Normen
B-VG Art94;
GEG §7 Abs1;
EMRK Art6 Abs1;
StPO §235;
VwGG §39 Abs2 Z6;
B-VG Art94;
GEG §7 Abs1;
EMRK Art6 Abs1;
StPO §235;
VwGG §39 Abs2 Z6;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Landesgericht Feldkirch verhängte mit Beschluss vom 30. Juli 2009 über den Zweitbeschwerdeführer als Geschäftsführer der Erstbeschwerdeführerin eine Zwangsstrafe gemäß § 283 Unternehmensgesetzbuch (UGB) in Höhe von EUR 450,--. Das Oberlandesgericht Innsbruck gab dem von den Beschwerdeführern erhobenen Rekurs mit Beschluss vom 26. August 2009 keine Folge. Der in weiterer Folge dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 16. Oktober 2009 mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 AußStrG zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem Zweitbeschwerdeführer am 23. November 2009 zugestellt.
Die Kostenbeamtin beim Landesgericht Feldkirch schrieb dem Zweitbeschwerdeführer mit Zahlungsauftrag vom 22. Dezember 2009 die (rechtskräftig) verhängte Zwangsstrafe in Höhe von EUR 450,-- zur Zahlung vor.
Die Beschwerdeführer stellten mit Eingabe vom 11. Jänner 2010 diesbezüglich einen Berichtigungsantrag, mit dem auch Einwendungen nach § 35 EO erhoben wurden und ein Unterbrechungsantrag nach § 7 Abs. 5a Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) gestellt wurde.
Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens über die Einhebung der Zwangsstrafe ab (Spruchpunkt 1.), gab dem Berichtigungsantrag keine Folge (Spruchpunkt 2.) und verhängte über den Zweitbeschwerdeführer als Berichtigungswerber eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 200,-- (Spruchpunkt 3.).
Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die in § 7 Abs. 1 dritter Satz GEG normierten Voraussetzungen für einen Berichtigungsantrag in Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, nicht vorlägen. Der Auftrag zur Zahlung einer Zwangsstrafe vom 22. Dezember 2009 entspreche der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes und auch die Zahlungsfrist sei mit 14 Tagen dem Gesetz entsprechend bestimmt worden. Wie dies bereits in zwei Bescheiden der belangten Behörde aus dem Jahre 2007, die auf Grund von Berichtigungsanträgen des Zweitbeschwerdeführers erlassen worden seien, ausgeführt worden sei, könne die Frage der Gesetzmäßigkeit der durch Gerichtsbeschluss dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht im Verwaltungsverfahren nicht mehr aufgerollt werden (Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1995, Zl. 93/17/0298, u.a.). Die nun im Berichtigungsverfahren wiederholte behauptete Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit sei bereits im Verfahren über die Verhängung der Zwangsstrafe vorgebracht und sowohl vom Rekursgericht als auch vom Obersten Gerichtshof verneint worden.
Dem Berichtigungsantrag sei daher ein Erfolg zu versagen gewesen. Zu den im Schriftsatz vom 11. Jänner 2010 weiters erhobenen Einwendungen nach § 35 EO werde angemerkt, dass - abgesehen von der Tatsache, dass mangels Vollstreckbarkeit des Zahlungsauftrages noch gar keine Exekution geführt werde - damit nur solche Tatsachen geltend gemacht werden könnten, die nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten seien. Derartige Tatsachen habe der Berichtigungswerber nicht einmal behauptet.
Zur verhängten Mutwillensstrafe wurde ausgeführt, dass der Zweitbeschwerdeführer bereits zweimal in gleich gelagerten Fällen, nämlich der Verhängung einer Zwangsstrafe wegen unterlassener Vorlage der Jahresbilanzen, Berichtigungsanträge gestellt habe, die von der belangten Behörde mit Bescheiden vom 1. Jänner 2007 und vom 12. November 2007 (zu beiden Bescheiden werden Geschäftszahlen angeführt) jeweils auch unter Hinweis auf § 7 GEG keine Folge gegeben worden seien.
§ 7 Abs. 2 zweiter Satz GEG solle die bestmögliche Gewähr dafür bieten, dass die Präsidenten der Gerichtshöfe nicht beträchtlich mit von vorneherein aussichtslosen - unter Umständen nur zum Zweck des Hinausschiebens der Zahlungspflicht eingebrachten - Berichtigungsanträgen in Anspruch genommen würden und dass dem Bund nicht aus auf diese Weise verzögerten Gebührenzahlungen ein finanzieller Nachteil entstehe. Die Mutwillensstrafe für solche Gebührenschuldner, die einen - auch für sie selbst erkennbar - offensichtlich aussichtslosen Berichtigungsantrag einbrächten, sei durch den Gesetzgeber als das zur Erreichung dieses Zieles geeignete Instrument angesehen worden, weil diese Maßnahme nur den unredlich Rekurierenden treffe und von ihr dennoch der gewünschte Steuerungseffekt zu erwarten sei (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 2005, Zl. 2003/16/0499).
Der Zweitbeschwerdeführer sei von Beruf Rechtsanwalt und es könne vorausgesetzt werden, dass ihm die Bestimmung des § 7 GEG soweit bekannt sei, dass der gegenständliche Berichtigungsantrag auf Grund der oben aufgezeigten sachlichen und rechtlichen Zusammenhänge von vorneherein keinerlei Erfolgsaussichten habe, insbesondere auch im Hinblick auf die im Jahre 2007 bereits abschlägig entschiedenen zwei Berichtigungsanträge. Die Behörde sehe darin eine mutwillige Antragstellung. Gemäß § 7 Abs. 2 GEG sei gegen den Zweitbeschwerdeführer eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 200,-- zu verhängen.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst dagegen bei ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 26. April 2010, B 458/10-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt. Er führte in diesem Beschluss im Hinblick auf die erhobenen Bedenken gegen § 283 Abs. 4 UGB insbesondere aus, die Beschwerdeführer übersähen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Verhängung (und Vollstreckung) einer Zwangsstrafe nach dem Firmenbuchgesetz oder dem UGB im verwaltungsbehördlichen Berichtigungsverfahren nach § 7 GEG nicht angewendet würden und auch nicht anzuwenden wären. (Betreffend die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Regelungen verweist der Verfassungsgerichtshof in diesem Beschluss auf seine Entscheidungen vom 6. Dezember 2006, B 1808/06, u.a. sowie vom 9. Dezember 2009, B 1359/09).
Der Verfassungsgerichtshof trat die Beschwerde auf Grund eines entsprechenden Antrages der Beschwerdeführer mit dem weiteren Beschluss vom 31. Mai 2010, B 458/10-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der beim Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Beide Beschwerdeführer bekämpfen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides, der Zweitbeschwerdeführer wendet sich auch gegen Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG), BGBl. Nr. 288/1962 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2007, kann der Zahlungspflichtige, wenn er sich durch den Inhalt des Zahlungsauftrages beschwert erachtet, binnen 14 Tagen dessen Berichtigung verlangen. Der Berichtigungsantrag ist bei dem Gericht einzubringen, dessen Kostenbeamter den Zahlungsauftrag erlassen hat. In Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, gilt dies jedoch nur dann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder wenn der Zahlungsauftrag der ihm zu Grunde liegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht.
Ein rechtzeitig eingebrachter Berichtigungsantrag hat gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung aufschiebende Wirkung. Wurde ein Berichtigungsantrag offenbar mutwillig erhoben, so kann der darüber entscheidende Präsident des Gerichtshofes gegen den Zahlungspflichtigen eine Mutwillensstrafe bis zu EUR 400,-- verhängen.
Soweit die Beschwerdeführer Bedenken gegen die Vorschriften über die gerichtliche Verhängung einer Zwangsstrafe nach dem Firmenbuchgesetz oder dem UGB in der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof geltend machen, genügt es - wie dies der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss getan hat - darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmungen in dem verwaltungsbehördlichen Berichtigungsverfahren nach § 7 GEG nicht angewendet wurden und auch nicht anzuwenden waren. Auch zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Bestimmungen kann im Sinne des angeführten Ablehnungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes auf die dort genannten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden.
Gemäß § 7 Abs. 1 GEG kommt im Falle eines Zahlungsauftrages, der in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichtes ergeht, eine Berichtigung nur aus den in § 7 Abs. 1 dritter Satz GEG genannten Gründen in Betracht. Dies entspricht auch dem in der Verfassung in Art. 94 B-VG verankerten Grundsatz der Gewaltentrennung (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. 2007/06/0315).
Mangels Präjudizialität der Bestimmungen u.a. des UGB kommt im vorliegenden Fall auch eine Behandlung der Frage der Vereinbarkeit dieser Bestimmungen mit Unionsrecht nicht in Betracht.
Bei diesem Ergebnis konnte dahingestellt bleiben, ob die Erstbeschwerdeführerin überhaupt durch Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides in Rechten verletzt sein konnte.
Zur angeordneten Mutwillensstrafe wird in der Beschwerde durch den Zweitbeschwerdeführer geltend gemacht, die den Bescheid unterzeichnende Vizepräsidentin des Landsgerichtes Feldkirch werde deshalb als befangen im Sinne des § 7 Abs. 1 AVG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 MRK erachtet, weil mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 5. Mai 2010 ein strafgerichtliches Ermittlungsverfahrens gegen sie eingeleitet worden sei. Der Disziplinaranwalt habe ihre Suspendierung beantragt.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
Nach dem im Akt einliegenden Aktenvermerk vom 14. Dezember 2010, auf den die belangte Behörde im vorliegenden Zusammenhang verweist, wurde die bezogene Richterin mit 1. März 2010 suspendiert. Sie war somit im Zeitpunkt des Beschlusses und der Erlassung des angefochtenen Bescheides (am 17. bzw. 22. Februar 2010) Richterin und Vizepräsidentin an diesem Gericht. Aus der später erfolgten Suspendierung dieser Richterin kann für die verfahrensgegenständliche Anordnung einer Mutwillensstrafe keine Befangenheit abgeleitet werden. Dass die Suspendierung in irgendeinem Zusammenhang mit der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit, insbesondere der Anordnung der Mutwillensstrafe stünde, wird nicht behauptet.
Der Zweitbeschwerdeführer meint weiters, dass die Mutwillensstrafe unter Verletzung des Parteiengehörs erfolgt sei, da sie zu dem Argument, es sei Berichtigungsanträgen des Zweitbeschwerdeführers bereits zweimal in gleich gelagerten Fällen, nämlich der Verhängung einer Zwangsstrafe wegen Unterlassen der Vorlage der Jahresbilanzen, keine Folge gegeben worden, nicht gehört worden seien.
Es kann dahinstehen, ob dem Zweitbeschwerdeführer zu dieser Frage überhaupt Parteiengehör hätte eingeräumt werden müssen, da in der Beschwerde jedenfalls nicht die Wesentlichkeit dieser allfälligen Parteiengehörverletzung dargelegt wird. Mit der ganz allgemeinen Behauptung, der verfahrensgegenständliche Berichtigungsantrag betreffe anders als die früheren Berichtigungsanträge die Rechtslage nach dem 1. Juli 2006, wird die Wesentlichkeit dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.
Dass Normbedenken der belangten Behörde nicht vorgetragen werden konnten, spielt im vorliegenden Berichtigungsverfahren deshalb keine Rolle, weil die betreffenden gesetzlichen Vorschriften - wie bereits dargelegt - nicht präjudiziell sind.
Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragen Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden. Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführer und der vorgelegten Akten konnte davon ausgegangen werden, dass eine die mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Angelegenheit nicht erwarten lässt. Auch aus der Sicht des Art. 6 Abs. 1 MRK bestehen dagegen keine Bedenken. Die verfahrensgegenständliche Mutwillensstrafe fällt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Lichte der Judikatur des EGMR zu angeordneten Missbrauchsgebühren für Parteien oder Anwälte bei mutwilliger Prozessführung nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 MRK (vgl. die Urteile des EGMR vom 22. Februar 1996 im Fall Putz gegen Österreich betreffend Ordnungsstrafe gemäß § 235 StPO und vom 23. März 1994 im Fall Ravnsborg gegen Schweden betreffend Ordnungsstrafe vor Gericht wegen Störung der Verhandlung, abgedruckt in ÖJZ 1994, 706 f; weiters Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar2, S. 181 und S. 193 FN 233 und 234; vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 97/19/0022). Die verhängte Geldstrafe in Höhe von EUR 200,-- (auch die nach dem Gesetz maximal mögliche Geldstrafe) ist im Lichte des dabei relevanten Kriterium der Art und Schwere der Sanktion nicht als derart schwer zu qualifizieren, dass sie als strafrechtliche Angelegenheit im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK anzusehen wäre.
Das nicht die Mutwillensstrafe betreffende Vorbringen in der Beschwerde betrifft weiters ausschließlich Rechtsfragen (die Frage der Verfassungsmäßigkeit der der Zwangsstrafe zugrundeliegenden Normen bzw. ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht). Der EGMR hat außergewöhnliche Umstände, die eine Ausnahme vom Recht auf mündliche Verhandlung vor einem Tribunal gewähren, u.a. dann angenommen, wenn in dem Rechtsmittel ausschließlich rechtliche
Fragen ("exclusively legal ... questions") aufgeworfen wurden
(vgl. u.a. das Urteil vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04, im Fall Hofbauer gegen Österreich 2).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 27. Jänner 2011
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