2.2.3.1. Allgemeine Grundsätze
Aufbauend auf die Funktionsanalyse ist im zweiten Schritt auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes das Betriebsstättenergebnis zu ermitteln. Dafür sind der Betriebsstätte Außentransaktionen (Erträge und Aufwendungen) dem Kausalitätsprinzip entsprechend zuzuordnen. Fiktive Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte werden hingegen nur sehr eingeschränkt anerkannt und führen daher nur vereinzelt zu Erträgen oder Aufwendungen der einzelnen Unternehmensteile (Rz 281). Es sind alle in den OECD-VPL vorgesehenen Methoden anwendbar (AOA Report 2008 Z I/219; siehe dazu Rz 25 ff), wobei die Methodenwahl auf Basis des Funktions- und Risikoprofils der Betriebsstätte zu erfolgen hat. Der Betriebsstättengewinn ist im Übrigen nicht durch den Gewinn des Gesamtunternehmens begrenzt. Das heißt, dass der Betriebsstätte auch dann Gewinne zugerechnet werden können, wenn das Gesamtunternehmen Verluste erzielt (OECD-MK Art. 7 Z 11 idF vor 2010).Beispiel (ähnlich EAS 3164):
Eine österreichische AG errichtet in Deutschland ein stromerzeugendes Kraftwerk zur Einspeisung des Stroms in das deutsche Stromnetz, wodurch in Deutschland eine Betriebsstätte iSv Art. 5 DBA-Deutschland begründet wird. Zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns gilt der Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 7 Abs. 2 DBA-Deutschland, der auf der Selbständigkeitsfiktion basiert und der davon ausgeht, dass zwei fiktive Fremdunternehmer (das E-Werk und das Stammhaus der AG) in Geschäftsbeziehung stehen. Dies wiederum verlangt danach, dass zunächst eine Funktionsanalyse angestellt wird, in der zu ermitteln ist, welche Funktionen dem Stammhaus der AG und welche der Stromerzeugungsbetriebsstätte des E-Werks zukommen. Liegt das unternehmerische Geschäftsrisiko des gesamten Projekts in den Händen des Stammhauses und hat das Stammhaus lediglich die technische Stromerzeugung und Leitungseinspeisung an das E-Werk ausgelagert (vergleichbar einer Funktionsauslagerung an einen Lohnfertiger), dann wird der Betriebsstätte ein nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermittelnder Produktionsgewinn zuzurechnen sein. Der Restgewinn (oder -verlust) muss diesfalls beim Stammhaus verbleiben. Das bedeutet auch, dass nicht die gesamten Erträge aus dem Stromverkauf nach Deutschland der Betriebsstätte zuzuordnen sind, sondern nur der aus der Kostenaufschlagsmethode hochgerechnete Teil.
Beispiel:
Eine deutsche Personengesellschaft mit österreichischen Gesellschaftern hat ihre Produktionstätigkeit auf Großbritannien ausgeweitet und unterhält dort ebenfalls eine Betriebsstätte (Unterbetriebsstätte zur deutschen Personengesellschaftsbetriebsstätte). Die in der britischen Betriebsstätte erwirtschafteten Gewinne können nicht zwei Betriebsstätten, nämlich gleichzeitig der britischen und der deutschen, zugerechnet werden. Aus dem DBA-Deutschland kann daher keine völkerrechtliche Verpflichtung entnommen werden, die den britischen Betriebsstätten zuzuordnenden Gewinne von der österreichischen Besteuerung freizustellen; dies umso weniger, als das DBA-Deutschland Deutschland seinerseits die Verpflichtung auferlegt, die in den britischen Betriebsstätten anfallenden Gewinne aus der deutschen Besteuerungsgrundlage auszuscheiden. Die britischen Betriebsstättengewinne unterliegen daher wegen der im DBA-Großbritannien vorgesehenen Anrechnungsmethode bei den österreichischen Gesellschaftern der österreichischen Besteuerung (EAS 2007).
Beispiel:
Die griechische Niederlassung eines österreichischen Unternehmens ist in einem zu Beginn des Jahres 1 um 2,000.000 € errichteten Unternehmensgebäude untergebracht, das nach griechischem Recht mit 12% und nach österreichischem Recht mit 3% steuerlich abzuschreiben ist. Die im Jahr 5 in Griechenland mit 240.000 € abgesetzte AfA ist - entsprechend der österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften - auf 60.000 € herabzusetzen. Der zu befreiende Betriebsstättengewinn ist daher für die Besteuerung in Österreich um 180.000 € anzuheben. Desgleichen ist der Buchwert des Gebäudes von 800.000 € (2,000.000 - 5 x 240.000) auf 1,700.000 € (2,000.000 - 5 x 60.000) anzuheben.
Bei der Anpassung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte an die österreichische Rechtslage werden aber keine überspitzten Anforderungen zu stellen sein und es wird auf die Verhältnismäßigkeit der Mitwirkungspflicht bei Auslandsbeziehungen zu achten sein (EAS 1893, EAS 2114).
Wird mit dem ausländischen Betriebsstättenstaat die Doppelbesteuerung nach der Befreiungsmethode beseitigt (sei es auf Grund eines DBA oder der Doppelbesteuerungsverordnung), ist aus der inländischen Besteuerungsgrundlage der darin nach österreichischem Recht ermittelte Betriebsstättengewinn auszuscheiden (VwGH 29.7.2010, 2007/15/0048); und zwar auch dann, wenn der im Ausland tatsächlich besteuerte Gewinnanteil geringer ist, als der nach österreichischem Recht ermittelte Gewinnanteil (siehe in diesem Sinn auch EAS 275, EAS 517, EAS 1382). Im Ausland nicht berücksichtigte Verluste sind bei Anwendung der Befreiungsmethode gemäß § 2 Abs. 8 Z 3 EStG 1988 höchstens in Höhe der tatsächlich nach ausländischem Steuerrecht ermittelten Verluste zu berücksichtigen (EStR 2000 Rz 198), wobei die ausländischen Gewinnermittlungsvorschriften auch jene umfassen, die aufgrund völkerrechtlicher Steuerrechtsnormen in die ausländische Rechtsordnung einfließen (EAS 3410).Beispiel:
Es sei angenommen, dass im vorhergehenden Beispiel die Gebäude-AfA-Differenz die einzige erforderliche Berichtigungspost bildet und dass das nach ausländischem Recht ermittelte Betriebsstättenergebnis einen Betrag von 100.000 € ergibt. Der für das Gesamtunternehmen nach § 5 EStG 1988 vorgenommene Betriebsvermögensvergleich führt zu einem Gesamtgewinn von 500.000 €, wobei dieser das griechische Betriebsstättenergebnis mit 280.000 € (100.000 € + AfA Differenz 180.000 €) einschließt. Auf Grund des Art. 7 iVm Art. 23 DBA-Griechenland sind 280.000 € in Österreich steuerfrei zu stellen, obwohl in Griechenland nur 100.000 € besteuert werden. In Österreich sind sonach 220.000 € zu versteuern.
Hätte sich nach griechischem Steuerrecht hingegen nicht ein Gewinn, sondern ein Verlust von 100.000 € ergeben, dann wäre dieser nach österreichischem Steuerrecht durch Hinzurechnung der AfA-Differenz als Gewinn mit 80.000 € auszuweisen und würde zu einem Gesamtgewinn des Unternehmens von nur 300.000 € führen. Auch in diesem Fall verbliebe in Österreich ein steuerpflichtiger Gewinn von 220.000 € (300.000 - 80.000).
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Passiveinkünfte ausländischer Betriebsstätten einer inländischen Körperschaft gemäß § 10a Abs. 6 Z 2 KStG 1988 der sinngemäßen Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, auch wenn das DBA eine Befreiung vorsieht (KStR 2013 Rz 1248ew ff).
Wurden die ausländischen Einkünfte in ausländischer Währung ermittelt, sind sie grundsätzlich nach dem Zeitbezugsverfahren in Euro umzurechnen (VwGH 29.7.2010, 2007/15/0048). Demnach wäre jeder einzelne Geschäftsvorfall in österreichischer Währung zu erfassen und zu verbuchen. Ein Kursabsinken der ausländischen Währung könnte sich in diesem Fall nicht auf die Bilanz des Stammhauses auswirken, da die Abwertung der ausländischen Währung nicht den Wert der Wirtschaftsgüter mindert. Mangels Praktikabilität dieses Verfahrens spricht jedoch nichts dagegen, die Einkünfte als erst zum jeweiligen Bilanzstichtag bezogen anzusehen (siehe EStR 2000 Rz 191). Diese Vereinfachungsregelung bewirkt, dass das unter Berücksichtigung des österreichischen Gewinnermittlungsrechts in der Währung des Betriebsstättenstaats ermittelte Reinbetriebsvermögen zum jeweiligen Bilanzstichtag zu dem in diesem Zeitpunkt geltenden Umrechnungskurs in Euro umzurechnen ist.Beispiel:
Die japanische Betriebsstätte einer österreichischen Kapitalgesellschaft weist ein Jahresanfangsreinvermögen von 146,000.000 Yen aus, die in dem betreffenden Jahr einen Eurowert von 1,000.000 € ergeben (1 € = 146 Yen bzw. 1 Yen = 0,006849315 €). Das Endvermögen beträgt 175,200.000 Yen. Der Reingewinn - ermittelt nach japanischem Recht - beträgt sonach 29,200.000 Yen. Gewinnermittlungsunterschiede zwischen den Rechtssystemen der beiden Staaten erfordern eine Gewinn- und Vermögenserhöhung von 28,800.000 Yen. Der Wechselkurs des Yen ist in diesem Jahr in der zweiten Jahreshälfte um 10% auf 1 € = 160,6 Yen bzw. 1 Yen = 0,006227 € gesunken, sodass das Betriebsstättenendvermögen sich wie folgt ergibt: 175,200.000 + 28,800.000 = 204,000.000 x 0,006227 = 1,270.308 €. Der in Österreich zu befreiende Betriebsstättengewinn beträgt demnach ungeachtet in welcher Jahreshälfte die Betriebsstättengewinnteile erwirtschaftet worden sind 270.308 € [1,270.308 - 1,000.000] und nicht 361.166 € [(29,200.000 + 28,800.000) x 0.006227].
Der Unterschiedsbetrag zwischen den zwei Berechnungsmethoden (361.166 € - 270.308 € = 90.858 €) ist darauf zurückzuführen, dass nur bei der auf dem Betriebsvermögensvergleich fußenden Umrechnungsmethode auch die währungsbedingte Abwertung des gesamten Endvermögens und nicht mehr nur die Endvermögenserhöhung berücksichtigt wird. Der Yen-Verfall beträgt 0,006849315 - 0,006227 = 0,000622315); angewendet auf das im Endvermögen miterfasste Anfangsvermögen ergibt dies 90.858 € (146.000 Yen x 0,000622315 = 90.858 €).
Beispiel:
Ein österreichisches Produktionsunternehmen liefert im Jahr 1 an seine US-Vertriebsniederlassung Waren zu steuerlichen Herstellungskosten von 1,000.000 €, die in den USA je zur Hälfte im Jahr 1 und im Jahr 2 um 1,400.000 € verkauft werden. Der von der Steuerbehörde anerkannte fremdübliche Verrechnungspreis beträgt 1,200.000 €. Es ergibt sich sonach in der Buchhaltung des Stammhauses ein Rohgewinn von 200.000 € und in der Betriebsstättenbuchhaltung ein solcher von 100.000 € (Verkaufserlös 700.000 € abzüglich Wareneinsatz von 600.000 €). Die Konsolidierung dieser beiden Gewinnteile führt damit im Jahr 1 zu einem steuerlichen Rohgewinn von 300.000 €, obwohl das Gesamtunternehmen im Jahr 1 nur einen Rohgewinn von 200.000 € erzielt hat (Verkaufserlös 700.000 € abzüglich anteilige Herstellungskosten von 500.000 €). Ungeachtet der Behandlung im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss ist der steuerlichen Gewinnermittlung der Rohgewinn von 300.000 € zu Grunde zu legen, weil § 6 Z 6 EStG 1988 eine zwingende Vorschrift des Steuerrechts darstellt, die dem Unternehmensrecht vorgeht.