B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L507.2012604.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde der 1) XXXX, geb. XXXX, der 2) XXXX, geb. XXXX, der 3) XXXX, geb. XXXX, des 4) XXXX, geb. XXXX, der 5) XXXX, geb. XXXX und des 6) XXXX, geb. XXXX, alle StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2014, Zlen. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.05.2016, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Die Erstbeschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige arabischer Abstammung und sunnitischen Glaubens, brachte am 10.01.2014 für sich und ihre Kinder (Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer) bei der österreichischen Botschaft in Ankara Anträge gemäß
§ 35 AsylG - bezogen auf ihren Ehegatten, dem in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde - ein.
Am 28.07.2014 stellte die Erstbeschwerdeführerin, nachdem sie am 24.07.2014 gemeinsam mit ihren fünf Kindern (Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer) legal mit einem österreichischen Visum in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, Anträge auf internationalen Schutz.
Hiezu wurde die Erstbeschwerdeführerin am 26.08.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich befragt, wobei sie im Wesentlichen vorbrachte, dass sie mit ihrem Ehegatten XXXX, geb. XXXX,
(hg. Zl. 1430662) seit zwölf Jahren verheiratet sei. Ihr Ehegatte sei auch der leibliche Vater ihrer fünf Kinder. Die Erstbeschwerdeführerin gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei Sunnitin. Sie habe im Irak weder eine Schule besucht, noch sei sie einer Arbeit nachgegangen. Die Erstbeschwerdeführerin habe keine eigenen Fluchtgründe. Sie habe den Irak verlassen und sei nach Österreich gekommen, um gemeinsam mit ihren Kindern bei ihrem Ehegatten und dem Vater ihrer Kinder zu leben. Der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin habe vor über zwei Jahren den Irak verlassen, weil er Soldat und bei "der Partei" gewesen sei. Die Erstbeschwerdeführerin könne dazu keine Angaben machen, weil sie Analphabetin sei. Im Falle einer Rückkehr in den Irak habe die Erstbeschwerdeführerin Angst um ihr Leben und um das Leben ihrer Kinder.
2. Die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer wurden mit Bescheiden des BFA vom 01.09.2014, Zlen. 1000106507/14829005, 1000106703/14829030, 1000107101/14829137, 1000106801/14829102, 1000107003/14829085, 1000107308/14829161, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm
§ 34 Abs. 3 AsylG wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG befristete Aufenthaltsberechtigungen bis zum 02.09.2015 erteilt.
Beweiswürdigend wurde hinsichtlich der Gründe für das Verlassen des Irak vom BFA festgehalten, dass die Beschwerdeführer keine konkret gegen sie gerichteten Verfolgungshandlungen geltend gemacht hätten. Auch der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft darzulegen vermocht.
Da dem Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2012 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, sei auch den Beschwerdeführern der gleiche Schutz zu gewähren gewesen.
3. Diese Bescheide wurden der Erstbeschwerdeführerin am 04.09.2014 ordnungsgemäß zugestellt, wogegen am 12.09.2014 fristgerecht für alle Beschwerdeführer eine gleichlautende Beschwerde erhoben wurde.
Im Wesentlichen wurde bei der Begründung der von der Beratungsstelle des Flüchtlingsdienstes der Diakonie verfassten Beschwerde Bezug auf die derzeit im Irak vorherrschende allgemein schlechte Sicherheitslage - insbesondere im Zusammenhang mit der Terrorgruppe Islamischer Staat - genommen. Zudem wurde gerügt, dass das BFA nicht ausreichend ermittelt habe, ob den Beschwerdeführern nicht eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen bzw. der Kinder, welche aus einem massiv umkämpften Gebiet stammen würden, drohen würde. Das BFA hätte feststellen können, dass zumindest die älteren minderjährigen Beschwerdeführer Zwangsrekrutierungen in ihrem Herkunftsstaat befürchten hätten müssen, vor der sie keinen ausreichenden staatlichen Schutz erhalten hätten können. Wie aus den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid hervorgehe, habe sich die Situation für Frauen im Irak ebenfalls verschlechtert. Dies gelte umso mehr für Gebiete, die nunmehr unter Kontrolle des IS stehen würden. Nach einem Bericht von UNAMI komme es auch verstärkt zu Vergewaltigungen und Übergriffen durch Kämpfer des IS.
Die Truppen des IS hätten zahlreiche Morde und Massaker an Schiiten, religiösen Minderheiten wie Jeziden und Christen sowie Kurden verübt, auf der anderen Seite seien sunnitische Muslime ebenfalls Opfer von der Gegenseite geworden. Derzeit herrsche im Irak insbesondere in den umkämpften Gebieten - das heißt der Herkunftsregion der Beschwerdeführer - ein Klima extremer religiöser und ethnisch motivierter Gewalt.
Zudem werde angenommen, dass die jüngste Blitzoffensive des IS, die es ihnen ermöglicht habe, innerhalb kurzer Zeit Mosul und andere Gebiete einzunehmen, nur durch die Unterstützung von ehemaligen Baathisten möglich gewesen sei. Der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer sei unter dem Regime von Saddam Hussein Mitglied der Baath Partei und Angehöriger der irakischen Armee gewesen. Somit würden die Beschwerdeführer als Familienangehörige eines ehemaligen Baathisten in diesem Klima extremer Gewalt befürchten müssen, Opfer von Racheakten zu werden, einerseits aufgrund der unterstellten politischen Gesinnung (dass sie als Araber und Sunniten den IS unterstützen, selbst wenn dies überhaupt nichts zuträfe) bzw. als stellvertretende Verfolgung, weil ehemalige Baathisten (wie dem Ehegatten bzw. Vater der Beschwerdeführer) vorgeworfen werde, das Vorrücken des IS und die erfolgten Massaker erst ermöglicht zu haben.
Es erscheine somit jedenfalls glaubhaft, dass den Beschwerdeführern im Irak Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention drohe, vor der sie keinen effektiven staatlichen Schutz erhalten könnten - aufgrund der oben angeführten Kombination von gefährdenden Faktoren (Frau, Kinder, Familienangehörige eines ehemaligen Baathisten, Herkunft aus einem der umkämpften Gebiete).
Asylausschließungsgründe würden im Fall der Beschwerdeführer nicht vorliegen und seien von der Asylbehörde auch nicht angenommen worden. Daher sei den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen.
4. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.12.2014, Zlen. L507 2012597-1/4E, L507 2012605-1/4E, L507 2012607-1/3E, L507 2012602-1/4E, L507 2012601-1/4E und L507 2012604-1/4E wurden die Beschwerden gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Das Bundesverwaltungsgericht verwies darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin zunächst keine individuellen Verfolgungshandlungen vorgebracht habe und die erst in der Beschwerde behaupteten möglichen Probleme, infolge des Umstandes, dass ihr Ehegatte unter Saddam Hussein Soldat und Mitglied der Baath Partei gewesen sei, aufgrund einer bloßen Vorbringenssteigerung für nicht glaubwürdig befunden werden könnten. Die ebenfalls in der Beschwerde aufgestellten Vermutungen, verfolgt zu werden, weil sie eine Frau sei und aus einem umkämpften Gebiet stammen würde, oder dass ihre Kinder zwangsrekrutiert werden sollten, würden ebenfalls eine Vorbringenssteigerung bzw. eine Schutzbehauptung darstellen, zumal die Behauptungen lediglich in den Raum gestellt worden seien, ohne diese näher auszuführen.
Eine mündliche Verhandlung wurde nicht durchgeführt.
5. Mit Schriftsatz vom 20.01.2011 erhob der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführer außerordentliche Revisionen und stellten Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des VwGH zur Verhandlungspflicht abgewichen, zumal in der Beschwerde neue Fakten vorgetragen worden seien, welche nicht bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen seien. Ungeachtet dieses neuen Vorbringens in der Beschwerde habe das Bundesverwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung durchgeführt, den maßgeblichen Sachverhalt nicht näher ermittelt und die Beschwerde im kurzen Wege und ohne jedwedes eigenes Ermittlungsverfahren als unbegründet abgewiesen.
6. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.06.2015, Zlen. Ra 2015/18/0031 bis 0032-7 und Ra 2015/18/0015 bis 0018-10, wurden die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.12.2014 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (Erstbeschwerdeführerin) bzw. wegen Rechtswidrigen Inhaltes (Zweitbis Sechstbeschwerdeführer) aufgehoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Kriterien für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht nach § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht vorgelegen seien. In den Beschwerden sei unbestritten ein neues Vorbringen erstattet worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe dieses jedoch nicht unter Hinweis auf das Neuerungsverbot nach § 20 BFA-VG als unzulässig oder irrelevant erachtet, sondern sich - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit diesem Vorbringen inhaltlich auseinandergesetzt und ihm die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde sei nicht davon auszugehen, dass die "Betrachtung des von der belangen Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht den geringsten Zweifel an der fehlenden Asylrelevanz der Angaben [...] zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates aufkommen lasse", weil das Beschwerdevorbringen keine neue, konkrete Tatsachenbehauptungen beinhalte, die nicht Gegenstand des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens gewesen seien.
7. Am 11.05.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache der Beschwerdeführer eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. In dieser wurden der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin die Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand vorliegender Länderdokumentationsunterlagen erörtert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak, sunnitischen Glaubens und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in XXXX geboren und übersiedelte als Kleinkind nach Mosul, wo sie mit ihren Eltern und Geschwister bis zur ihrer Eheschließung wohnte. Danach lebte die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten und den gemeinsamen Kindern (Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer) wieder in XXXX. Nachdem der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin im Jahr 2012 den Irak verlassen hat, wohnte die Erstbeschwerdeführerin mit ihren Kindern wieder bei ihren Eltern in Mosul. Die Erstbeschwerdeführerin hat nie eine Schule besucht und ist Analphabetin. Sie war nie erwerbstätig und lebte von der Unterstützung ihrer Eltern, ihres Ehegatten und ihrer Schwiegermutter.
Die Eltern, drei Brüder sowie sechs Schwestern der Erstbeschwerdeführerin leben nach wie vor im Irak. Ihre Eltern sowie drei Brüder sind in einem Flüchtlingslager nördlich von Mosul aufhältig.
Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte zwei Jahre lang eine Schule. Die Drittbeschwerdeführerin besuchte eine Schule für behinderte Kinder. Der Viertbeschwerdeführer besuchte ein Jahr die Schule. Nachdem der Vater der Kinder den Irak verlassen hat, besuchten die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer die Schule nicht mehr.
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Ehegattin des XXXX (XXXX) und sind dieser und die Erstbeschwerdeführerin die Eltern der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer.
XXXX wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 29.10.2012, Zl. 12 06.021-BAW, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Dem Schwager der Beschwerdeführerin bzw. dem Bruder ihres Ehegatten wurde mit Bescheid des BFA vom 07.10.2016, Zl. IFA 1074427901 + 150708944, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Nicht feststellbar war, dass die Beschwerdeführer vor der Ausreise aus dem Irak einer individuellen Verfolgung ausgesetzt waren oder bei einer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt wären.
1.2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
1.2.1. Die Sicherheitslage im Irak hat sich Mitte 2014 dramatisch verschlechtert. Schwerpunkte terroristischer Aktivitäten blieben Bagdad sowie die Provinzen Anbar, Ninawa, Salah al-Din und Diyala im Norden und Westen des Landes. Weite Teile dieser Provinzen sind nicht unter Kontrolle der Zentralregierung und 17 Millionen Menschen (53 Prozent der Bevölkerung) sind von Gewalt betroffen. Diese geht überwiegend von der terroristischen Organisation "Islamischer Staat" (IS) sowie von ba'athistischen Elementen aus. Als Reaktion auf den Vorstoß der extremistischen sunnitischen Kräfte wurden auch schiitische Milizen im Irak wieder mobilisiert, Gewalttaten gegen Zivilisten gehen nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen und der Vereinten Nationen zunehmend auch von schiitischen Milizen aus.
Gemäß Art. 121 der irakischen Verfassung üben kurdische Sicherheitskräfte (insbesondere die militärisch organisierten Peshmerga und die Sicherheitspolizei Asayish) die Sicherheitsverantwortung in den Provinzen Erbil, Sulaymaniya und Dohuk aus; diese Kräfte kontrollieren darüber hinaus de facto Teile der Provinzen Diyala, Kirkuk und Niniveh (Mosul). Sie unterstehen der kurdischen Regionalregierung und sind nicht in den Sicherheitsapparat der Zentralregierung eingegliedert. Die Region Kurdistan-Irak wird von einer Regionalregierung verwaltet, die von den beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK getragen wird.
Innerirakische Migration in die Region Kurdistan-Irak ist möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss zur Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks gehen und sich anmelden. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-Irak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt.
Es gibt regelmäßige Linienflüge wichtiger Luftfahrtgesellschaften, u. a. aus Europa und Staaten des Nahen Ostens, nach Bagdad (Royal Jordanian, Middle East Airlines, Turkish Airlines) sowie nach Erbil (Lufthansa, Austrian Airlines, Turkish Airlines, Air Berlin) und Sulaymaniya (Air Berlin). Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Während Rückführungen in die Region Kurdistan auch von Deutschland aus regelmäßig stattfinden, werden Abschiebungen nach Zentralirak aus Deutschland gar nicht und von anderen Staaten sehr verhalten durchgeführt.
(Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, 23.12.2014)
Nach der Rückeroberung der Stadt Sinjar am 12.11.2015 kontrollieren kurdische Peshmerga insgesamt bereits 95% jenes Gebietes, das sie unter ihrer Kontrolle sehen wollten, entlang eines nunmehrigen Grenzverlaufs von ca. 1.600 km stehen derzeit über 160.000 kurdische Kämpfer den Milizen des IS gegenüber.
(Quelle: Jamestown Foundation: The Kurdish Periphery, Terrorism Monitor Vol. 13, 17.12.2015)
Irakische staatliche Sicherheitskräfte, unterstützt von sunnitischen Stammeskämpfern und Luftschlägen der internationalen Koalition, meldeten die Rückeroberung von Ramadi aus den Händen der Milizen des IS am 9. Jänner 2016, ebenso jene von mehreren Gemeinden des Bezirkes Makhmur.
(Quelle: ISW - Institute for the Study of War, www.iswresearch.blogspot.co.at , 11.02.2016)
Seit dem Vormarsch von ISIS und der damit einhergehenden verschlechterten Sicherheitslage in Irak im Jahre 2014 haben sich die konfessionellen und ethnischen Spannungen in ganz Irak erhöht und hat die Homogenisierung zugenommen, auch in Bagdad. Vor allem für Sunniten und Schiiten ist es wichtig, dass sie sich in einem Gebiet/Viertel ihrer eigenen religiösen Strömung niederlassen. In der Regel fliehen Vertriebene nicht in ein willkürliches Gebiet, sondern sie wählen einen Ort aus, wo sie eine tribale, religiöse, ethnische oder politische Verbindung haben. Im Irak, inklusive der kurdischen Autonomieregion (KAR), ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Vertriebene von staatlicher Hilfe oder humanitärer Hilfe abhängig werden, wenn sie keine Verbindungen in dem Gebiet haben. Der Zutritt kann davon abhängen, ob man einen Bürgen hat, was unter anderem für die KAR, aber auch für Provinzen in Zentral- und Süd-Irak wie Bagdad und Quadissya, gilt.
(Quelle: Bericht zur Sicherheitslage im Irak des niederländischen Ministeriums f. Ausländerangelegenheiten, April 2015, u. die dort zitierten Quellen)
Der aktuellen Berichterstattung folgend gehen Anschläge in Bagdad in erster Linie von der terroristischen Gruppierung IS aus und richten sich im Wesentlichen gegen die schiitische Bevölkerung und staatliche Sicherheitskräfte. So wird im Jänner 2016 über die Explosion einer Autobombe und anschließende Gefechte nahe einem Einkaufzentrum mit zahlreichen Toten und Verletzten im schiitischen Osten berichtet.
Am 13.11.15 wurden bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad mindestens 18 Menschen getötet und weitere 41 verletzt. Bei der Beerdigung eines schiitischen Kämpfers im Südwesten der Hauptstadt hat der Täter einen Sprengstoffgürtel gezündet.
Selbstmordanschlag bei schiitischer Prozession im Norden von Bagdad.
( http://news.trust.org/item/20151026123425-usojj/ , 25.10.2015)
IS-Selbstmordattentäter tötete 8 Personen in der Nähe einer schiitischen Moschee, 12.09.2015.
(http://reliefweb.int/report/iraq/suicide-bomber-kills-eight-near-baghdad-shiite-mosque )
1.2.2. Die Irak-Mission der UN-Organisation IOM (International Organisation for Migration), registrierte, auf der Grundlage von Informationen lokaler Behörden sowie eigener Mitarbeiter, bis Ende September 2015 insgesamt ca. 3,2 Millionen sogen. Intern Vertriebene Personen (IDP) innerhalb des Iraks.
In der Provinz Suleimanyiah, die eine sonstige Gesamtbevölkerung von ca. 1,9 Millionen aufweist, hielten sich im Mai 2015 insgesamt ca. 180.000 IDP, daneben noch ca. 30.000 Flüchtlinge aus Syrien auf, etwa die Hälfte davon wiederum innerhalb des Bezirks der Hauptstadt. Während ca. 80% aller IDP in dieser Provinz in angemieteten Unterkünften und nur 1,5% in informellen Unterkünften wohnen, lag die Beschäftigungsrate unter den IDP bei ca. 30%.
In der Provinz Erbil, die eine sonstige Gesamtbevölkerung von ca. 1,5 Millionen aufweist, hielten sich im Mai 2015 insgesamt ca. 250.000 IDP, daneben noch ca. 110.000 Flüchtlinge aus Syrien auf, etwa 65% wiederum innerhalb des Bezirks der Hauptstadt. Ca. 15% der IDP in den ländlichen Bezirken, insbesondere im Bezirk Makhmur, benötigten direkte Unterstützung in Fragen der Unterkunft und medizinischen Versorgung.
In der Provinz Dohuk, die eine sonstige Gesamtbevölkerung von ca. 500.000 aufweist, hielten sich im April 2015 insgesamt ca. 450.000 IDP, daneben noch ca. 100.000 Flüchtlinge aus Syrien auf, von den IDP hielten sich ca. 17% im Bezirk der Hauptstadt, 32% im nördlich gelegenen Bezirk Zakho, 45% im südlich gelegenen Bezirk Sumel und 6% im östlich gelegenen Bezirk Amedi auf. Die Mehrheit der IDP in dieser Provinz gehört der Minderheit der Jeziden an. Eine Verbesserung der Sicherheitslage in den ursprünglichen Herkunftsregionen der IDP führte seit Beginn des Jahres 2015 zur Rückkehr von ca. 5.000 Familien in Teile der Provinz Ninava. Jeweils zwischen 10 und 20% der IDP in der Provinz Dohuk benötigten direkte Unterstützung hinsichtlich Unterkunft, Nahrung, Waren des täglichen Bedarfs und medizinischer Versorgung.
Die Sicherheitslage in den drei genannten Provinzen wird als stabil angesehen, die durch die Flüchtlinge bewirkte Bevölkerungszunahme setzt jedoch die lokale Wirtschaft und Infrastruktur erheblichem Druck aus und hat etwa zu Preiserhöhungen bei Mieten, Strom und Benzin geführt.
In der Provinz Kirkuk, die eine sonstige Gesamtbevölkerung von ca. 900.000 aufweist, hielten sich im Mai 2015 insgesamt ca. 370.000 IDP auf, diese wiederum zum Teil aus anderen Provinzen des Iraks, zum Teil innerhalb der Provinz selbst vertrieben. Die Sicherheitslage blieb angespannt insbesondere angesichts von anhaltenden Kampfhandlungen zwischen bewaffneten Gruppierungen (IS) und staatlichen Sicherheitskräften in den westlichen Bezirken Dabes und Al Hawiqa, die weiter (noch) nicht unter staatlicher, sondern unter Kontrolle von bewaffneten Gruppierungen (IS) stehen. 57% aller IDP bewohnten gemietete Unterkünfte innerhalb des Bezirks der Hauptstadt, 15% aller IDP in der Provinz wohnen unter schwierigen Verhältnissen.
Die Provinz Ninava wies eine ehemalige Gesamtbevölkerung von ca. 2,9 Millionen Einwohnern auf. Die Ereignisse seit Juni 2014, ausgelöst durch die Invasion der Provinz und die Einnahme der Hauptstadt Mosul durch bewaffnete Gruppierungen (IS), vertrieben über 1 Million Personen, d.h. 36% aller IDP des Iraks, aus der Provinz, während ca. 30.000 in die Provinz zuzogen. Jeziden und Kurden flohen mehrheitlich aus der Provinz in die kurdische Autonomieregion (KRG), Araber in den Zentralraum des Iraks, Turkmenen in den Süden des Landes. 40% der aus der Provinz Vertriebenen flohen in die Provinz Dohuk, von denen 80% Zuflucht in informellen Unterkünften suchten. Zwischenzeitig kehrten wiederum ca. 30.000 IDP aus der Provinz Dohuk zurück. Die nördlichen bzw. nordöstlichen Bezirke Akre, Al Sheikhan und Teile der Bezirke Teilkaif, Telafar und Sinjar befanden sich aktuell wieder unter Kontrolle staatlicher bzw. kurdischer Sicherheitskräfte.
(Quelle: IOM Iraq, Governorate Profils, April/May 2015)
Die größte Zahl an Binnenvertriebenen war im Gefolge der Ereignisse in der Provinz Anbar im April 2015 zu verzeichnen, binnen der Monate April bis Juni 2015 flohen ca. eine halbe Million Personen in andere Landesteile, zwischen April 2015 und Februar 2016 waren insgesamt ca. 800.000 Personen (24%) auf der Flucht. Die zweithöchste Zahl an IDP war im Gefolge der Invasion der Terrormiliz ISIS in der Region Sinjar im August 2014 mit ca. 773.000 Personen (23%) zu verzeichnen.
Die meisten der aus ihrer Heimatprovinz in andere Provinzen Vertriebenen stammen aus der Provinz Anbar (43% oder ca. 1,5 Mio.) sowie der Provinz Ninava (33% oder 1,1 Mio.), während die meisten der innerhalb ihrer Heimatprovinz Vertriebenen mit ca. 555.000 aus Anbar, ca. 126.000 aus Kirkuk und 150.000 aus Diyala stammen.
Jüngsten Erhebungen zufolge halten sich innerhalb der Provinz Bagdad ca. 602.000 IDP (18% aller IDP), der Provinz Anbar ca. 575.000, der Provinz Dohuk ca. 404.000, der Provinz Kirkuk (Al Tamim) ca. 377.000, der Provinz Erbil ca. 360.000, der Provinz Ninava ca. 260.000, der Provinz Salah al-Din ca. 180.000, und der Provinz Suleymaniah ca. 164.000 auf.
Aus regionaler Sicht beherbergen der Zentralirak ca. 2,255 Mio. oder 68%, die kurdische Region des Irak ca. 929.000 oder 28%, und der Südirak ca. 137.000 oder 4% aller IDP.
Von insgesamt 3,32 Millionen identifizierten IDP im Irak halten sich 46% in angemieteten Unterkünften, 24% bei Gastfamilien und 0,3% in Hotels, somit ca. 71% in privaten Unterkünften, daneben 10% in Flüchtlingslagern, 8% in unfertigen Gebäuden, 4% in religiösen Einrichtungen, 1% in Schulen und 4% in sonstigen informellen Unterkünften auf, die Unterkunftsform von 2% ist unbekannt.
Diesen IDP standen bis Februar 2016 534.000 aus den Fluchtgebieten in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrte Personen bzw. 89.900 Familien gegenüber, primär in die Provinz Ninava, hier vor allem in die Bezirke Telafar und Telkaif, in die Provinz Salah al-Din, hier vor allem in den Bezirk Tikrit, und in die Provinz Diyala.
(Quelle: www.iomiraq.net , IOM - Iraq IDP Population & Settlement Situation, Displacement Tracking Matrix; Februar 2016)
In Bagdad fanden sich Ende Jänner 2016 insgesamt 14 Lager für IDP, in Diyala 4, in Missan 1, in Salah al Din 1 und in Kerbala 1. In Bagdad, Babylon, Najaf und Wassit befindet sich jeweils 1 im Aufbau. Innerhalb der kurdischen Autonomieregion bzw. der unter faktischer Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte stehenden Regionen fanden sich in der Provinz Dohuk insgesamt 10 Lager, in Erbil 4, in Kirkuk 3, in Ninava 6, in Suleimaniya 3. In Dohuk und Suleimanyia befindet sich jeweils 1 im Aufbau.
(Quelle: IOM - Iraq, IDP Population & Settlement Situation, CCCM Cluster, 31.01.2016)
IOM-Iraq unterstützt mit ihren nationalen und internationalen Partnerorganisationen (z.B. United Iraqi Medical Society, Medecins du Monde, Medecins sans Frontieres, Aide Medicale Internationale, International Medical Corps, World Vision International, Kurdistan Save the Children, SOS, etc.) die Intern Vertriebenen vor Ort vor allem mit Hilfestellung in den Bereichen Unterkunft, Gesundheitsversorgung und Erziehung sowie mit Waren- und Geldleistungen. IOM und UNHCR sind u.a. in allen Bezirken der Provinzen Erbil, Dohuk und Suleimaniya aktiv, in Dohuk operieren insgesamt 48, in Erbil 28 und in Suleimaniya 22 verschiedene staatliche und nicht-staatliche Hilfsorganisationen.
(Quelle: IOM-Iraq, Shelter and NFI Cluster Capacity, 31.01.2016)
1.2.3. Eine freiwillige Rückkehr in den Irak aus dem österr. Bundesgebiet ist auch über Vermittlung entsprechender Rückkehrberatungseinrichtungen und nach erteilter Zustimmung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Unterstützung von IOM-Österreich möglich. IOM stellt im Gefolge der administrativen Abwicklung Flugtickets zur Verfügung und gewährt in Einzelfällen besonderer Hilfsbedürftigkeit auch finanzielle Überbrückungshilfe. Aktuell erfolgt eine solche Rückkehr in den Irak über die Flughäfen in Bagdad, Erbil, Basra und Najaf. Bis dato haben im Jahr 2015 ca. 150 Rückkehrer in den Irak diese Unterstützung in Anspruch genommen.
Das Rückkehrprojekt Magnet, das zwischen Jänner 2012 und Juni 2013 u. a. eine Kooperation von IOM-Österreich mit dem Büro für Migration und Vertriebene sowie dem Ministerium für Arbeit und Soziales der kurdischen Autonomieregierung beinhaltete, unterstützte freiwillige Rückkehrer aus Österreich, wie auch aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden, bei der Re-Integration in den Arbeitsmarkt der kurdischen Autonomieregion. Das Nachfolgeprojekt Magnet II, welches im Juni 2014 gestartet wurde und seither in Kooperation zwischen der kurdischen Regionalregierung und den jeweiligen belgischen, finnischen, niederländischen, französischen und britischen Behörden umgesetzt wird, kann von Rückkehrern aus Österreich aktuell nicht in Anspruch genommen werden.
(Quelle: www.iomvienna.at ; telefonische Auskünfte von IOM-Österreich an das BVwG Außenstelle Linz am 22.10.2015)
Im Rahmen des Rückkehrprogramms AVRR (Assisted Voluntary Return and Reintegration) von IOM kehrten im Jahr 2015 insgesamt über 3.000 ehemalige Asylwerber aus 14 verschiedenen europäischen Ländern freiwillig in den Irak, nach Bagdad, Erbil, Suleimanyia und Basra, zurück. Dies stellt eine Zunahme von ca. 200% gegenüber dem Jahr 2014 dar. IOM unterstützt die Rückkehrer neben der Organisation der Reise selbst mit Reintegrationsmaßnahmen wie Mikrokrediten, provisorischen Unterkünften, Arbeitssuche und wichtigen Gütern des täglichen Lebens.
(Quelle: IOM Iraq, public info, 02.02.2016)
1.2.4. Die irakische Verfassung garantiert in ihrem Art. 44 die innerstaatliche Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit jedes Staatsbürgers. Es stehen vor diesem Hintergrund Einzelbestimmungen für die Regulierung dieser Grundfreiheiten in Anwendung, so hinsichtlich der Vorlage bestimmter Identitätsdokumente sowie der persönlichen Aussage vor den jeweiligen örtlichen Behörden. Als die beiden wichtigsten Dokumente für den Verkehr mit den Behörden, neben der Registrierung etwa für die Zuteilung von Lebensmittelrationen oder die Ausstellung anderer Dokumente, dienen der Staatsbürgerschaftsnachweis sowie der Personalausweis (Identity Card), weitere maßgebliche Dokumente sind Wohnsitzbestätigungen (Meldenachweis), Lebensmittelrationskarten, Geburts- und Sterbeurkunden. Laut UNHCR werden die vier erstgenannten Dokumente in der Regel von örtlichen Niederlassungsbehörden im Parteienverkehr verlangt. In den drei autonomen kurdischen Provinzen des Nordiraks werden in Ermangelung dieser Dokumente auch Ersatzpapiere (sogen. Information Card) für den einmaligen Gebrauch verwendet. In Ermangelung der Vorlage entsprechender Identitätsdokumente kommt es zu Schwierigkeiten beim Passieren von Checkpoints und/oder der Registrierung durch die zuständigen Behörden sowie der Erlaubnis zur Niederlassung, was in der Folge zur Einschränkung des Bezugs staatlicher Leistungen führen kann. Die örtlichen Büros von IOM und deren Partnern setzen demgegenüber ausdrücklich nicht die Vorlage solcher Dokumente für die Gewährung ihrer Unterstützungsleistungen an IDP voraus. Erhebungen von IOM aus 2014 zufolge gaben nur ca. 10% aller IDP den Verlust solcher Dokumente verursacht durch die Umstände der internen Vertreibung an. Demgegenüber sind über 90% aller IDP von den jeweiligen örtlichen Behörden registriert worden.
Alle wesentlichen persönlichen Daten werden von den örtlichen Standesämtern in Personenstandsregistern festgehalten bzw. ergänzt. Diese sind grundsätzlich auch für die Neuausstellung verloren gegangener Personalausweise zuständig. Sofern der Zugang zu einem Personenstandsamt nicht möglich oder zu gefährlich ist, kann die Übertragung der entsprechenden Daten auf Antrag bei der örtlichen Niederlassung des Ministeriums für Vertriebene und Migranten, in der KRG beim örtlichen Büro der Behörde für Vertriebene und Migranten, zur jeweiligen Behörde des Aufenthaltsorts veranlasst werden, dies ist auch bei irakischen Botschaften möglich. Darüber hinaus bietet UNHCR Unterstützung bei der Erlangung neuer Identitäts- und andere Dokumente durch seine sogen. Protection and Reintegration Centers vor Ort an, so auch in Dohuk, Erbil und Suleymaniah. In Ermangelung der Möglichkeit persönlichen Erscheinens beim Personenstandsamt seiner Herkunftsregion ist es einer IDP auch möglich, die Neuausstellung von Identitätsdokumenten durch dort anwesende Verwandte oder andere Dritte unter Vorlage einer beglaubigten Vollmacht zu veranlassen. Als Mindestvoraussetzungen für die Neuausstellung solcher Dokumente genügen allfällige Kopien von elterlichen Dokumenten, Meldenachweise oder die Angabe der Nummer des "Familienbuches" am örtlichen Standesamt. Zuletzt existiert in Bagdad auch ein zentraler Mikrofilm-Speicher aller bisherigen Personenstandsdaten, sollte ein bestimmtes Personenstandsregister zerstört worden sein. Das Gesagte gilt sinngemäß auch für die Erlangung eines Staatsbürgerschaftsnachweises, der von der nationalen Staatsbürgerschaftsbehörde in Bagdad ausgestellt wird bzw. bei den örtlichen Zweigstellen in den jeweiligen Provinzen beantragt werden kann.
(British Home Office, COI on Internal relocation in Iraq, 24.12.2014)
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in die Verwaltungsakte des BFA;
* Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakte betreffend den Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer;
* Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt des BFA betreffend den Bruder des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin;
* Mündliche Verhandlung am 11.05.2016;
* Einsicht in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer;
* Einsicht in die von den Beschwerdeführern vorgelegten Urkunden:
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
- XXXX.
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführer:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität der Beschwerdeführer sowie hinsichtlich ihrer legalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und des Datums ihrer Asylantragstellungen in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt und der vorgelegten Identitätsdokumente.
Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen der Beschwerdeführer gründen sich auf deren in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben.
2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer:
Die Erstbeschwerdeführerin begründete ihren Antrag auf internationalen Schutz in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA am 26.08.2014 damit, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe und mit ihren Kindern (Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer) nach Österreich gekommen sei, weil ihrem Ehegatte der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei.
Erst in der Beschwerde wurde neu im Verfahren behauptet, dass die Beschwerdeführer aus einem Gebiet, das in besonderem Maße von den Kämpfen zwischen den Truppen des Islamischer Staates (IS), dem irakischen Militär und kurdischen Truppen betroffen sei, stammen würden. Frauen und Kinder seien in überproportionalem Maße gefährdet. Insbesondere Kinder seien gefährdet, zwangsrekrutiert zu werden. Frauen würden Vergewaltigungen und sonstige Übergriffe drohen. Zudem würden sunnitische Muslime Opfer der Gegner des IS werden. Es werde auch angenommen, das der IS von ehemaligen Baathisten unterstützt worden sei und seien der Ehegatte und der Vater der Erstbeschwerdeführerin unter dem Regime von Saddam Hussein Mitglieder der Baath-Partei gewesen, weshalb die Erstbeschwerdeführerin als Familienangehörige befürchten müsse, Opfer von Racheakten zu werden. Einerseits aufgrund der unterstellten politischen Gesinnung und andererseits aufgrund einer "stellvertretenden Verfolgung".
In der mündlichen Verhandlung am 11.05.2016 vermeinte die Erstbeschwerdeführerin auf die Frage nach dem Inhalt der Beschwerde, dass sie im Irak streng islamische Kleidung tragen habe müssen, weshalb sie das Haus selten verlassen habe. Sie habe auch Angst gehabt, dass ihre Kinder entführt werden hätten können.
Dieses Vorbringen deckt sich jedoch nicht mit den tatsächlichen Ausführungen in der Beschwerde, wonach die Erstbeschwerdeführerin und ihre Kinder Vergewaltigung und Zwangsrekrutierung zu befürchten hätten und Opfer von Racheakten werden würden, weil sie mit ehemaligen Baath-Mitgliedern verwandt seien bzw. von Gegnern des IS als Unterstützer des IS angesehen werden würden.
Demzufolge hat die Erstbeschwerdeführerin offensichtlich keine Kenntnis über die Ausführungen in der von der Beratungsstelle des Flüchtlingsdienstes der Diakonie für die Beschwerdeführerin verfassten Beschwerde, was bereits dafür spricht, dass dort geäußerten Befürchtungen möglicherweise nicht den Tatsachen entsprechen.
Diese Behauptungen stellen sich vor dem Hintergrund der Angaben der Erstbeschwerdeführerin als eine Aufzählung rein spekulativer Vermutungen über mögliche oder auch nicht mögliche Szenarien dar, wobei völlig ungewiss ist, ob und wann diese Szenarien tatsächlich eintreten werden und ob die Beschwerdeführer überhaupt davon betroffen sein würden.
Was die strengen Kleidervorschriften angeht, vermeinte die Erstbeschwerdeführerin im Verlauf der mündlichen Verhandlung auch, dass sie persönlich nie Kontakt zu den Daesch (Daesch ist das arabische Akronym für den Islamischen Staat des Irak) gehabt habe und sich die gesamte Bevölkerung noch vor dem Einmarsch des IS im Juni/Juli 2014 aus Angst umgezogen habe.
Demnach wäre es ohnehin so, dass sich die gesamte Bevölkerung im betroffenen Gebiet aufgrund der schlechten allgemeinen Sicherheitslage bzw. der Bürgerkriegssituation im Irak an vermeintlichen Bekleidungsvorschriften des IS gehalten hat, was jedoch keine individuelle und konkrete Verfolgungshandlung gegenüber der Erstbeschwerdeführerin darstellt.
Bei einer vergleichenden Betrachtung der weiteren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung mit jenen in der Beschwerde, fallen aber auch noch weiterer Widersprüchlichkeiten auf.
Die Erstbeschwerdeführerin bringt in der mündlichen Verhandlung erstmals vor, dass sie zweimal telefonisch von Unbekannten bedroht worden sei. Es sei ihr in den Telefonaten mitgeteilt worden, dass nach ihrem Ehegatten gesucht werde. Aufgrund dessen habe sie Angst gehabt, dass ihre Kinder entführt werden könnten. Sie hätte erpresst werden können, wenn die Unbekannten ihren Ehegatten "verlangt" hätten.
Zunächst ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die Erstbeschwerdeführerin aufgrund von Telefonanrufen im Zuge derer lediglich nach ihrem Ehegatten gefragt worden sei, davon ausging, irgendwann einmal erpresst zu werden, oder dass ihre Kinder entführt werden könnten. Ihren eigenen Angaben folgend ist während der Telefonate weder eine Erpressung noch eine Entführung angesprochen worden, weshalb es sich bei den dahingehend geäußerten Befürchtungen ohnehin nur um Vermutungen handeln würde, welche nicht nachvollziehbar dargelegt wurden.
Weiters wäre zu erwarten, dass die Erstbeschwerdeführerin von Anfang an keine sich bietende Gelegenheit zu einem solchen Vorbringen, nämlich zwei Drohanrufe mit vermeintlicher Erpressungs- und Entführungsabsicht erhalten zu haben, also einen drohenden Eingriff in ihre Rechtssphäre, der eine Bedeutung für ihr Schutzbegehren haben könnten, ungenützt vorübergehen lassen würde (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0205). Demgegenüber beschränkte sie sich aber in ihrem Vorbringen vorerst lediglich darauf keine eigenen Fluchtgründe zu haben und nur aufgrund einer Familienzusammenführung nach Österreich gekommen zu sein. Darüber hinaus entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/01/0356).
Darüber hinaus waren die Beschwerdeführer zu keiner Zeit persönlichen Übergriffen (Vergewaltigungs-, Tötungs- oder Entführungsversuchen oder konkreten Androhungen solcher Taten) ausgesetzt und wurden sie weder von Anhängern noch von Gegnern des IS oder aufgrund ihrer Verwandtschaft zu ehemaligen Baathisten persönlich angegriffen oder bedroht. Dass sie vom IS oder von dessen Gegnern Gefahr zu befürchten hätte, schloss die Erstbeschwerdeführerin lediglich aus der vorherrschenden Bürgerkriegssituation bzw. der allgemein schlechten Sicherheitslage. Einzelverfolgungsmaßnahmen wurden jedenfalls nicht konkret vorgebracht. In Anbetracht der Lebensumstände der Beschwerdeführer ist auch nicht ersichtlich, dass diese als sunnitische Araber ohne besondere weitere Merkmale Eigenschaften mit Personengruppen teilen würde, die regelmäßig Verfolgungshandlungen seitens der Milizen des Islamischen Staates ausgesetzt sind.
Nach der Rechtsprechung ist in Bürgerkriegssituationen für die Gewährung von internationalem Schutz eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende Gruppenverfolgung erforderlich (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN). In dem Umstand, dass im Heimatland Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein nach keine Verfolgungsgefahr im Sinn der Konvention. Der Asylwerber müsste in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 26.01.2006, 2005/01/0537 mwN). Derartiges haben die Beschwerdeführer nicht glaubhaft vorgebracht. Es ist nicht Aufgabe des Asylrechts, vor (möglichen) allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolutionen oder sonstigen Unruhen entstehen.
In der Beschwerde wurde auch behauptet, dass der ältere Sohn der Erstbeschwerdeführerin (der Viertbeschwerdeführer) bzw. die älteren minderjähren Beschwerdeführer Zwangsrekrutierungen zu befürchten hätten. In der mündlichen Verhandlung blieb die Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Kinder aber vorerst dabei, dass sie diese nur selten aus dem Haus gelassen habe, weil sie Angst vor Entführen gehabt habe. Besonders vorsichtig sei sie nach den Drohungen gewesen. Eine etwaige Angst vor einer Zwangsrekrutierung brachte die Erstbeschwerdeführerin auch auf die Frage, ob sie den Inhalt der Beschwerde kenne, nicht vor. Erst auf konkrete Nachfrage vermeinte die Erstbeschwerdeführerin, dass ihr Sohn von der Baath-Partei oder der Armee rekrutiert werden sollte. Auch den Grund, weshalb ihre Kinder nicht mehr zur Schule gegangen seien, sieht die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht in möglichen Rekrutierungsversuchen, sondern in der Angst vor Bombenanschlägen und Entführungen.
Abgesehen davon, dass die Erstbeschwerdeführerin offenbar selbst keine konkreten Bedenken hinsichtlich allfälliger Rekrutierungsversuche ihrer Kinder - wobei der älteste Sohn der Beschwerdeführerin erst 10 Jahre alt ist - hat, sondern vordergründig Entführungen und Bombenanschläge fürchtet, ist darauf zu verweisen, dass ihren eigenen Angaben zur Folge tatsächlich auch keine Rekrutierungsversuche stattgefunden haben. Die Erstbeschwerdeführerin führte zu keinem Zeitpunkt aus, dass auf eines ihrer Kinder konkret Zwang zwecks Rekrutierung als Kämpfer für oppositionelle Gruppen bzw. für Milizen, die von der Regierung unterstützt werden, ausgeübt worden sei oder zumindest konkret zu erwarten gewesen wäre. Das Vorbringen in gegenständlicher Beschwerde ist daher nicht geeignet, eine Zwangsrekrutierung darzutun (VwGH Ra 2014/01/0094).
Zusammenfassend ist nochmals hervorzuheben, dass die Beschwerdeführer keine gegen sie gerichteten Übergriffe dargelegt haben, welche eine gegen sie gerichtete Verfolgung indizieren würden. Die von der Erstbeschwerdeführerin erstmals in der mündlichen Verhandlung dargelegten vermeintlichen konkreten Verfolgungshandlungen (zwei Drohanrufe, Kleidungsvorschriften) konnte sie nicht glaubwürdig darlegen.
Auch dem Vorbringen zur Rückkehrbefürchtung kann ebenso wenig ein über allgemeine Gefahren im Irak hinausgehender Inhalt entnommen werden.
Angesichts dieser Erwägungen gelangt das BVwG zu dem Ergebnis, dass es den Beschwerdeführern nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass sie einer asylrelevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt waren.
Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten an den Bruder des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin (im betreffenden Schreiben fälschlicherweise als Bruder der Erstbeschwerdeführerin bezeichnet) durch das BFA wie im Schreiben des Vertreters der Beschwerdeführer vom 05.12.2016 ausgeführt, eine gleichlautende Gefährdungs- und Verfolgungsbehauptung zugrunde gelegen sein soll, konnte weder aus dem Akt des BFA betreffend den Bruder des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin noch aus dem Bezug habenden Bescheid des BFA vom 07.10.2016, Zl. IFA 1074427901 + 150708944, bzw. aus dem "Aktenvermerk betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" vom 07.10.2016 abgeleitet werden, zumal weder die dort getroffenen Feststellungen noch die Begründung vom hier entscheidenden Richter schlüssig nachvollzogen werden können, da das BFA in diesen Feststellungen und in der Begründung offensichtlich fälschlicherweise von der Zugehörigkeit des Bruders des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin zur turkmenischen Volksgruppe im Irak ausgegangen ist, obwohl der Bruder des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin in seinem Verfahren immer gleichlautend angegeben hat, dass er der arabischen Volksgruppe angehört.
Die zeigt sich vor allem aus den folgenden Ausführungen im "Aktenvermerk betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" vom 07.10.2016:
"Auf Grund der glaubhaften Angaben des Asylwerbers bei der niederschriftlichen Einvernahme, dem persönlichen Eindruck des zur Entscheidung berufenen Organwalters, den Feststellungen im LIB zur aktuellen Lage im Irak, im Besonderen zur Lage der turkmenischen Minderheit, können die von ihr [gemeint wohl: ihm oder ihnen] als Begründung für den Asylantrag vorgebrachten Gründe als glaubhaft erachtet werden.
[...]
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:
Aufgrund der als glaubhaft anzusehenden Angaben zu den Fluchtgründen, der vorgelegten Beweismittel kann vor dem Hintergrund des LIB zur Lage im Irak, insbesondere auch zu den von ihr [gemeint wohl: ihnen] ins Treffen geführten Vorfällen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass sie im Fall einer Rückkehr in den Irak eine asylrelevante Verfolgung zu gewärtigen hätten."
Mangels Nachvollziehbarkeit der Begründung der Entscheidung des BFA betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Bruder des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin im Zusammenhang mit den sich daraus ergebenden unschlüssigen und allgemein gehaltenen Ausführungen im Schreiben des Vertreters der Beschwerdeführer vom 05.12.2016, war auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die allgemeinen Feststellungen resultieren aus den behördlicherseits erhobenen Fakten aufgrund vorliegender Länderdokumentationsunterlagen. Die Länderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen wurde nicht in qualifizierter Form entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;
09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;
19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;
25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3.2.2. Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, waren die Beschwerdeführer mit ihrem Vorbringen nicht in der Lage, gemessen an den oben wiedergegebenen Maßstäben als glaubhaft darzustellen, dass sie vor der Ausreise einer asylrelevanten individuellen Verfolgung aus den von ihnen behaupteten Gründen ausgesetzt waren.
Die Beschwerden gegen den Spruchpunkt I der bekämpften Bescheide waren sohin als unbegründet abzuweisen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
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