BVwG W260 2230779-1

BVwGW260 2230779-12.8.2022

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W260.2230779.1.00

 

Spruch:

 

W260 2230779-1/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Mag. Peter PETZ, Rechtsanwalt in 1040 Wien, gegen den Bescheid des Österreichischen Gesundheitskasse Landesstelle Wien (vormals „Wiener Gebietskrankenkasse“) vom 22.10.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 14.04.2020, Zl. 11-2019-BE-VER 10-000C4, betreffend Beitragszahlung für die Zeiträume Juni 2018 bis Dezember 2018 iHv. EUR 58.316,09—zzgl. Verzugszinsen iHv 3,38% p.a. ab 22.10.2019 gem. §§ 67 Abs. 10 iVm 83 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben als der Beschwerdeführer verpflichtet wird, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstigen Zwangsfolgen EUR 40.277,16 zuzüglich der ab 07.04.2022 anlaufenden Verzugszinsen in Höhe von 1,38% p.a. aus EUR 34.834,38 an die Österreichische Gesundheitskasse zu zahlen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: „Österreichische Gesundheitskasse Landesstelle Wien“, im Folgenden: „belangte Behörde“) hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.05.2019 darüber informiert, dass er als Geschäftsführer zur Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG herangezogen werde und hat ihm den Rückstandsausweis vom 02.05.2019 betreffend die uneinbringlichen Sozialversicherungsbeiträge der XXXX (im Folgenden: „Primärschuldnerin“) übermittelt.

2. Mit Schriftsatz vom 24.05.2019 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt habe. Richtig wäre, dass der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei. Er bestreite aber eine schuldhafte Verletzung der auferlegten Pflichten, die aber für die Erfüllung des Tatbestandes des § 67 Abs. 10 ASVG erforderlich wäre. Im gegenständlichen Fall hätten sich die offenen Beträge betreffend eine Baustelle in Wien ergeben, welche bis zur Insolvenzeröffnung betrieben worden sei. Der Auftraggeber (Bauträger) hätte entgegen der Vereinbarungen Abzüge von den gelegten Rechnungen vorgenommen und gesetzes- und vereinbarungswidrig die 25% der Rechnungssumme nicht an die belangte Behörde abgeführt. Diese Umstände wären auch im Zuge der Insolvenz dem Masseverwalter mitgeteilt worden. Die Forderung der belangten Behörde müsste sich daher gegen den Bauträger richten.

3. Mit Schriftsatz vom 31.05.2019 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, zum Nachweis der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin eine Aufstellung vorzulegen, aus der sowohl sämtliche Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen (mit Ausnahme jener der Wiener Gebietskrankenkasse) für die Fälligkeitszeiträume der Beiträge 6/18 bis 12/18 hervorgehen. Zug- um Zug Geschäfte seien sowohl als Verbindlichkeit als auch als Zahlung zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der Haftung von Auftraggebern gemäß § 67a ASVG werde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass diese Haftung nur bei der Erbringung von Bauleistungen nach § 19 Abs. 1a UStG vorliege. Sollten Bauleistungen im Sinne des § 19 Abs. 1a UStG erbracht worden sein, so werde er ersucht zwecks Ermittlung des konkreten Haftungsbetrages des Auftraggebers, um Übermittlung sämtlicher Rechnungen des vom Beschwerdeführer genannten Unternehmens samt Zahlungsbelegen, aus denen hervorgeht, welche Werklohnzahlungen geleistet worden seien. Als Frist zur Vorlage der Unterlagen wurde der 01.07.2019 gesetzt.

Der Beschwerdeführer legte innerhalb der Frist keine Unterlagen vor.

4. Mit beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 22.10.2019 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge s. Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Juni 2018 bis Dezember 2018 von EUR 58.316,09 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab 22.10.2019 3,38% p.a. aus € 56.316,09 schuldet.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Primärschuldnerin aus den Beiträgen Juni 2018 bis Dezember 2018 EUR 58.310,81 und weitere Verzugszinsen schulde. Sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Über das Vermögen der Firma sei am 25.1.2019 die Insolvenz eröffnet worden. Der Masseverwalter habe angezeigt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreiche, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit). Die Uneinbringlichkeit der offenen Beiträge stehe somit fest. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen haften die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht hereingebracht werden können. Gemäß § 67 Abs. 10 und § 58 Abs. 5 ASVG haben die Vertreterinnen juristischer Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter des Dienstgebers darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Behörde eine schuldhafte Verletzung anzunehmen habe (VwGH Erkenntnis vom 29.4.2010, 2008/15/0085, 26.1.2011, 2007/13/0063).

Dem Vertreter sei mit Schreiben vom 02.05.2019 Gelegenheit geboten worden darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei (§45 Abs. 3 AVG). Mit Schreiben vom 31.05.2019 sei der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aufgefordert worden Nachweise der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten vorzulegen. Eine Stellungnahme sei daraufhin nicht eingelangt, weshalb im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Haftung auszusprechen gewesen sei.

5. Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 19.11.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben und ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Der Beschwerdeführer monierte, dass ihm die belangte Behörde keine Möglichkeit gegeben hätte, zu den im Bescheid festgestellten Sachverhalt Stellung zu nehmen. Tatsächlich wäre es ihm nicht möglich gewesen in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer die gegenständlichen Angaben zu bezahlen, da die Gesellschaft nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt habe. Er habe zu keinem Zeitpunkt Gläubiger benachteiligt. Er wäre bemüht gewesen, hätte die Insolvenz aber nicht verhindern können, obwohl er dies unter Verwendung eigener finanzieller Mittel versucht hätte. Aufgrund von Zahlungsausfällen eines Großkunden hätten die entsprechenden Abgaben nicht bezahlt werden können und wäre die Insolvenz nicht zu vermeiden gewesen. Es werde auch darauf hingewiesen, dass sie auf einer Baustelle als Subunternehmer gearbeitet haben, der Generalunternehmer Abzüge von den Rechnungen vorgenommen hätte und die einbehaltenen Beträge allem Anschein nach nicht der belangten Behörde übermittelt habe. Im Zuge des Insolvenzverfahren sei vom Masseverwalter auch bestätigt worden, dass es sich um ein ordentlich geführtes Unternehmen handle. Da sämtliche Buchhaltungsunterlagen beim Masseverwalter liegen, haben bis dato noch nicht die notwendigen Unterlagen herbeigeschafft werden können, um das fehlende Verschulden nachzuweisen. Da ihn die Bezahlung des Rückstandes in eine finanzielle aussichtslose Lage bringen würde und ihm aufgrund seiner derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse auch nicht möglich sei, den Rückstand zu bezahlen, sei es geboten der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen bzw. die Einhebung auszusetzen, da ihm andernfalls die Bezahlung des Rückstandes unverhältnismäßig hart treffen würde.

6. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 27.12.2019 wurde der Beschwerdeführer – bezugnehmend auf seine Beschwerde – darauf hingewiesen, dass er trotz mehrmaliger Aufforderung bis dato keine Nachweise zu der von ihm behaupteten Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten vorgelegt habe.

Er werde daher letztmalig – bis spätestens 20.01.2020 – ersucht zum Nachweis der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin eine Aufstellung vorzulegen, aus der sowohl sämtliche Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen (mit Ausnahme jener der Wiener Gebietskrankenkasse) für die Fälligkeitszeiträume der Beiträge 6/18 bis 12/18 hervorgehen. Zug- um- Zug Geschäfte seien sowohl als Verbindlichkeit als auch als Zahlung zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer gab innerhalb der Frist keine Stellungnahme ab.

7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.04.2020, GZ: 11-2019-BE-VER10-000C4, wurde die Beschwerde abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass trotz mehrmaliger Aufforderung, zuletzt mit Schreiben vom 27.12.2019, keine Unterlagen zum Nachweis der Gleichbehandlung vorgelegt. N

ach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur genannten Vorschrift als auch zu den Bestimmungen der §§ 9 und 80 BAO, wonach es gemäß § 1298 ABGB Sache des Vertreters des Beitragsschuldners sei, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Behörde zu der Annahme berechtigt sei, dass er seiner Pflicht schuldhafter Weise nicht nachgekommen sei (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 14.01.1997, Zl. 96/08/0206).

8. Der Beschwerdeführer stellte am 24.04.2020 einen Vorlageantrag und führte aus, dass der belangten Behörde mitgeteilt worden sei und dieser ohnehin bekannt sei, dass die gesamte Buchhaltung beim Masseverwalter aufliege, weshalb dem Ersuchen noch nicht entsprochen werden habe können. Warum die belangte Behörde nicht direkt beim Masseverwalter angefragt habe, werde nicht näher ausgeführt.

9. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 04.05.2020 unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Die belangte Behörde legte eine ausführliche Gegenschrift bei.

Darin führte sie aus, dass die Beschwerdeausführungen gehen ins Leere und seien darüber hinaus unbegründet. Es sei ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes, dass es Sache des haftenden Geschäftsführers sei darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet worden seien. Die Entscheidung des BVwG vom 20.10.2016, ZI. G308 2125476-1/7E (mit zahlreichen weiteren Nachweisen), zu einem gleich gelagerten Fall, in dem die Buchhaltungsunterlagen auch beim Masseverwalter waren und der Beschwerdeführer die Ansicht vertreten hat, die belangte Behörde habe sich selbst die Unterlagen vom Masseverwalter zu beschaffen, könne hier der Begründung dienen. Nach dem Bundesverwaltungsgericht verfüge der Beschwerdeführer selbst dann, wenn im Rahmen des Konkursverfahrens der Primärschuldnerin die entsprechenden Unterlagen an den zuständigen Masseverwalter weitergegeben habe, grundsätzlich selbst über die Informationen darüber, für welche Dienstnehmer er welche Beiträge wann bezahlt habe bzw. könne sich solche beschaffen.

Es obliege dem Beschwerdeführer einerseits sich entsprechende Unterlagen - etwa durch Kopien - dergestalt zu sichern, damit er sich rechnerisch von einer Ungleichbehandlung der belangten Behörde vor Insolvenzeröffnung freibeweisen könne sowie andererseits, mit dem Masseverwalter in Verbindung zu treten um entsprechende Beweismittel zur Verfügung zu haben. Das heißt den Beschwerdeführer treffe laut Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich die Beweissicherungspflicht, sodass er sich von den entsprechenden Unterlagen zum Nachweis der Gleichbehandlung Kopien anzufertigen habe, falls er diese aus der Hand gibt. Hat der Beschwerdeführer die Unterlagen nicht gesichert, dann obliege ihm es jedoch mit dem Masseverwalter in Verbindung zu treten.

Die belangte Behörde stelle daher den Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

10. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Parteiengehör vom 04.11.2021 die Gegenschrift der belangten Behörde vom 05.05.2020 samt Anhang zur etwaigen Stellungnahme.

Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung die entsprechenden Aufstellungen vorzulegen; inhaltlich wurde auf das Schreiben der belangten Behörde vom 31.05.2019, sowie auf die Gegenschrift der belangten Behörde vom 05.05.2020 hingewiesen.

Für die Erstattung einer Stellungnahme zur Gegenschrift und zur Übermittlung der genannten Aufstellungen wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens gewährt.

Der Beschwerdeführer gab innerhalb der Frist keine Stellungnahme ab und legte keinerlei Beweismittel vor.

11. Am 07.04.2022 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit eines bevollmächtigten Vertreters der belangten Behörde statt.

Der Beschwerdeführer und der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers sind unentschuldigt nicht erschienen. Die Verhandlung wurde in Abwesenheit des Beschwerdeführers geführt.

Der Behördenvertreter legte den aktuellen Rückstandsausweis vom 07.04.2022 vor. Dieser wurde in Kopie als Beilage ./I. zum Akt genommen. Der Behördenvertreter gab dazu an, dass dieser Rückstandsausweis die Quote berücksichtigt, die im Konkursverfahren der Primärschuldnerin ausgeschüttet worden sei und die vom Insolvenzentgeltsicherungsfonds nunmehr bezahlten Dienstnehmerbeitragsanteile des Rückstandes des hier gegenständlichen Bescheids. Weiters legte er das aktuelle Beitragskonto vom 05.04.2022 vor. Darin seien die IEF-Zahlungen ersichtlich. Das Schreiben wurde als Beilage ./II. zum Akt genommen.

12. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wurde mittels per web-ERV übermittelten Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2022 vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und aufgefordert, innerhalb von einer Frist von drei Wochen Stellung zu nehmen. Insbesondere wurde der Beschwerdeführer aufgefordert darzulegen, ob der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage aufrechterhalten werde, wobei hier insbesondere auf die Darlegungspflicht (vgl. VwGH Ra 2015/08/0038) und die erweiterte Aufbewahrungspflicht des Beschwerdeführers hingewiesen werde und sei weiters darzulegen, warum weder der Beschwerdeführer noch der Rechtsvertreter unentschuldigt der beantragten mündlichen Beschwerdeverhandlung ferngeblieben sind. Sollte bis zur gesetzten Frist keine Stellungnahme einlangen, oder sollte die eingelangte Stellungnahme nichts Anderes ergeben, werde das Beschwerdeverfahren ohne Durchführung einer weiteren Beweisaufnahme entschieden werden.

13. Nach Ablauf der dreiwöchigen Frist langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war seit 10.09.2016 handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Die Primärschuldnerin hat die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeiträume Juni 2018 bis Dezember 2018 nicht unaufgefordert bei Fälligkeit der Beiträge an die belangte Behörde entrichtet.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 25.01.2019 zu 6 S 13/19g wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 31.01.2019 wurde die Schließung des Unternehmens angezeigt.

Das Handelsgericht Wien hat am 21.02.2019 bekannt gemacht, dass der Masseverwalter angezeigt hat, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit) und somit die Insolvenzgläubiger leer ausgehen.

Die belangte Behörde hat in diesem Konkursverfahren am 05.03.2019 die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeiträume Juni 2018 bis Dezember 2018 in Höhe von EUR 56.223,40 an Kapital samt Zinsen angemeldet. Mit Benachrichtigung vom 26.03.2019 hat das Handelsgericht Wien der belangten Behörde mitgeteilt, dass die titulierte Forderung mit EUR 56.911,94 anerkannt und festgestellt wurde.

Die Beiträge sind aufgrund der im Edikt bekannt gemachten Masseunzulänglichkeit gegenüber der Primärschuldnerin uneinbringlich.

Der Haftungsbetrag betrug mit Stichtag 22.10.2019 EUR 56.223,40 zuzüglich der bis 21.20.2019 auflaufenden Verzugszinsen in Höhe von EUR 1.827,65 sowie Nebengebühren in der Höhe von € 265,04.

Der aktuelle Rückstandsausweis vom 07.04.2022 berücksichtigt die Quote, die im Konkursverfahren der Primärschuldnerin ausgeschüttet wurde und die vom Insolvenzentgeltsicherungsfonds in der Zwischenzeit bezahlten Dienstnehmerbeitragsanteile des Rückstandes des verfahrensgegenständlichen Bescheides und lautet wie folgt:

 

 

 

 

 

Gesamt

06/2018

Beitrag Rest

(01.06.2018-30.06.2018)

 

 

€ 13,74

07/2018

Beitrag Rest

(01.07.2018-31.07.2018)

 

 

€ 4.525,66

08/2018

Beitrag Rest

(01.08.2018-31.08.2018)

 

 

€ 5.909.83

09/2018

Beitrag Rest

(01.09.2018-30.09.2018)

 

 

€ 4.700,36

10/2018

Beitrag

(01.10.2018-31.10.2018)

 

 

€ 6.340,34

11/2018

Beitrag

(01.11.2018-30.11.2018)

 

 

€ 9.111,31

12/2018

Beitrag

(01.12.2018-31.12.2018)

 

 

€ 4.233,14

Summe der Beiträge

 

 

€ 34.834,38

Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gerechnet bis 06.04.2022

 

 

€ 5.177,74

Nebengebühren

 

 

€ 265,04

Summe der Forderung

 

 

€ 40.277,16

      

Bis zur Zahlung entstehen für jeden weiteren Tag Verzugszinsen:

Ab 07.04.2022 1,38 % p.a. aus € 34.834,38.

Der Beschwerdeführer hat trotz mehrfacher Aufforderung keinen Nachweis für die finanzielle Situation der Primärschuldnerin während der Zeit der Geschäftsführung des Beschwerdeführers und damit der Gleichbehandlung der belangten Behörde erbracht.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.

Die Feststellungen in Bezug auf die Firma des Beschwerdeführers und deren Insolvenzverfahren sowie dass der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer war, ergeben sich aus den im Firmenbuchauszug vom 30.04.2020 zur FN 457147a entsprechenden Eintragungen (ON1), den im Gerichtsakt einliegenden Unterlagen aus dem entsprechenden Konkursverfahren sowie den diesbezüglich übereinstimmenden und unbestrittenen Angaben der belangten Behörde und des Beschwerdeführers im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens.

Dass die Primärschuldnerin die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeiträume Juni 2018 bis Dezember 2018 in Höhe von € 56.223,40 an Kapital samt Anhang nicht unaufgefordert bei Fälligkeit der Beiträge an die belangte Behörde entrichtet hat, ergibt sich aus dem Schreiben der belangten Behörde vom 02.05.2019 (ON 5).

Dass das Handelsgericht Wien mit Beschluss vom 25.01.2019 zu 6 S 13/19g über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet, mit Beschluss vom 31.01.2019 die Schließung des Unternehmens angezeigt hat sowie am 21.02.2019 bekannt gemacht, dass der Masseverwalter angezeigt hat, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit) und somit die Insolvenzgläubiger leer ausgehen, ergibt sich aus dem Auszug aus der Insolvenzdatei vom 30.04.2020 (ON 2).

Die Feststellung, dass die belangte Behörde in diesem Konkursverfahren am 05.03.2019 die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeiträume Juni 2018 bis Dezember 2018 in Höhe von € 56.223,40 an Kapital samt Zinsen angemeldet hat, ergibt sich aus der Forderungsanmeldung (ON 3).

Dass das Handelsgericht Wien der belangten Behörde mitgeteilt hat, dass die titulierte Forderung mit € 56.911,94 anerkannt und festgestellt wurde, ergibt sich aus der Benachrichtigung vom 26.03.2019 (ON 4).

Der nunmehrige Haftungsbetrag des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Rückstandausweis vom 07.04.2022, welcher vom Vertreter der belangten Behörde in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegt wurde.

Der Rückstandsausweis begründet als öffentliche Urkunde nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld (vgl. VwGH 12.01.2016, Ra 2014/08/0028).

Dieser von der belangten Behörde im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 07.04.2022 vorgelegte Rückstandsausweis wurde dem Beschwerdeführer mittels Schreiben vom 11.04.2022 zur Stellungnahme übermittelt und blieb als solcher in der eingebrachten Stellungnahme unbestritten.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Aufforderung keinen Nachweis für die finanzielle Situation der Primärschuldnerin während der Zeit der Geschäftsführung des Beschwerdeführers und damit der Gleichbehandlung der belangten Behörde erbracht hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Der Beschwerdeführer hat trotz mehrmaliger Aufforderung nicht reagiert. So forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer erstmals mit Schriftsatz vom 31.05.2019 auf, zum Nachweis der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin eine Aufstellung vorzulegen, aus der sowohl sämtliche Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen (mit Ausnahme jener der Wiener Gebietskrankenkasse) für die Fälligkeitszeiträume der Beiträge 6/18 bis 12/18 hervorgehen. Der Beschwerdeführer gab innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme ab und legte auch keine Beweismittel vor.

Nachdem der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift monierte, dass ihm die belangte Behörde keine Möglichkeit gegeben hätte, zu den im Bescheid festgestellten Sachverhalt Stellung zu nehmen, wies ihn die belangte Behörde mit Schreiben vom 27.12.2019 darauf hin, dass er trotz mehrmaliger Aufforderung bis dato keine Nachweise zu der von ihm behaupteten Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten vorgelegt habe. Er wurde daher letztmalig – bis spätestens 20.01.2020 – ersucht zum Nachweis der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin ine Aufstellung vorzulegen, aus der sowohl sämtliche Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen (mit Ausnahme jener der Wiener Gebietskrankenkasse) für die Fälligkeitszeiträume der Beiträge 6/18 bis 12/18 hervorgehen.

Auch diese Frist ließ der Beschwerdeführer ungenutzt verstreichen und legte die geforderten Unterlagen nicht vor.

Im Vorlageantrag vom 24.04.2020 führte der Beschwerdeführer aus, dass der belangten Behörde mitgeteilt worden sei und dieser ohnehin bekannt sei, dass die gesamte Buchhaltung beim Masseverwalter aufliege, weshalb dem Ersuchen noch nicht entsprochen werden habe können. Warum die belangte Behörde nicht direkt beim Masseverwalter angefragt habe, werde nicht näher ausgeführt. Diesbezüglich wird auf die rechtlichen Ausführungen verwiesen und an dieser Stelle dargelegt, dass der Beschwerdeführer verpflichtet ist, die notwendigen Unterlagen vorzulegen und es nicht Aufgabe der belangten Behörde ist, diese Unterlagen beim Masseverwalter einzufordern. Die belangte Behörde hat diesbezüglich in ihrer Gegenschrift vom 04.05.2020 auch zu Recht ausgeführt, dass den Beschwerdeführer grundsätzlich die Beweissicherungspflicht trifft, sodass er sich von den entsprechenden Unterlagen zum Nachweis der Gleichbehandlung Kopien anzufertigen habe, falls er diese aus der Hand gibt. Hat der Beschwerdeführer die Unterlagen nicht gesichert, dann obliegt ihm es jedoch mit dem Masseverwalter in Verbindung zu treten.

Die Gegenschrift der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.11.2021 übermittelt und ihm Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben. Auch dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer wiederum nicht nach und ließ die Frist verstreichen.

Zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2022 sind der Beschwerdeführer und sein Anwalt unentschuldigt nicht erschienen, dies obwohl in der Beschwerdeschrift vom 19.11.2019 ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde. Die Ladung für die mündliche Beschwerdeverhandlung wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ordnungsgemäß zugestellt.

Der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsanwalt wurden daraufhin mittels Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2022 vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und aufgefordert, innerhalb von einer Frist von drei Wochen dazu Stellung zu beziehen. Insbesondere wurde der Beschwerdeführer aufgefordert darzulegen, ob der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage aufrechterhalten werde.

Er wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes auf die erweiterte Aufbewahrungspflicht hingewiesen und aufgefordert darzulegen, warum weder der Beschwerdeführer noch der Rechtsvertreter unentschuldigt der beantragten mündlichen Beschwerdeverhandlung ferngeblieben sind.

Das Bundesverwaltungsgericht gewährte dem Beschwerdeführer binnen drei Wochen eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme abzugeben, die nach Ablauf der dreiwöchigen Frist eingebrachte Stellungnahme wurde inhaltlich seitens des Bundesverwaltungsgerichtes berücksichtigt und wird dazu inhaltlich auf die rechtliche Beurteilung verwiesen. Beweiswürdigend gilt es an dieser Stelle anzumerken, dass sich an der Sach- und Rechtslage durch die eingebrachte Stellungnahme aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine Änderung ergab, weshalb von einem weiteren Parteiengehör Abstand genommen werden konnte.

Insgesamt ergeben die vorliegenden Tatsachen und Beweise, sowie mangelnde gegenteilige Beweise ein Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten aktuellen Strafregisterauszug.

Aus den angeführten Gründen konnte der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden und wurden die in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Beweismittel und auch die in der Stellungnahme des Beschwerdeführers eingebrachten Beweismittel in dieser Entscheidungsfindung berücksichtigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zum Beitragsschuldner sowie Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge:

3.1.1. Beitragsschuldner:

Der mit „Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge; Beitragsvorauszahlung“ betitelte § 58 ASVG lautet:

„§ 58. (1) (1) Die allgemeinen Beiträge sind am letzten Tag des Kalendermonates fällig, in den das Ende des Beitragszeitraumes fällt, sofern die Beiträge nicht gemäß Abs. 4 vom Träger der Krankenversicherung dem Beitragsschuldner vorgeschrieben werden. Die gemäß Abs. 4 vorgeschriebenen Beiträge sind mit Ablauf des zweiten Werktages nach der Aufgabe der Beitragsvorschreibung zur Post bzw. mit dem Zeitpunkt der Zustellung durch Organe des Trägers der Krankenversicherung fällig. Die Fälligkeit der Sonderbeiträge wird durch die Satzung des Versicherungsträgers geregelt.

(1a) Abweichend von Abs. 1 sind die allgemeinen Beiträge in den Fällen des § 34 Abs. 2 zweiter und dritter Satz am letzten Tag des Kalendermonates fällig, der auf den Eintritts- oder Wiedereintrittsmonat folgt.

(2) Die auf den Versicherten und den Dienstgeber, bei Heimarbeitern auf den Auftraggeber entfallenden Beiträge schuldet der Dienstgeber (Auftraggeber). Er hat diese Beiträge auf seine Gefahr und Kosten zur Gänze einzuzahlen. Die den Heimarbeitern gleichgestellten Personen (§ 4 Abs. 1 Z 7) schulden die Beiträge selbst und haben die Beiträge auf ihre Gefahr und Kosten zur Gänze selbst einzuzahlen. Bezieher/innen einer beitragspflichtigen ausländischen Rente (§ 73a) schulden die von dieser Rente nach § 73a Abs. 4 und 5 zu entrichtenden Beiträge selbst und haben diese auf ihre Gefahr und Kosten zur Gänze selbst einzuzahlen. Gleiches gilt für Dienstnehmer hinsichtlich eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 5 Abs. 2 für den auf sie entfallenden Beitragsteil.

[…]

(4) Der Beitragsschuldner hat die Beiträge von den jedem Dienstnehmer/jeder Dienstnehmerin im Beitragszeitraum gebührenden und darüber hinaus gezahlten Entgelten zu ermitteln und an den zuständigen Träger der Krankenversicherung unaufgefordert einzuzahlen, sofern dieser die Beiträge nicht vorschreibt. Durch die Satzung kann geregelt werden, dass bestimmten Gruppen von Dienstgebern die Beiträge vorzuschreiben sind. Dienstgebern, in deren Betrieb weniger als 15 Dienstnehmer beschäftigt sind, sind auf Verlangen die Beiträge jedenfalls vorzuschreiben. Für die in der Unfall- und Pensionsversicherung Teilversicherten, für die nur in der Pensionsversicherung Teilversicherten und für die nur in der Unfallversichersicherung gemäß § 7 Z 3 lit. a Teilversicherten sind die Beiträge an den Träger der Krankenversicherung bzw. an den Träger der Pensionsversicherung einzuzahlen, bei dem die Meldungen gemäß § 33 Abs. 2 bzw. § 37a zu erstatten sind.

(5) Die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

[…]“

Die Bestimmungen über die Beitragspflicht regeln die Aufteilung der Beiträge zwischen Versicherten (Dienstnehmern) und dem Dienstgeber (§ 51 Abs. 3 ASVG). Wer die auf den Dienstnehmer und den Dienstgeber entfallenden Beiträge schuldet, regelt hingegen § 58 Abs. 2 ASVG, wonach grundsätzlich (bis auf wenige Ausnahmen) die Beitragsschuld zur Gänze den Dienstgeber trifft. Der Dienstgeber ist Schuldner der auf den Dienstnehmer und den Dienstgeber entfallenden Beiträge, und nicht nur Inkassat oder Zahlstelle (vgl. VwGH vom 29.09.1992, Zl. 92/08/0090). Diese Verpflichtung des Dienstgebers zur Beitragsabfuhr stellt zwingendes Recht dar und kann durch Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer nicht abgeändert werden (vgl. Derntl in Sonntag [Hrsg.], ASVG7 (Wien 2016), § 58 ASVG, Rz 15).

Als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist […].

Unstrittig können auch Kapitalgesellschaften – im gegenständlichen Fall eine GmbH – Dienstgeber sein. Auch dann, wenn eine GmbH nur aus einem einzigen Gesellschafter besteht, der in besonders ausgeprägtem Maße das Betriebsgeschehen bestimmt, ist die Gesellschaft als solche – und nicht der Gesellschafter – im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG Dienstgeber der bei ihr beschäftigten Personen (VwGH 0332/63).

Im Sinne der vorangegangenen Ausführungen, war die Primärschuldnerin als Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung trotz der Eigenschaft des Beschwerdeführers als alleiniger, selbstständig vertretender, handelsrechtlicher Geschäftsführer seit 10.09.2016, Dienstgeberin und damit Beitragsschuldnerin hinsichtlich der an die belangte Behörde abzuführenden Dienstnehmer- und Dienstgeberbeiträge in der Sozialversicherung.

3.1.2. § 58 Abs. 5 ASVG regelt den Pflichtenkreis gesetzlicher Vertreter juristischer Personen oder von Personengesellschaften, der dem Pflichtenkreis der Dienstgeber entspricht und auf den sich die Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG zur Haftung für Beitragsschulden für deren Vertreter bezieht (Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 58 ASVG Rz 15 f (Stand 01.12.2015, rdb.at).

Die Primärschuldnerin als Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH war Dienstgeberin und damit Beitragsschuldnerin für die Sozialversicherungsbeiträge auf Dienstgeber- und Dienstnehmerseite.

Da die Primärschuldnerin als juristische Person zur Ausübung von Handlungen eines gesetzlichen Vertreters bedurfte, trafen den Beschwerdeführers gemäß § 58 Abs. 5 ASVG jedenfalls dieselben Pflichten als die Primärschuldnerin als Dienstgeberin. Darunter insbesondere, dafür Sorge zu tragen, dass die Sozialversicherungsbeiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln der Primärschuldnerin, die er verwaltete, entrichtet wurden.

3.2. Zur Rückständigkeit von Beiträgen, der Verrechnung von Verzugszinsen und Betreibung bei der Primärschuldnerin:

3.2.1. Verzugszinsen:

Der mit „Verzugszinsen“ betitelte § 59 ASVG lautet:

„§ 59. (1) Werden Beiträge nicht innerhalb von 15 Tagen1. nach der Fälligkeit,2. in den Fällen des § 4 Abs. 4 nach dem Ende des Monats, in dem der Dienstgeber Entgelt leistet,

eingezahlt, so sind von diesen rückständigen Beiträgen, wenn nicht gemäß § 113 Abs. 1 ein Beitragszuschlag vorgeschrieben wird, Verzugszinsen in einem Hundertsatz der rückständigen Beiträge zu entrichten. Erfolgt die Einzahlung zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der 15-Tage-Frist, so bleibt diese Verspätung ohne Rechtsfolgen. Der Hundertsatz berechnet sich jeweils für ein Kalenderjahr aus dem Basiszinssatz (Art. I § 1 Abs. 1 des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl. I Nr. 125/1998) zuzüglich acht Prozentpunkten; dabei ist der Basiszinssatz, der am 31. Oktober eines Kalenderjahres gilt, für das nächste Kalenderjahr maßgebend. Für rückständige Beiträge aus Beitragszeiträumen, die vor dem Zeitpunkt einer Änderung dieses Hundertsatzes liegen, sind die Verzugszinsen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt nicht bereits vorgeschrieben sind, mit dem jeweils geänderten Hundertsatz zu berechnen. § 108 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, gilt entsprechend. Für die Berechnung der Verzugszinsen können die rückständigen Beiträge auf den vollen Eurobetrag abgerundet werden.

(2) Der zur Entgegennahme der Zahlung berufene Versicherungsträger kann die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn durch ihre Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären. Die Verzugszinsen können überdies nachgesehen werden, wenn es sich um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt und der Beitragsschuldner ansonsten regelmäßig seine Beitragspflicht erfüllt hat.

(3) Der im Abs. 1 vorgesehene Zeitraum von 15 Tagen beginnt in den Fällen, in denen die Beiträge vom Träger der Krankenversicherung nach § 58 Abs. 4 oder § 68a Abs. 1 dem Beitragsschuldner vorgeschrieben werden, erst mit Ablauf des zweiten Werktages nach Aufgabe der Beitragsvorschreibung (sie gilt als Zahlungsaufforderung) zur Post; wird die Beitragsvorschreibung durch Organe des Trägers der Krankenversicherung zugestellt, so beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt der Zustellung.

(4) Die vom Träger der Krankenversicherung eingehobenen Verzugszinsen sind auf die beteiligten Versicherungsträger und sonstigen Stellen schlüsselmäßig nach Maßgabe des auf den einzelnen Versicherungsträger entfallenden Gesamtbeitragsrückstandes am Ende des Vormonates aufzuteilen.“

Verzugszinsen haben keinen pönalen Charakter, sondern stellen ein wirtschaftliches Äquivalent für den Zinsverlust dar, den die belangte Behörde als Beitragsgläubigerin dadurch erleidet, dass sie die geschuldete Leistung nicht fristgerecht erhält (VwGH vom 26.11.1992, Zl. 92/09/0177). Die Verzugszinsen beruhen auf einem bereicherungsrechtlichen Gedanken (VfGH vom 25.06.1994, GZ: G 249/93, VfSlg. 13.823) und fallen verschuldensunabhängig an (VwGH vom 17.11.1999, Zl. 99/08/0124). Der Normzweck liegt in der Vorbeugung einer Schädigung des Sozialversicherungsträgers aber auch dem rechtzeitig seiner Beitragspflicht nachkommenden Dienstgeber (ErläutRV 770 BlgAH 18. Sess 7). Abgesehen von der Abgeltung eines durch die Säumnis verursachten Verwaltungsmehraufwandes soll verhindert werden, dass der Dienstgeber durch Nichtzahlung der Beiträge einen günstigen Kredit („billiges Geld“) erlangt (VfGH vom 25.06.1994, GZ: G 249/93, VfSlg. 13.823).

Auch in Fällen, in denen die Beitragsschulden wegen unklarer Rechtslage erst nach einem längeren Verfahren endgültig feststehen, ist ein Verschulden des Beitragsschuldners am Zahlungsverzug nicht erforderlich. Selbst für Zeiträume, in denen auf Grund eines später zu beseitigenden Bescheides festzustehen schien, dass Beiträge nicht entrichtet werden müssen, besteht die Pflicht zur Bezahlung von Verzugszinsen (VwGH vom 17.11.1999, Zl. 99/08/0124; vom 24.06.1997, Zl. 95/08/0041). Keine Bedingung für den Verzugszinsenlauf ist die Rechtskraft der Beitragsvorschreibung (Derntl in Sonntag, ASVG7, § 59 Rz 18).

Der Anspruch auf Verzugszinsen ist ein Annex zu dem Anspruch in der Hauptsache und teilt deren rechtliches Schicksal. Werden verrechnete rückständige Beiträge nachträglich herabgesetzt, führt dies in einem offenen Administrativverfahren zu einer Anpassung der Verzugszinsen an die Beitragsschuld (VwGH vom 26.11.1992, Zl. 92/09/0177).

Voraussetzung für den Verzug und den Anfall der Verzugszinsen ist die Rückständigkeit der Beiträge.

Die Fälligkeit folgt aus dem (oben unter Punkt 3.A.1. dargestellten) § 58 ASVG.

Die Rückständigkeit von Beiträgen fällt erst nach Ablauf der daran anschließenden Zahlungsfrist von 15 Tagen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG (VwGH 519/61, VwSlg 5795 A = SVSlg 11.611) an. Bei fristgerechter Gutschrift am Konto der belangten Behörde innerhalb der 3-tägigen Respirofrist fallen keine Verzugszinsen an, wird die Respirofrist allerdings überschritten, werden die Verzugszinsen bereits mit dem 16. Tag verrechnet, da durch die Überschreitung der Respirofrist diese Frist nicht mehr ohne Rechtsfolgen bleibt. Auch bei unverschuldeter aber rechtswidriger Nichtanmeldung zur Sozialversicherung sind die Beiträge rückständig und Verzugszinsen zu entrichten (VwGH 948/51, VwSlg 2645 A).

Auch der Konkurs des Beitragsschuldners (im neuen Insolvenzrecht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Konkursverfahren) ändert nichts an der Fälligkeit der Beiträge und der Verrechnung von Verzugszinsen (VwGH 1115/64, VwSlg 6510 A); diesbezüglich kommt allenfalls ein Verzicht gemäß § 59 Abs. 2 ASVG in Frage. Auch das Vorenthalten der Beiträge gemäß § 153c StGB setzt die Rückständigkeit gemäß § 59 ASVG voraus (Resch in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 59 ASVG Rz 20 - 22 (Stand 01.12.2015, rdb.at).

3.2.2. Eintreibung der Beiträge beim Beitragsschuldner:

Der mit „Verfahren zur Eintreibung der Beiträge“ betitelte § 64 ASVG lautet:

„§ 64. (1) Den Versicherungsträgern ist zur Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge die Einbringung im Verwaltungswege gewährt (§ 3 Abs. 3 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991).

(2) Der Versicherungsträger, der nach § 58 Abs. 6 berufen ist, die Beitragsforderung rechtlich geltend zu machen, hat zur Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge einen Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser Ausweis hat den Namen und die Anschrift des Beitragsschuldners, den rückständigen Betrag, Art des Rückstandes samt Nebengebühren, den Beitragszeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren sowie den Vermerk des Versicherungsträgers zu enthalten, daß der Rückstandsausweis einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegt. Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel im Sinne des § 1 der Exekutionsordnung. Im Rückstandsausweis können, wenn dies aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung angezeigt erscheint, die Beiträge zur Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie alle sonstigen von den Krankenversicherungsträgern einzuhebenden Beiträge und Umlagen als einheitliche Summe und die darauf entfallenden Verzugszinsen und Nebengebühren ebenfalls als einheitliche Summe ausgewiesen werden.

(3) Vor Ausstellung eines Rückstandsausweises ist der rückständige Betrag einzumahnen. Die Mahnung wird durch Zustellung eines Mahnschreibens (Postauftrages) vollzogen, in dem der Beitragsschuldner unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, den Beitragsrückstand binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen. Ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens ist nicht erforderlich; bei Postversand wird die Zustellung des Mahnschreibens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet.

(4) Als Nebengebühren kann der Versicherungsträger in den Rückstandsausweis einen pauschalierten Kostenersatz für die durch die Einleitung und Durchführung der zwangsweisen Eintreibung bedingten Verwaltungsauslagen mit Ausnahme der im Verwaltungsweg oder im gerichtlichen Weg zuzusprechenden Kosten aufnehmen; der Anspruch auf die im Verwaltungsweg oder im gerichtlichen Weg zuzusprechenden Kosten wird hiedurch nicht berührt. Der pauschalierte Kostenersatz beträgt ein Halbes vom Hundert des einzutreibenden Betrages, mindestens jedoch 1,45 €. Der Ersatz kann für dieselbe Schuldigkeit nur einmal vorgeschrieben werden. Allfällige Anwaltskosten des Verfahrens zur Eintreibung der Beiträge dürfen nur insoweit beansprucht werden, als sie im Verfahren über Rechtsmittel auflaufen. Die vorgeschriebenen und eingehobenen Verwaltungskostenersätze verbleiben dem Versicherungsträger, der das Verfahren durchgeführt hat.“

Bleibt trotzt Mahnung an den Beitragsschuldner nach Fristablauf (14-Tage) ein Rückstand bestehen, hat der Versicherungsträger einen Rückstandsausweis auszustellen. § 64 Abs. 2 ASVG zählt die inhaltlichen Kriterien dieses Ausweises auf. Ein Rückstandsausweis über Sozialversicherungsbeiträge stellt gemäß § 1 Z 13 EO ausdrücklich einen tauglichen Exekutionstitel dar. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung können die einzuhebenden Beiträge und Umlagen einerseits sowie die Verzugszinsen und Nebengebühren andererseits als einheitliche Summe ausgewiesen werden. Im Lohnsummenverfahren, das die Mehrzahl der Dienstgeber (auch gegenständlich) anwendet und dabei selbst die Beiträge abrechnet, ist eine Aufsplittung der Beiträge jedenfalls entbehrlich (Derntl in Sonntag, ASVG7, § 64 Rz 4).

Der Rückstandsausweis ist ein Auszug aus den Rechnungsbehelfen des Versicherungsträgers, mit denen er den Stand der offenen Verbindlichkeiten des Beitragskontos bekannt gibt. Der Rückstandsausweis ist kein Bescheid (VwGH vom 12.02.1987, Zl. 86/08/0013). Die Zustellung an den Beitragsschuldner ist deshalb nicht erforderlich und auch nicht vorgesehen, weil dieser die Höhe der Forderung im Regelfall selbst im Lohnsummenverfahren ermittelt hat, und der jedenfalls durch die zwingend vorgesehene Mahnung Kenntnis vom Beitragsrückstand hat. Auf Antrag gemäß § 410 Abs. 1 Z 7 ASVG kann jedoch ein Bescheid über den Rückstandsausweis erlassen werden, der in weiterer Folge mit Beschwerde bekämpft werden kann (Derntl in Sonntag, ASVG7, § 64 Rz 5).

Der Rückstandausweis bildet als öffentliche Urkunde gemäß § 292 ZPO vollen Beweis im Gerichtsverfahren (OGH 7 Ob 355/98a, RS0040507). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Rückstandausweises ist zulässig (§ 292 Abs. 2 ZPO), wobei sich der Beklagte nicht nur auf die Behauptung der Unrichtigkeit beschränken darf, sondern konkret jene Tatsachen anführen und beweisen muss, aus denen sich diese Unrichtigkeit ergibt (Derntl in Sonntag, ASVG7, § 64 Rz 6).

Der in § 64 ASVG vorgesehene Weg der Beitragseintreibung mittels Rückstandausweis bezieht sich auf die (primären) Beitragsschuldner. Gegen Haftende gemäß § 67 ASVG, die für eine fremde Schuld einstehen müssen, kann nicht originär mit Rückstandsausweis Exekution geführt werden, sondern ist hier gemäß § 410 Abs. 1 Z 4 ASVG ein Bescheid zu erlassen, zu dessen Bestandteil allenfalls ein Rückstandsausweis gemacht werden kann, insbesondere ein Rückstandausweis betreffend die Beiträge einer Gesellschaft als Bestandteil des Haftungsbescheides gemäß § 67 Abs. 10 ASVG gegen deren Geschäftsführer (Derntl in Sonntag, ASVG7, § 64 Rz 7).

Für die Einleitung und Durchführung der Exekution des primären Beitragsschuldners kann der Krankenversicherungsträger einen pauschalierten Kostenersatz als Nebengebühren in den Rückstandsausweis aufnehmen. Dieser beläuft sich auf 0,5 % des einzutreibenden Betrages, mindestens jedoch auf EUR 1,45 (Derntl in Sonntag, ASVG7, § 64 Rz 11).

3.3. Haftung des Vertreters für Beitragsschuldigkeiten, Verzugszinsen, Nebengebühren einer juristischen Person:

3.3.1. Grundsätze:

Der mit „Haftung für Beitragsschuldigkeiten“ betitelte § 67 Abs. 10 ASVG lautet:

„(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.“

Die Kurzüberschrift des § 67 ASVG „Haftung für Beitragsschuldigkeiten“ beinhaltet bereits die beiden gegenständlich zentralen Begriffe: Schuld und Haftung. Die bisherigen Ausführungen in den Punkten 3.A.1. und 3.A.2. bezogen sich auf die Beitragsschuld und deren Folgen und betrifft in der Regel den Dienstgeber und damit die Primärschuldnerin. Haftung bedeutet in diesem Zusammenhang das „Einstehen müssen für eine fremde Schuld“: Jemand der grundsätzlich die Beiträge nicht schuldet, wird aufgrund besonderer Anknüpfungselemente dennoch zur Zahlung verpflichtet. Die Haftung führt zu einer personellen Erweiterung des Kreises der Zahlungspflichtigen, womit die Finanzierung der Sozialversicherung abgesichert werden soll. Der Gesetzgeber vermischt beide Begriffe und verwendet sie synonym. Eine korrekte Differenzierung ist – wie im gegenständlichen Fall deutlich zu sehen – sehr wichtig. Der Dienstgeber (die Primärschuldnerin) ist Beitragsschuldner und trifft ihn keine (über § 64 ASVG hinausgehende) Haftung (VwGH vom 21.02.2001, Zl. 96/08/0026). Zur Haftung kann demnach nur herangezogen werden (bezogen auf § 67 Abs. 3 ASVG), wer nicht Dienstgeber ist (Derntl in Sonntag, ASVG7, § 67 Rz 1).

Die Tatbestände des § 67 Abs. 19 ASVG sehen eine Solidarhaftung vor: der Haftende wird neben dem eigentlichen Beitragsschuldner zur Bezahlung der Beiträge verpflichtet. Lediglich die – hier relevante – Vertreterhaftung des Abs. 10 leg. cit. ist aufgrund der Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 09.03.1989, GZ: G163/88) als Ausfallshaftung konzipiert: Der Vertreter haftet zwar neben dem Beitragsschuldner, allerdings nur insoweit, als die Beiträge beim Primärschuldner (auf Grund schuldhafter Pflichtverletzung) nicht eingebracht werden können (Derntl in Sonntag, ASVG7, § 67 Rz 6).

3.3.2. Zum Tatbestandsmerkmal der Uneinbringlichkeit:

Zu den im § 67 Abs. 10 ASVG genannten "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen" gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (vgl. z.B. VwGH vom 19.09.1989, Zl. 88/08/0283).

Voraussetzung für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die betreffenden Sozialversicherungsbeiträge beim Primärschuldner uneinbringlich sind.

Erst wenn dies feststeht, ist auf die Prüfung der für die Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (vgl. VwGH 16.09.1991, 91/15/0028; 09.02.1982, 81/14/0072).

Wie schon ausgeführt, handelt es sich bei der Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG um eine Ausfallshaftung, die erst dann gegen den Vertreter geltend gemacht werden kann, wenn die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit beim Beitragsschuldner ausreichend feststeht.

Allein aus der Tatsache der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin alleine soll noch nicht zwingend auf die Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung geschlossen werden können, ebenso wenig bedarf es aber der vollständigen Abwicklung (bis zur Aufhebung) der Insolvenz.

Uneinbringlichkeit ist dann anzunehmen, sobald im Lauf des Insolvenzverfahrens der Primärschuldnerin feststeht, dass die Beiträge nicht bzw. nicht in einen bestimmte ziffernmäßige Quote übersteigenden Teilbetrag befriedigt werden können, andernfalls kommt eine Haftung (noch) nicht in Betracht (Derntl in Sonntag, ASVG7, § 67 Rz 80 mit Verweis auf VwGH vom 29.03.2000, Zl. 95/08/0140).

Wie festgestellt wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 25.01.2019 zu 6 S 13/19g, über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 31.01.2019 wurde die Schließung des Unternehmens angezeigt.

Das Handelsgericht Wien hat am 21.02.2019 bekannt gemacht, dass der Masseverwalter angezeigt hat, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit) und somit die Insolvenzgläubiger leer ausgehen.

Es stand daher die Uneinbringlichkeit der Beitragsforderungen fest und wurde in weiterer Folge das Haftprüfungsverfahren gegen den Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde eröffnet.

3.4. Zum Tatbestandsmerkmal des Verschuldens:

3.4.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat.

Eine solche Pflichtverletzung und damit haftungsauslösendes Verhalten - für deren Beurteilung die von Lehre und Rechtsprechung zu § 9 und § 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden (vgl. VwGH vom 14.04.1988, Zl. 88/08/0025) - kann z.B. darin liegen, dass der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt (vgl. u.a. VwGH vom 19.02.1991, Zl. 90/08/0016). Im Falle des Fehlens ausreichender Mittel hat der Vertreter für eine zumindest anteilige Befriedigung der Forderung des Sozialversicherungsträgers zu sorgen (VwGH vom 19.02.1991, Zl. 90/08/0100).

Für die Haftung ist nicht entscheidungswesentlich, ob den Geschäftsführer an der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ein Verschulden trifft und ob er auf Grund dieser Insolvenz selbst einen Schaden erlitt, weil nicht das Verschulden an und der Schaden aus der Insolvenz ins Gewicht fallen, sondern das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Beitragsentrichtung vor Insolvenzeröffnung (VwGH vom 30.05.1989, Zl. 89/14/0043).

Es ist somit nicht die Schuldlosigkeit des Vertreters an den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaft relevant, sondern die Gleichbehandlung der SV-Beiträge mit den anderen Verbindlichkeiten in Bezug auf ihre Bezahlung.

Somit ist auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers in dessen verspäteter Stellungnahme vom 10.05.2022 ua. deshalb nicht zu folgen, wenn dieser laut vorgelegter Beschuldigtenvernehmung selbst angibt, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im August 2018 aufgrund von unkorrekten Einbehaltungen bei den Rechnungen des Auftraggebers begonnen hätten, die gegenständlichen Beiträge jedoch bereits ab Juni nicht bezahlt wurden und ist das Vorbringen in der Stellungnahme auch aus sonstigen Gründen (siehe Pkt.3.5.) nicht berechtigt.

Hinsichtlich der Erfüllung der Gleichbehandlungspflicht hat sich der Verwaltungsgerichtshof für die sogenannte Zahlungstheorie (im Gegensatz zur sogenannten Mitteltheorie) entschieden, die sich dadurch charakterisiert, dass Sozialversicherungsbeiträge, gemessen an den auf andere Forderungen tatsächlich geleisteten Zahlungen, gleich zu behandeln sind.

In der konkreten Beschwerdesache wurde der Beschwerdeführer schon vor Bescheiderlassung mit Schreiben vom 02.05.2019 von der belangten Behörde auf eine mögliche Haftung seinerseits hingewiesen und ihm aufgetragen, schriftlich Gründe und Beweise vorzulegen, dass ein Verschulden seinerseits an der Pflichtverletzung nicht vorlag.

Diesem Schreiben war auch ein Rückstandausweis im Sinne des § 64 ASVG beigefügt, in dem der Beschwerdeführer über die ausständigen Sozialversicherungsbeiträge auf dem Beitragskonto informiert wurde.

In weiterer Folge erfolgte der bereits im Verfahrensgang wiedergegebene Schriftverkehr zwischen der belangten Behörde und dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (Schreiben des Anwaltes des Beschwerdeführers vom 24.05.2019 sowie Antwort der belangten Behörde vom 31.05.2019).

Auch im Beschwerdevorprüfungsverfahren und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer – wie beweiswürdigend dargelegt – mehrfach die Möglichkeit gegeben Stellung zu beziehen und Beweismittel vorzulegen.

Diesen Aufforderungen kam der Beschwerdeführer aber nicht nach.

Insbesondere ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.04.2022 unentschuldigt nicht erschienen sind, dies trotz ausdrücklicher Beantragung der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung in der Beschwerdeschrift.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass ihm die belangte Behörde keine Möglichkeit gegeben hätte, zu den im Bescheid festgestellten Sachverhalt Stellung zu nehmen, geht daher aufgrund der dargelegten mehrmaligen Aufforderung und Fristerstreckung durch die belangte Behörde in Leere.

Auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht – wie dargestellt – nicht nachgekommen.

Soweit der Beschwerdeführer seine mangelnde Mitwirkung im Verfahren damit begründet, dass es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, sich mit dem Masseverwalter in Verbindung zu setzen, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

Unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur abgabenrechtlichen Haftung (vgl. VwGH vom 6.3.1989, Zl. 88/15/0063, u.a.) ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist. Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast einerseits nicht überspannt, andererseits nicht so aufgefasst werden, dass die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (VwGH vom 19.02.1991, Zl. 90/08/0100).

Nicht die Behörde hat das Ausreichen der Mittel zur Entrichtung der Beiträge nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Außerdem hat er darzutun, dass er die öffentlich-rechtliche Forderung bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (VwGH vom 30.05.1989, Zl. 89/14/0043).

Hat der Vertreter nicht nur ganz allgemein, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat sich die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die ihr die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt der haftungspflichtige Vertreter dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde eben zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Konsequenterweise haftet der Vertreter dann für die (von der Haftung betroffenen) Beitragsschulden zur Gänze (VwGH vom 26.01.2005, Zl. 2002/08/0213; vom 12.01.2016, Zl. Ra2014/08/0028).

Darüber hinaus ist jedem Vertreter, der fällige oder rückständige Beiträge der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, schon in Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zuzumuten, sich jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht ermöglichen. Diese Informationssicherung hat spätestens dann zu erfolgen, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige oder rückständige Beitragsschulden unberichtigt aushaften. Die Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Beiträge bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind (VwGH vom 28.10.1998, Zl. 97/14/0160).

Der belangten Behörde kann im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie mangels einigermaßen konkreter, sachbezogener Behauptungen, und mangels Vorlage entsprechender Unterlagen zur Beurteilung der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung der belangten Behörde mit anderen Gläubigern der Primärschuldnerin, einerseits die Ungleichbehandlung der belangten Behörde und andererseits das diesbezügliche Verschulden des Beschwerdeführers angenommen hat. In Zusammenschau mit der dargestellten Judikatur, kann sich der Beschwerdeführer weder darauf berufen, dass die Unterlagen beim Masseverwalter liegen, noch dass es Sache der belangten Behörde sei, entsprechende Nachweise zu ermitteln.

Selbst wenn der Beschwerdeführer die entsprechenden Unterlagen an den zuständigen Masseverwalter weitergegeben hat, verfügt der Beschwerdeführer grundsätzlich selbst über die Informationen darüber, für welche Dienstnehmer er welche Beiträge wann bezahlt hat bzw. kann sich solche beschaffen und obliegt es einerseits dem Beschwerdeführer, sich entsprechende Unterlagen – etwa durch Kopien – dergestalt zu sichern, damit er sich rechnerisch von einer Ungleichbehandlung der belangten Behörde vor Insolvenzeröffnung freibeweisen kann sowie andererseits, mit dem Masseverwalter in Verbindung zu treten um entsprechende Beweismittel zur Verfügung zu haben. Es gibt keine Rechtsnorm, die es der belangten Behörde ermöglichen würde, von sich aus die Herausgabe von Geschäftsunterlagen eines in Insolvenz befindlichen Unternehmens vom Masseverwalter zu fordern oder Bucheinsicht zu nehmen, zumal die belangte Behörde selbst Gläubigerin in diesem Insolvenzverfahren ist.

In der erhöhten Darlegungspflicht samt Behauptungs- und Beweislast sowie die erweiterte Aufbewahrungspflicht des Vertreters der Gesellschaft ist keine Umkehr der „Beweislast“ zu erblicken, sondern handelt es sich dabei um judizierte und dem Vertreter einer Gesellschaft, dem ein Verfahren gemäß § 67 Abs. 10 ASVG droht, eigentümliche Verpflichtungen.

3.4.2. Schließlich kann das tatbestandsmäßige Verschulden in vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln oder Unterlassen bestehen (VwGH vom 22.02.1993, Zl. 93/15/0039), wobei als haftungsbegründender Verschuldensgrad auch leichte Fahrlässigkeit ausreicht (VwGH vom 10.10.1996, Zl. 94/15/0122). Leichte Fahrlässigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (VwGH vom 29.06.1999, Zl. 99/08/0075).

Da der Beschwerdeführer von den mannigfaltigen Möglichkeiten, den Beweis für ein mangelndes Verschulden seinerseits an der Pflichtverletzung nicht Gebrauch gemacht hat bzw. den mehrfachen diesbezüglichen Aufforderungen nicht nachgekommen ist, durfte die belangte Behörde im Lichte der obigen Rechtsprechung daher zu Recht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger schuldhaft nicht nachgekommen ist.

3.5. Zum Tatbestandsmerkmal der Kausalität und Höhe des Haftungsbetrages:

3.5.1. Zur Kausalität bei der Haftung wegen Ungleichbehandlung ist auszuführen, dass der Vertreter grundsätzlich nicht für sämtliche Beitragsschulden in voller Höhe haftet, sondern nur in dem Umfang, in dem die Pflichtverletzung kausal für den Entgang der Sozialversicherungsbeiträge war. Dafür spricht auch die Verwendung des Wortes „insoweit“ in § 67 Abs. 10 ASVG. Die Haftung erstreckt sich somit auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger der Sozialversicherungsträger mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat (VwGH vom 16.09.2003, Zl. 2003/14/0040). Werden manche Gläubiger vollständig befriedigt, und liegt der Durchschnitt der geleisteten Zahlungen an die anderen Gläubiger immer noch über dem Ausmaß der an den Sozialversicherungsträger getätigten Zahlungen, tritt die Haftung für die Differenz zwischen Durchschnittswert und Sozialversicherungsquote ein (vgl. Derntl in Sonntag, ASVG7, § 67 Rz 99a).

Da der Beschwerdeführer weder seiner Darlegungs- noch Aufbewahrungspflicht und damit auch nicht seiner Mitwirkungspflicht im Rahmen des Verfahrens zum zahlenmäßigen Nachweis einer Gleich- oder Ungleichbehandlung der belangten Behörde nachgekommen ist, haftet der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die bereits angeführte Judikatur für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden (vgl. VwGH vom 26.01.2005, Zl. 2002/08/0213; vom 12.01.2016, Zl. Ra2014/08/0028).

3.5.2. Der Haftungsbetrag ergeht aus dem Rückstandausweis vom 07.04.2022, wobei festzuhalten ist, dass der Insolvenz-Ausfallgeld-Fond dem zur Beitragseinhebung zuständigen Sozialversicherungsträger die Dienstnehmerbeitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung schuldet, die für gesicherte Ansprüche fällig werden, und Dienstnehmerbeitragsanteile, soweit diese bis längstens zwei Jahre vor der Konkurseröffnung bzw. vor jenen Zeitpunkten, welche dieser gemäß § 1 Abs. 1 IESG gleichgestellt sind, rückständig sind (§ 13a Abs. 2 IESG).

Die Zahlungen des Fonds befreien sohin den Beitragsschuldner (hier die in Konkurs geratene GmbH) gegenüber dem Sozialversicherungsträger (vgl. VwGH 17.11.2004, 2002/08/0138).

Die Haftung umfasst im Hinblick auf die §§ 58 Abs. 5 und 83 ASVG auch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Abs. 1 ASVG (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Damit war die Haftung des Beschwerdeführers für die aushaftenden Beiträge der Primärschuldnerin einschließlich Verzugszinsen zu bestätigen, der Beschwerde aber insofern teilweise stattzugeben, als der Haftungsbetrag lediglich mit € 40.277,16 zuzüglich der ab 07.04.2022 anlaufenden Verzugszinsen in Höhe von 1,38% p.a aus 34.834,38 festzusetzen war.

3.6. Zum Vorbringen Einstellung der Ermittlungen eines Strafverfahrens wegen des Verdachtes der Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen:

Der Beschwerdeführer bringt hiezu vor, dass die belangte Behörde auch eine Strafanzeige gegen ihn eingebracht hat, und legt ua. die Anzeige der belangten Behörde vom 05.06.2019 bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen §§ 153c, 153d, 158 und 159 StGB und die Beschuldigtenvernehmung des Beschwerdeführers vom 06.11.2019 vor der Landespolizeidirektion Wien vor. Die Voraussetzungen für den gegenständlichen Haftungsbescheid würden nicht vorliegen, dies ergebe sich aus der Beschuldigteneinvernahme, der Einstellung des Strafverfahrens und des Umstandes, dass die Insolvenz aufgrund der rechtswidigen Rechnungskorrekturenen der Firma AVORIS zustande gekommen sei (vgl. Stellungnahme Beschwerdeführer vom 10.05.2022, Seiten 2,3)

Der vom Bundesverwaltungsgericht am 01.08.2022 eingeholte Strafregisterauszug hinsichtlich etwaiger Vorstrafen des Beschwerdeführers ergab festgestelltermaßen, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes gilt es hier als verfahrenswesentlich auszuführen, dass eine Haftung des Vertreters wegen Ungleichbehandlung nur im Verwaltungsweg geltend gemacht werden kann; sowohl VwGH als auch OGH haben sich für eine jeweils unabhängige Gläubigerverfolgung ausgesprochen (vgl. Derntl, in Sonntag ASVG, 11.Auflage 2020, § 67, Rn 105d), wie sie auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Anwendung finden muss.

Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle ausgeführt, dass festgestelltermaßen die Konkursforderung nicht bestritten, sondern anerkannt wurde.

Der Verwaltunggerichtshof hat dahingehend judiziert, dass "die Feststellung der Forderung im Konkurs durch das Nichtbestreiten der Forderung durch den Gemeinschuldner auch konkursexterne Wirkungen erhält. Diese Wirkungen entsprechen im Wesentlichen einer rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheidung über diese Forderung, wobei aber Unwiederholbarkeit nicht eintritt (§ 60 Abs. 2 IO). Dass diese Wirkungen hingegen über jene einer rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheidung über diese Forderung hinausgingen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht abgeleitet werden, dass der Feststellung der Beitragsforderung im Konkursverfahren die Wirkung eines Urteiles eines Zivilgerichtes zukäme. Die Formulierung in § 61 KO, es könne auf Grund der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis "gleichwie auf Grund eines Urteiles" Exekution geführt werden, worauf der OGH in seiner Entscheidung 6 Ob 301/63 verwiesen hat, ist mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982, BGBl. Nr. 370/1982, entfallen (vgl. 3 BlgNR 15. GP , 99)" (vgl. VwGH vom 13.11.2012, Zl. 2011/08/0214, dahingehend auch hg. W178 2236410-1/17E.)

3.7. Insgesamt vermochte der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen die Rechtswidrigkeit des Bescheides daher nicht darzutun, auch sonst ist im Verfahren nichts hervorgekommen.

Da auch sonst keine Anhaltspunkte vorliegen, dass der belangten Behörde ein sonstiger Fehler unterlaufen wäre, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde bzw. Vorlageantrag vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Wie unter Punkt II.3. dargelegt, ergeht die Entscheidung in Anlehnung an die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 67 Abs. 10 ASVG.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

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