BVwG W169 2101459-3

BVwGW169 2101459-325.10.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §16 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W169.2101459.3.00

 

Spruch:

W169 2101460-3/2E

 

W169 2101459-3/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX, geb. XXXX, 2. XXXX, geb. XXXX, beide StA. Indien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2017, Zlen. 1. 830901304-161689627, 2. 830901609-1616336483, zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden zurückgewiesen.

 

II. Die Beschwerden werden gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Erstbeschwerdeführer und seine Lebensgefährtin, die Zweitbeschwerdeführerin, versuchten am 27.06.2013 am Flughafen Schwechat in Österreich einzureisen. Nach Verweigerung der Einreise stellten sie am 28.06.2013 beim Bundesasylamt Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 23.07.2013 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen wurden. Zudem wurde ausgesprochen, dass für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung Zypern zuständig ist.

 

Gegen diese Bescheide brachten die Beschwerdeführer Beschwerden beim Asylgerichtshof ein.

 

In der Folge wurde den Beschwerdeführern nach einer telefonischen Auskunft seitens des Asylgerichtshofes, wonach den Beschwerden stattgegeben werden würde, am 08.08.2013 die Einreise gestattet.

 

Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 27.12.2013 wurde den angeführten Beschwerden stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben.

 

Daraufhin wurden die Beschwerdeführer unter Ausfolgung von Aufenthaltsberechtigungskarten gemäß § 51 AsylG zum Asylverfahren zugelassen und am 16.09.2014 sowie am 19.01.2015 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

 

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2015 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 28.06.2013 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen, ihnen der Status von Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt und diese Entscheidungen gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG mit Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG verbunden. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 oder 55 AsylG wurden ihnen nicht erteilt und es wurde festgestellt, dass die Abschiebungen der Beschwerdeführer nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sind. Die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

 

Die dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.06.2015 als unbegründet abgewiesen.

 

Am 15.10.2015 stellten die Beschwerdeführer neuerlich Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2015 bzw. 17.12.2015 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden.

 

Die dagegen eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.03.2016 als unbegründet abgewiesen.

 

Am 05.12.2016 bzw. am 15.12.2016 stellten die Beschwerdeführer die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.12.2016 führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er Österreich seit seinem ersten Asylantrag im Jahr 2013 nie verlassen habe. Auf die Frage, warum er nun einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass seine alten Asylgründe nach wie vor aufrecht seien. Es habe jedoch Änderungen gegeben, zumal vor drei Wochen der Vater seiner Lebensgefährtin in Indien eine Anzeige gegen den Erstbeschwerdeführer, seinen Vater und seinen Bruder erstattet habe, zumal der Beschwerdeführer angeblich seine Tochter entführt habe. Deshalb sei der Vater des Erstbeschwerdeführers von der Polizei festgenommen und ins Gefängnis gesperrt worden; nach seinem Bruder werde noch gesucht. Folglich werde auch er in Indien von der Polizei gesucht. Außerdem würde ihn noch immer die Familie seiner Freundin verfolgen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, dass diese ihn töte.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin führte im Rahmen ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.12.2016 aus, dass sie Österreich seit der Stellung ihres ersten Antrages auf internationalen Schutz nicht verlassen habe. Sie stelle einen neuerlichen Asylantrag, da ihr Vater den Vater ihres Lebensgefährten angezeigt habe und dieser deshalb festgenommen worden sei, zumal ihr Vater behauptet habe, ihr Lebensgefährte habe sie entführt. Sie könne derzeit nicht mehr nach Indien zurück; sie würde von ihrer Familie nicht mehr akzeptiert werden und es bestehe die Gefahr eines Ehrenmordes.

 

Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 31.03.2017 führte der Erstbeschwerdeführer auf die Frage, warum er neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz stelle, aus, dass sie beim ersten Asylantrag falsche Angaben gemacht hätten, weil sie sehr nervös gewesen seien. Beim zweiten Antrag hätten sie alle Angaben wahrheitsgemäß getätigt; trotzdem sei dieser Antrag gleich nach zwei Monaten negativ entschieden worden. Seine alten Fluchtgründe seien noch immer aufrecht; sie hätten sich aber verschlimmert, zumal der Vater seiner Lebensgefährtin seine Familie angezeigt und bei der Polizei angegeben habe, dass der Beschwerdeführer seine Tochter entführt habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben. Er fürchte sich vor der Familie seiner Lebensgefährtin und auch vor der Polizei. Er könne keine Dokumente, welche seine Identität bestätigen würden, vorlegen. Nach Vorhalt, dass er am 21.12.2016 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl übernommen habe, in welcher ihm mitgeteilt worden sei, dass seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Absicht bestehe, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, nachdem sich im Vergleich zum Erstverfahren kein neuer und wesentlich geänderter Sachverhalt ergeben habe, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er seit vier Jahren in Österreich sei und immer auf selbstständiger Basis gearbeitet habe. Er habe nie Sozialhilfe beantragt oder bezogen. Da er einen zweiten negativen Bescheid bekommen habe, sei sein Gewerbe ruhend gestellt worden. Er bitte ihm zu erlauben, hier ein "offizielles anständiges Leben zu führen".

 

Nach Vorhalt von aktuellen Länderfeststellungen zu Indien führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er wisse, wie die Situation in Indien sei. Er wolle auf keinen Fall dorthin zurück, zumal ihm dort Gefahr drohe. Außerdem würden in den Länderfeststellungen nur positive Dinge stehen.

 

Zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er keine Verwandten in Österreich habe. Er lebe mit seiner Lebensgefährtin, der Zweitbeschwerdeführerin, im gemeinsamen Haushalt. Er habe als selbstständiger Pizzazusteller gearbeitet. Er sei kein Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation. Er könne Deutsch lesen, sprechen, aber auch ein wenig schreiben. Seine Eltern, zwei jüngere Brüder sowie Onkeln und Tanten seien noch in Indien. Zu seinen Familienangehörigen habe er keinen Kontakt.

 

Im Rahmen der Einvernahme legte der Erstbeschwerdeführer Einkommensteuerbescheide aus den Jahren 2014, 2015 und 2016, einen Mietvertrag, ein A2-Sprachzeugnis sowie einen Meldezettel vor.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin führte im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.03.2017 auf die Frage, warum sie einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, aus, dass ihre Fluchtgründe noch immer aufrecht seien und ihr Leben in Indien weiterhin in Gefahr sei. Sie habe Angst vor ihrer Familie; ihr jüngerer Bruder habe sie bereits mehrere Male bedroht. Sie bekomme regelmäßig Bedrohungen von ihrem Bruder über WhatsApp. Diese Bedrohungen hätten bereits in Indien angefangen und würden bis jetzt andauern. Dies habe alles mit den Gründen zu tun, welche sie bereits im Vorverfahren angegeben habe. Sie habe sich von einem Mann, den ihre Familie für sie ausgesucht habe, scheiden lassen. Ihren nunmehrigen Lebensgefährten, mit dem sie in Wien zusammenlebe, habe sie bereits vor der Eheschließung kennengelernt. Sie sei aber gezwungen worden, einen Mann zu heiraten, den sie nicht gewollt habe. Nach der Scheidung habe sie sich wieder ihrem nunmehrigen Lebensgefährten zugewandt. Ihrer Familie habe dies aber nicht gefallen und diese habe ihr gedroht, sie zu töten, falls sie ihren nunmehrigen Lebensgefährten heiraten bzw. ihn wieder treffen werde. Auch ihr Ex-Ehemann wolle sie töten, weil sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen habe.

 

Nach Vorhalt, dass sie am 21.12.2016 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes übernommen habe, in welcher ihr mitgeteilt worden sei, dass seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Absicht bestehe, ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, nachdem sich im Vergleich zu ihrem Erstverfahren kein neuer und wesentlich geänderter Sachverhalt ergeben habe, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie auf keinen Fall nach Indien zurückwolle, zumal ihr Leben dort in Gefahr sei. Sie sei seit vier Jahren in Österreich und habe sich immer selbst versorgt. Sie habe auch zweimal versucht, auf selbstständiger Basis zu arbeiten. Da sie aber keinen legalen Status besitze, habe sie keine Aufträge bekommen. Sohin habe sie beide Gewerbe ruhen lassen. Sie bitte, ihr eine Bestätigung zu geben, damit sie einer legalen Beschäftigung nachgehen könne.

 

Nach Vorhalt von aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Indien führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass das, was man in den Zeitungen und in den Berichten im Internet über Indien lese, in Wirklichkeit nicht stimme.

 

Zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie mit ihrem Lebensgefährten, dem Erstbeschwerdeführer, in Österreich im gemeinsamen Haushalt lebe. Ansonsten habe sie keine Verwandten in Österreich. Sie habe einen A2-Deutschkurs besucht und könne ein diesbezügliches Zeugnis vorlegen. Ihre Eltern, ihre zwei Brüder sowie Onkeln, Tanten und Cousinen würden nach wie vor in Indien leben. Zu ihren Familienangehörigen in Indien habe sie keinen Kontakt. Sie sei kein Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation in Österreich. Ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet könne sie insofern bestreiten, als sie in der Nacht Zeitungen austeile; darüber hinaus bekomme sie monatlich € 600 bis € 650 von ihrem Cousin aus Kanada überwiesen.

 

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde die (dritten) Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Beschwerdeführern kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

 

Begründend wurde hinsichtlich des Spruchpunktes I. ausgeführt, dass ein neuer Sachverhalt, welcher eine anders lautende Entscheidung in der Sache rechtfertigen würde, nicht vorliege. Da weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der Beschwerdeführer gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei – noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung der Anträge nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, seien die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Hinsichtlich des Spruchpunktes II. wurde festgehalten, dass eine der Rückkehr entgegenstehende Integration der Beschwerdeführer ebenso wenig erkannt werden könne, wie eine der Rückkehr entgegenstehende Situation nach Indien.

 

Gegen Spruchpunkt II. und III. der angefochtenen Bescheide wurde von den Beschwerdeführern durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass die Behörde entschieden habe, ohne eine "mündliche Verhandlung" durchzuführen, in der sie ihre persönlichen Standpunkte hätten darlegen können. Sie seien seit Juni 2013 in Österreich und mittlerweile sowohl beruflich als auch privat/sozial integriert. Sie hätten in Österreich viele Freunde, wohingegen sie in Indien so gut wie keine Kontakte mehr hätten. Der Erstbeschwerdeführer betreibe in Österreich ein Kleintransportgewerbe, sei als selbständiger Unternehmer tätig und in der Lage, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Die Zweitbeschwerdeführerin betreibe in Österreich das Gewerbe der Hausbetreuung und sei ebenfalls in der Lage, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Die Beschwerdeführer würden in Österreich im gemeinsamen Haushalt leben und beabsichtigen, hier zu heiraten, sobald ihre beiden Aufenthaltsverfahren positiv entschieden seien. Auch wenn ihre Asylverfahren rechtskräftig erledigt seien, gäbe es berücksichtigungswürdige Gründe, ihnen einen Aufenthaltstitel zu gewähren. In Indien sei ihnen die Eheschließung aufgrund der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Kasten verwehrt. Weil die Beschwerdeführer in Österreich bereits verfestigt seien, würde die Ausreise in ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK eingreifen. Weiters hätten sie das Modul der Integrationsvereinbarung erfüllt, zumal sie bereits die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgeschlossen hätten, wobei zum Beweis dafür die A2 Zeugnisse vom 16.02.2017 vorgelegt wurden. Zudem werde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden sowie auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen (Sachverhalt):

 

1.1 Zur Person der Beschwerdeführer:

 

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Indien. Ihre Identitäten stehen nicht fest. Sie beherrschen die Sprachen Punjabi; die Zweitbeschwerdeführerin spricht zudem auch ein wenig Englisch und Hindi. In Indien leben die Eltern, die Brüder sowie Onkeln und Tanten der Beschwerdeführer sowie Cousinen der Zweitbeschwerdeführerin.

 

Die Beschwerdeführer versuchten am 27.06.2013 am Flughafen Wien Schwechat in Österreich einzureisen. Nach Verweigerung der Einreise stellten sie am 28.06.2013 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2013 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen wurden. Zudem wurde ausgesprochen, dass für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II. Verordnung Zypern zuständig ist. Am 08.08.2013 wurde den Beschwerdeführern die Einreise in das österreichische Bundesgebiet gestattet. Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 27.12.2013 wurde den Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 23.07.2013 stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben. Daraufhin wurden die Beschwerdeführer unter Ausfolgung von Aufenthaltsberechtigungskarten gemäß § 51 AsylG zum Asylverfahren zugelassen. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2015 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 28.06.2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen und diese Entscheidungen mit Rückkehrentscheidungen verbunden. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden den Beschwerdeführern nicht erteilt und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Indien zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.06.2015 als unbegründet abgewiesen.

 

Am 15.10.2015 stellten die Beschwerdeführer neuerlich Anträge auf internationalen Schutz und wurden diese mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2015 bzw. 17.12.2015 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.03.2016 als unbegründet abgewiesen.

 

Am 05.12.2016 bzw. am 15.12.2016 stellten die Beschwerdeführer ihre dritten, die gegenständlichen, Anträge auf internationalen Schutz.

 

Die Beschwerdeführer halten sich seit Abschluss ihres Asylverfahrens durch Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.06.2015 unrechtmäßig in Österreich auf. Sie sind ihrer Ausreiseverpflichtung nach Indien bisher nicht nachgekommen.

 

Die Beschwerdeführer haben keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörige in Österreich. Die Beschwerdeführer leben in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Sie haben beide einen A2 Deutschkurs absolviert und sprechen Deutsch. Die Beschwerdeführer sind in Österreich nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation. Sie verfügen über einen Freundeskreis in Österreich. Die Beschwerdeführer sind gesund und stehen im erwerbsfähigen Alter. Sie nehmen keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch; der Erstbeschwerdeführer arbeitet als Pizzazusteller und die Zweitbeschwerdeführerin trägt in Österreich Zeitungen aus. Darüber hinaus bekommt die Zweitbeschwerdeführerin monatlich € 600 bis € 650 finanzielle Unterstützung von ihrem Cousin aus Kanada.

 

Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.

 

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Aufenthalt aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

 

1.2. Zur Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

 

Sicherheitslage

 

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

 

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

 

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

 

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

 

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

 

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

 

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

 

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

 

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

 

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Religionsfreiheit

 

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

 

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

 

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

 

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

 

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

 

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten

 

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte "registrierte" Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte "benachteiligte Klassen", fest (FH 27.1.2016).

 

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

 

Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. "Dalits" oder "Unberührbare") sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten "Scheduled" Castes and "Scheduled" Tribes ("scheduled" = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, "Other Backward Castes", vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für "rückständige" Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

 

Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von "Unberührbarkeit" (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

 

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

 

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

 

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes

 

Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregierung (AA 16.8.2016). Kinder aus vulnerablen Gemeinschaften sind Formen der Diskriminierung aufgrund ihrer Kasten- oder Religionszugehörigkeit sowie ihrer Ethnie ausgesetzt (HRW 27.1.2016).

 

Konfliktfördernd ist v.a. auch der als Bedrohung wahrgenommene, unkontrollierte Zustrom illegaler (muslimischer) Einwanderer, vor allem aus Bangladesch. Es gibt ca. 100 Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Relevante Bevölkerungsgruppen

 

Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 13.4.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

 

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

 

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

 

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

 

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Meldewesen

 

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9 .2016).

 

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

 

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9 .2016).

 

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9 .2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9 .2016).

 

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

 

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9 .2016).

 

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

 

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

 

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

 

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

 

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

 

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Mangels Vorlage von unbedenklichen nationalen Identitätsdokumenten steht die Identität der Beschwerdeführer nicht fest. Zudem wurden im Rahmen des ersten Asylverfahrens von der Behörde im Dezember 2014 Recherchen in Indien an den von den Beschwerdeführern behaupteten Wohnorten durchgeführt. Diese Recherchen ergaben, dass die Beschwerdeführer weder in den Wählerverzeichnissen ihrer angeblichen Heimartorte aufscheinen noch von irgendjemandem in ihren angegebenen Wohnorten identifiziert werden konnten. Somit haben die Beschwerdeführer falsche Angaben zu ihren Identitäten getätigt, um ihre Herkunft zu verschleiern.

 

Die Feststellungen zur familiären Situation der Beschwerdeführer im Heimatland beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführer im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30. und 31.03.2017.

 

Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführer in Österreich einen A2 Kurs besucht haben, Deutsch sprechen, der Erstbeschwerdeführer in Österreich als Pizzazusteller und die Zweitbeschwerdeführerin als Zeitungszustellerin arbeitet, die Zweitbeschwerdeführerin monatlich € 600 bis € 650 finanzielle Unterstützung von ihrem Cousin aus Kanada bekommt, sie keine Mitglieder in Vereinen oder in sonstigen Organisationen sind, über einen Freundes- und Bekanntenkreises in Österreich verfügen, im gemeinsamen Haushalt leben, sowie gesund sind, ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30. und 31.03.2017 sowie den im Verfahren vorgelegten A2-Deutschzertifikaten vom 16.02.2017, den Einkommenssteuerbescheiden des Erstbeschwerdeführers aus den Jahren 2014 bis 2016, den Arbeitsverträgen des Erstbeschwerdeführers, dem Meldezettel sowie dem Mietvertrag.

 

Die Feststellungen zu den Asylverfahren der Beschwerdeführer ergeben sich aus den diesbezüglichen Asylakten.

 

Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen und strafgerichtlich unbescholten sind, ergeben sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und im Strafregister.

 

2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Lage in Indien ergeben sich aus den obigen Länderberichten, die den Beschwerdeführern bereits im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgehalten wurden, die in den angefochtenen Bescheiden enthalten sind und denen die Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegen getreten sind. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Zum Spruchteil A)

 

3.1. Zu Spruchpunkt I.:

 

Gemäß § 16 Abs. 2 BFA-VG kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist (Z 1), ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht (Z 2) oder eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird (Z 3), sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.

 

Gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG ist eine Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, der die aufschiebende Wirkung nicht zukommt, durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

 

Gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist (Z 1) oder eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht (Z 2) sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 17 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung nach Abs. 1 oder gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG binnen acht Wochen zu entscheiden.

 

Einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz, die mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder bei welcher bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht (beides trifft auf die gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu), kommt demnach gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG ex lege die aufschiebende Wirkung für einen Zeitraum von einer Woche ab Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht zu. Nach Ablauf der Frist endet die aufschiebende Wirkung, es sei denn, das Bundesverwaltungsgericht hat innerhalb der Frist mit Beschluss die aufschiebende Wirkung bis zum Ende des Verfahrens in der Hauptsache gewährt. Die genannten Vorschriften sehen jedoch weder ein Antragsrecht des Asylwerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vor (die gerichtliche Überprüfung hat vielmehr von Amts wegen stattzufinden) noch muss das Verwaltungsgericht darüber einen Beschluss fassen, dass die aufschiebende Wirkung nicht gewährt wird. Nach den Vorstellungen des Gesetzes hat nur die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch Beschluss zu erfolgen und es besteht nur insofern eine Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.

 

Ausgehend davon kam den Beschwerdeführern im vorliegenden Fall kein Antragsrecht in Bezug auf die begehrte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu. Die Anträge waren daher zurückzuweisen (vgl. dazu VwGH vom 21.02.2017, Fr 2016/18/0024).

 

3.2. Zu Spruchpunkt II:

 

Da sich die gegenständlichen Beschwerden lediglich gegen die Spruchpunkte II. und III. der angefochtenen Bescheide richten, erwuchsen die Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide in Rechtskraft.

 

Vorauszuschicken ist, dass das Bundesamt zu Recht davon ausgeht, dass auch Zurückweisungen von Anträgen auf internationalen Schutz gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 – soweit die sonstigen Voraussetzungen dafür vorliegen – mit Rückkehrentscheidungen zu verbinden sind (siehe VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführer weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurden. Weder haben die Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die dort genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

Was einen allfälligen Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer betrifft, ist Folgendes festzuhalten:

 

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; vgl. auch VfGH 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Die Beschwerdeführer haben keine Familienangehörige oder sonstige Verwandte in Österreich. Da die Beschwerdeführer zudem im selben Umfang von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind, stellt die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung des Familienlebens dar.

 

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben der Beschwerdeführer eingreifen.

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua. gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [ ] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

 

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert. In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Die Dauer des Aufenthaltes der Beschwerdeführer im Bundesgebiet seit ihrer Einreise im Jahr 2013 ist nicht als sehr lange zu bezeichnen. Zudem stützen die Beschwerdeführer ihren Aufenthalt in Österreich lediglich auf drei Asylantragstellungen, wovon sich bereits die erste – wie rechtskräftig festgestellt – als weder glaubwürdig noch asylrelevant erwies und auch die nunmehrigen Anträge auf internationalen Schutz von Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückgewiesen wurden. Dadurch wird das persönliche Interesse der Beschwerdeführer an einen Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen erheblich herabgemindert. Dies umso mehr, als über die ersten Anträge der Beschwerdeführer bereits im Juni 2015 rechtskräftig negativ entschieden worden war und die Beschwerdeführer - trotz aufrechter Rückkehrentscheidung – unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet geblieben sind. Da die Beschwerdeführer sohin Österreich entgegen der Verpflichtung zur Ausreise nicht verlassen haben, sondern illegal im Bundesgebiet verblieben sind, ist die Schutzwürdigkeit des Privatlebens der Beschwerdeführer dadurch als deutlich gemindert anzusehen (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2015/21/0180), zumal der Aufenthalt der Beschwerdeführer auch nicht geduldet war. Die Beschwerdeführer verfügten somit nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechtes aufgrund des Asylverfahrens. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch noch anzumerken, dass die Beschwerdeführer unter Angabe eines falschen Geburtsdatums und eines falschen Namens im Asylverfahren versuchten, ihre Identität und Herkunft zu verschleiern.

 

Zugunsten der Beschwerdeführer ist zwar zu berücksichtigen, dass diese während ihres Aufenthaltes in Österreich bemüht waren, sich beruflich zu integrieren und der Erstbeschwerdeführer als Pizzazusteller sowie die Zweitbeschwerdeführerin als Zeitungszustellerin tätig sind. Die Beschwerdeführer haben in Österreich auch einen A2-Deutschkurs besucht und verfügen über einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich. Ansonsten haben die Beschwerdeführer aber keine besonders intensiven Bindungen zu Österreich dargetan. Sie haben, abgesehen vom Deutschkurs, keine weiteren Kurse besucht und sind auch nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation. Darüber hinaus verfügen die Beschwerdeführer noch über starke Bindungen zum Herkunftsstaat, zumal sich dort ihre Familien und eine große Anzahl an weiteren Verwandten befinden. Zudem haben die Beschwerdeführer ihr gesamtes Leben bis zu ihrer Ausreise in Indien verbracht, sodass nichts darauf hindeutet, dass sich die Beschwerdeführer nach vierjähriger Abwesenheit von ihrem Herkunftsstaat nicht wieder in die dortige Gesellschaft integrieren können werden.

 

Dass die Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten sind, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken, noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendeten Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

 

Dass die Dauer des bisherigen Aufenthalts in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, ist nicht ersichtlich.

 

Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12. 06. 2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11. 12. 2003, 2003/07/0007).

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist sohin zu Recht davon ausgegangen, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie an einem geordneten Zuwanderungswesen im vorliegenden Fall schwerer wiegen als die familiären und privaten Interessen der Beschwerdeführer. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK daher nicht geboten.

 

Zu den Ausführungen in der Beschwerde, wonach den Beschwerdeführern in Indien die Eheschließung wegen der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Kasten verwehrt sei, wobei die belangte Behörde diesbezüglich keine Länderfeststellungen getroffen habe und dies alleine schon die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertige, ist anzumerken, dass die Behörde im Asylverfahren, wo die Beschwerdeführer bereits ein diesbezügliches Vorbringen erstattet haben, im Dezember 2014 Recherchen an den von den Beschwerdeführern behaupteten Wohnorten in Indien durchgeführt hat. Dabei sollten mehrere Fragen, insbesondere sollte die Zugehörigkeit der Beschwerdeführer zu verschiedenen Kasten überprüft werden, als auch, ob etwas von der Hochzeit der Zweitbeschwerdeführerin bzw. von ihrer Beziehung bekannt ist, beantwortet werden, was jedoch daran scheiterte, dass die Beschwerdeführer einerseits in ihren angeblichen Heimatorten nicht identifiziert werden konnten sowie andererseits daran, dass die Beschwerdeführer auch in den Wählerverzeichnissen ihrer behaupteten Heimatorte nicht aufschienen. Da die Beschwerdeführer sohin offenkundig falsche Angaben zu ihren Identitäten gemacht haben, um ihre Herkunft zu verschleiern und folglich auch das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer – wie bereits rechtskräftig festgestellt- nicht den Tatsachen entsprochen hat, waren keine Länderdokumentationen zur Frage der Eheschließung in Indien, insbesondere zwischen Angehörigen verschiedener Kasten, einzuholen.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seinem Erkenntnis vom 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, (in einer Verfahrenskonstellation nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005) fest, dass eine Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung im Rahmen des Rückkehrentscheidungsverfahrens inhaltlich nicht von einer bereits ausgesprochenen Entscheidung über die Gewährung subsidiären Schutzes abweichen könne, sondern lediglich die notwendige Folge eines negativen Abspruchs über einen Antrag auf internationalen Schutz darstelle. In seinem Erkenntnis vom 24.05.2016, Ra 2016/21/0101, konkretisierte der Verwaltungsgerichtshof diese Erwägungen, indem er ausführte, dass dies nur bei unveränderter Sachlage gelte. Stehe dagegen im Raum, dass sich die Verhältnisse im Herkunftsstaat maßgeblich verändert – aus der Sicht des Fremden: verschlechtert – hätten, so sei eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob eine Abschiebung in den Herkunftsstaat (noch) zulässig sei.

 

Entsprechend dieser Judikatur ergibt sich verfahrensgegenständlich die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat bereits aus den Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 01.06.2015. Unabhängig davon sind im vorliegenden Fall keine Abschiebungshindernisse im Sinne des § 50 FPG zu erkennen:

 

Aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat allein ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Lage derart maßgeblich verschlechtert hätte, sodass die Beschwerdeführer im Sinne des § 50 FPG bedroht wären. Es konnte nicht festgestellt werden, dass in Indien derzeit eine "extreme Gefahrenlage" (vgl. etwa VwGH 16. 4. 2002, 2000/20/0131) im Sinne einer dermaßen schlechten wirtschaftlichen oder allgemeinen (politischen) Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe.

 

Zudem haben sich die hier relevanten persönlichen Umstände der Beschwerdeführer nicht maßgeblich verändert, sodass nicht von einer völligen Perspektivenlosigkeit der Beschwerdeführer auszugehen ist. Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, derzufolge die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, ist es den gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführern zumutbar, sich in ihrer Heimat den notwendigen Unterhalt zu sichern. Sie verfügen zudem über Familie in Indien, sodass nicht angenommen werden kann, die Beschwerdeführer gerieten im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 50 FPG nicht.

 

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Indien nicht. Die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Indien ist daher zulässig.

 

Ebenso rechtmäßig ging das Bundesamt davon aus, dass bei der Zurückweisung der Anträge auf internationalen Schutz vom 05.12. bzw. 15.12.2016 gemäß § 55 Abs. 1a FPG 2005 keine Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer festzusetzen war.

 

4. Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

 

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

 

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

 

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sind im gegenständliche Fall erfüllt. Das Vorbringen des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführer in der Beschwerde, wonach die Behörde entschieden habe, ohne eine "mündliche Verhandlung" (gemeint wohl: Einvernahme) durchzuführen, ist aktenwidrig, da die Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren vor dem Bundesamt ausführlich persönlich einvernommen wurden, und zwar der Erstbeschwerdeführer am 31.03.2017 und die Zweitbeschwerdeführerin am 30.03.2017..

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben (siehe insbesondere VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082, wonach auch Zurückweisungen von Anträgen auf internationalen Schutz gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 mit Rückkehrentscheidungen zu verbinden seien.). Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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