche um 130 m 2 beträgt 11.000 EUR. Für die Kläger waren bei ihrer Kaufentscheidung über den Garten nicht die Quadratmeterangaben oder die Pläne maßgeblich, sondern der Eindruck, den sie bei der Besichtigung über den Grenzverlauf gewonnen hatten.
Nach § 7 Abs 5 des Kaufvertrags haftet die beklagte Partei für Schadenersatz nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
Die Kläger begehren von der beklagten Gesellschaft aus dem Titel der Bereicherung (§ 1431 ABGB) und (hilfsweise) aus dem Titel des Schadenersatzes die Rückzahlung von (eingeschränkt) 11.000 EUR an anteiligem Kaufpreis. Weiters begehren sie gestützt auf Schadenersatz 30.690 EUR für die noch vorzunehmende Neupflanzung eines Sicht‑ und Schallschutzes an der südlichen Grundstücksgrenze, 1.314,51 EUR für die Wiederinstandsetzung der Bewässerungsanlage, 600 EUR für ein Vermessungsgutachten sowie 10.526,75 EUR an anteiligem Zinsschaden für die Kreditaufnahme zur Finanzierung des Kaufpreises.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte die Klageabweisung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 18.126,58 EUR sA statt (11.000 EUR an Wertdifferenz, 6.526,58 EUR an anteiligem Zinsschaden und 600 EUR an Kosten des Vermessungsgutachtens). Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Es stellte über die im Wesentlichen eingangs wiedergegebenen Feststellungen hinaus noch fest, dass die Kläger die Eigentumswohnung samt Garten mittlerweile (am 29. 3. 2013) weiterverkauft haben und nicht festgestellt werden kann, dass das Fehlen eines zusätzlichen Baumbestands und einer funktionierenden Bewässerungsanlage den Verkaufspreis negativ beeinflusst habe.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es das Klagebegehren ‑ einschließlich dessen mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Teils ‑ zur Gänze abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Kläger ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
1.1 Soweit die Klagsansprüche auf Schadenersatz gestützt werden, war im Hinblick auf die ‑ im Revisionsverfahren nicht mehr in Zweifel gezogene ‑ Gültigkeit des in § 7 Abs 5 des Kaufvertrags enthaltenen Haftungsausschlusses zu beurteilen, ob das der beklagten Partei zurechenbare Verhalten des Ing. E***** als leicht oder grob fahrlässig zu qualifizieren ist.
1.2 Wie bereits das Berufungsgericht dargestellt hat, ist grobe Fahrlässigkeit eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, die sich über die alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich heraushebt, wobei der Schaden als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich vorhersehbar ist. Ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß muss bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorwerfbar sein (RIS‑Justiz RS0031127; RS0030644; RS0030272).
1.3 Ob einer Partei leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und bildet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn die Beurteilung des Sachverhalts - auch bei weitester Auslegung - nicht den von der Judikatur für die Annahme oder die Verneinung grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien entspricht (RIS‑Justiz RS0087606 [T8, T22]).
1.4 Das Berufungsgericht ging bei seiner Beurteilung (anders als das Erstgericht) davon aus, dass das festgestellte Versehen des Bauleiters der beklagten Partei die Annahme grober Fahrlässigkeit unter anderem auch deshalb nicht rechtfertige, weil sich dieser Mitarbeiter der beklagten Partei bei der gemeinsamen Begehung der Liegenschaft mit den Klägern an einer in der Natur vorhandenen Grenzmarkierung orientiert habe und er daher ohne eine weitere Einsicht in die Planunterlagen irrtümlich davon ausgegangen sei, dass die von ihm in der Natur vorgefundene Grenzmarkierung dem tatsächlichen Grenzverlauf entspreche. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist nach Auffassung des erkennenden Senats im vorliegenden Fall jedenfalls vertretbar und bedarf daher zur Wahrung der Rechtssicherheit keiner Korrektur (RIS‑Justiz RS0087606 [T8]).
2.1 Voraussetzung der Kondiktion nach § 1431 ABGB ist nach ständiger Rechtsprechung eine Vermögensverschiebung durch Leistung, das Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes und die Schutzwürdigkeit des Leistenden wegen eines Irrtums (RIS‑Justiz RS0033599; RS0014891; Koziol in KBB 4 § 1431 ABGB Rz 1). Damit steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Einklang, eine Kondiktion scheide im vorliegenden Fall aus, weil die Zahlung des gesamten Kaufpreises ihre Rechtsgrundlage im 1990 abgeschlossenen Kaufvertrag hatte und dieser auch weiterhin aufrecht ist. Erfolgte aber eine Leistung im Rahmen eines Vertrags, wäre es unzulässig, diesen Vertrag mit Hilfe des Bereicherungsrechts zu korrigieren (RIS‑Justiz RS0033585 [T3], RS0033848).
2.2 Auch mit ihrem Revisionsvorbringen, es liege hinsichtlich der Teilfläche von 130 m 2 anfängliche Unmöglichkeit nach § 878 ABGB und damit eine „Teilnichtigkeit“ des Kaufvertrags vor, die eine Leistungskondiktion (doch) zulasse, zeigen die Revisionswerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
3. Auf das Revisionsvorbringen zur Höhe der einzelnen Klageansprüche war nicht mehr einzugehen. Darüber hinaus ist der dazu enthaltene Verweis auf das Vorbringen in der Berufungsschrift unzulässig, weil nur im Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof selbst enthaltene Ausführungen und Argumente Berücksichtigung finden können (RIS‑Justiz RS0043616).
Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.
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