BVwG W264 2151103-1

BVwGW264 2151103-131.1.2018

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W264.2151103.1.00

 

Spruch:

W264 2151103-1/12E

 

W264 2170791-1/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Flüchtlingsdienst, gegen den Spruchpunkt I des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den ARGE Rechtsberatung – Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Spruchpunkt I des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) reiste unrechtmäßig schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet im Alter von 17,53 Jahren – somit als mündige Minderjährige – ein und stellte am 28.6.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

3. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag der Antragstellung gab die Erstbeschwerdeführerin an, am XXXX in Herat in Afghanistan geboren worden zu sein und afghanische Staatsangehörige zu sein. Sie gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei schiitischen Glaubens. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab sie an, dass sie Afghanistan verlassen habe, da sie mit Freundinnen aus Solidarität zu einem Mädchen, welches öffentlich verbrannt wurde, da ihr unterstellt worden wäre, den Koran angezündet zu haben, ebenso einen Koran anzündete und dabei von einer Nachbarin beobachtet worden wäre. Auf der Flucht seien ihr in Griechenland die Fingerabdrücke genommen worden, dort sei sie vergewaltigt worden und fügte sie hinzu "derzeit in Österreich fühle ich mich sicher". Sie stamme aus der Provinz Herat in Afghanistan. Im Falle ihrer Rückkehr befürchte sie die Todesstrafe, welche auf das Verbrennen des Korans stehe. Befragt nach ihren Familienverhältnissen führte sie als Vater XXXX an und als Mutter XXXX an und als Geschwister die Schwester XXXX . Einen Bruder nannte sie bei der Erstbefragung nicht.

 

Im Zeitpunkt der Erstbefragung war die Beschwerdeführerin im Alter von 17,53 Jahren und somit eine mündige Minderjährige.

 

4. Die Altersfeststellung der medizinischen Universität Wien ergab laut Mitteilung vom 28.8.2015, dass hinsichtlich die BF1 als fiktives Geburtsdatum 16.12.1997 anzunehmen sei, sodass bezogen auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung 28.6.2015 von einem Mindestalter von 17,53 Jahren auszugehen sei.

 

Eine EURODAC-Abfrage am 28.6.2015 ergab, dass keine Treffer erzielt werden konnten.

 

5. Am 8.9.2016 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. In diesem Zeitpunkt war die BF1 bereits volljährig.

 

In der Niederschrift wird die BF als "Verfahrenspartei" mit der Abkürzung "VP" bezeichnet. Sie gab an schwanger zu sein und auf die Frage, ob sie bei der Ersteinvernahme die Wahrheit gesagt habe und eine Rückübersetzung stattfand und ob alles korrekt protokolliert wurde gab sie an: "ich habe die ganze Wahrheit gesagt. Es wurde auch rückübersetzt."

 

Als Geburtsdatum nannte sie den 16.12.1997. Ihre letzte Wohnadresse in Afghanistan sei in Herat gewesen. Ihre Eltern würden im Iran leben und ihr Bruder XXXX in Salzburg. Ihre Schwester XXXX gab sie als inzwischen vermutlich in Deutschland lebend an. Befragt zu ihren Eltern gab sie an, dass ihre Eltern nach Österreich wollten, aber kein Geld mehr hätten. Die Frage ob sie Afghanistan aus finanziellen Gründen verlassen hätte, beantwortete sie mit "Nein, mein Vater ist kein reicher Mann gewesen, aber wir hatten genug um zu leben."

 

Sie habe in Österreich geheiratet und in Afghanistan zwei Jahre lang eine Koranschule besucht. Bei der Ausreise aus Afghanistan über den Iran habe sie ihre Mutter in der Türkei verloren, jetzt lebe die Mutter im Iran. Ihre Eltern würden nach Österreich nachkommen wollen, aber hätten kein Geld mehr.

 

Die Frage nach ihren Fluchtgründen beantwortete sie damit, dass ihre Nachbarin namens XXXX sie beschuldigt habe, einen Koran angezündet zu haben, aber dies stimme nicht. Sie habe nur eine einzige Seite aus dem Koran herausgerissen, um der Nachbarin zu zeigen, dass beim Herausreißen einer Seite des Korans passiere. Es habe in Afghanistan eine Frau namens XXXX gegeben, welche von mehreren Männern getötet worden wäre, da sie einen Koran angezündet habe. XXXX sei hysterisch geworden, die Mutter habe die BF1 aus Angst, dass die Nachbarin es herum erzählen würde, zu ihrem Onkel gebracht. Der Onkel habe ihr den Schlepper organisiert, der sie gemeinsam mit der Mutter am nächsten Tag in den Iran gebracht habe. Dort habe sie fünf Tage bei der Tante verbracht und sei sie danach weiter nach Europa gereist. Das waren ihre Fluchtgründe, sie habe keine anderen Gründe, so die BF1.

 

Hingewiesen auf ihre Aussage in der Erstbefragung, wonach sie angegeben habe, den Koran angezündet zu haben, gab sie bei der Ersteinvernahme an gesagt zu haben, von der Nachbarin beschuldigt worden zu sein, den Koran angezündet zu haben, aber habe sie dies nicht gemacht. XXXX sei ihr nicht persönlich bekannt, sie habe bloß im Fernsehen über sie gehört. Sie sei Schiitin, aber nicht gläubiger Muslim und wäre sie in Afghanistan von den Eltern zum Besuch der Moschee gezwungen worden, so die BF.

 

Auf Nachfrage gab sie bei der Niederschrift vor der belangten Behörde an, dass sie aufgrund der Volksgruppe keine Verfolgung erlitten habe, "aber weil ich Moslem/Schiit war, auf jeden Fall."

Erst auf Nachfrage ob ihre Eltern wegen der Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion in Afghanistan verfolgt worden wären, brachte sie eine Verfolgung der Eltern vor: "Sie hatten immer mit den Sunniten Probleme".

 

Sie wolle Bankangestellte werden und habe in Afghanistan noch einen Onkel mütterlicherseits. In Österreich fühle sie sich wohl und habe hier erst erfahren, was Freiheit bedeute. Sie gab an, die Dolmetscherin gut verstanden zu haben. Sie fühle sich in Österreich integriert und sicher und in Afghanistan seien die Frauen wie Sklaven. Jedermann könne sich leicht eine Frau kaufen und sie wollte nie wie diese Frauen in den. Ihr Ehemann sei ein toleranter Mensch und lasse ihr auch ihre Freiheit, deshalb fühle sie sich in Österreich wohl. Sie habe einen Rechtsberater namens XXXX und war dieser laut Niederschrift vom 8.9.2016 bei der Einvernahme vor der belangten Behörde anwesend. Diese Niederschrift trägt auf der 7. Seite direkt über der Unterschrift der BF1 die Anmerkung "Die VP möchte das Länderinformationsblatt nicht. Außerdem wird auf die zweiwöchige Stellungnahmefrist verzichtet."

 

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 7.2.2017 wurde der Antrag der BF1 auf internationalen Schutz vom 28.6.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status der subsidiären Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 7.2.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

 

7. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob die BF1 fristgerecht Beschwerde durch ihren damaligen Rechtsvertreter Verein ZEIGE und führte darin im Wesentlichen unrichtige rechtliche Beurteilung aufgrund von Ignorieren des Parteivorbringens, Erhebungs- und Feststellungsmängel, Begründungsmangel und Verkennen der Sachlage sowie unrichtige rechtliche Beurteilung hinsichtlich Spruchpunkt I, ins Treffen.

 

Moniert wurde die Unglaubwürdigkeitsunterstellung zu den Fluchtgründen, welche in keinem Zusammenhang mit dem fluchtauslösenden Vorbringen stünden. Die belangte Behörde habe das Parteivorbringen hinsichtlich die Situation von Frauen in Afghanistan ignoriert und handle es sich bei der BF1 um eine Frau mit fortschrittlich westlicher Orientierung, welche nicht bereit sei, die Einschränkungen der den Frauen in Afghanistan auferlegten Einschränkungen hinzunehmen. Frauen welche aus dem Ausland nach Afghanistan zurückkehren würden, würden in Afghanistan ein bestimmtes Profil aufweisen und daher zu einer besonders gefährdeten Risikogruppe zählen, da diesen unterstellt würde, soziale und religiöse Normen zu überschreiten. Die BF1 wäre in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt, da sie dort als eine soziale und religiöse Normen überschreitende Frau wahrgenommen werden würde. Es wurde beantragt den Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen und in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur nochmaligen Abhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen.

 

Zusammengefasst wurde wiederholt, dass die BF1 nicht einen Koran verbrannt, sondern bloß eine einzige Seite herausgerissen habe und sie für den Fall der Rückkehr die Todesstrafe befürchte. Die BF1 habe auch auf die Situation der Frauen in Afghanistan geltend gemacht, diese würden "wie Sklaven behandelt" werden und umso mehr wisse die BF1 die Freiheit in Österreich zu schätzen, da sie hier alleine aus dem Haus gehen dürfe, sie wolle sich weiterbilden und studieren und Bankangestellte werden. Sie habe am 20.1.2016 religiös in Traiskirchen XXXX geheiratet. Dieser unterstütze ihren Bildungseifer und ihre Eigenständigkeit.

 

Die BF1 stellte daher die Anträge eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide zu beheben und den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

 

8. Laut Geburtsurkunde des Standesamtes Wien-Favoriten, Zahl: XXXX , gebar die BF1 am XXXX die Zweitbeschwerdeführerin XXXX (BF2). Dieser wurde mit Bescheid vom 1.8.2017 gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG bis zum 1.8.2018 erteilt. Mit Schriftsatz vom 5.9.2017 wurde gegen die Nicht-Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten die Beschwerde eingebracht und wurde moniert, es wäre von der belangten Behörde die über sehr wenig Schulbildung und schon gar keine juristische Bildung verfügende BF1 nicht ausreichend manuduziert worden, ob sie für die minderjährige BF2 GFK-relevante Fluchtgründe vorbringe. Es handle sich bei der BF2 um ein Mädchen und eine Tochter einer Mutter, die die in Afghanistan vorherrschenden frauendiskriminierenden konservativ-islamischen Regeln nicht akzeptiert und hätte die BF1 bei entsprechender Manuduktion vorgebracht, dass die BF2 so von geschlechtsspezifischer Gewalt und schädlichen traditionellen Praktiken betroffen sein würde, sodass die Schwelle der Verfolgung iSd GFK erreicht ist. Überdies seien die im Bescheid angeführten Länderberichte mangelhaft und wäre die belangte Behörde aufgrund des Alters und Geschlechts der BF2 iVm ihrer Staatsbürgerschaft verpflichtet gewesen amtswegig Berichte zur Situation von Mädchen mit dem Profil der BF2 einzuholen um beurteilen zu können, ob im gegenständlichen Fall GFK-relevante Fluchtgründe vorliegen.

 

Weiters wird mangelhafte Beweiswürdigung moniert und wird darauf hingewiesen, dass laut Rechtsprechung des VwGH eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten verlangt, verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

 

Es wird weiters inhaltliche Rechtswidrigkeit moniert infolge nicht vorgenommener gesonderter Prüfung des Antrags der BF2. Für die BF2 wurde die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe als Ursache eines drohenden asylrelevanten Eingriffs in die vom Staat zu schützende Sphäre vorgebracht, sodass dies zur Flüchtlingseigenschaft iSd GFK führen würde, so die Beschwerde betreffend die BF2. Es bestehe für die BF2 ein Verfolgungsrisiko wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Kinder und insbesondere Mädchen und würde sie in Afghanistan als Tochter ihrer Mutter und als in Europa geborene als verwestlichte und unislamische Person wahrgenommen werden und wäre aufgrund ihrer westlichen Orientierung und damit aus Gründen der unterstellten politischen Gesinnung asylrelevanten Gefahren ausgesetzt.

 

Die Beschwerde der BF2 samt dem zugehörigen Fremdakt langte beim Bundesverwaltungsgericht am 15.9.2017 ein.

 

9. Die Beschwerde der BF1 samt dem entsprechenden Verwaltungsakt langte am 15.9.2017 durch Vorlage der belangten Behörde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Fremdakt einliegend sind Kursbesuchsbestätigungen und ein Schreiben der XXXX vom 17.6.2016, ein Schreiben der Lehrerin XXXX der XXXX in 1160 Wien, eine Schulnachricht der Neuen Mittelschule Koppstraße 2 in 1160 Wien, aus Jänner 2016 (alle Gegenstände: nicht beurteilt) und eine Schulbesuchsbestätigung der der XXXX in 1160 Wien vom 14.6.2016.

 

10. Am 31.8.2017 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung mit der BF1 durchgeführt. Die BF1 wurde zu Beginn nach den ersten Übersetzungen des Dolmetsch für die Sprache Dari gefragt, ob sie den Dolmetsch bisher verstanden habe und bejahte sie dies. In der Verhandlung wurde die BF1 gefragt, was sie sich für die Zukunft der BF2 vorstellen und was sie sich für die BF2 wünsche und wurde daher von der BF1 auch für die minderjährige BF2 ein Vorbringen erstattet, nämlich dass sie sich wünsche, dass diese die Freiheit habe, die die BF1 nicht gehabt habe und in Zukunft den Beruf einer Richterin oder einer Ärztin ergreifen werde.

 

Die BF1 wurde mit dem Hinweis auf ihre Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylG und ihr Aussageverweigerungsrecht hingewiesen von der erkennenden Richterin aufgefordert, welche Fluchtgründe sie habe. Die BF1 wurde ersucht die Wahrheit anzugeben, nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen und darüber belehrt, dass unrichtige Angaben bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind. Hingewiesen wurde auch darauf, dass auch mangelnde Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist.

 

Die BF1 gab an am 16.12.1997 in Afghanistan in der Stadt Herat geboren zu sein und der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören. Ihre Eltern würden Gulam Sakhy und Kanomol heißen.

 

Sie habe zwei Jahre lang eine Koranschule besucht und vor ca. zweieinhalb Jahren habe ein Mädchen namens XXXX den Koran angezündet. Damals habe die BF1 in XXXX in Herat in der Straße XXXX gelebt. Die Nachbarin XXXX sei zu ihnen (die Schwester der BF1 namens XXXX und eine Tochter des Onkels mütterlicherseits seien ebenso anwesend gewesen) nach Hause gekommen in den Hof. Auf Nachfrage ob sie ein gläubiger Muslim sei, verneinte sie dies.

 

Die Nachbarin habe das Mädchen XXXX beschimpft und schlecht über diese gesprochen. Die BF1 wäre darüber sehr böse geworden, sie habe die Angelegenheit mit XXXX im Fernsehen gesehen und führte sie aus:

"Ich habe einen Koran genommen und mein Ziel war nicht eine Seite herauszureißen". Sie habe eine Seite herausgerissen und gesagt, wenn man eine Seite aus dem Koran herausreißt, passiere nichts. Die BF1 führte in der Verhandlung weiter aus: " ich habe gesagt, nur weil sie eine Seite herausgerissen hat oder verbrannt hat muss sie deshalb nicht getötet werden." Die Nachbarin sei sofort laut geworden und habe gesagt, dass die BF1 den Koran angezündet hätte. Die BF1 hätte dies verneint mit den Worten dass sie dies nicht getan sondern nur eine Seite herausgerissen habe. Die Mutter habe versucht die Nachbarin zu beruhigen, sodass andere Nachbarn es nicht mitbekommen. Die BF1 sei schnell in ihr Zimmer geeilt und sie sei so durcheinander gewesen und sofort zu ihrem Onkel mütterlicherseits gegangen. Die Mutter habe den Vater informiert und die Eltern seien zum Onkel mütterlicherseits gekommen, der Vater habe mit dem Onkel gesprochen und gesagt, sie sollten so schnell wie möglich in den Iran gehen zur Tante väterlicherseits. Der Vater habe die Beschwerdeführerin und die Mutter in den Iran geschickt. Vom Iran aus sei die BF1 dann nach Europa gegangen.

 

Es handle sich bei einer Seite des Korans um ein Stück Papier und man müsse deshalb nicht jemanden töten oder getötet werden, nur weil eine Seite angezündet oder herausgerissen wurde, so die BF1.

 

Die Nachbarin habe der BF1 unterstellt, dass sie den Koran beleidigt habe, den Islam und die Muslime und solle die BF1 dafür bestraft werden.

 

Afghanistan sei wie ein Gefängnis gewesen, afghanische Frauen müssen zu Hause bleiben und eine Burka tragen und in Österreich habe sie sofort mit der Schule begonnen, dies gehe jetzt nicht mehr, da sie ein Kind habe. Sie habe einen Deutschkurs besucht und habe momentan Pause. Sie habe Wünsche gehabt als sie klein war, sie wollte damals die Schule besuchen und etwas erreichen, aber habe die Möglichkeiten nicht gehabt. Sie lebe hier in Freiheit und wolle arbeiten und etwas lernen und erreichen, was sie verpasst habe. Sie wolle dies auch für ihr Kind erreichen. Es wäre ihre Bestrafung gewesen eine Frau zu sein, da sie ohne Begleitung ihres Vaters das Haus nicht habe verlassen dürfen.

 

Auf Nachfragen bejahte sie die Frage, ob sie den Dolmetscher vor dem Bundesverwaltungsgericht sehr gut verstanden habe. Sie gab an vollkommen gesund zu sein und auf die Nachfrage, ob sie alle Fluchtgründe erzählt habe oder ob sie bedroht worden wäre wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und ihres Religionsbekenntnisses, gab sie an: "ich war immer zu Hause, ich war sehr klein. Es hat keine Bedrohungen gegeben."

 

Die Frage ob sie in Afghanistan Probleme mit Behörden, dem Gericht oder der Polizei gehabt hätte, verneinte sie. Die Frage wie die Leute in ihrer Nachbarschaft erfahren hätten, dass sie eine Seite aus dem Koran herausgerissen habe, beantwortete sie mit "über die Nachbarin". Diese sei eine Frau gewesen, welche alles hörte und von einem Haus zum anderen gebracht habe.

 

Hier in Österreich vereinbare sie telefonisch Termine betreffend Wohnungsbesichtigung, da sie und ihre Familie auf Wohnungssuche seien und gab sie in deutscher Sprache klar und flüssig wieder, mit welchem Wortlaut sie eine solche Wohnungsbesichtigung telefonisch vereinbart.

 

Sie sei sehr glücklich und sehr froh, hier zu sein und genieße sie ihre Freiheit. Sie habe sich ihren Ehemann selbst ausgesucht und beschrieb sie, dass sie in Österreich Freunde treffe, nicht religiös sei und sich für die Zukunft ihrer Tochter wünsche, dass diese in Freiheitsliebe und in Zukunft Richterin oder Ärztin werde. Befragt ob sie sich anziehe, wie sie möchte, gab sie an, dass ihr Mann gesagt habe, dass sie sich anziehe könne wie sie möchte.

 

Befragt nach dem Länderbericht, welcher ihr mit der Ladung übermittelt wurde, gab sie an, diesen teilweise gelesen zu haben und gehe daraus hervor, dass Kampfhandlungen in Kandahar und Kabul stattgefunden hätten. Sie sprach sich auf Nachfrage nicht dagegen aus, dass die Richterin die Länder Feststellungen ihrer Entscheidung zugrunde legen werde. Sie bestätigte, den Dolmetscher gut verstanden zu haben.

 

Die Vertreterin beantragte die Gewährung von Asyl mit dem Hinweis darauf, dass der BF1 der Abfall vom Islam unterstellt würde und sich das Ereignis mit dem herausreißen einer Seite aus dem Koran über die Nachbarin in ihrer Herkunftsregion herumgesprochen habe und davon auszugehen sei, dass dieser Umstand nicht in Vergessenheit geraten sei und der BF1 auch heute noch Sanktionen für dieses Verbrechen iSd islamischen Gesetze drohe. Abweichungen im Fluchtvorbringen zwischen der polizeilichen Erstbefragung und den sonstigen Angaben könne die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens nicht schlüssig begründen, da der polizeilichen Erstbefragung faktisch eine geringere Beweiskraft zukomme aufgrund der besonderen Situation bei polizeilicher Erstbefragung. Im Zeitpunkt der Erstbefragung sei die BF1 minderjährig gewesen und verweise die Vertreterin auf das Judikat des VwGH vom 27.6.2012, U98/12. Abgesehen vom fluchtauslösenden Ereignis wäre der BF1 Asyl zu gewähren aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe afghanischer Frauen, die in ihrer Lebensweise ihre an Grundrechten und Frauenrechten orientierte Einstellung zum Ausdruck bringen. Diese Einstellung sei Teil der Identität der BF1 und könne deswegen nicht zugemutet werden sich erneut den Frauen diskriminierenden Regeln in Afghanistan unterzuordnen. Als eine solche Frau drohe ihr Verfolgung durch weite Teile der nach wie vor mehrheitlich konservativ geprägten afghanischen Gesellschaft. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht gegeben, da sich die Situation in ganz Afghanistan derart gestaltete und afghanische Behörden die BF1 gegen diese Verfolgung nicht schützen könnten oder wollten und verwies sie zur näheren Begründung auf ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts aus der Geschäftsabteilung der erkennenden Richterin, nämlich W264 2139649 vom 25.7.2017.

 

Neue Aspekte oder Belege zur Identität oder zu den Fluchtgründen brachten sowohl die BF1 als auch deren Vertreterin nicht in das Verfahren ein.

 

11. Betreffend den Ehemann XXXX wurde vor dem BVwG zu Zahl

 

XXXX ein Verfahren geführt und geht aus dem zugehörigen Erkenntnis vom 12.6.2017 hervor, dass der Ehemann der BF1 vom Landesgericht Wiener Neustadt im März 2016 rechtskräftig verurteilt wurde. Der Verurteilung lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach der Ehemann der BF1 seiner Schwester in Österreich eine mit einer Drohung versehene SMS geschickt habe, in der er der Schwester angedroht habe, sie zu schlagen wenn sie ihn begegne, da seine Schwester ihren Ehegatten betrogen habe.

 

Betreffend den als in Salzburg lebenden Bruder genannten XXXX alias XXXX , XXXX , wurde durch Einsichtnahme in den Asylgerichtshofakt XXXX , erhoben, dass XXXX alias XXXX wie die BF als Herkunftsprovinz Herat, als Volksgruppe Tadschike und als Religionszugehörigkeit Schiit angab. Als seine Eltern gab er XXXX (Vater) und XXXX (Mutter) an. Die Angaben zu den Eltern decken sich mit jener der BF, allerdings ist zu beachten, dass in seinem Akt bloß die – auch von der BF genannte – Schwester XXXX genannt ist.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen (Sachverhalt):

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

 

Die Identität der BF1 steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

 

Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrags auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und der Einvernahme der BF1, der bislang der belangten Behörde und dem Gericht vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und das ZMR, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem und den bezughabenden verwaltungsgerichtlichen Akt und den ZMR-Auszug betreffend den Ehemann XXXX , Zahl: XXXX , und in den Asylgerichtshof-Akt des als

Bruder genannten XXXX alias XXXX , Zahl: XXXX , werden folgende

Feststellungen getroffen und dieser Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

1.1. Zur Person der BF1:

 

1.1.1. Die BF1 ist Staatsbürgerin der Islamischen Republik Afghanistan aus der Volksgruppe der Tadschiken und schiitischen Glaubens. Die Erstbeschwerdeführerin ist am 16.12.1997 geboren und begehrte als mündige Minderjährige im Alter von 17,53 Jahren am 28.6.2015 nach unrechtmäßiger Einreise die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im österreichischen Bundesgebiet.

 

Die BF1 wurde in Griechenland nicht erkennungsdienstlich behandelt. die Fingerabdrücke genommen wurden.

 

Die BF1 stammt aus der Provinz Herat.

 

Sie ist verheiratet mit XXXX , geb. XXXX , und gebar am XXXX in Österreich das Kind XXXX .

 

Die BF1 lebt von der Grundversorgung und scheinen sie betreffend im Strafregister der Republik Österreich keine Vormerkungen auf.

 

Vor der Geburt ihres Kindes besuchte die BF1 die der XXXX in 1160 Wien.

 

Das von der BF1 dargelegte Verfolgungsvorbringen betreffend eine Gefährdung durch die Nachbarin XXXX , andere Personen in der Nachbarschaft oder andere Personen in Afghanistan aufgrund einer von der BF1 vorgenommenen Schändung des Korans, kann nicht festgestellt werden.

 

Die BF1 wurde in Afghanistan weder aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, noch aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder aufgrund dessen, dass sie eine Frau ist, verfolgt oder bedroht.

 

Die Erstbeschwerdeführerin hatte in Afghanistan auch nicht Probleme mit Polizei, Gericht oder einer Behörde.

 

1.2. Zur Person der BF2:

 

Die BF2 ist afghanische Staatsbürgerin und wurde am 3.3.2017 von der BF1 in Österreich geboren.

 

Die BF2 ist eine unmündige Minderjährige.

 

Der Vater der BF2 ist XXXX .

 

1.2.2. Zu den Fluchtgründen der BF2:

 

Die BF2 ist im März des Vorjahres in Österreich geboren und war noch nie in Afghanistan. Zu dem von der BF2 Vorgebrachten betreffend "Mädchen und Tochter einer Mutter, die die in Afghanistan vorherrschenden frauendiskriminierenden konservativ-islamischen Regeln nicht akzeptiert" kann aufgrund dessen, dass nach Durchführung einer Verhandlung mit der BF1 hinsichtlich die BF1 nicht feststellbar war, das diese tatsächlich als eine Frau die – wie von der Rechtsvertretung vorgebrachten frauendiskriminierenden konservativ-islamischen Regeln nicht akzeptiert, nicht festgestellt werden, dass der BF2 aus einem solchen Grunde die Gefahr der Verfolgung iSd § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF2 im Falle der Rückkehr nach Afghanistan allein aus der Eigenschaft eines minderjährigen Mädchens heraus die Gefahr der Verfolgung iSd § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

1.3. Zu den Fluchtgründen der BF1:

 

Zu dem von der BF1 Vorgebrachten betreffend "Flüchtlingseigenschaft aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen" kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 aufgrund des Geschlechts die Gefahr der Verfolgung iSd § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret den Beschwerdeführerinnen im Falle der Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr der Verfolgung iSd § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Das von der BF1 dargelegte Verfolgungsvorbringen betreffend eine Gefährdung durch die Nachbarin XXXX , andere Personen in der Nachbarschaft oder andere Personen in Afghanistan aufgrund einer von der BF1 vorgenommenen Schändung des Korans, wurde nicht glaubhaft gemacht.

 

Die BF1 hat Afghanistan verlassen, um in Europa bessere Lebensbedingungen vorzufinden.

 

Die BF1 wurde in Afghanistan weder aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, noch aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder aufgrund dessen, dass sie eine Frau ist, verfolgt oder bedroht.

 

Die Erstbeschwerdeführerin hatte in Afghanistan auch nicht Probleme mit Polizei, Gericht oder einer Behörde.

 

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil – der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

 

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

 

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

 

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen – in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle

 

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. – 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen – zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

 

Zivilist/innen

 

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren – führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer – speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

 

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

 

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen – in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

 

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

 

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

 

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(Guardian 7.11.2017)

 

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh – Atta Noor – zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

 

Interreligiöse Angriffe

 

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

 

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt – hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

 

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen – hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

 

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

 

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann – dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter Nunhohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

 

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Taliban

 

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen – was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

 

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen – in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen – dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

 

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich – laut afghanischen Beamten – ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

 

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar – in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

 

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

 

Politische Entwicklungen

 

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

 

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" – er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

 

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

 

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

 

Politische Lage

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

 

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9 .2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017).

 

Parlament und Parlamentswahlen

 

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9 .2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

 

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

 

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

 

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9 .2016).

 

Parteien

 

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

 

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9 .2016).

 

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

 

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9 .2016).

 

Friedens- und Versöhnungsprozess:

 

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9 .2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

 

Herat

 

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

 

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran – speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

95

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

197

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

41

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

144

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

15

Andere Vorfälle

4

Insgesamt

496

  

 

Im Zeitraum 1.9.2015

– 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

 

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

 

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

 

Tadschiken

 

Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Die Tadschiken machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (GIZ 1.2017). Der Name t?jik (Tadschike) bezeichnete sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Der Hauptführer der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist. Er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war. Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015).

 

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Religionsfreiheit

 

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

 

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

 

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

 

Blasphemie – welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

 

Frauen

 

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9 .2016).

 

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

 

Bildung

 

Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung – auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004).

 

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).

 

Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 – 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren

63.911 Frauen (CSO 2016).

 

Frauenuniversität in Kabul

 

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vgl. auch:

MORAA 31.5.2016).

 

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vgl. auch:

University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

 

Berufstätigkeit

 

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9 .2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vgl. auch: AF 7.12.2016).

 

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

 

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

 

Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).

 

Frauen im öffentlichen Dienst

 

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9 .2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).

 

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women‘s Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9 .2016).

 

Frauen in den afghanischen Sicherheitskräften

 

Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u.a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti-Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden. Dieses ist allerdings bisher noch nicht geschehen (AA 9 .2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016). Laut Verteidigungsministerium werden derzeit 400 Frauen in unterschiedlichen Bereichen des Verteidigungsministeriums ausgebildet: 30 sind in der nationalen Militärakademie, 62 in der Offiziersakademie der ANA, 143 in der Malalai Militärschule und 109 Rekrutinnen absolvieren ein Training in der Türkei (Tolonews 28.1.2017).

 

Im Allgemeinen verbessert sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte, bleibt aber weiterhin fragil. Der Schutz von Frauenrechten hat in größeren städtischen Gegenden, wie Kabul, Mazar-e Sharif und in der Provinz Herat, moderate Fortschritte gemacht; viele ländliche Gegenden sind extrem konservativ und sind aktiv gegen Initiativen, die den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern könnte (USDOD 6.2016).

 

Auch wenn die Regierung Fortschritte machte, indem sie zusätzliche Polizistinnen rekrutierte, erschweren kulturelle Normen und Diskriminierung die Rekrutierung und den Verbleib in der Polizei (USDOS 13.4.2016).

 

Teilnahmeprogramme für Frauen in den Sicherheitskräften

 

Initiiert wurde ein umfassendes Programm zur Popularisierung des Polizeidienstes für Frauen (SIGAR 30.7.2016; vgl. auch: Sputnik News 5.12.2016). Dies Programm fördert in verschiedenster Weise Möglichkeiten zur Steigerung der Frauenrate innerhalb der ANDSF (SIGAR 30.7.2016). Das afghanische Innenministerium gewährte im Vorjahr 5.000 Stellen für Frauen bei der Polizei, diese Stellen sind fast alle noch immer vakant (Sputnik News 5.12.2016; vgl. auch:

SIGAR 30.7.2016). Eines der größten Probleme ist, dass sowohl junge Mädchen als auch Ehefrauen in ihren Familien nichts selbständig entscheiden dürften (Sputnik News 5.12.2016). Die afghanische Nationalpolizei schuf zusätzlich neue Posten für Frauen – womit sich deren Zahl auf 5.969 erhöhte; 5.024 dieser Posten sind innerhalb der afghanischen Nationalpolizei, 175 in Gefängnissen und Haftanstalten, sowie 770 zivile Positionen (SIGAR 30.7.2016). Im Juni 2016 verlautbarten die Behörden in Kabul, bis März 2017 die Polizei mit 10.000 neuen Stellen für weibliche Polizeikräfte aufzustocken. Die Behörden möchten der steigenden Gewalt gegen Frauen in Afghanistan entgegentreten und effektiver gegen die Terrorbedrohung und den Drogenhandel im Land vorgehen (Sputnik News 14.6.2016).

 

Seit fast einem Jahrzehnt schaffen afghanische Behörden massiv Arbeitsstellen für Frauen bei der Polizei und versuchen alljährlich den Frauenanteil zu erhöhen. Das dient vor allem dazu, den Afghaninnen Schutz zu gewähren. Wenn Verdächtigte und mutmaßliche Verbrecher Frauen seien, werden Polizistinnen bevorzugt. Allerdings haben Beamtinnen wegen ihres Polizeidienstes öfter Probleme mit ihren konservativen Verwandten (Sputnik News 14.6.2016). Im Arbeitskontext sind Frauen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen: so sind z. B. Polizistinnen massiven Belästigungen und auch Gewalttaten durch Arbeitskollegen oder im direkten Umfeld ausgesetzt (AA 9 .2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Strafverfolgung und Unterstützung

 

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9 .2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9 .2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9 .2016)

 

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9 .2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans rauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).

 

Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9 .2016).

 

Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9 .2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen – inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9 .2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9 .2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW–Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65% der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5% strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).

 

Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul (USDOS 13.4.2016). Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurde Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren (USDOS 13.4.2016). Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: UNAMA 4.2015).

 

Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation (USDOS 13.4.2016).

 

Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission – AIHRC), veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 – März 2015), was eine Reduzierung von 13% gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67% der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60% wurden verurteilt und bestraft (USDOS 13.4.2016).

 

Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).

 

Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9 .2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).

 

Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

 

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9 .2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt – in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).

 

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9 .2016).

 

Ehrenmorde

 

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).

 

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).

 

Frauenhäuser

 

USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab (USDOS 13.4.2016).

 

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden (AA 9 .2016).

 

Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 13.4.2016).

 

Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).

 

Medizinische Versorgung – Gynäkologie

 

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 9 .2016).

 

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 9 .2016)

 

Kinder

 

Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Mädchen waren unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen (AA 9 .2016). Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen (USAID 19.12.2016). Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Aber auch geografisch gibt es Unterschiede. Den geringsten Mädchen-Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (AA 9 .2016).

 

Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 9 .2016).

 

Kinderarbeit

 

Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest, erlaubt 14 -Jährigen als Lehrlinge zu arbeiten, sowie 15-Jährigen (und älter) "einfache Arbeit" zu verrichten. Ebenso dürfen 16- und 17-Jährige bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. Unter 14-Jährigen ist es unter gar keinen Umständen erlaubt zu arbeiten. Das Arbeitsgesetz verbietet die Anstellung von Kindern in Bereichen, die ihre Gesundheit gefährden. In Afghanistan existiert eine Liste, die gefährliche Jobs definiert - dazu zählen:

Arbeit in Bergbau, Betteln, Abfallentsorgung und Müllverbrennung, arbeiten an Schmelzöfen, sowie großen Schlachthöfen, arbeiten mit Krankenhausabfall oder Drogen, arbeiten als Sicherheitspersonal und Arbeit im Kontext von Krieg (USDOS 13.4.2016).

 

Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert. Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten. Dennoch haben im Jahr 2014 laut AIHRC (Children’s Situation Summary Report vom 14. Dezember 2014) 51,8% der Kinder auf die ein oder andere Weise gearbeitet. Viele Familien sind auf die Einkünfte, die ihre Kinder erwirtschaften, angewiesen. Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z. B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen dieser gesetzlichen Regelungen. 6,5 Millionen Kinder gelten als Gefahren ausgesetzt (AA 9 .2016). Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien (USDOS 13.4.2016).

 

Kinderarbeit bleibt ein tiefgreifendes Problem. Das Arbeitsministerium verweigerte Schätzungen zu den Zahlen der arbeitenden Kinder in Afghanistan und begründete dies mit fehlenden Daten und Mängeln bei der Geburtenregistrierung. Dies schränkte, die ohnehin schwachen Kapazitäten der Behörden bei der Durchsetzung des Mindestalters für Arbeit ein. Berichten zufolge, wurden weniger als 10% der Kinder bei Geburt registriert. In einem Bericht der AIHRC, gaben 22% der Befragten an, arbeitende Kinder zu haben. Kinder sind bei der Arbeit einer Anzahl von Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt; Berichte existieren wonach Kinder sexuellem Missbrauch durch erwachsene Arbeiter ausgesetzt waren (USDOS 13.4.2016).

 

Das Gesetz besagt, dass die Verhaftung eines Kindes als letztes Mittel und nur für die kürzest mögliche Zeit vorgenommen werden soll. Berichten zufolge mangelt es Kinder in Jugendhaftanstalten landesweit an Zugang zu adäquatem Essen, Gesundheitsvorsorge und Bildung. Verhafteten Kindern wurden oftmals Basisrechte wie z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, oder das Recht auf Information über die Haftgründe usw., sowie das Recht nicht zu einem Geständnis gezwungen zu werden, verwehrt. Das Gesetz sieht eine eigene Jugendgerichtsbarkeit vor, limitierte Ressourcen ermöglichten bisher aber nur Jugendgerichte in sechs Gebieten: Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Jalalabad und Kunduz. In anderen Provinzen, in denen keine speziellen Gerichte existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte. In manchen Fälle nahmen die Behörden die Opfer, als zu bestrafende wahr, da sie Schande über die Familie gebracht haben, indem sie Missbrauch anzeigten. In manchen Fällen wurden misshandelte Kinder von den Behörden verhaftet, wenn sie nicht zu ihren Familien zurückgebracht werden konnten und keine anderen Zufluchtsstätten existierten. Auch gab es Vorwürfe wonach die Behörden Kinder oft stellvertretend für verwandte Täter verhafteten (USDOS 13.4.2016).

 

Bildungssystem in Afghanistan

 

In Afghanistan gibt es zwei parallele Bildungssysteme. Religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet. Im Alter von 7 bis 13 Jahren gehen die Schüler in die Primärschule. Darauf folgen 3 Jahre Mittelschule. Studieninteressenten müssen am Ende dieses Abschnitts ein Examen bestehen. In der Sekundarschule haben die Schüler/innen die Wahl entweder für 3 weitere Jahre den akademischen Weg einzuschlagen, welcher weiter zur Universität führen kann; oder Themen wie angewandte Landwirtschaft, Luftfahrt, Kunst, Handel etc. zu lernen. Beide Programme enden mit einem "Bacculuria"-Examen. Aus- und Weiterbildung: Bildungseinrichtungen umfassen auch Berufsschulen, technische Hochschulen und tertiäre Institute wie das Kabul Polytechnic Institute. Viele Einrichtungen, unter der Leitung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, bieten Trainings an. Auch das Ministerium für Bildung betreibt eine Abteilung für Weiterbildung (41 Schulen), die Unterstützung bieten. Diese fokussieren sich hauptsächlich auf Mechanik, Tischlerei, Sanitär, Metallarbeiten, Friseur, Schneiderei und Bürotätigkeiten. Öffentliche Schulen und Kindergärten sind bis zum Universitätslevel kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten müssen bezahlt werden.

Kinderbetreuung: Es gibt einige staatlich finanzierte und verwaltete Kindergärten. Diese gewähren Kindern von Mitarbeiter/innen kostenfreien Zugang (IOM 2016).

 

Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt (AA 9 .2016).

 

Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 betreffend Risikogruppen:

 

"Risikogruppen

 

Laut UNHCR können folgende Asylsuchende aus Afghanistan, abhängig von den im Einzelfall besonderen Umständen, internationalen Schutz benötigen. Diese Risikoprofile sind weder zwangsläufig erschöpfend, noch werden sie der Rangfolge nach angeführt:

 

(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;

 

(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;

 

(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Zusammenhang mit der Einberufung von Minderjährigen und der Zwangsrekrutierung;

 

(4) Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden;

 

(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;

 

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;

 

(7) Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

 

(8) Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;

 

(9) Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Beeinträchtigungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden;

 

(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

 

(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind;

 

(12) Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität;

 

(13) Angehörige gewisser Volksgruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten;

 

(14) An Blutfehden beteiligte Personen, und

 

(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie ihre Familienangehörigen)."

 

Bericht aus ORF-ON betreffend die von der BF1 erwähnte junge Frau:

 

Koran verbrannt? Psychisch kranke Frau in Kabul getötet

 

Ein Lynchmob hat in Kabul eine Frau geschlagen, getreten und angezündet. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, die Frau habe einen Koran verbrannt. Die Eltern der Frau sagten, ihre Tochter sei psychisch krank gewesen.

 

Gesicht und Hände sind in Blut getränkt, die Haare zerzaust, der Blick starr: die Bilder und Videos, die in den sozialen Netzwerken die Runde machen, zeigen die letzten Momente einer jungen Frau. Tausende Menschen hatten sich um sie versammelt, manche traten auf sie ein, andere schlugen sie mit Holzlatten oder warfen Steine auf sie. Die später als die 27-jährige Farkhunda identifizierte Frau, verbrannte in der Nähe der Schah-Do-Schamschira-Moschee im afghanischen Kabul angeblich einen Koran - der Grund für die Attacke des Mobs.

 

Fotos von brennender Leiche

 

Danach - auch das zeigen die Bilder - wurde die Frau verbrannt und in ein austrocknetes Flussbett geworfen. Die Polizei habe Mühe gehabt, die aufgebrachte - mehrheitlich männliche - Menschenmenge auseinanderzutreiben, sagte der Leiter der Kriminalpolizei von Kabul, Farid Afsali, am Donnerstag. Der Sprecher des Innenministeriums, Sedik Sedikki, bestätigte den Vorfall. Es seien Untersuchungen zum Hergang eingeleitet worden. Der Polizei wurde mitunter vorgeworfen, nicht genug unternommen zu haben, um den Vorfall zu verhindern. Fotos zeigen Polizisten neben dem brennenden Leichnam stehen.

 

Augenzeugen berichten

 

Vier Verdächtige seien festgenommen worden, sagten die afghanischen Sicherheitskräfte, laut Spiegel Online (Freitag). Die Eltern der Frau erzählten der Polizei, dass ihre Tochter schon seit 16 Jahren an einer psychischen Krankheit leide, hieß es dort weiter. "Wir haben den Vorfall gesehen. Sie hat den Koran verbrannt. Viele Menschen haben sich um den Platz versammelt und sie verbrannt", wird ein Augenzeuge am Freitag auf der Onlineseite des Radiosenders RFE/RL’s Radio Free Afghanistan zitiert.

 

Einige Leute hatten dabei "Allahu Akbar" ("God is groß") gerufen. Im Jahr 2012 hatten Berichte, wonach auf dem US-Stützpunkt Bagram mehrere Koran-Ausgaben verbrannt worden waren, zu tagelangen gewaltsamen Protesten in Afghanistan geführt. Rund 30 Menschen wurden dabei getötet.

 

religion.ORF.at/dpa, 20.3.2015

 

Quelle: http://religion.orf.at/stories/2700781/ (Zugriff am 17.1.2018)

 

Hunderte Afghanen bei Beerdigung von gelynchter Frau

 

Hunderte Afghanen haben heute an der Beisetzung einer jungen Frau teilgenommen, die wegen der angeblichen Verbrennung einer Ausgabe des Koran am Donnerstag von einem Mob in der Hauptstadt Kabul gelyncht worden war.

 

Obwohl zahlreiche Männer anwesend waren, wurde der Leichnam der 27-jährigen Farkhunda demonstrativ entgegen aller Gepflogenheiten von Frauen zu Grabe getragen, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. "Alluha akbar" (Gott ist groß), rief die Menge lautstark und forderte, die Mörder der Frau vor Gericht zu bringen.

 

Farkhunda war am Donnerstag nahe einer Moschee in Kabul von einer großen Menschenmenge zu Tode geprügelt worden. Ihre Leiche wurde anschließend in Brand gesteckt und in einen Fluss geworfen. Mehrere Polizisten sollen zugeschaut und nicht eingegriffen haben. Bisher wurden insgesamt 21 Menschen festgenommen, darunter acht Polizisten.

 

Die Menge hatte der Frau vorgeworfen, den Koran verbrannt zu haben. Nach Angaben der afghanischen Polizei und der Vereinten Nationen hatte sie zuletzt vier Jahre in psychiatrischer Behandlung verbracht.

 

ORF-ON am 22.03.2015

 

Quelle: http://orf.at/stories/2270127/ (Zugriff am 17.1.2018)

 

2. Beweiswürdigung:

 

Es liegen der Beweiswürdigung folgende maßgebliche Erwägungen zu der bei der Einreise in das Bundesgebiet im Alter von 17,53 Jahren unmündigen Minderjährigen und seit dem 16.12.2015 volljährigen BF1 zu Grunde:

 

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Fremdakts der belangten Behörde, den unter I.8. und unter II.1. genannten Aktenteile.

 

2.2. Bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen ist laut ständiger Rechtsprechung des VwGH immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylbewerbers einzugehen, nicht aber auf die allgemeinen politischen Verhältnisse allein.

 

Die unter II.1.1. getroffenen Feststellungen zur Person der BF1 fußen auf ihren diesbetreffend als glaubhaft anzusehenden Angaben zu ihrer Person sowie die von der BF1 im Verfahren vor der belangten Behörde und dem Gericht vorgelegten Dokumente und hinsichtlich des Kindes XXXX auf deren Geburtsurkunde. Die Negativfeststellung der Fingerabdruckabnahme in Griechenland basiert auf dem im Fremdakt einliegenden negativen Ergebnisbericht zum Eurodac-Abgleich vom 28.6.2015, wonach keine Übereinstimmungen gefunden wurden. Das European Dactyloscopy-System (Eurodac) wird verwendet, um mittels Vergleich gespeicherter Fingerabdrücke zu prüfen, ob ein Asylbewerber/ eine Asylbewerberin in einem anderen Mitgliedstaat bereits Asyl beantragt hat.

 

Vor diesem Hintergrund geht die zur Entscheidung berufene Richterin aufgrund des in der Verhandlung persönlich gewonnenen Eindrucks und den Angaben der BF1 im Verfahren bisher und in der Verhandlung davon aus, dass der BF1 hinsichtlich das Fluchtvorbringen keine Glaubwürdigkeit zukommt:

 

Zu dem von ihr behaupteten mit einer schändlichen Behandlung des Korans im Zusammenhang stehenden Fluchtgrund ist zu sagen, dass die BF1 sich vor der belangten Behörde und dem Gericht als nicht gläubig bezeichnete und die Moschee nur besucht zu haben, da es ihre Eltern gewollt hätten. Dass eine vernunftbegabte mündige Minderjährige, welche in einem Elternhaus, wo auf den Besuch der Moschee Wert gelegt wurde, sozialisiert wurde (all diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdeführerin), den Koran vor den Augen Dritter schändlich behandelt, ist nahezu ausgeschlossen. Noch dazu, wo es sich laut Angabe der BF1 bei der Nachbarin XXXX um eine solche Person handelte, welche von Haus zu Haus ging und Wahrgenommenes weitergab. Der BF1 hätte doch aus ihren bisherigen Wahrnehmungen um die Nachbarin heraus bewusst sein müssen, dass die Nachbarin dies weiter verbreiten würde. Überdies schilderte die BF1 das die als die Flucht auslösend behauptete Ereignis nicht gleichbleibend und daher nicht stringent:

 

Bei der Erstbefragung gab sie an, dass sie "mit Freundinnen" "ebenfalls [iSv wie Farkhonda] einen Koran anzündete" und dass sie einen Koran angezündet hätte gab sie auch bei der Frage was sie für den Fall der Rückkehr befürchte zu Protokoll: "Den Tod da ich den Koran angezündet habe".

 

Das BVwG lässt hier die in der Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts bereits aufgezeigten Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung, die sich nach § 19 Abs 1 AsylG nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, sondern zunächst die Fluchtroute erheben soll, nicht unberücksichtigt, sondern reflektiert, dass die Beschwerdeführerin, welche bei der Erstbefragung angab, sich nun sicher zu fühlen, bereits in der Erstbefragung eine Schändung des Korans als Fluchtgrund vorbrachte.

 

Auch wenn sie nach eigenen Angaben vor Gericht bei der Erstbefragung "das nicht gut verstanden" habe, da es ihr nicht gut gegangen wäre aufgrund der extremen Müdigkeit von der Reise, ist zu beachten, dass sie bei der Erstbefragung angab, sich nun sicher zu fühlen. Daher ist es nicht nachvollziehbar, warum sie in einer für sie sicheren Atmosphäre einer allfälligen falschen Protokollierung des Dreh- und Angelpunktes ihres Fluchtvorbringens (nämlich welcher Art der behauptete schändliche Umgang mit dem Koran es war – ob verbrannt oder eine Seite herausgerissen) am Ende des Protokolls nach der Rückübersetzung nicht mit dem Begehren um Korrektur entgegentrat. Dies ist auch in Zusammenschau mit ihrer Angabe vor der belangten Behörde am 8.9.2016 nicht nachvollziehbar, wo sie die Frage, ob sie bei der Ersteinvernahme die Wahrheit gesagt habe und eine Rückübersetzung stattfand und ob alles korrekt protokolliert wurde, angab: "ich habe die ganze Wahrheit gesagt. Es wurde auch rückübersetzt."

 

Da die BF1 in der Erstbefragung zweimal von "Verbrennen des Korans" durch ihre Person sprach und dies infolge der Verneinung der Frage nach Verständigungsproblemen nach der Rückübersetzung nicht auf die im späteren Verfahren vorgebrachte Behandlungsart "Herausreißen einer Seite" korrigierte und überdies zunächst von der Anwesenheit von "Freundinnen" sprach, am 8.9.2016 keine Angaben darüber machte und vor dem Gericht von der Anwesenheit von "Schwester und Tochter des Onkels mütterlicherseits" sprach und somit ein wesentliches Detail, nämlich die ihrer Familie zugehörigen Zeugen, welche belegen hätten können, dass sie bloß eine Seite herausgerissen und den Koran nicht verbrannt habe – wenn es sich so zugetragen hätte – nicht gleichbleibend erzählt, geht die erkennende Richterin davon aus, dass die BF1 die von ihr dargestellte Fluchtgeschichte nie selbst erlebt hat.

 

Ihren Umgang mit dem Koran schilderte sie vor der belangten Behörde am 8.9.2016 so, dass sie den Koran im Beisein ihrer Nachbarin XXXX so behandelt hätte, dass sie eine Seite herausgerissen hätte, um zu beweisen, dass dann nichts geschehe, weil diese auf das Mädchen Farkhonde schimpfte. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dieses Vorbringen insoweit ausgeschmückt, als sie angab, dass zusätzlich ihre Schwester Maryam und eine Tochter des Onkels mütterlicherseits anwesend gewesen wären. Die Version, wie sie sich der wütenden Nachbarin entzog, schilderte die BF1 auch nicht gleichbleibend: Vor der belangten Behörde am 8.9.2016 brachte sie vor, dass sie von ihrer Mutter vor der Nachbarin durch Verbringung zum Onkel in Sicherheit gebracht worden wäre. Vor dem Gericht machte sie eine davon verschiedene Angabe, nämlich: "Ich bin schnell in mein Zimmer gegangen, bin geflüchtet. Ich war so durcheinander, ich bin sofort zu meinem Onkel mütterlicherseits gegangen. Meine Mutter hat meinen Vater informiert und die beiden sind zum Onkel mütterlicherseits gekommen." Damit schildert sie auch ihr Entrinnen vor der wütenden Nachbarin XXXX nicht gleichbleibend, sodass auch dies darauf schließen lässt, dass die BF1 die von ihr dargestellte Fluchtgeschichte nie selbst erlebt hat. Vor dem Hintergrund, dass die BF1 im bisherigen Verfahren und vor dem Gericht angab, nicht gläubig zu sein, erscheint es dem Gericht, dass es ihr ein Leichtes sei, eine Beschädigung einer Ausgabe des Korans zu behaupten.

 

Das Vorbringen der BF1 erweist sich für das Gericht in den entscheidenden Punkten als nicht plausibel und mit der Realität sowie den allgemeinen Verhältnissen in Afghanistan nicht vereinbar, um eine glaubhafte Verfolgung der BF1 aus der von ihr behaupteten Behandlung einer Ausgabe des Korans ableiten zu können.

 

Die Glaubwürdigkeit der BF1 wird dadurch erschüttert, dass sie bei der Erstbefragung angab, dass ihr in Griechenland Fingerabdrücke genommen worden seien und ist dies in Ermangelung der Erfassung von Fingerabdrücken ihrer Person in Eurodac nicht richtig.

 

Die BF1 bezeichnete den Ehemann bei der Einvernahme vor der belangten Behörde als tolerant. Dem und dem Vorbringen in der Beschwerde, dass der Ehemann die Eigenständigkeit und den Bildungswunsch der BF1 unterstützt ist entgegenzuhalten, dass damit in der Beschwerde etwas vorgebracht wird, dem das an den Tag gelegte Verhalten des Ehemanns entgegensteht: dieser ist rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt, weil er seiner Schwester per SMS körperliche Züchtigung wegen angeblichen Ehebruchs der Schwester angedroht hatte.

 

In der Beschwerde und auch von der BF1 selbst wird der Wunsch nach selbstbestimmten Leben mit dem Wunsch nach einer Ausbildung und Berufsausübung als Bankangestellte als "Frau mit fortschrittlich westlicher Orientierung" und der Zugehörigkeit zur besonders gefährdeten Risikogruppe "Frauen mit bestimmten Profilen" (Nummer

(7) der UNCR-Richtlinie vom 19.4.2016) ins Treffen geführt und in der Verhandlung auf eine in der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin ergangenen Entscheidung (W264 2139649 vom 25.7.2017) hingewiesen. Dazu ist zu sagen, dass es sich bei jeder Asylentscheidung um eine Einzelfallbetrachtung handelt und – verglichen mit der der ins Treffen geführten Entscheidung zugrunde liegenden Asylwerberinnen – es war ein Familienverfahren mit drei weiblichen BF – der persönliche Eindruck der XXXX ein vom persönlichen Eindruck der drei weiblichen BF des von der Rechtsvertreterin genannten Verfahrens verschiedener ist.

 

Nicht die Eigenschaft des Frau-Seins an sich führt in der Judikatur zur Gewährung von Asyl. Lediglich die Glaubhaftmachung einer persönlichen Wertehaltung, die sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert, wird als asylrelevant angesehen. Eine solche persönliche Wertehaltung vermag die BF1 nicht darzutun, zumal sie – auch wenn der Stil der ausgewählten Kleidung kein Kriterium für das Vorliegen einer westlichen Orientierung ausschlaggebend ist – vorbrachte, ihr Mann habe gesagt, dass sie sich anziehe könne wie sie möchte. Aus Sicht der erkennenden Richterin holt sich eine nach selbstbestimmtem Leben trachtende Frau nicht die Zustimmung des Ehegatten für die Kleidungswahl ein. Die BF1 ist erst seit dem 28.6.2015 in Österreich und verglichen mit diesem Zeitraum von zwei Jahren und nahezu 6 Monaten, lebte die nunmehr 20jährige BF1 die überwiegende Zeit ihres Lebens in ihrem Herkunftsstaat. Die BF1 vermochte eine westliche Orientierung nicht glaubhaft darzutun, sie hat kein Leben ohne Fremdbestimmung nach westlichen Normen in der Weise verinnerlicht, dass es ein solcher wesentlicher Bestandteil der Identität der BF1 geworden wäre, dass es für die BF1 bei Rückkehr unter Beibehaltung des Lebensstils eine Verfolgung iSd GFK bedeuten würde. Die Voraussetzungen für Asyl liegen vor, wenn dieser Lebensstil ein wesentlicher Teil der Identität der BF1 geworden ist, sodass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen. Somit hat die BF1 keine Verfolgungshandlungen bezüglich Afghanistan glaubhaft gemacht, sodass die in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

Zur Beurteilung, ob Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist nicht nur auf das Vorbringen zu dem Fluchtgründen abzustellen, sondern auch auf die persönliche Glaubwürdigkeit eines Beschwerdeführers.

 

Die Glaubhaftmachung, dass einem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung) droht, ist laut den eindeutigen verba legalia des § 3 Abs 1 AsylG Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten. Die BF1 hat für sich Verfolgungsgründe weder bewiesen noch hinreichend belegt, weshalb auf die Beurteilung, ob Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf die persönliche Glaubwürdigkeit der BF1 abzustellen ist.

 

Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF1 hat vor allem zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu seinen Fluchtgründen die Wahrheit gesagt hat; auch ist die Beachtung der in § 15 AsylG normierten Mitwirkungspflichten gemäß § 18 Abs. 2 AsylG und die sonstige Mitwirkung des BF1 im Verfahren zu berücksichtigen.

 

Das Gericht ist bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit nicht nur auf den Wortlaut dieser Aussage beschränkt, sondern es steht ihm frei in diesem Zusammenhang auch aus anderen Verfahrensergebnissen und auch aus dem Vorbringen und Handeln Rückschlüsse zu ziehen (vgl OGH 24.01.1980, 8Ob528/79 (5Ob534/79).

 

Zur Feststellung, dass die BF1 Afghanistan verlassen hatte, um ein besseres Leben zu haben, ist zu sagen, dass die erkennende Richterin dies aus den folgenden Angaben der BF1 ersieht: Die ehemalige Kernfamilie der BF1 trachte nach dem Verlassen Afghanistans. Die Schwester XXXX wird als vermutlich bereits außerhalb Afghanistans in Deutschland befindlich angegeben, die Mutter unternahm bereits einen Versuch nach Europa zu gelangen und die Eltern leben im Iran und würden gerne nach Österreich kommen, sind aber derzeit wegen Geldmangels ("kein Geld mehr") daran gehindert. In Zusammenschau dessen, dass die – nur einmalig als Zeugin des behaupteten Fluchtgrunds iZm ihrer Behandlung einer Koran-Ausgabe erwähnte – Schwester Afghanistan verlassen hat und auch ihre Mutter bereits auf dem Weg nach Europa war, erscheint es dem Gericht nach Würdigung der Fluchtvorbringen der BF1 so.

 

Die Antwort auf die Frage ob sie Afghanistan aus finanziellen Gründen verlassen hätte, beantwortete sie mit "Nein, mein Vater ist kein reicher Mann gewesen, aber wir hatten genug um zu leben." und wird dies vor dem Hintergrund, dass die gesamte Familie bereits versucht hat, Afghanistan zu verlassen und die BF und eine Schwester sowie der im Verfahren als Bruder Genannte bereits im Ausland leben in Zusammenschau damit, dass die BF1 im Verfahren ihre Glaubwürdigkeit erschütterte, als Schutzbehauptung gewertet.

 

Wie bereits dargelegt wurde, kommt dem individuellen Vorbringen der BF1 zu den behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zu, weshalb es der BF1 insgesamt nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen sie gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

 

In Zusammenschau der Fluchtvorbringen der BF1 kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF1 im Falle der Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr der Verfolgung iSd § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Zusammengefasst kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF1 eine Verfolgung iSd

 

§ 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, da die BF1 vor dem Gericht auf Befragen nach einer Bedrohung aufgrund der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit betreffend ihre Person vorbrachte, es habe gegen sie persönlich in Afghanistan nie eine Bedrohung gegeben, da sie immer Zuhause gewesen und sehr klein gewesen wäre. Sie verneinte auch Probleme mit den afghanischen Behörden, der afghanischen Polizei oder den afghanischen Gerichten gehabt zu haben.

 

Bei der Behandlung des Antrags der minderjährigen nachgeborenen BF2 auf internationalen Schutz wird zur Beurteilung der Sicherheitslage der Länderbericht in der aktuellen Fassung herangezogen und handelt es sich dabei um Herkunftsländerinformationen, welche auch die Situation der Kinder in Afghanistan behandelt: Schulbildung, Situation der Mädchen, Umgang mit Kindern in der Schule und in der Familie, Kinderarbeit. Es ist auch auf die schlechte allgemeine Sicherheitslage im Hinblick auf Kindheit in Afghanistan abzustellen (vgl VfGH 11.10.2017, E1803/2017 ua). Der VfGH hat wiederholt die Bedeutung der Länderfeststellungen im Hinblick auf Minderjährige als besonders vulnerable Antragsteller hervorgehoben (zB VfGH 9.6.2017, E484/2017 ua mwN). Dieses Verständnis steht im Einklang mit Art24 Abs2 GRC bzw Art1 zweiter Satz BVG über die Rechte von Kindern, BGBl I 4/2011, wonach bei allen Kindern betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss. Auch wenn in Afghanistan die körperliche Sicherheit von Minderjährigen zusätzlich zu aus der allgemeinen Sicherheitslage herkommenden Gefahren derart ist, dass laut dem Länderbericht es noch immer zu körperlichen Übergriffen im familiären Umfeld, in Schulen, durch die afghanische Polizei kommt und sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem darstellt, so ist im Falle der BF2 zu beachten, dass diese über beide Elternteile verfügt, welche in einem jungen, gesunden und erwerbsfähigen Alter sind und davon auszugehen ist, dass diese der BF2 nach besten Kräften Schutz und Geborgenheit angedeihen lassen werden.

 

Zu dem von der BF1 in der Verhandlung vor dem Gericht am 31.8.2017, vorgebrachten Wunsch, dass ihre Tochter eine Ausbildung erlangen kann, ist unter Hinweis auf den aktuellen Länderbericht zu sagen:

Von Seiten des Staates hat sich seit dem Jahr 2000 die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht und errichtete das afghanische Bildungsministerium gemeinsam mit USAID und anderen Gebern mehr als 16.000 Schulen, bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (siehe Länderbericht).

 

Der BF1 und der BF1 wurde – wie auch dem Ehegatten der BF1 und Vater der BF2 – der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan bereits zuerkannt.

 

Zu den unter II.1.4. festgehaltenen Länderfeststellungen ist zu sagen, dass diese aus dem Länderinformationsblatt Afghanistan vom 2.3.2017 idF 21.12.2017 stammen und somit die aktuelle Fassung herangezogen wird. Der Länderbericht als Erkenntnisquelle erscheint schlüssig und nachvollziehbar. Dieser wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt und beruht auf Recherchen von vorhandenen, vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Informationen gemäß den Standards der Staatendokumentation. Der Länderbericht gibt eine einzelfallunabhängige Darstellung über die Lage betreffend relevanter Tatsachen im Herkunftsland und beinhaltet Arbeitsübersetzungen fremdsprachiger Quellen. Somit wird der gegenständlichen Entscheidung der Länderbericht in der aktuellen Fassung zugrunde gelegt und wurde seitens der BF1 in der Verhandlung auf Nachfragen hin kein Einwand dagegen erhoben, dass die Länderfeststellungen der Staatendokumentation der Entscheidung zu Grunde gelegt werden.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Ad Spruchpunkt A):

 

Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (in der Folge GFK) droht.

 

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss jedoch jedenfalls in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen (VwGH 28.04.2015, Ra 2015/18/0026), was sich schon aus der Definition des Flüchtlingsbegriffs in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ergibt. Auch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) verlangt eine Verknüpfung zwischen den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen einerseits und den Verfolgungsgründen andererseits.

 

"Wohlbegründet" kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011; VwGH 28.5.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter "Verfolgung" ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, 2001/20/011; VwGH 28.5.2009, 2008/19/1031).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; VwGH 9.4.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; VwGH 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; VwGH 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Die BF1 lebte in Afghanistan mit ihren Eltern und bezeichnete sie ihr Leben dort als "genug um zu leben". Sie verließ Afghanistan als mündige Minderjährige um ein besseres Leben in Europa zu finden. Ihr Vorbringen rund um den Fluchtgrund einer schändlichen Behandlung einer Ausgabe des Korans durch ihre Person erwies sich – wie oben behandelt – infolge der nicht gleichbleibenden Wiedergabe und infolge mangelnder Glaubwürdigkeit der BF als nicht glaubhaft.

 

Mit dem bekämpften Bescheid wurde der BF1 subsidiärer Schutz gewährt.

 

Zum Vorbringen, es bestehe die Gefahr einer Verfolgung der BF1 unter dem Aspekt der "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" iSd GFK (Gruppe der Frauen), weil die BF1 in Afghanistan als eine die sozialen und die religiösen Normen überschreitende Frau wahrgenommen werden könnte, ist festzuhalten, dass das gerichtliche Ermittlungsverfahren ergeben hat, dass das Vorbringen rund um den Fluchtgrund einer schändlichen Behandlung einer Ausgabe des Korans durch die BF1 als nicht glaubhaft angesehen wird, sodass die BF1 nicht als eine die religiösen Normen überschreitende Frau wahrgenommen werden könnte und infolge dessen, dass sie aus Sicht der erkennenden Richterin nicht als eine derartig iSd westlichen Werte lebende Frau angesehen wird, dass sie in Afghanistan als eine die sozialen Normen überschreitende Frau wahrgenommen werden könnte, die BF1 nicht der Risikogruppe (7) der UNCR-Richtlinien vom 19.4.2016 zugehörig ist. Die UNHCR-Richtlinien halten ausdrücklich hinsichtlich die Risikogruppen in Afghanistan fest, dass es auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommt und wurden die Umstände des Einzelfalls der BF1 obenstehend behandelt.

 

Einer BF1 ist Asyl zu gewähren, wenn der von ihr vorgebrachte "westliche Lebensstil" in Afghanistan einer zu den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen eingenommenen oppositionellen Einstellung gleichgesetzt wird und ihr deshalb Verfolgung im oben dargestellten Sinn droht (VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994).

 

Das Vorliegen einer Verfolgung wegen "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" wäre in einem Fall wie dem vorliegenden etwa dann zu bejahen, wenn die Auswirkungen der für alle Einwohner Afghanistans prekären Situation, nämlich einer "allgemeinen Gefahrenlage", für die BF1 aus diesen Umständen spürbar stärker wären als für die Gesamtheit der Bevölkerung. Ansonsten kann von einer Verfolgung aufgrund dieses Konventionsgrundes, welcher beim Rest der Bevölkerung voraussetzungsgemäß nicht vorliegt, nicht gesprochen werden. Denn eine "bestimmte soziale Gruppe" iSd GFK wird nur ein Teil der Bevölkerung eines Herkunftsstaates sein, diese Gruppe kann nicht die ganze Bevölkerung umfassen (vgl. etwa AsylGH 6.7.2009, C5 400982-1/2008).

 

Fallbezogen gibt es allerdings darauf keine entsprechenden Hinweise. Im Fall der BF1 kann bei einer Gesamtschau nicht davon ausgegangen werden, dass sie im Falle einer theoretischen Rückkehr nach Afghanistan gegenwärtig einer spürbar stärkeren, besonderen Gefährdung in Afghanistan ausgesetzt wäre. Der Umstand, dass die BF1 eine afghanische Frau ist für sich alleine genommen ohne Berücksichtigung ihrer konkreten und individuellen Lebensumstände im Herkunftsstaat, ihrer persönlichen Einstellung und Wertehaltung, ihrem bisherigen Verhalten, sowie ohne gesamtheitliche Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihres individuellen Fluchtvorbringens nicht ausreichend, um jedenfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung der BF1 ausschließlich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgehen zu können (vgl. AsylGH 13.11.2009, C9 317335-1/2008; AsylGH 15.02.2013, C1 422494-1/2011;).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Situation von Frauen in Afghanistan sollten unter anderem afghanische Frauen, von denen angenommen wird, dass sie soziale Normen verletzen oder die dies tatsächlich tun, bei einer Rückkehr nach Afghanistan als gefährdet angesehen werden. Diese Kategorie könnte Frauen einschließen, die westliches Verhalten oder westliche Lebensführung angenommen haben, was als Verletzung der sozialen Normen angesehen werden könnte und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Frauen geworden ist, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182; VwGH 10.12.2009, 2006/19/1197; VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994; VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017).

 

Eine abschließende Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

 

Da die BF1 weder glaubhaft machen konnte noch auf Grund des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen ist, dass ihr eine asylrelevante Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht, war der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben.

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