VwGH 2012/01/0161

VwGH2012/01/016124.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Beschwerde des F B in T, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 23. Dezember 2011, Zl. BMJ-Z336.175/0001-I 7/2011, betreffend Einwendungen nach der Exekutionsordnung gegen Zahlungsaufträge, zu Recht erkannt:

Normen

EO §35;
GEG;
HGB §283 Abs4;
EO §35;
GEG;
HGB §283 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer der im Firmenbuch des Landesgerichts R eingetragenen M Gesellschaft mbH mit dem Sitz in A. Über den Beschwerdeführer wurden wegen Nichtvorlage der Jahresabschlüsse für die Jahre 1998 bis 2002 in 12 Offenlegungsverfahren vom Landesgericht R im Zeitraum April 2002 bis Dezember 2005 insgesamt 12 Zwangsstrafen in Höhe von insgesamt EUR 31.500,-- rechtskräftig verhängt.

Der für die Einbringung dieser Geldstrafen zuständige Kostenbeamte (des Landesgerichts R) hat den Beschwerdeführer mit Zahlungsaufträgen, die im Zeitraum April 2002 bis Juli 2006 ergingen, zur Bezahlung dieser Zwangsstrafen aufgefordert und ihm die Einhebungsgebühren vorgeschrieben.

Die Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 1998 und 31. Dezember 1999 hat der Beschwerdeführer am 1. Dezember 2006, jene zum 31. Dezember 2000 bis 2006 hat er am 25. April 2008 vorgelegt.

Mit am 3. Dezember 2008 eingelangtem Antrag erhob der Beschwerdeführer "Einwendungen gegen den Anspruch gemäß § 35 EO" und beantragte auszusprechen, dass sämtliche Ansprüche aus den näher bezeichneten "Bescheiden des Landesgerichtes R, mit welchen Zwangsstrafen wegen Nichtvorlage von Jahresabschlüssen zur Zahlung vorgeschrieben wurden, erloschen sind, und sodann die Zahlungsaufträge aufzuheben".

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bis (zum Inkrafttreten der Neufassung des § 283 Abs. 4 HGB mit) 1. Juli 2006 Zwangsstrafen als Beugemittel zu betrachten seien. Von ihrer Einhebung sei abzusehen, wenn ihr Zweck vor Entrichtung des auferlegten Betrages erreicht worden sei. Durch die mittlerweile erfolgte Vorlage der Jahresabschlüsse sei der Zweck der (über den Beschwerdeführer) verhängten Zwangsstrafen erreicht.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Kostenbeamten des Landesgerichts R vom 18. März 2009 abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes R vom 17. September 2009 abgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 9. Dezember 2009, B 1359/09-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie mit Beschluss vom 8. Februar 2010 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Mit hg. Beschluss vom 23. Juni 2010, Zl. 2010/06/0106, wurde diese abgetretene Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen.

Mit dem - nach Bewilligung der Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist - im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts L vom 24. Mai 2011 wurde die gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts R vom 17. September 2009 erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Dezember 2011 hat die belangte Behörde (Bundesministerin für Justiz) der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts L vom 24. Mai "2010" (richtig: 2011) nicht Folge gegeben.

Zusammengefasst wurde dies - nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der Rechtslage - damit begründet, bei Erlassung des Zahlungsauftrages sei der Kostenbeamte an die gerichtliche Entscheidung gebunden, eine inhaltliche Überprüfung des gerichtlichen Strafausspruches und damit des Fortbestehens des Straf- oder Beugezwecks stehe ihm nicht zu. Dies käme der Nachprüfung des gerichtlichen Strafausspruches unter geänderten Verhältnissen gleich; dazu sei nur die Rechtsprechung, nicht die Verwaltung berufen. Die geltend gemachten Einwendungen würden sich (inhaltlich) gegen das Weiterbestehen der gerichtlichen Entscheidung unter vermeintlich geänderten Verhältnissen richten. Ihre Berücksichtigung sei dem Kostenbeamten bei Erlassung des Zahlungsauftrages, der dazu diene, die Vollstreckbarkeit des gerichtlichen Titels im Auftrag des Gerichtes nach den Vorschriften des GEG zu ermöglichen, versagt. Das behauptete Rechtsschutzdefizit liege (aus den näher dargelegten Gründen) nicht vor.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 21. September 2012, B 163/12-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie mit Beschluss vom 30. November 2012 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 4. Februar 2013 ergänzt und beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der beantragt wird, die Beschwerde zurück-, in eventu abzuweisen und dem Beschwerdeführer den Ersatz der Aufwendungen aufzuerlegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wiederholt in der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde (unter Punkt 4 bzw. 5.1 und 5.2) seine an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde. Diese gegen die Verfassungsmäßigkeit näher bezeichneter Bestimmungen vorgebrachten Bedenken bzw. behauptete Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten wurden bereits erfolglos an den Verfassungsgerichtshof herangetragen; neue Argumente bringt der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vor. Zu diesen Beschwerdeausführungen wird auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 2012, B 163/12-3, verwiesen.

Insoweit der Beschwerdeführer (unter 5.3 der Beschwerdegründe) unter Hinweis darauf, dass seine Einwendungen gegen den Exekutionstitel zurückgewiesen wurden, den angefochtenen Bescheid als (letztlich) rechtswidrig rügt, ist Folgendes zu erwidern:

Mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag (vom Dezember 2008) begehrte der Beschwerdeführer die Aufhebung der im Zeitraum April 2002 bis Dezember 2005 vom Kostenbeamten erlassenen Zahlungsaufträge mit der Begründung, der Zweck dieser Zwangsstrafen sei erreicht, weil er mittlerweile (am 1. Dezember 2006 und 25. April 2008) die Jahresabschlüsse vorgelegt habe.

Mit diesem Vorbringen macht der Beschwerdeführer der Sache nach Einwendungen gegen den Anspruch geltend, wie sie dem mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 2004, Zl. 2004/06/0074, entschiedenen Beschwerdefall zugrunde lagen. Auf dieses Erkenntnis kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden (in diesem Sinne auch die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 2009, Zl. 2008/06/0227; und vom 18. Dezember 2008, Zl. 2008/06/0197).

Im Übrigen steht die Einreichung der Jahresabschlüsse nach Verhängung der Zwangsstrafen nur der Verhängung weiterer (also künftiger) Zwangsstrafen entgegen, auf die Höhe der wegen der bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verletzung der Offenlegungspflicht zu verhängenden Zwangsstrafen hat sie aber keinen Einfluss. Eine spätere Einreichung der Jahresabschlüsse machte die Beugemaßnahmen nicht gegenstandslos, sondern ist regelmäßig ihr Erfolg (vgl. Beschluss des OGH vom 16. Februar 2012, 6 Ob 17/12m, mwN).

Das Ziel der Beugung des Willens des (zur Vorlage von Jahresabschlüssen) Verpflichteten kann nur erreicht werden, wenn dieser weiß, dass die Strafe im Fall des Zuwiderhandelns nicht bloß verhängt, sondern auch vollzogen wird. Daran vermag die Änderung der Rechtslage per 1. Juli 2006 (Neuregelung des § 283 Abs. 4 UGB) nichts zu ändern, hat der Gesetzgeber sich damit doch bloß zur Erhöhung der Wirksamkeit des Zwangsstrafenverfahrens entschieden (vgl. Beschluss des OGH vom 18. Dezember 2009, 6 Ob 252/09s, mwN).

Insoweit der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg. 15.589/1999 argumentierte, hat der Verfassungsgerichtshof dazu in dem den Beschwerdeführer (und den gegenständlichen Fall) betreffenden Ablehnungsbeschluss vom 9. Dezember 2009, B 1359/09-4, ausdrücklich Stellung genommen und Folgendes ausgeführt:

"Wenn auch in VfSlg. 15.589/1999 davon ausgegangen wird, dass das Verhängen einer Beugestrafe nach erfolgter Nachholung der erwünschten Handlung unzulässig sei, so ist jedoch der Zweck der Zwangsstrafe nach dem Firmenbuchgesetz und dem Unternehmensgesetzbuch zu beachten. Der Zweck der Androhung von Zwangsstrafen im Firmenbuchrecht ist unter anderem die regelmäßig pünktliche Anmeldung aller firmenbuchrelevanten Tatsachen. Dies liegt vor allem im Interesse eines geregelten Geschäftsverkehrs. Wäre bei Nachholung der versäumten Handlung jedenfalls von der Einbringung von Zwangsstrafen abzusehen, stünde es weitgehend im Belieben des Verpflichteten, wann und ob er eine Handlung vornimmt. Das Firmenbuchgericht hätte keinerlei Handhabe, in Zukunft eine rechtzeitige Erledigung zu erzwingen (RV 1427 BlgNR XX. GP). § 24 Firmenbuchgesetz und § 283 Unternehmensgesetzbuch (idF BGBl. I Nr. 103/2006) stellen somit keine Sanktion für verpöntes Verhalten dar, sondern dienen dazu, die rechtzeitige Vorlage von Schriftstücken zum Firmenbuch uä. zu erzwingen. § 24 Abs. 3 FBG und § 283 Abs. 4 UGB sollen gewährleisten, dass die Androhung von Zwangsstrafen keine leere Drohung darstellt."

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG (in der hier gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/213 noch maßgeblichen Fassung, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 in Geltung stand) abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers und der vorgelegten Akten konnte davon ausgegangen werden, dass eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Angelegenheit nicht erwarten lässt. Das Vorbringen in der Beschwerde betrifft ausschließlich Rechtsfragen (vgl. insoweit etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, Zl. 2010/06/0127, mwN). Beugemittel bzw. Zwangsstrafen sind keine Strafen (für Übertretungen) im Sinne des Art. 6 MRK (vgl. VfGH in VfSlg. 10.840/1986; sowie OGH in 6 Ob 17/12m).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. März 2014

Stichworte