OGH 10Ob42/12t

OGH10Ob42/12t20.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Hanspeter Egger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. C*****, vertreten durch Dr. Kurt Bayr und Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 13.755 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 2.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. August 2012, GZ 14 R 112/12m‑38, womit deren Berufung gegen das Versäumungsurteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 25. März 2011, GZ 26 Cg 11/11i‑5, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0100OB00042.12T.1120.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Begründung:

Die Klage und der Auftrag zur Klagebeantwortung wurden dem Beklagten am 26. 1. 2011 unter der Adresse „M*****“ durch Hinterlegung zugestellt. Nachdem innerhalb der Frist keine Klagebeantwortung eingelangt war, erließ das Erstgericht auf Antrag der Klägerin am 25. 3. 2011 ein Versäumungsurteil, das dem Beklagten ebenfalls an der zuvor genannten Adresse am 31. 3. 2011 durch Hinterlegung zugestellt wurde. In weiterer Folge wurde vom Erstgericht die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils bestätigt.

Gegen dieses Versäumungsurteil erhob der Beklagte mit Schriftsatz vom 8. 3. 2012 unter anderem Berufung wegen Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, weil an der angegebenen Adresse keine Abgabestelle vorgelegen habe.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Es ging dabei aufgrund der Erhebungen des Erstgerichts von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beklagte hat seinen Hauptwohnsitz in München. Neben seiner beruflichen Tätigkeit dort ist er auch im Rahmen einer Time‑Sharing‑Praxis im M*****, tätig. Grundsätzlich teilen sich in einer solchen Praxis mehrere Ärzte ein Untersuchungszimmer. Dem Beklagten steht dieser Raum jeden zweiten Freitagvormittag zur Verfügung. In dem Haus gibt es einen Operationssaal mit einem Wartebereich, wo man die Patienten auch untersuchen und mit ihnen reden kann. Wenn Operationstermine kurzfristig vergeben werden, kommt es auch vor, dass der Beklagte an einem anderen Tag als Freitag operieren muss. In diesen Fällen führt er an den Operationstagen auch Untersuchungen durch und kommt an den folgenden Freitagen nicht nach Innsbruck. Im Schnitt hat er vier bis sechs Patienten pro Monat und kommt ein‑ bis zweimal im Monat nach Innsbruck. Da er dort keinen Wohnsitz hat, fährt er jeweils am Abend nach München zurück.

Patienten, die etwa über das Internet, in dem das M***** als Ordination des Beklagten angegeben ist, mit ihm in Kontakt treten wollen, können über eine Telefonnummer eine Teilzeitkraft erreichen, die für den Beklagten Termine vereinbart. An der Adresse des M***** wird für den Beklagten auch Post zugestellt. Es gibt im Eingangsbereich ein Postfach sowohl für den Eingriffsraum als auch für die Time‑Sharing‑Praxis. Der Beklagte hat zusätzlich eine Vereinbarung mit zwei Frauen, die für die organisatorische Betreuung des Eingriffsraums zuständig sind. In ihrer beruflichen Funktion haben sie mit dem Posteinlauf nichts zu tun. Die Vereinbarung besteht darin, dass die beiden Frauen für den Beklagten die Post öffnen dürfen. Sie sammeln sie, kopieren sie und übergeben sie an ihn, wenn er nach Innsbruck kommt. Auf der Kopie bestätigt er durch eine Unterschrift, die Post entgegengenommen zu haben.

Der für die Zustellung zuständige Zusteller legt die normale Post für den Beklagten im Postfach ein. Rückscheinsendungen versucht er in dem Raum, auf dessen Türschild unter anderem auch der Name des Beklagten steht, zuzustellen. Er hat den Beklagten allerdings erst ein einziges Mal persönlich angetroffen. Trifft der Zusteller dort niemanden an, gibt er Hinterlegungsanzeigen im gegenüberliegenden Raum bei den beiden erwähnten Frauen ab. Es kann auch vorkommen, dass er, wenn er dort niemanden antrifft, die Hinterlegungsanzeige an der Rezeption abgibt, damit sie mit der übrigen Post abgeholt werden kann.

Bei Hinterlegung der Klage im vorliegenden Verfahren wurde die Hinterlegungsanzeige dem Beklagten am 10. 2. 2011 mit der übrigen Post übergeben. Dieser behandelt üblicherweise Patienten bis am Abend. An diesem Tag ging er daher nicht zur Post. Da er am Abend zurück nach München fuhr und erst wieder zu einem Zeitpunkt nach Innsbruck kam, zu dem die Hinterlegungsfrist abgelaufen war ‑ sie endete am 14. 2. 2011 ‑ unternahm er bezüglich dieser Sendung nichts mehr. Er setzte keine Schritte, um in irgendeiner Form dafür Sorge zu tragen, dass die Sendung vor dem Ende der Abholfrist behoben wird, oder um herauszufinden, um welche Sendung es sich dabei handelt.

Auch die Hinterlegungsanzeige für das Versäumungsurteil wurde vom Zusteller am 31. 3. 2011 an der Abgabestelle an einer der nachgenannten Stellen zurückgelassen, wobei nicht festgestellt werden kann, ob bei der Post an der Rezeption oder direkt bei den beiden erwähnten Frauen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass diese Hinterlegungsanzeige zu irgendeinem Zeitpunkt an den Beklagten, der das nächste Mal am 6. 4. 2011 in Innsbruck war, weitergegeben wurde. Auch diese Sendung wurde vom Beklagten nicht behoben. Der Beklagte war im Zeitraum der Zustellung jedenfalls am 14. 1., 10. 2., 24. 3., 6. 4. und 27. 4. 2011 in Innsbruck.

In rechtlicher Würdigung dieses bescheinigten Sachverhalts vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, bei der angegebenen Adresse handle es sich um eine zulässige Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG (Arbeitsplatz oder Geschäftsraum), weil der Beklagte im M***** an einer Time‑Sharing‑Praxis beteiligt sei und dort auch seiner beruflichen Tätigkeit nachgehe. Wenngleich zur Definition der Abgabestelle auch zeitliche Momente herangezogen werden könnten, sei die regelmäßige Benutzung der Abgabestelle kein das Wesen der Abgabestelle bedingendes Merkmal, sondern eine Voraussetzung, die zusätzlich erfüllt sein müsse, wenn es die §§ 16 bis 18 ZustG verlangten. Im vorliegenden Fall sei allerdings eine Zustellung des Versäumungsurteils durch Hinterlegung vorgenommen worden. Da der Beklagte im Zeitpunkt der Zustellung des Versäumungsurteils nicht an der Abgabestelle anwesend gewesen sei und er daher vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte, sei zu prüfen, ob eine Heilung nach § 17 Abs 3 ZustG eingetreten sei. Der Beginn der Abholfrist des Versäumungsurteils sei der 31. 3. 2011 gewesen. Der Beklagte sei das nächste Mal am 4. 4. 2011, somit innerhalb der Abholfrist, an der Abgabestelle gewesen. Die Zustellung des Versäumungsurteils sei daher mit dem auf diese Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag als bewirkt anzusehen. Da für die Rückkehr nicht von Bedeutung sei, wie lange die Anwesenheit an der Abgabestelle gedauert habe, sei damit die Heilung des Zustellmangels eingetreten. Dabei komme es auch nicht darauf an, dass der Empfänger Kenntnis von der Zustellung erlange oder ihm die Sendung tatsächlich zukomme. Da somit zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung die Berufungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei, sei die Berufung als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) des Beklagten mit dem sinngemäßen Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

Die Klägerin beantragt in ihrer „Revisionsrekursbeantwortung“ (richtig: Rekursbeant-wortung), das Rechtsmittel des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen bzw ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Wenn das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, ist der Vollrekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ungeachtet des Werts des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz und des Vorliegens erheblicher Rechtsfragen zulässig (3 Ob 45/10d mwN). Das Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist gemäß § 521a Abs 1 ZPO idF ZVN 2009 (BGBl I 2009/30) zweiseitig, weil die Zurückweisung der Berufung keine bloß verfahrensleitende Entscheidung ist (3 Ob 45/10d mwN).

Der Rekurswerber macht im Wesentlichen geltend, bei der oben angeführten Adresse „M*****“ handle es sich um keine zulässige Abgabestelle iSd § 2 Z 5 (seit 1. 1. 2008 richtig: Z 4) ZustG. Eine taugliche Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes liege nur dann vor, wenn sich der Empfänger dort tatsächlich auch regelmäßig aufhalte, ungeachtet der Dauer des einzelnen Aufenthalts. Sei ein Empfänger nur fallweise am Ort der versuchten Zustellung aufhältig, dann liege selbst dann keine Abgabestelle vor, wenn er dafür Vorsorge getroffen habe, dass die für ihn einlangende Post gesammelt werde, sodass er sie abholen könne und er auch vom Einlangen wichtiger Poststücke verständigt werde. Die Tatsache, dass er ein‑ bis zweimal im Monat im M***** anwesend gewesen sei, begründe keinen regelmäßigen Aufenthalt im Sinne des Zustellgesetzes, zumal die Bereithaltungsfrist nach § 17 Abs 3 ZustG (mindestens) zwei Wochen betrage und damit nicht gesichert sei, dass er rechtzeitig von der Hinterlegung einer Postsendung Kenntnis erlange und ein hinterlegtes Schriftstück rechtzeitig beheben könne. Der Beklagte habe erstmals durch die Zustellung des Versäumungsurteils durch das Landgericht München am 23. 2. 2012 vom gegenständlichen Versäumungsurteil Kenntnis erlangt, weshalb seine am 8. 3. 2012 gegen dieses Versäumungsurteil erhobene Nichtigkeitsberufung rechtzeitig sei.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

1. Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist ist, dass die Zustellung rechtswirksam war. Eine mangelhafte Zustellung setzt die Rechtsmittelfrist nicht in Gang (RIS‑Justiz RS0006997).

2. Nach § 13 Abs 1 ZustG ist ein Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Unter Abgabestelle versteht man jenen Ort, an dem eine konkrete „postalische“ Zustellung stattfinden darf (vgl Gitschthaler in Rechberger , ZPO 3 § 87 [§ 2 ZustG] Rz 7 ua). Als „Abgabestelle“ bestimmt § 2 Z 4 ZustG idF BGBl I 2008/5 die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, den Sitz, den Geschäftsraum, die Kanzlei oder den Arbeitsplatz des Empfängers, im Fall einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder einen vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebenen Ort. Alle Abgabestellen sind untereinander gleichwertig. Die Auswahl der geeigneten Abgabestelle obliegt der Zustellbehörde (vgl Raschauer in Frauenberger‑Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely [Hrsg], Österreichisches Zustellrecht 2 § 2 Rz 7 mwN). Maßgebend für die Beurteilung des Umstands, ob im konkreten Fall eine Abgabestelle vorliegt oder vorlag, ist dabei nicht allein der Zeitpunkt der „Zustellung“. Vielmehr sind die berücksichtigungswürdigen Tatsachen ex post nach objektiven Gesichtspunkten, das heißt ohne Rücksicht darauf, wie sich dem Zustellorgan die Verhältnisse subjektiv dargeboten haben und ohne Rücksicht auf eine entsprechende Absicht des Empfängers zu ermitteln und zu beurteilen ( Gitschthaler aaO § 87 [§ 2 ZustG] Rz 7 mwN ua; RIS‑Justiz RS0108133). Eine postalische Zustellung, die nicht an einer Abgabestelle erfolgt, ist, sofern nicht andere Vorschriften Abweichendes bestimmen, gesetzwidrig, gilt als nicht erfolgt und ist daher rechtsunwirksam ( Raschauer aaO § 2 Rz 7a).

2.1 Unter „Geschäftsraum“ ist jener Raum zu verstehen, in dem der Empfänger einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Erforderlich ist, dass es sich um eine Erwerbstätigkeit handelt, die einen gewissen örtlichen Mittelpunkt verlangt. Die Art der Erwerbstätigkeit ist nicht erheblich. Auch Arztordinationen, Künstlerateliers oder Arbeitsräume von Schriftstellern sind Geschäftsräume im Sinne des Zustellgesetzes ( Stumvoll in Fasching/Konecny 2 , ErgBd § 2 ZustG Rz 32).

2.2 „Arbeitsplatz“ ist jener Ort, an dem jemand tatsächlich seine selbständige oder unselbständige Arbeit leistet. Auch hier kommt es auf die faktischen Verhältnisse an. Der Arbeitsplatz kann (auch) in einer Wohnung, einem Geschäftsraum, einer Kanzlei, an einem Sitz oder an einer Betriebsstätte liegen, ohne dass eine eindeutige begriffliche Abgrenzung möglich oder nötig wäre ( Stumvoll aaO § 2 ZustG Rz 34).

3. Nach der in Lehre und Rechtsprechung allgemein herrschenden Auffassung ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zustellung an jeder der möglichen Abgabestellen, dass sich der Empfänger dort tatsächlich auch regelmäßig aufhält (vgl Gitschthaler aaO § 87 [§ 2 ZustG] Rz 7 mwN; Raschauer aaO § 2 Rz 7a mwN; Thienel/Zeleny , Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze 18 § 2 ZustG Anm 4; Larcher , Zustellrecht [2010] Rz 151 mwN uva; RIS‑Justiz RS0083915). In der Rechtsprechung wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es dabei auf die Dauer des jeweiligen Aufenthalts an der Abgabestelle nicht ankommt. Ein regelmäßiger Aufenthalt des Empfängers liegt demnach selbst dann vor, wenn dieser am Tag der Zustellung an der Abgabestelle nicht anwesend war, wenn er etwa lediglich jeden zweiten Tag die Abgabestelle aufsucht oder wenn er berufsbedingt tagsüber von der Abgabestelle abwesend ist. Voraussetzung ist allerdings, dass der Empfänger immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt (vgl Gitschthaler aaO § 87 [§ 2 ZustG] Rz 7 mwN). Der Empfänger muss sich somit nach herrschender Ansicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhalten. Ein regelmäßiger Aufenthalt wurde in der Rechtsprechung bei der Nutzung einer Betriebsstätte an zwei Tagen pro Woche als Veranstaltungszentrum als gegeben angenommen (vgl 8 ObA 41/06x), hingegen bei einem bloß einmaligen Aufenthalt im Monat am Arbeitsplatz verneint (VwGH 24. 11. 1997, 97/17/0117).

3.1 Demgegenüber vertritt Stumvoll in Fasching/Konecny 2 ErgBd § 2 ZustG Rz 24 die Auffassung, dass zur Definition der Abgabestelle zwar auch zeitliche Momente herangezogen werden können, die regelmäßige Benützung der Abgabestelle aber kein das Wesen der Abgabestelle bedingendes Merkmal, sondern eine Voraussetzung sei, die zusätzlich erfüllt sein müsse, wenn es die §§ 16 bis 18 ZustG verlangen. Dieser Auffassung hat sich der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 6 Ob 99/07p und im vorliegenden Fall auch das Berufungsgericht angeschlossen.

3.2 Der erkennende Senat vermag sich jedoch dieser Rechtsansicht nicht anzuschließen, sondern hält weiterhin an der herrschenden Auffassung fest, dass eine Zustellung an einer Abgabestelle nur bei regelmäßiger Benützung der Abgabestelle durch den Empfänger erfolgen darf, da nur dadurch der notwendige Schutz des Empfängers, der infolge seiner Abwesenheit von Zustellvorgängen typischerweise weniger verlässlich Kenntnis erlangen kann, gewährleistet werden kann.

4. Aufgrund der Erhebungsergebnisse ist davon auszugehen, dass der Beklagte seinen Hauptwohnsitz in München hat und dort regelmäßig seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht. Um von einer Abgabestelle des „Geschäftsraums“ oder des „Arbeitsplatzes“ iSd § 2 Z 4 ZustG auch in Innsbruck ausgehen zu können, müsste der Beklagte auch dort regelmäßig zur Verrichtung von Arbeiten anwesend sein. Hievon kann jedoch im vorliegenden Fall keine Rede sein, da der Aufenthalt nur ein‑ oder höchstens zweimal monatlich erfolgt (vgl VwGH 24. 11. 1997, 97/17/0117). Aus diesem Grund handelt es sich bei der genannten Adresse, an der dem Beklagten das Versäumungsurteil am 31. 3. 2011 durch Hinterlegung zugestellt wurde, um keine Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG. Hält sich nämlich ein Empfänger nur gelegentlich am Ort der versuchten Zustellung auf, dann liegt selbst dann keine Abgabestelle vor, wenn er dafür Vorsorge getroffen hat, dass für ihn einlangende Post gesammelt wird, er sie abholen kann und er auch vom Einlangen wichtiger Poststücke verständigt wird ( Gitschthaler aaO § 87 [§ 2 ZustG] Rz 8 mwN). Die nach vergeblichem Zustellversuch gemäß § 17 ZustG vorgenommene Hinterlegung des erlassenen Versäumungsurteils beim Postamt war daher nicht rechtswirksam.

Ausgehend davon, dass eine weitere Zustellung nicht beurkundet ist, und der Beklagte nach seinen unwiderlegt gebliebenen Ausführungen erstmals durch die Zustellung des Versäumungsurteils durch das Landgericht München am 23. 2. 2012 Kenntnis vom gegenständlichen Versäumungsurteil erlangt hat und dadurch eine Heilung des Zustellmangels iSd § 7 Abs 1 ZustG eingetreten ist, erweist sich die am 8. 3. 2012 im elektronischen Rechtsverkehr beim Erstgericht eingebrachte Berufung des Beklagten als rechtzeitig. Das Berufungsgericht wird daher über dieses Rechtsmittel nunmehr meritorisch zu entscheiden haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO. Ein Zwischenstreit, in dem der Beklagte obsiegt hätte, liegt nicht vor.

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