Normen
AKG 1954 §19 Abs1;
AKG 1954 §19 Abs4;
AKG 1954 §5 Abs1 litd;
AKG 1954 §5 Abs2 lita;
AKG 1954 §5 Abs3;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §59 Abs1;
AVG §56;
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7 Abs1;
DO Wr 1966 §52;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AKG 1954 §19 Abs1;
AKG 1954 §19 Abs4;
AKG 1954 §5 Abs1 litd;
AKG 1954 §5 Abs2 lita;
AKG 1954 §5 Abs3;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §59 Abs1;
AVG §56;
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7 Abs1;
DO Wr 1966 §52;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn, Jahngasse 4, in ihrem als Gegenschrift bezeichneten Schriftsatz vom 7. August 1992 gestellte Antrag auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes wird zurückgewiesen.
Begründung
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Vorarlberger Gebietskrankenkasse dem Land Vorarlberg mit Bescheid vom 26. Juli 1991 und mit zwei weiteren Bescheiden je vom 3. Oktober 1991 unter Berufung auf § 19 Arbeiterkammergesetz, BGBl. Nr. 105/1954, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 202/1982 (AKG), für zahlreiche beim Landesstraßenbau- und Landeshochbauamt beschäftigte Dienstnehmer Kammerumlagen in der Höhe von insgesamt 2,243.796,71 S und 6.309,45 DM zur Nachzahlung vorgeschrieben.
Den vom Land Vorarlberg gegen diese drei Bescheide erhobenen Einsprüchen hatte der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 7. Feber 1992 Folge gegeben und die Kammerumlagepflicht verneint.
Bereits vor Erlassung der beiden oben erwähnten Bescheide vom 3. Oktober 1991 betreffend die Nachtragsvorschreibung von Kammerumlagen hatte die Vorarlberger Gebietskrankenkasse dem Land Vorarlberg mit Bescheid vom 3. September 1991 für die (bis einschließlich 28. August 1991) rückständigen Kammerumlagen unter Berufung auf § 19 Abs. 4 AKG iVm § 59 Abs. 1 ASVG sowie der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 13. Dezember 1982 über die Festsetzung des Hundertsatzes der Verzugszinsen, BGBl. Nr. 612/1982, Verzugszinsen im Betrage von insgesamt 746.996,12 S und 1.925,90 DM zur Zahlung vorgeschrieben.
Über den dagegen vom Land Vorarlberg erhobenen Einspruch wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 26. Mai 1992 dahingehend entschieden, daß festgestellt werde, die vorgeschriebenen Verzugszinsen seien, soweit sie sich auf die errechneten Kammerumlagen für die beim Landesstraßenbauamt Feldkirch beschäftigten Dienstnehmer stützten, das sei der Betrag von 704.807,07 S und 1.925,90 DM, nicht zu entrichten (Spruchpunkt I). Über die vorgeschriebenen Verzugszinsen betreffend die beim Landeshochbauamt beschäftigten Dienstnehmer (42.189,05 S) werde gesondert entschieden (Spruchpunkt II). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Zwangsmitgliedschaft zur Arbeiterkammer iSd § 5 AKG stehe zur Verpflichtung der Bezahlung von Kammerumlagen und Verzugszinsen im Verhältnis der Vorfrage iSd § 38 AVG. Die entscheidende Behörde sei daher bereits mit der Erlassung des über die Kammerumlagepflicht ergangenen Bescheides an diesen gebunden. Eine Bestätigung des Bescheides der Vorarlberger Gebietskrankenkasse vom 3. September 1991 wäre rechtswidrig, weil er ansonsten in Verletzung einer solchen Bindung ergehen würde. Im Zusammenhang sei noch zu erwähnen, so führte die belangte Behörde im Zusammenhang weiter aus, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Dezember 1991, V 246/91, ausgesprochen habe, daß die Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 13. Dezember 1982, BGBl. Nr. 612/1982, für den Zeitraum von 1986 bis 1989 gesetzwidrig gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Auch die Vorarlberger Gebietskrankenkasse hat eine "Gegenschrift" erstattet und die Aufhebung des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei in dem Recht auf Einhebung von Verzugszinsen von der Kammerumlage betreffend arbeiterkammerzugehörige Personen verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, der angefochtene Bescheid sei von im Grunde des § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG befangenen Organwaltern "erlassen" worden, weil sowohl der Sachbearbeiter als auch der Approbant in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zur zahlungspflichtigen Partei stünden.
Mit diesem Vorbringen verkennt die beschwerdeführende Partei die Rechtslage.
Dieses Vorbringen ist schon im Ansatz verfehlt, weil der angefochtene Bescheid nicht von einem bestimmten Beamten der belangten Behörde, sondern von dieser, nämlich dem Landeshauptmann von Vorarlberg, erlassen worden ist. Der Beamte, dem die "Erlassung" des angefochtenen Bescheides von der beschwerdeführenden Partei fälschlich zugerechnet wird, hat diesen Bescheid bloß in seiner Eigenschaft als Organwalter der belangten Behörde gemäß § 18 Abs. 4 erster Satz AVG im Auftrage des Landeshauptmannes von Vorarlberg mit seiner Unterschrift genehmigt.
Gemäß dem von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführten § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwSlg. 6772/A) besteht das Wesen der Befangenheit in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive. Derartiges kann allerdings der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdefall nicht erkennen. Aus der von einem Verwaltungsorgan innerhalb seiner Zuständigkeit geübten Tätigkeit allein kann nämlich kein Grund zur Annahme seiner Befangenheit abgeleitet werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1954, Zlen. 411, 412/53). Den Organwaltern ist vielmehr grundsätzlich zuzubilligen, daß sie ungeachtet der jeweiligen Interessenlage ihres Dienstgebers ihre Entscheidung in behördlichen Angelegenheiten dem Gesetz entsprechend treffen (vgl. VwSlg. 10.549/A). Im übrigen ist zu bemerken, daß die Befangenheit eines Verwaltungsorganes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 15. Juni 1983, Zl. 82/01/0190) nur dann mit Erfolg eingewendet werden kann, wenn sich sachliche Bedenken gegen den Bescheid ergeben. Derartiges zeigte die beschwerdeführende Partei im Beschwerdefalle indes nicht auf.
Weiters bekämpft die beschwerdeführende Partei unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften den Ausspruch der belangten Behörde, sie sei bei Vorschreibung der Verzugszinsen an ihren die Kammerumlagepflicht verneinenden Bescheid vom 7. Feber 1992 gebunden. Sie räumt in diesem Zusammenhang ein, daß die in diesem Bescheid getroffene Entscheidung über die Nichtkammerzugehörigkeit der beim Landesstraßenbauamt beschäftigten Dienstnehmer als notwendige Voraussetzung für die Verpflichtung zur Bezahlung von Kammerumlagen und Verzugszinsen eine Vorfrage iSd § 38 AVG darstelle. Aus dem Blickpunkt des Beschwerdefalles sei jedoch in Hinsicht darauf, daß der Bescheid der belangten Behörde vom 7. Feber 1992 beim Verwaltungsgerichtshof (Zl. 92/09/0106) angefochten worden sei, die Frage aufzuwerfen, ob die belangte Behörde bei der beschwerdegegenständlichen Entscheidung über die Vorschreibung der streitverfangenen Verzugszinsen an den im genannten Bescheid die Kammerzugehörigkeit verneinenden Ausspruch gebunden war. Bei richtiger Anwendung der Verfahrensgesetze hätte nämlich die belangte Behörde das Verfahren über die Verzugszinsen gemäß § 38 AVG unterbrechen müssen, bis ein rechtsgültiger und der Anfechtung vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes nicht mehr unterliegender Bescheid über die Vorfrage ergangen sei.
Auch dieser Einwand kann die Beschwerde nicht zum Erfolg führen.
Die Frage, ob die beim Landesstraßenbauamt in Feldkirch beschäftigten Dienstnehmer kammerzugehörig sind, ist gemäß § 5 Abs. 3 AKG im Streitfalle vom Bundesminister für Arbeit und Soziales nach den Bestimmungen des § 5 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 lit. a leg. cit. zu entscheiden.
Für die Entscheidung über die Verpflichtung zur Entrichtung der Kammerumlage ist gemäß § 19 Abs. 1 und 4 AKG zwar die Erlassung eines Bescheides des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Kammerzugehörigkeit nicht Voraussetzung, gleichwohl ist aber die Kammerzugehörigkeit als (vom Bundesminister für Arbeit und Soziales zu entscheidende) Hauptfrage insoweit notwendige Voraussetzung der Kammerumlagepflicht, als mit jener auch diese entfiele.
Der Gegenstand des bei der belangten Behörde anhängig gewesenen Berufungsverfahrens betraf nicht die Frage der Kammerzugehörigkeit der beim Landesstraßenbauamt beschäftigten Bediensteten, sondern ausschließlich die Frage der Verpflichtung des Landes Vorarlberg zur Entrichtung der streitverfangenen Verzugszinsen für rückständige Kammerumlagen.
Werden Beiträge nicht innerhalb von elf Tagen nach der Fälligkeit eingezahlt, so sind gemäß § 19 Abs. 4 AKG iVm § 59 Abs. 1 erster Satz ASVG von diesen rückständigen Beiträgen, wenn nicht gemäß § 113 Abs. 1 ein Beitragszuschlag vorgeschrieben wird, Verzugszinsen in einem Hundertsatz der rückständigen Beiträge zu entrichten.
Die Verpflichtung, Verzugszinsen nach § 59 Abs. 1 ASVG zu entrichten, ist nur die gesetzliche Folge des Verzuges bei der Einzahlung der rückständigen und fälligen Beiträge (vgl. VwSlg. 5795/A und 8550/A). Das Institut der Verzugszinsen trägt keinen pönalen Charakter, sondern stellt ein wirtschaftliches Äquivalent für den Zinsenverlust dar, den der Beitragsgläubiger dadurch erleidet, daß er die geschuldete Leistung nicht innerhalb von elf Tagen nach der Fälligkeit erhält.
Wird die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Abs. 1 ASVG durch bescheidmäßige Festsetzung eines bestimmten zu leistenden Betrages konkretisiert, so liegt ein konstitutiver Bescheid vor, für den die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung maßgebend ist.
Wie aus den in § 59 Abs. 1 erster Satz ASVG (zweimal) verwendeten verba legalia "rückständige Beiträge" erhellt, stellt der Anspruch auf Verzugszinsen einen Annex zu dem Anspruch in der Hauptsache dar und teilt solcherart dessen rechtliches Schicksal. Eine nachträgliche Herabsetzung (Aufhebung) der einmal vorgeschriebenen Beiträge (hier: Kammerumlagen), bezüglich der zunächst Verzinsungspflicht eingetreten ist, bedingt in einem offenen Administrativverfahren die Anpassung an die verminderte Beitragsschuld. Solcherart wird die Verzugszinsenverpflichtung in eine innere Übereinstimmung mit der tatsächlich aushaftenden Beitragsschuld gebracht.
Wenn daher im Beschwerdefalle die belangte Behörde im Bescheid vom 7. Feber 1992 (Spruchpunkt I) festgestellt (ausgesprochen) hat, daß für die beim Landesstraßenbauamt Feldkirch beschäftigten Dienstnehmer die errechneten Kammerumlagen nicht zu entrichten sind, so ist ihr keine Rechtswidrigkeit anzulasten, wenn sie diesen sie bindenden Ausspruch auch bei der Bemessung der Verzugszinsen in Spruchpunkt I des hier angefochtenen Bescheides entsprechend dem tatsächlichen Ausmaß der Beitrags-(Kammerumlage-)pflicht berücksichtigte.
Da sie solcherart eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen dem Grunde und der Höhe nach verneinte, kommt dem unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit erhobenen Vorbringen der beschwerdeführenden Partei - die vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Dezember 1991, V 246/91, aufgehobene Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 13. Dezember 1982, BGBl. Nr. 612/1982, sei, weil kein "Anlaßfall" vorliege, sehr wohl anzuwenden gewesen - keine rechtliche Relevanz zu.
Da der angefochtene Bescheid somit weder mit einer von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachten, noch vom Verwaltungsgerichtshof etwa aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse hat sich in ihrem als "Gegenschrift" bezeichneten Schriftsatz vom 7. August 1992 der Rechtsauffassung der beschwerdeführenden Partei angeschlossen und die Zuerkennung von Schriftsatzaufwand beantragt. Sie führte darin näher aus, sie habe in Absprache mit der beschwerdeführenden Partei gegen den angefochtenen Bescheid keine Beschwerde erhoben, um eine "Doppelgeleisigkeit" des Verfahrens zu vermeiden. Da aber ihre rechtlichen Interessen durch einen Erfolg der Anfechtung nicht berührt würden, ist sie nicht mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens iSd § 21 Abs. 1 VwGG. Der Antrag der Vorarlberger Gebietskrankenkasse auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand war daher zurückzuweisen, weil das VwGG einen Eintritt als mitbeteiligte Partei auf Seite der beschwerdeführenden Partei nicht kennt (vgl. die bei Dolp-Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 165, erster Absatz, zitierte Rechtsprechung).
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