B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W136.2193938.3.00
Spruch:
W136 2193938-2/3EW136 2193938-3/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter HR Mag. Bernhard JIRGAL und MinR Mag. Christoph PROKSCH als Beisitzer über die Anträge des XXXX , vertreten durch DR. RAGOSSNIG & Partner Rechtsanwalts GmbH, Friedrichgasse 6/9/37, 8010 Graz
1. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich Versäumung der Frist zur Einbringung des Wiederaufnahmeantrages betreffend des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E, abgeschlossenen Verfahrens
sowie
2. auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E, abgeschlossenen Verfahrens
beschlossen:
A) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG stattgegeben.
B) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
C) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit rechtskräftigem Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 23.03.2018, GZ 44067/5-DK/3/18, wurde der BF als Bezirksinspektor der LPD XXXX gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 entlassen. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde insoweit stattgegeben, dass der Antragsteller von dem in Spruchpunkt 6. erhobenen Vorwurf über den gesetzwidrigen Gebrauch seiner Schusswaffe und Abgabe eines Schreckschusses freigesprochen wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen und der bekämpfte Bescheid mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E, bestätigt.
Dagegen brachte der Antragsteller am 15.11.2018 eine außerordentliche Revision ein, welche mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.01.2019, Ra 2018/09/0208-4, zurückgewiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom 02.06.2021 beantragte der Antragsteller sodann gemäß § 116 Abs. 2 BDG 1979 iVm § 69 Abs. 2 AVG die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens und brachte den Antrag unmittelbar bei der Bundesdisziplinarbehörde ein, welche diesen mit Bescheid vom 09.06.2021, 2021-0.404.772, gemäß § 6 AVG zurückwies und den Antragsteller gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG an das BVwG verwies.
Am 09.06.2021 langte beim BVwG ein Schriftsatz des Antragstellers ein, mit welchem 1. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich Versäumung der Frist zur Einbringung des Wiederaufnahmeantrages betreffend des mit Erkenntnis des BVwG vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E, abgeschlossenen Verfahrens sowie 2. die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E, abgeschlossenen Verfahrens beantragt wurde.
Begründend führte der Antragsteller durch seinen Rechtsvertreter hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Folgende aus: Die Frist zur Einbringung des gegenständlichen Wiederaufnahmeantrages habe am 08.06.2021 geendet. Aus unerfindlichen technischen Gründen sei es trotz rechtzeitigen Bemühens des Sekretariats am 08.06.2021 nicht möglich gewesen, den Wiederaufnahmeantrag an das BVwG via „webERV“ zuzustellen. Trotz mehrmaligen Versuchens sei das Vorhaben gescheitert und liege ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis vor. Sohin sei durch diese unverschuldete und nicht vorhersehbare „Panne“ die rechtsfreundliche Vertretung am rechtzeitigen Einbringen des Wiederaufnahmeantrages gehindert gewesen und habe sohin der Antragsteller einen Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung, wobei die Versäumung auf kein Verschulden oder auf ein Versehen minderen Grades zurückzuführen sei. Zum Beweis, dass der Antrag rechtzeitig erstellt worden sei, werde ein Screenshot beigefügt, woraus die Erstellung des Antrages mit 08.06.2021, 11:34 Uhr ersichtlich sei. Der erstmalige Versuch, diesen Antrag zu versenden sei spät nachmittags am 08.06.2021 erfolgt, jedoch habe sich der Versendemodus nicht durchführen lassen. Dann sei in der Folge versucht worden, das Dokument nochmals abzuspeichern, um es nochmals zu versuchen, was ebenfalls nichts genützt habe. In weiterer Folge sei der Antrag noch einmal neu erstellt worden, dann sei das Programm neu gestartet und schließlich sei der PC heruntergefahren und neu gestartet worden. Auch dies habe nichts geholfen und es habe nicht versendet werden können. Ein Professionist für dieses Programm sei nicht mehr greifbar gewesen. Es komme naturgemäß dann und wann vor, dass ein Absenden oder Empfangen von Eingaben und Schriftstücken nicht möglich sei, jedoch dies bei einem wiederholten Versuch dann sehr wohl funktioniere, was gegenständlich leider nicht der Fall gewesen sei. Als dann später der Programmmodus augenscheinlich funktioniert habe, sei trotz negativer Fehlerprüfung (der Antrag sei als korrekt vom System gewertet worden), welcher vor Versenden der Eingabe zu machen und gemacht worden sei, nach längerer Wartezeit (wie üblich) die Nachricht eingegangen, dass der Antrag fehlerhaft und sohin als nicht eingebracht gewertet worden sei. Dies habe trotz akribischen Bemühens nicht nachvollzogen werden können. Auch die daran angeschlossenen Versuche seien erfolglos geblieben. Zuständig für das Absenden sei generell eine mehrjährige Mitarbeiterin, Frau XXXX , die das Front Office der Kanzlei leite und für das Versenden von Schriftsätzen und Eingaben seit 2,5 Jahren zuständig und dementsprechend versiert sei und die auch schon unzählige Eingaben mittels „webERV“ an das BVwG erfolgreich eingebracht habe. Es habe nicht nachvollzogen werden können, warum diese Eingabe nicht versendet habe werden können. Das System werde seit Anbeginn der Kanzleieröffnung im Jahr 2010 verwendet. Zum Beweis für den Wiedereinsetzungsgrund werde auch ein Sendeprotokoll vom 08.06.2021 übermittelt, woraus sich das rechtzeitige Bemühen des Versendens ergebe. So auch werde zum Beweis eine eidesstaatliche Erklärung von der Kanzleimitarbeiterin beigeschlossen. Auch der den Fall betreuende Rechtsanwalt, Mag. XXXX , sei bei manchen Versuchen des Versendens des Antrages persönlich zugegen gewesen und er habe selbst den richtigen und rechtzeitigen Einbringungsvorgang kontrollieren und auch nicht eruieren können, wieso dies nicht funktioniert hätte. Er habe erkennen können, dass eine Fehlerprüfung des Antrages im „webERV“-System der Kanzlei durchgeführt worden sei und sei der Antrag als korrekt im System – also noch vor Absenden – ausgewiesen worden. Der Antrag sei sohin nach der Fehlerprüfung bereit zum Versenden gewesen.
Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde Folgendes ausgeführt: Zur Rechtzeitigkeit wurde dargelegt, dass dem Antragsteller mit Gutachten des Gerichtssachverständigen XXXX vom 20.05.2021 erstmals bekannt geworden sei, dass er im Zeitraum von Jänner bis Dezember 2018 unter einem Zustand einer rezidivierenden depressiven Störung, einer mittelgradigen Episode (F 33.1) gelitten habe, sohin über einen Zeitraum von zumindest 12 Monaten hinweg, und sei der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr schwer in der Lage gewesen den Verhandlungen geistig zu folgen, also die Erklärungen anderer Verfahrensbeteiligungen zu verstehen, Verfahrensbefugnisse auszuüben und Verfahrenspflichten zu erfüllen. Damit sei die psychische Leistungsfähigkeit zumindest phasenweise mittelgradig beeinträchtigt gewesen. Insgesamt sei daher die Verhandlungsfähigkeit des Antragstellers im Jahr 2018 nicht vollends gegeben gewesen. Um Missverständnisse hintanzuhalten, werde ausgeführt, dass der Rechtsvertreter in dem bei der Bundesdisziplinarbehörde eingebrachten Antrag zur Rechtzeitigkeit ausgeführt habe, dass der Antragsteller erstmals vom Wiederaufnahmegrund am 20.05.2021 erfahren habe, die Frist zur Erstattung eines Wiederaufnahmeantrages daher am 04.06.2021 ende und der Antrag daher als fristgerecht zu qualifizieren sei. Die Fristen in der Kanzlei der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragstellers würden regelmäßig mit dem Erstellungsdatum der zu bekämpfenden Entscheidung oder des fristenauslösenden Ereignisses eingetragen, und nicht mit dem Zustelldatum. Dadurch werde vermieden, dass durch eine Falschangabe der Zustellung des Mandanten eine Frist versäumt werde. Auch im gegenständlichen Fall sei dies so gehandhabt worden. Der Antragsteller habe seinem Vertreter erklärt, dass er auf Basis des Gutachtens, welches mit 20.05.2021 datiert und an den Antragsteller versendet worden sei, einen Wiederaufnahmeantrag habe stellen wollen. Der Rechtsvertreter habe daher den Fristbeginn mit 20.05.2021 gewählt. Nachdem der Rechtsvertreter durch die Bundesdisziplinarbehörde darauf hingewiesen worden sei, dass der Antrag auf Wiederaufnahme bei der falschen Behörde eingebracht worden sei, habe der Rechtsvertreter den Antragsteller mit der Frage konfrontiert, wann er vom Inhalt des Gutachtens tatsächlich Kenntnis erlangt habe. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass er das Gutachten zwar am 20.05.2021 erhalten habe, dieses erst jedoch nach seiner Urlaubsrückkehr am Pfingstwochenende geöffnet und gelesen habe und sohin erst am 25.05.2021 erstmals Kenntnis davon erlangt habe, dass ein Wiederaufnahmegrund auch tatsächlich vorliege. Daher sei der fristenauslösende Zeitpunkt nicht, wie im bereits der Bundesdisziplinarbehörde vorgelegten Wiederaufnahmeantrag, der 20.05.2021, sondern der 25.05.2021 und dieser damit gerade noch rechtzeitig. Im Lichte des § 32 Abs. 2 VwGVG sei der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ebenfalls rechtzeitig, zumal die mit drei Jahren festgesetzte Verjährungsfrist aufgrund der Zustellung des Erkenntnisses vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E an die Rechtsvertretung am 10.10.2018 erst mit 10.10.2021 ende.
Zur Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages führte der Antragsteller nunmehr Folgendes aus: Aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller im Zeitraum von Jänner bis Dezember 2018 unter einer rezidivierenden depressiven Störung mittelgradiger Episode (F 33.1) gelitten habe und der gerichtlich beeidete Sachverständige die Verhandlungsunfähigkeit im genannten Zeitraum festgestellt habe, sei es dem Antragsteller als Verfahrensbeteiligten nicht möglich gewesen, seine Verfahrensbefugnisse auszuüben und Verfahrenspflichten zu erfüllen. Dies bedeute, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt seines oben erwähnten Disziplinarverfahrens überhaupt nicht hat geistig folgen können und sei er nicht imstande gewesen, dementsprechende Erklärungen abzugeben. Dies bedeute, dass er zum damaligen Zeitpunkt weder dispositions- noch diskretionsfähig gewesen sei. Weiters stehe dem Antragsteller kein innerstaatliches Rechtsmittel mehr zur Verfügung, weswegen ein weiteres Rechtsmittel nicht mehr zulässig und auch diese Voraussetzung erfüllt sei. Durch das Gutachten vom 20.05.2021 sei für den Antragsteller erstmals erweislich gewesen, dass die hieraus resultierenden Befund- und Gutachtensergebnisse, neue Tatsachen im Sinne des § 32 VwGVG darstellen und im bisherigen Verfahren nicht vorgelegen seien. Diese Tatsachen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit geeignet gewesen, ein anderslautendes Erkenntnis zu bekommen, zumal der Antragsteller im Zeitraum Jänner bis Dezember 2018 als nicht verhandlungsfähig beschrieben worden und er nicht allumfassend fähig gewesen sei, seine Verfahrensbefugnisse auszuüben und seine Verfahrenspflichten zu erfüllen. Ferner sei er nicht fähig gewesen, Erklärungen anderer Verfahrensbeteiligter zu verstehen. Die hohe Wahrscheinlichkeit sei mit jener Diktion ergänzt worden, dass der Antragsteller sehr schwer in der Lage gewesen sei, den Verhandlungen geistig zu folgen. Sohin sei die psychische Leistungsfähigkeit des Antragstellers zumindest phasenweise mittelgradig beeinträchtigt gewesen, dies resultierend aus einer rezidivierend depressiven Störung mittelgradiger Episode. Durch das schlüssige und nachvollziehbar begründete Gutachten komme klar zum Vorschein, dass kein Zweifel daran bestehen könne, dass die Gutachtensergebnisse im Gutachten des Sachverständigen und das darin beinhaltete Tatsachensubstrat ohne das Verschulden des Antragstellers nicht schon im Verfahren vor der erst- und zweit- oder drittinstanzlichen Behörde vorgelegt worden seien. Das Gutachten sei erst am 20.05.2021 erstellt worden und habe dieses zuvor nicht bestanden. Aufgrund der schweren psychischen Beeinträchtigung habe der Antragsteller selbst nicht davon ausgehen können, dass er krankheitsbedingt derart beeinträchtigt gewesen sei, um seine Rechte im Verfahren dementsprechend wahrnehmen zu können und habe er erstmals von diesem Umstand durch das Sachverständigengutachten Kenntnis erlangt. Dem Antragsteller stehe ein Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK zu und sei dieses durch seine psychische Disposition erheblich verletzt worden. Daher seien sämtliche Verfahrensabschnitte, beginnend mit dem erstinstanzlichen Disziplinarverfahren mit den Grundsätzen der EMRK nicht vereinbar, weswegen der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wie oben erwähnt in jedem Fall gerechtfertigt und zulässig sei. Das gesamte Verfahren betreffend den Antragsteller sei als nichtig zu qualifizieren. Sohin handle es sich hierbei um neu hervorgekommene Tatsachen und würde diese Tatsachen demzufolge einen Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens darstellen. Das gesamte Gutachten vom 20.05.2021 sei schlüssig und nachvollziehbar, weswegen diese Befundtatsachen einen tauglichen Wiederaufnahmegrund bilden würden. Es handle sich sohin um eine vom Antragsteller unverschuldete Kenntnis des Umstandes, und wäre es ihm nicht möglich gewesen, dies vor dem Hintergrund seiner psychischen Disposition schon früher darzulegen. Schließlich wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Ladung des Sachverständigen in seiner Eigenschaft als Zeuge für den Wiederaufnahmegrund gestellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Mit rechtkräftigem Erkenntnis des BVwG vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E, wurde eine Beschwerde gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 23.03.20218, GZ 44067/5-DK/3/18, aufgrund dessen der Antragsteller als Bezirksinspektor der LPD XXXX gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 entlassen wurde, abgewiesen (wobei der BF von dem in Spruchpunkt 6. erhobenen Vorwurf über den gesetzwidrigen Gebrauch seiner Schusswaffe und Abgabe eines Schreckschusses freigesprochen wurde) und in Folge die dagegen erhobene Revision mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.01.2019, Ra 2018/09/0208-4, als unzulässig zurückgewiesen.
Die dem Antragsteller angelasteten Dienstpflichtverletzungen bestanden insbesondere darin, seinen Mitarbeitern als Vorgesetzter nicht mit Achtung begegnet zu sein, es nicht unterlassen zu haben, trotz Aufforderungen diese in mehreren Fällen geschlechtlich belästigt zu haben, während seines Dienstes geschlechtliche Handlungen vollzogen zu haben, sowie rechtswidrig Munition besessen zu haben.
1.2. Fest steht, dass am 09.06.2022 beim BVwG ein Schriftsatz des Antragstellers einlangte, mit welchem 1. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich Versäumung der Frist zur Einbringung des Wiederaufnahmeantrages betreffend des mit Erkenntnis des BVwG vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E, abgeschlossenen Verfahrens sowie 2. die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E, abgeschlossenen Verfahrens beantragt wurde.
1.3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde mit dem Vorliegen eines technischen Gebrechens bei der Übermittlung des Wiederaufnahmeantrages am letzten Tag der Frist, dem 08.06.2021, begründet.
1.4. Der Wiederaufnahmeantrag wurde mit dem Gutachten vom 20.05.2021 begründet, von dessen Inhalt der Antragsteller am 25.05.2021 Kenntnis erlangt hat und wodurch ihm erstmals bekannt geworden sei, dass er im Zeitraum von Jänner bis Dezember 2018 unter einem Zustand einer rezidivierenden depressiven Störung, einer mittelgradigen Episode (F 33.1) gelitten habe und daher zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr schwer in der Lage gewesen sei, den Verhandlungen geistig zu folgen.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Feststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden bzw. ergeben sich aus den Angaben des Antragstellers.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BvWGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 135a Abs. 1 BDG 1979 hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in Angelegenheiten des § 20 Abs. 1 Z 3 (Entlassung) durch einen Senat zu erfolgen. Im Verfahren dessen Wiederaufnahme begehrt wird, lag somit Senatszuständigkeit vor.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.
Zu A)
3.1. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 33 VwGVG
Die maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, lautet:
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 33 VwGVG (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,
beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.
Über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, ist von der Behörde zu entscheiden. Über jene Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, ist vom Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden (vgl. VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).
Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung auch bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH 30.03.2020, Ra 2019/05/0076, mwN).
Ein Wiedereinsetzungswerber hat konkrete Angaben zu machen, aus denen die Rechtzeitigkeit seines Wiedereinsetzungsantrags zu erkennen ist. Dabei schadet es aber nicht, wenn der Zeitpunkt, an dem das Hindernis weggefallen ist, nicht ausdrücklich genannt (als solcher qualifiziert) wird, sich allerdings aus einer verständigen Würdigung der Angaben im Wiedereinsetzungsantrag ergibt (vgl. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/03/0058).
Im Wiedereinsetzungsantrag sind neben den Angaben zur Rechtzeitigkeit die Gründe anzuführen, auf die sich der Antragsteller stützt, und ist ihr Vorliegen glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 22.09.2011, 2008/18/0509, mwN). Es ist bereits im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bzw. § 33 Abs. 1 VwGVG zu beschreiben, das den Wiedereinsetzungswerber an der Einhaltung der Frist oder an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gehindert hat (VwGH 23.04.2015, 2012/07/0222, mwN). Das zuständige Organ (Behörde, VwG) ist aufgrund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihm verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung miteinzubeziehen (vgl. VwGH vom 17.03.2015, Ra 2014/01/0134; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 72 Rz 115).
Als verfahrensrechtliche Frist, gegen deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist, gilt nach der Judikatur etwa die Frist zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrags gemäß § 69 Abs. 2 AVG (§ 69 Rz 67) bzw § 32 Abs. 2 VwGVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs2 VwGVG § 33 Anm 6).
3.1.2. Mit gegenständlichem Antrag wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einbringung des Wiederaufnahmeantrages betreffend des mit Erkenntnis des BVwG vom 08.10.2018, W136 2193938-1/6E, abgeschlossenen Verfahrens begehrt.
3.1.3. Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages:
Der Rechtsvertreter des Antragstellers behauptet, er (bzw seine Kanzleikraft) habe am 08.06.2021 versucht einen Wiederaufnahmeantrag mittels „webERV“ beim BVwG einzubringen. Dies sei ihm jedoch aufgrund eines technischen Gebrechens nicht gelungen.
Der erst erfolgreich am 09.06.2021 eingebrachte Wiederaufnahmeantrag wäre daher verspätet eingebracht.
Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag binnen 2 Wochen nach Wegfall des Hindernisses beim Verwaltungsgericht einzubringen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde bereits am nächsten Tag, dem 09.06.2022, und sohin innerhalb offener Frist beim BVwG eingebracht und ist somit rechtzeitig.
3.1.4. Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes:
Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (z.B. VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann.
Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (z.B. VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrendes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 03.02.2021, Ra 2020/05/0056, Rn. 11 erster Satz).
Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten des Vertreters sind diesem (und deren Verschulden wiederum dem Vertretenen) zuzurechnen (RIS-Justiz RS0101272). Solche ermöglichen eine Wiedereinsetzung nur, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwalts bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen sind (RIS-Justiz RS0036813). Ein einmaliges Versehen eines bewährten und verlässlichen Mitarbeiters steht der Bewilligung der Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht entgegen, wenn dem Anwalt kein Sorgfalts-, Organisations- und Kontrollversehen vorgeworfen werden muss. Berufsmäßige Parteienvertreter (Rechtsanwälte) unterliegen dabei einem erhöhten Haftungsmaßstab, für die Beurteilung gilt der Standard einer gut organisierten Rechtsanwaltskanzlei. In diesem Sinn muss ein Rechtsanwalt eine Organisation schaffen, die es ermöglicht, auch offensichtlich leicht vorkommende Versehen im Nachhinein nachvollziehen und kontrollieren zu können (RIS-Justiz RS0124904, RS0127149 [T1]). Dass der Verteidiger zur Gewährleistung der Einhaltung von Fristen verpflichtet ist, die Organisation seines Kanzleibetriebs so zu gestalten, dass entweder ein täglicher Abruf des ERV-Computer-Systems gewährleistet ist oder zumindest der Sendebericht einer im elektronischen Weg übermittelten Entscheidung angeschlossen wird und in der Unterlassung der Einrichtung eines derartigen Kontrollsystems kein Versehen bloß minderen Grades zu erblicken ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (RIS-Justiz RS0125861).
Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. VwGH 29.07.2021, Ra 2021/05/0096, mwN).
Ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung jedenfalls dann, wenn der Partei Vorsatz oder offenkundige Sorglosigkeit vorzuwerfen ist.
3.1.5. Fallbezogen ergibt sich Folgendes:
Der Antragsteller brachte in seinem Wiedereinsetzungsantrag vor, dass es aus unerfindlichen technischen Gründen trotz rechtzeitigen Bemühens des Sekretariats am 08.06.2021 nicht möglich gewesen sei, den Wiederaufnahmeantrag an das BVwG via „webERV“ zuzustellen. Trotz mehrmaligen Versuchens sei das Vorhaben gescheitert und liege ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis vor. Sohin sei durch diese unverschuldete und nicht vorhersehbare „Panne“ die rechtsfreundliche Vertretung am rechtzeitigen Einbringen des Wiederaufnahmeantrages gehindert gewesen. Zum Beweis, dass der Antrag rechtzeitig erstellt worden sei, wurde gleichzeitig Folgendes vorgelegt: Screenshot, über die Erstellung des Antrages mit 08.06.2021, 11:34 Uhr, „webERV“-Sendeprotokoll, datiert mit 08.06.2021, zur GZ W136 2193938-1/6E und dem Namen des Antragstellers.
Da im vorliegenden Fall durch die Vorlage der Beweismittel glaubhaft dargelegt wurde, dass das Unterbleiben der Sendung aus einem technischen Gebrechens resultiert ist und dies von der Kanzleikraft sowie dem zuständigen Rechtsanwalt bereits im Zuge des Manipulationsvorganges am 08.06.2021 erkannt wurde, ist dem Rechtsvertreter auch kein Unterbleiben der Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems zur Überwachung ordnungsgemäßer Einbringung fristgebundener Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr und damit auch kein Organisationsverschulden vorzuwerfen. Darüber hinaus wurde der Schriftsatz unverzüglich am nächsten Tag, dem 09.06.2021, wirksam eingebracht.
Es war daher dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.
Zu B)
3.2. Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 32 VwGVG
Die maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, lautet:
Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Im Hinblick auf den Umstand, dass die gegenständliche Bestimmung über die Wiederaufnahme des Verfahrens weitestgehend der Bestimmung des § 69 AVG entspricht, konnte der gegenständlichen Entscheidung auch die zu § 69 Abs. Abs. 1 Z 2 AVG für die gegenständliche Rechtsfrage relevante Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde gelegt werden.
Ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG setzt unter anderem voraus, dass es sich um neue Tatsachen oder Beweismittel handelt und diesen - entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens - die Eignung zukommt, einen im Hauptinhalt des Spruchs anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beurteilen ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses einer Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrags bildenden Bescheid oder zumindest die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH vom 23.05.2013, Zl. 2013/07/0066 mwH).
Der Wiederaufnahmewerber hat den Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, in seinem Antrag aus eigenem Antrieb konkretisiert und schlüssig darzulegen. Der Antrag des Wiederaufnahmewerbers kann nur dann zur Wiederaufnahme führen, wenn er Tatsachen vorbringt, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einem anderen Bescheid geführt hätten (VwGH vom 26.04.2013, Zl. 2011/11/0051).
Gutachten von Sachverständigen, die erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheids eingeholt wurden, sind nicht neu hervorgekommen, sondern neu entstanden und können damit auch nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein. Nur wenn ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden, erst nach Rechtskraft des Bescheids "feststellt", können diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen (VwGH vom 25.07.2013, Zl. 2012/07/0131).
Sämtliche Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens sind vom Wiederaufnahmswerber aus eigenem Antrieb in seinem Antrag konkretisiert und schlüssig darzulegen (VwGH vom 26.04.2013, Zl. 2011/11/0051 mwH).
3.2.1. Zur Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages
Nach Stattgabe der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den insoweit glaubhaften Angaben des Antragstellers, wonach dieser am 25.05.2021 erstmals Kenntnis über das Gutachten vom 20.05.2021 erlangt hat, erscheint der Wiederaufnahmeantrag rechtzeitig im Sinne des § 32 Abs. 2 VwGVG.
3.2.2. Dem Wiederaufnahmeantrag kommt jedoch aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu:
Der Wiederaufnahmeantrag wird damit begründet, dass dem Antragsteller erstmals durch das genannte Gutachten vom 20.05.2021 bekannt geworden sei, dass er im Zeitraum von Jänner bis Dezember unter einem Zustand einer rezidivierenden depressiven Störung, einer mittelgradigen Episode (F 33.1) gelitten habe. Daher sei der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr schwer in der Lage gewesen, den Verhandlungen geistig zu folgen, also die Erklärungen anderer Verfahrensbeteiligungen zu verstehen, Verfahrensbefugnisse auszuüben und Verfahrenspflichten zu erfüllen. Damit sei die psychische Leistungsfähigkeit zumindest phasenweise mittelgradig beeinträchtigt gewesen. Insgesamt sei daher die Verhandlungsfähigkeit des Antragstellers im Jahr 2018 nicht vollends gegeben gewesen.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Bereits in der Beschwerde vom 23.04.2018 hat der Antragsteller seine Schuldunfähigkeit behauptet. Wie im rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 08.10.2018 unter Punkt 2.2.3. ausgeführt, gibt es nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Antragsteller während des Tatzeitraumes an einer seine Schuldfähigkeit ausschließenden Geisteskrankheit oder tiefgreifenden Bewusstseinsstörung gelitten hat, weshalb auch der entsprechende Antrag auf Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens im Verwaltungsverfahren abzuweisen war.
Weiters wurde bereits im Erkenntnis vom 08.10.2018 dargelegt, dass der Antragsteller unbestrittenermaßen seit vielen Jahren an Dysthymie leidet, einer besonderen Form der depressiven Verstimmung, weshalb er bereits im Jahr 2012 in stationärer Behandlung stand und seitdem fortgesetzt medikamentös als auch psychotherapeutisch behandelt wurde. Da diese Erkrankung, wie der BF selbst angibt, bereits seit vielen Jahren offenkundig behandlungsresistent besteht, erscheint auch ein unmittelbarer Zusammenhang mit den angelasteten Pflichtverletzungen als wenig wahrscheinlich. Insbesondere kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie hinsichtlich ihrer Schwere einen Milderungsgrund im Sinne des § 34 Abs. Z 11 StGB darstellt.
Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten ergibt sich nunmehr lediglich, dass der BF bereits ab dem Jahr 2012 immer wieder „Stimmungsschwankungen, Antriebsverlust und auch immer wieder in Kombination mit gewissen traumatischen Belastungen entsprechende durchaus dysthym anmutendem vielleicht auch depressive Symptome habe und deswegen seit dem Jahr 2012 in gesprächstherapeutischer Betreuung“ sei (Gutachten vom 20.05.2021, S. 7).
Der Umstand, dass laut Gutachten „eine Anpassungsstörung mit einer längeren depressiven Reaktion (F 43.21.)“ (Gutachten, S. 15) und damit eine psychische Störung des Antragsteller bereits 2012 diagnostiziert wurde, lässt somit den Schluss zu, dass die nunmehr vom BF geltend gemachte „Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen (F 43.23)“ (Gutachten, S. 15) ab 2017 mit „Schwerpunkt auf eine sogenannte agitierte depressive Entwicklung im Sinne einer unruhigen Gemütsstörung“ (Gutachten, S. 15), zum Zeitpunkt des Verfahrens vor dem BVwG bereits vorgelegen ist, wie auch im Erkenntnis vom 08.10.2018 bereits festgehalten.
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten sohin zwar Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden haben nach Rechtskraft des Bescheids festgestellt, diese sind jedoch nicht als „neu hervorgekommen“ zu bewerten, weshalb sie damit auch nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein können.
Der Antragsteller brachte selbst in seiner Beschwerde vom 23.04.2018 vor, dass er an einer psychischen Erkrankung/depressiven Verstimmung leide. Aufgrund des anhaltenden Drucks, welchem dieser als Polizeibeamter ausgesetzt gewesen sei, sei es dann zu einem Burnout gekommen. Wegen dieses Burnouts und der psychischen Ausnahmesituation seien vom Antragsteller unangemessene Handlungen gesetzt worden. Gerade weil der Antragsteller dies bereits selbst in seinem Beschwerdevorbringen darlegt, liegen keine neuen Tatsachen vor. Die Tatsache des Vorliegens einer Dysthymie beim Antragsteller über einen längeren Zeitraum war im Disziplinarverfahren bereits bekannt.
Schließlich ist noch darauf zu verweisen, dass der vom Antragsteller behauptete Sachverhalt, der einen nicht die Tatbegehungsschuld betreffenden Milderungsgrund im Sinne des § 33 ff StGB darstellen würde, nicht geeignet wäre, ein im Spruch anderslautendes Ergebnis als die ausgesprochene Disziplinarstrafe der Entlassung herbeizuführen.
Das BVwG hat in Bestätigung des Bescheides der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres die Entlassung des Antragstellers aus spezial- und generalpräventiven Gründen sowie dem Nichtvorliegen einer positiven Zukunftsprognose begründet und die gegebenen Milderungsgründe (teilweise geständige Verantwortung, anstandslose Dienstverrichtung, bisher ordentlicher Lebenswandel, straf- und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit) für nicht ausreichend erachtet, um eine mildere Disziplinarstrafe auszusprechen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im gegenständlichen Fall im Beschluss vom 24.01.2019, Ra 2018/09/0208-4, ausgesprochen, dass das BVwG in Entsprechung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Antragsteller verschafft hat, eine nachvollziehbare Abwägung der Strafbemessungsgründe vorgenommen und ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen es eine Entlassung für erforderlich erachtete.
Das Vorliegen eines zusätzlichen Milderungsgrundes in Form einer „rezidivierenden depressiven Störung, einer mittelgradigen Episode (F 33.1)“ im Jahr 2018 erscheint dem BVwG unter diesem Gesichtspunkt nicht geeignet, den durch das Fehlverhalten des Antragstellers bewirkten Vertrauensverlust aufzuheben.
3.2.3. Zusammengefasst konnte der Antragsteller keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund dartun, weshalb sein Antrag abzuweisen war.
3.3. Aufgrund obiger Ausführungen war jeweils spruchgemäß zu entscheiden.
Zu C) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hinsichtlich der Spruchpunkte A) und B) jeweils nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weichen die gegenständlichen Entscheidungen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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