VwGH 2011/11/0024

VwGH2011/11/00246.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des XY in A, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 1. Dezember 2010, Zl. BMASK- 41550/153-IV/9/2010, betreffend Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §1b;
ImpfSchG §3 Abs3;
HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §1b;
ImpfSchG §3 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 31. Mai 2005 geborene Beschwerdeführer beantragte am 5. Juni 2007 eine Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, weil er an myklonisch-astatischer Epilepsie leide, was auf die Verabreichung von drei Teilimpfungen der Sechsfach-Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Haemophilus, Polio und Hepatitis am 8. August 2005, 19. Oktober 2005 und 20. Dezember 2005 zurückzuführen sei, zumal ein zeitlicher Zusammenhang zwischen (insbesondere) der dritten Teilimpfung und dem Auftreten des ersten Anfalls (am 31. Dezember 2005) bestehe.

Die Erstbehörde, das Bundessozialamt/Landesstelle Kärnten (iF: BSA), veranlasste die Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. G, Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendneuropsychiatrie, (zusammengefasst) zur Frage, welche Krankheit beim Beschwerdeführer vorliege und ob aus ärztlicher Sicht ein Zusammenhang mit den "angeschuldigten" Impfungen bestehe.

In seinem Gutachten vom 27. Dezember 2008 führt dieser Sachverständige - nach Wiedergabe des Akteninhalts und der vorliegenden Befunde (auch über seine eigene Untersuchung des Beschwerdeführers) - Folgendes aus:

Der Beschwerdeführer habe am 20. Dezember 2005 eine Teilimpfung mit "Infanrix" erhalten, die von ihm in Zusammenhang mit seiner Krankheit gebracht werde, weil am 31. Dezember 2005 erstmals ein komplizierter Fieberkrampf aufgetreten war. Der Impfstoff sei entsprechend der Impfempfehlung im Abstand von zwei Monaten, im dritten, fünften und siebenten Lebensmonat verabreicht worden. Er enthalte folgende Stoffe: Diphtherietoxoid, mindestens 30 I.E.; Tetanustoxoid, mindestens 40 I.E.; Pertussistoxoid 25 Mikrogramm; Hepatitis B Oberflächenantigen 10 Mikrogramm; inaktiviertes Poliomyelitisvirus Typ I 40 D, Typ 2 8 D und Typ 3 32 D; Haemophilusinfluence Typ B Polysacharid 10 Mikrogramm, konjugiert an Tetanustoxoid, adsorbiert an Aluminiumhydroxid und in Hefezellen hergestellt. Im Impfstoff befänden sich keine Varianten eines Lebend-Impfstoffs.

In klinischen Studien über Nebenwirkungen seien bei 0,6 bis 2,8 % der Impflinge zwei bis drei Tage nach der Impfung Fieberschübe bis 39,5 Grad festgestellt worden.

In einer retrospektiven Studie bei Kindern mit Fieberkrämpfen habe sich kein Unterschied im Auftreten einer Epilepsie zwischen jenen Kindern, die im letzten Monat eine Impfung erhalten hätten, und solchen, bei denen die Impfung schon länger zurück lag, gezeigt. In einer britischen Studie mit über 15.000 verabreichten Kombinationsimpfungen an Kindern zwischen 0 und 6 Jahren habe sich gezeigt, dass epileptische Anfälle fast immer im Zusammenhang mit Fieber mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1.750 aufgetreten seien. Auch aus anderen Untersuchungen hätte sich kein Hinweis ergeben, dass solche impf-assoziierten Anfälle das Risiko einer späteren Epilepsie gegenüber einer Vergleichspopulation erhöhten. Die Empfehlungen der WHO gingen auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse eindeutig in die Richtung, dass trotz Epilepsierisikos geimpft werden solle. Prinzipiell handle es sich beim Fieberkrampf um eine erhöhte Bereitschaft, dass bei Temperaturerhöhungen die bioelektrische Erregbarkeit an Synapsen und Neuronen so beeinflusst werde, dass es zu einem Krampfgeschehen kommen könne, wobei die Impfung als Auslöser eines Fieberkrampfs nur ein Ereignis unter vielen darstelle, das "nicht kausal spezifisch die Inhalte des Impfstoffs anspricht, sondern allenfalls eine Impfkrankheit, die mit Fieber einhergehen kann".

In jedem Fall würde Fieber durch andere Genesen auch diesen Fieberkrampf auslösen.

Im Anschluss an die Pertussisimpfung komme es bei ca. 1 % nach wenigen Stunden bis maximal drei Tagen zu Fieberkrämpfen.

Bei Poliomyelitis sei dies nur beim Lebendimpfstoff bekannt.

Die Verträglichkeit des Hepatitis B-Bestandteils werde als sehr gut dokumentiert; schwere Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Impfung stehen, seien bislang nicht beobachtet worden; es gebe keine Kontraindikationen.

Die Diphtherievakzine gehörten zu jenen Impfstoffen, die eine antitoxische Immunität injizierten. Als Nebenwirkungen seien bei jedem fünften Impfling Rötung, Schmerzhaftigkeit und Schwellung als Impfreaktion festgestellt worden; bei weniger als 1 % komme es zu Allgemeinsymptomen wie Kopf- und Gliederschmerzen oder Magen- und Darmbeschwerden. In Einzelfällen seien Vaskulitiden festgestellt worden, weil der Zusammenhang mit der Impfung als allergische Reaktion wissenschaftlich nicht aufgeklärt werden konnte. Das Auftreten von neurogenen Immunopathien hätte ein ähnliches klinisches Bild wie bei Nebenwirkungen der Tetanusimpfung.

Der Tetanusimpfstoff werde ebenfalls in Form eines entgifteten Toxins, absorbiert an Aluminiumverbindungen, verabreicht. Neben Lokalreaktionen würden Impfkomplikationen in Form von Neurotitiden oder dem Auftreten eines Guillain-Barre-Syndrom (GBS) beschrieben. Danach könne es wenige Stunden bis längstens 14 Tage zu neurologischen Erkrankungen in Form von immunmediierten Störungen kommen. Die klinischen und morphologischen Veränderungen, etwa in Form eines ADM oder einer Encephalopathie, seien in jedem Fall diagnostizierbar, erschienen klinisch und im Rahmen der radiologischen oder MRI-Abklärung mit einem ganz spezifischen Befund, der beim Beschwerdeführer in jedem Fall auszuschließen sei.

Der Haemophilusimpfstoff sei ein Polysaccharidkonjugat. Es gebe keinen wissenschaftlich dokumentierten Nachweis von Impfkomplikationen oder Impfkrankheiten, die einer Kausalitätsprüfung standhielten, sodass davon auszugehen sei, dass Impfkomplikationen nicht bekannt seien. Wie bei allen Störungen, die mit Fieber verbunden seien, könne es in Einzelfällen zu Krampfanfällen, drei bis vier Tage nach der Impfung, kommen.

An diese Ausführungen schloss der Sachverständige folgenden "fallbezogene(n) Kommentar":

"Der (Beschwerdeführer) hatte keinen Lebendimpfstoff erhalten. Dabei handelt es sich um attenuierte, lebende, aber in ihrer Virulenz abgeschwächte Erreger. Diese können unter bestimmten Umständen eine direkte, Erreger-bedingte Infektion des zentralen Nervensystems verursachen. Als typisches Beispiel wurde schon das sehr seltene Auftreten einer paralytischen Poliomyelitis nach der Schluckimpfung genannt.

In Analogie zu den postinfektiösen immunmediierten entzündlichen Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems können nach einer aktiven Immunisierung in Parallelität mit den Wilderregern immunmediierte neurologische Reaktionen oder Erkrankungen auftreten. Zu diesem Thema werden das Guillain-Barre Syndrom, Neurotitiden, Paresen und das ADM (akut dessiminierte Encephalomyelitis) diskutiert, ein wissenschaftlicher Beweis für diese Zusammenhänge nach Impfung gibt es nicht, sondern nur auf Wahrscheinlichkeiten beruhende und einzelne Fallschilderungen, die einen zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung herstellen lassen. Vermutet wird, dass es sich dabei um das Ergebnis einer Hypersensitivität handelt. Es kann zur Destruktion von Axonen und zu einer Demyelenisierung kommen. Der Verlauf ist in den meisten Fällen monophasisch, wobei es einen typischen Liquorbefund sowie MRT-Veränderungen kommt. Mit dem Auftreten einer ADM-Erkrankung kann es auch zum Auftreten von epileptischen Anfällen mit Bewusstseinsstörungen kommen.

(Beim Beschwerdeführer) gab es aus den Erstbefunden keine Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Erkrankung und keinesfalls handelt es sich um eine akute toxische Encephalopathie, bei der es auch zu perivaskulären Microblutungen und zu Strukturläsionen kommt. (Beim Beschwerdeführer) waren sowohl alle EEG-Befunde als auch die bildgebenden Verfahren bisher unauffällig geblieben.

Bestimmte Impfstoffe steigern die Inzidenz von Fieberkrämpfen bis das zwei- bis fünffache. Bis jetzt existieren keine überzeugenden Ergebnisse, dass die aktive und auch passive Immunisierung bei Patienten in irgendeiner Form einer Epilepsie zu einer Verschlechterung der Epilepsiesymptomatik beiträgt. Bei keinem Impfbestandteil der Infanrix Impfung ist ein Intervall bis zum Auftreten nach einem Zeitraum von Stunden bis maximal 4 Tage nach der Impfung bekannt. Ein längeres Intervall besteht z.B. bei der Masern- oder Rötelimpfung.

Der erste komplizierte Fieberkrampf ereignete sich 11 Tage nach der dritten Teilimpfung. Der Beschwerdeführer hatte laut beigelegter Arztbriefe mit alimentär bedingter Gedeihstörung bei Ernährungsproblemen zu kämpfen und es kam vor allem zu häufigem Erbrechen.

Am 19.10.2005 wurden im Rahmen einer Durchuntersuchung schon eine erhebliche Dystrophie und ein neuromotorischer Entwicklungsrückstand mit Muskelhypotonie festgestellt und auf Grund einer chronischen Obstipation wurde eine Rektumsbiopsie empfohlen. Es ist nicht auszuschließen, dass im Zusammenhang mit dieser Gedeihstörung auch ein erhöhtes Risiko für neuronale bzw. elektrobiologische Funktionsstörung aufgetreten war.

Ein Zusammenhang mit der vorliegenden Epilepsieerkrankung und einem Impfschaden kann nach dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht hergestellt werden.

Die (vom Vertreter des Beschwerdeführers) aus dem Internet zitierten Fallberichte sind auf die Katamnese (des Beschwerdeführers) nicht übertragbar. In einigen Fällen handelt es sich um völlig andere Impfungen, z.B. gegen Masern, Mumps und Röteln, in anderen Fällen traten Krampfanfälle typischer Weise einige Stunden nach der Impfung auf. In einem anderen Fall handelt es sich um eine Poliomyelitisimpfung und der gefertigte Sachverständige hatte so einen Impfschaden nach dieser Impfung auch schon bestätigt."

In der "Zusammenfassung und Feststellung" tätigte der Sachverständige schließlich folgende Ausführungen:

1. "(Der Beschwerdeführer) leidet an einer therapieresistenten Epilepsie nach mehreren komplizierten Fieberkrämpfen, einer Hydronephrose links, einer Gedeihstörung, die durch den Einsatz der ketogenen Diät verstärkt wird, einer chronischen Obstipation und er weist einen leichten Entwicklungsrückstand auf.

  1. 2. ...
  2. 3. Die Symptome sind weder Impfreaktion noch Impfkomplikation und abgesehen von einzelnen Fallberichten kommen sie in der wissenschaftlichen Literatur in dieser spezifischen Form nicht vor.

    4. Ein ärztlicher Befund, der einen Zusammenhang mit der vorliegenden Gesundheitsschädigung nach Impfung herstellen lässt, liegt nicht vor.

    5. Als einzige Pro-Schlussfolgerung könnte ein Zusammenhang mit dem Anfiebern nach Impfung hergestellt werden, wobei der Sachverständige in Übereinstimmung mit anderen Experten der Meinung ist, dass Fieber ein Ereignis darstellt, das durch verschiedene Noxen entstehen kann und dass der Fieberkrampf keinen unmittelbaren Zusammenhang mit den Inhaltsstoffen der Impfung herstellen lässt, sondern nur mit der Reaktion auf eine iatrogen gesetzte und vom Erregerpotential abgeschwächte Infektion darstellt und zwar so, dass nicht von einem schädigenden Einfluss der Impfbestandteile in diesem Fall gesprochen werden kann.

    6. Gegen einen Zusammenhang mit der vorliegenden Gesundheitsschädigung nach Impfung spricht auch der zeitliche Abstand von 11 Tagen.

    7. Die Kontraschlussfolgerungen sind dermaßen übergewichtig, dass sie mit höchstem Maß an Wahrscheinlichkeit eine Gesundheitsschädigung nach Impfung ausschließen.

    8. Es spricht im Sinne der gesamtheitlichen Sicht erheblich mehr gegen einen ursächlichen Zusammenhang.

    9. Aus ärztlicher Sicht gibt es keinen wahrscheinlichen Zusammenhang.

    ..."

    In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten wandte der Beschwerdeführer dagegen mit Schriftsatz vom 24. Februar 2008 im Wesentlichen Folgendes ein:

    Der Beschwerdeführer leide an einer sehr seltenen und durch eine Genmutation verursachten Epilepsieform, weshalb die Einholung weiterer Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Epileptologie und Humangenetik zum Beweis dafür beantragt werde, dass seine Erkrankung durch die gegenständliche Impfung verursacht worden sei. Der Sachverständige habe nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer am sogenannten Dravet-Syndrom leide. Diese Erkrankung werde durch eine Mutation des SCN1A-Gens hervorgerufen. Beim Beschwerdeführer liege eine Spontanmutation dieses Gens vor; dass diese genetische Veränderung durch Vererbung hervorgerufen wurde, sei auszuschließen, zumal eine humangenetische Untersuchung der gesamten Familie ergeben habe, dass die in Rede stehende Mutation nur beim Beschwerdeführer vorliege.

    Den Ausführungen des Sachverständigen, es existierten keine überzeugenden Ergebnisse dafür, dass eine Impfung bei Patienten zu einer Epilepsie oder einer Verschlechterung der Epilepsiesymptomatik führen würde, sei zu entgegnen, dass der - mit Schriftsatz vom 18. Juni 2008 vorgelegte - Internetausdruck des Schutzverbandes für Impfgeschädigte e.V. aus dem Jahr 2003 den Fall einer Fünffachimpfung betreffe und daher mit dem Beschwerdefall durchaus vergleichbar sei.

    Ein weiterer Internetausdruck berichte vom Fall einer Vierfachimpfung, bei der nach gewisser Zeit Krampfanfälle aufgetreten seien. In diesem Fall sei eine Anerkennung als Impfschaden erfolgt, obwohl zwischen Impfung und erstem Krampfanfall ein längerer Zeitraum gelegen sei. Auf derselben Homepage sei vom Fall einer Polioimpfung die Rede, bei der ca. 40 Tage nach der Impfung ein Fieberanfall aufgetreten sei; auch in diesem Fall sei es zu einer Anerkennung gekommen. Einem Urteil des Bayrischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 2007 sei eine Sechsfachimpfung zugrunde gelegen, wobei es erst ca. sieben Wochen nach der Impfung zum ersten generalisierten Krampfanfall und in weiterer Folge zu einem manifestierenden Anfallsleiden gekommen sei, die Kausalität zwischen Impfung und Anfallsleiden vom Gericht nicht bezweifelt worden sei und die Anerkennung des Impfschadens vielmehr nur deshalb versagt worden sei, weil ein nicht zugelassener Impfstoff verwendet worden sei. Vor diesem Hintergrund könne nicht davon gesprochen werden, dass es "keine überzeugenden Ergebnisse betreffend einen Zusammenhang zwischen Impfung und Epilepsie" gebe. Auch der Zeitraum zwischen der Impfung und dem ersten Anfall sei keinesfalls so lang, dass ein derartiger Kausalzusammenhang auszuschließen wäre.

    Zu verweisen sei weiters auf einen Artikel im deutschen Ärzteblatt 2007, in dem über eine Studie mit 14 untersuchten Patienten berichtet werde, wobei bei 11 Patienten Mutationen im SCN1A-Gen nachgewiesen werden konnten, während bei den Eltern, soweit Blutproben verfügbar gewesen seien, diese Veränderungen nicht nachgewiesen worden seien. Auch diese Studie lege einen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Genmutation nahe. In diesem Artikel sei davon die Rede, dass künftige Untersuchungen klären müssten, ob die Impfungen "triggernd" auf die Manifestation des SMEI-Erkrankung eingewirkt hätten oder ob es sich dabei um eine zufällige Koinzidenz handle. Die SMEI-Erkrankung sei mit dem Dravet-Syndrom identisch.

    Mit Schriftsatz vom 13. März 2009 ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahin, dass derzeit eine Studie zum Thema "Provokation von Anfällen durch Impfungen bei Kindern mit SCN1A-Mutation" erarbeitet würde, die anlässlich der 35. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie in Graz bei einem Kurzvortrag vorgestellt würde. Diese Veranstaltung finde vom 23. April bis 29. April 2009 in Graz statt. Beantragt werde, dem Gutachter aufzutragen, sich mit diesen aktuellen Entwicklungen der Epilepsieforschung auseinander zu setzen.

    Die Erstbehörde bestellte daraufhin den Sachverständigen Dr. S, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und Neuropädiatrie zum Sachverständigen, der in seinem Gutachten vom 26. Oktober 2009 nach einer Wiedergabe der Befundaufnahme Folgendes ausführte:

    "III) Stellungnahme:

    (Der Beschwerdeführer) leidet an einem genetisch verifizierten frühkindlichen malignen Epilepsiesyndrom, nämlich

    schwere myoklonische Epilepsie (SMEI-Dravet Syndrom) ... Der

    Krankheitsverlauf (des Beschwerdeführers) ist typisch für dieses Syndrom. Beginn im 1. Lebensjahr (2.-12. Lebensmonat), bei einem Teil der Patienten mit Fieberkrampfäquivalenten bzw. fieberassoziierten Anfällen, teilweises - nicht anhaltendes Ansprechen auf Antikonvulsiva (besonders Valproinsäure) mit Übergang in eine therapieresistente Epilepsie mit verschiedensten Anfallstypen. Mit der Manifestation kommt manchmal im

    2. Lebensjahr auch eine ataktische Bewegungsstörung und eine Entwicklungsverzögerung bzw. Regression hinzu. Im EEG zeigen sich fokale/multifokale und generalisierteAuffälligkeiten, als charakteristische Kurvenverläufe generalisierte Poly-Spike-Waves. Die zerebrale Bildgebung ist uncharakteristisch im Sinne eines idiopathisch-genetischen Epilepsiesyndroms.

    Stellungnahme zu den Einwendungen

    Abl 223 Punkt 2: 86% der Patienten mit einer Mutation des SCN1A Gens zeigen den Phänotyp eines Dravet Syndroms. Die meisten Mutationen entstehen sporadisch 'de novo' bei betroffenen Patienten, aber auch vererbte Fälle oder ein elterliches Mosaik (betroffene und nicht betroffene Zellen bei einem Elternteil) sind bekannt. Diese Mutation liegt aber bei den Patienten angeboren vor, eine Impfung kann keinesfalls die Ursache einer solchen Spontanmutation sein. Wenn eine Spontanmutation bei einer genetisch definierten Erkrankung vorliegt, so bedeutet dies, dass diese Mutation eine angeborene Mutation ist und bereits bei Geburt im genetischen Material des Kindes vorhanden ist. (Auch wenn die Familie diese Mutation nicht aufweist). Dies bedeutet, dass eine Impfung keine Spontanmutation hervorrufen kann.

    ...

    Abl 224 Punkt 4a: Die Rechtslage in Deutschland kann vom

    Gutachter nicht kommentiert werden. Gegenstand dieses Gutachtens

    ist eine Kausalitätsbeurteilung.

    ...

    Abl 224 Punkt 4b:

    ...

    Eine Studie des 'Kaiser Permanente Vaccine Study Center', gesponsert vom CDC Vaccine Safety Datalink Project. (Oakland, CA 94612, USA), untersuchten Ray et al. 2006 das relative Risiko einer Enzephalopathie innerhalb von 7 Tagen nach einer Diphterie-Pertussis-Tetanus Impfung oder Masern-Mumps-Röteln Impfung bei Kindern 0-6 Jahre alt. Die Definition einer Enzephalopathie war im Konsens: akute generalisierte Störung der Hirnfunktion die eine stationäre Aufnahme nötig macht und sich mit Koma oder Stupor zeigt, nicht auf Medikamente oder einen postiktalen Zustand zurückzuführen waren. Diese Fälle mussten ein gestörtes Bewusstsein, Delir, oder Verwirrung zeigen. Enzephalitis oder Enzephalomyelitis: Evidenz einer akuten neurologischen Erkrankung mit unspezifischen Zeichen wie Fieber, Anfälle, gestörtes Bewusstsein, Kopfschmerz, Erbrechen, Meningismus und Anorexie. Es wurde eine multifokale Betroffenheit des ZNS und Evidenz eines entzündlichen Liquorbildes (<7 Leukozyten/mm3) gefordert. 2.197,000 Kinder wurden rekrutiert, bis zu 3 Kontrollen wurden zu jedem Kind mit Enzephalopathie herangezogen. DPT und MMR Impfungen waren nicht mit einem erhöhten Risiko einer Enzephalopathie nach der Impfung assoziiert. Die auf alle Fälle bezogene Inzidenz einer Enzephalopathie von 1 auf 370,000 nach DPT und 1/200,000 nach MMR ist nicht verschieden von der 'background'-Rate aller Kinder in diesem Alter. Es muss erwähnt werden, dass in dieser Studie der sogenannte Ganzzell-Pertussis-Impfstoff und nicht der jetzt übliche (und in INFANRIX enthaltene) azelluläre Pertussis-Impfstoff verwendet wurde, der ein deutlich geringeres Risiko einer Reaktion bei gleicher Effektivität aufweist. Diese Ergebnisse unterstützen nicht die Annahme, dass ein erhöhtes Risiko einer Enzephalitis oder Enzephalopathie nach DPT oder MMR Impfung. Obwohl diese Studie sehr gross ist, und durch andere 'peer-review' Studien bestätigt wurde (Literatur und Diskussion siehe Ray et al., 2006), ist eine Enzephalopathie selten und daher ist es nicht möglich ein geringes Risiko komplett auszuschliessen.

    Abl 224 Punkt 4c: Deutsches Ärzteblatt 2007; 104 (15): A- 1023/B-909/C-865. Dieser Artikel bezieht sich auf eine Studie von Berkovic et al: De novo mutations of the sodium channel gene SCN1A in alleged vaccine encephalopathy. Lancet Neurol 2006; 5:488-92

    Es wird bei dieser Studie diskutiert, ob eine Impfung und oder Fieber triggernd auf die Manifestation der SMEI-Erkrankung einwirken kann, oder ob es sich um eine zufällige Koinzidenz handelt. Es läßt sich aber aus dieser Studie nicht herauslesen, dass Impfungen einen Einfluss auf die Mutation dieser Erkrankung haben.

    Die schwere myoklonische Epilepsie (SMEI) beginnt im

    1. Lebensjahr bei vorher gesunden Säuglingen. Hemiklonische Anfälle, die lange dauern können, sind charakteristisch, die mit Fieber assoziiert sein können. Myoklonische Anfälle, Absencen, tonisch-klonische Anfälle und fokale Anfälle treten auf. Die Epilepsie ist therapierefraktär und wird von einer Entwicklungsregression begleitet.

    Es gibt eine Reihe von Ursachen von Erkrankungen mit Anfällen und Entwicklungsverzögerung im Kindesalter, die als Impfenzephalopathie falsch diagnostiziert wurden (Berkovic et al. 2006).

    Berkovic et al. (2006) fanden in 14 von 14 Fällen mit einer angenommenen Impfenzephalopathie eine spezifische Diagnose eines Epilepsiesyndrom, und in 11 von 14 Fällen eine schwere myoklonische Epilepsie. Somit war die Enzephalopathie nicht kausal mit der Impfung verknüpft, sondern aufgrund eine genetisch determinierten, alterstypischen, epileptischen Enzephalopathie. In all den 14 Fällen war die epileptische Enzephalopathie als kausal mit der Impfung verknüpft anerkannt worden, und die Anfälle traten innerhalb von 72h nach der Impfung ein. Die Patienten waren 2- 11 Monate alt bei Beginn der Anfälle. Immer war Pertussisimpfung dabei. Der erste Anfall war definitiv mit Fieber assoziiert in 5/14 Fällen, 6/14 waren afebril. Ein Status epilepticus trat anfänglich in 6/14 Fällen auf. Bei allen Patienten nahm die Epilepsie einen schweren Verlauf. In 8/14 Fällen war die Diagnose SMEI, SMEB (borderline SMEI) in 4/14, Lennox-Gastaut in 2/14 Fällen.

    Führte die Impfung (des Beschwerdeführers) erst zur Manifestation der Erkrankung oder zu einer früheren Manifestation? Zur Frage die Impfungen hätten den 'Ausbruch der genetischen Erkrankung bewirkt' bzw. 'die Impfung hätte bei genetischer Anlage zu einem früheren Auftreten der Epilepsie geführt':

    Berkovic (et al. 2006) führt in seiner Diskussion aus: Die schwere myoklonische Epilepsie (SMEI) beginnt häufig mit Fieberkrämpfen und Fieber ist häufig mit den Anfällen des frühen klinischen Verlaufs assoziiert. Bei Vorliegen einer SCNA1 Mutation könnte die Impfung immer noch als Trigger für eine Enzephalopathie argumentiert werden, möglicherweise über das Fieber oder einen Immunmechanismus. Die kausale Rolle einer Impfung ist aus mehreren Gründen unwahrscheinlich. 1) Obwohl Impfungen Anfälle auslösen, wie es das erhöhte Risiko für Fieberkrämpfe am Tage nach einer MMR-Impfung zeigt, gibt es keinen Hinweis einer ungünstigen Langzeitprognose nach diesen Fieberkrämpfen. 2) Weniger als 50% der Patienten der Studie hatte Fieber beim ersten Anfall, was dafür spricht, dass das Fieber nicht essentiell für die Manifestation ist. 3) Die Befunde der Bildgebung des ZNS zeigen keine inflammatorischen oder destruktiven Prozesse. 4) Die krankmachenden Mutationen des SCN1A Gens wurden in vielen hundert gesunden Patienten nicht gefunden. Deshalb muss angenommen werden, dass Individuen mit diesen Mutationen eine schwere myoklonischen Epilepsie (SMEI oder SMEB) entwickeln, ob sie nun im ersten Lebensjahr geimpft werden oder nicht. Er (Berkovic) nimmt nicht an, dass Vermeiden von Impfungen, als potentieller Trigger, bei Mutationsträgern (SCNA1) das Ausbrechen der Erkrankung verhindern kann. Der Mechanismus, wie eine SCNA1-Mutation eine Epilepsie auslöst, ist unbekannt. Die funktionelle Analyse ergab Hinweise für eine abnorme neuronale Erregbarkeit. Viele der Mutationen die eine SMEI hervorrufen bedingen eine Trunkierung des Proteins, diese Proteine werden wahrscheinlich nicht an der Zelloberfläche exprimiert, d.h. es wird zu Veränderungen der Natrium-Kanäle und ihrer Funktionen und somit zu der schweren Epilepsie führen.

    Obwohl der genetische Befund über die SCN1A Mutation im Akt nicht vorliegt, geht der Gutachter von einer solchen als gegeben aus. Nachfolgend sind die typischen Charakteristika der 'Dravet Syndrom' Epilepsie angeführt.

    Das Dravet Syndrom tritt mit einer Häufigkeit von 1 auf 20.000 bis 40.000 auf, Knaben sind häufiger betroffen. Umgekehrt haben 3-8% der Kinder, die vor dem 1. Geburtstag einen zerebralen Anfall haben ein Dravet Syndrom. Die Diagnose basiert auf dem typischen Alter unter 1 Jahr bei Beginn, Aussehen der Anfälle, der Verlauf ist variabel. Der 1. Anfall ereignet sich v.a. im 5. bis 6. Lebensmonat (von 2 bis 10 Monaten Streubreite). Die ersten Anfälle sind manchmal prolongiert und assoziiert mit Fieber oder Infektionen. Trigger für Anfälle sind speziell Fieber, infektiöse (fieberhafte) Erkrankungen, und allgemein erhöhte Körpertemperatur (z.B. auch nach heissem Bad).

    In einer Untersuchung von 359 Patienten mit einer Mutation des SCN1A Gens hatten 86% eine typisches Dravet Syndrom, aber auch andere Epilepsien und nicht-epileptische Erkrankungen kamen vor, wie Fieberkrämpfe. Diese Befunde sprechen für kontinuierliches Spektrum an Erkrankungen mit einer SCN1A Mutation, wobei das Dravet Syndrom die schwerwiegendste ist. Die Ausprägung könnte somit mit der vorliegenden Mutation und der darausfolgenden Veränderung auf zellulärer Ebene korrelieren. Die meisten Mutationen entstehen sporadisch 'de novo' bei betroffenen Patienten, aber auch vererbte Fälle oder ein elterliches Mosaik (betroffene und nicht betroffene Zellen bei einem Elternteil) sind bekannt. In der Behandlung sind mit Carbamazepin und Lamotrigin (Lamictal) Exazerbationen beschrieben und sollten daher vermieden werden. Das Ansprechen auf andere antikonvulsive Medikamente ist variabel, Valproinsäure, Topiramat, Levetiracetam (Keppra), Stiripentol und Clobazam (Frisium) sind effektiv, die ketogene Diät ist eine weitere Option. Die Vermeidung von Triggern ist sehr wichtig. Vermeiden eines zu heissen Bades, Kühlung bei heissem Wetter, oder Tragen von Sonnenschutz bei Photosensitivität ist empfohlen (J J Millichamp et al, 2009).

    Der 1. Fieberkrampf bzw. fieberassoziierte Anfall vom Beschwerdeführer trat am 31.12.2005 auf, im Alter von 7 Monaten auf, und entspricht somit dem typischen Zeitpunkt der Manifestation einer schweren myoklonischen Epilepsie, Dravet Syndrom. Ein kausaler Faktor einer Impfung lässt sich also aus dem Verlauf der Erkrankung nicht ersehen oder annehmen. Selbst die Impfung als Trigger des 1. Anfalls am 31.12.2005 ist aufgrund des Zeitintervalls von 11 Tagen nicht wahrscheinlich.

    Abl 236: Studie: 'Provokation von Anfällen durch Impfungen bei Kindern mit SCN1A Mutation'. Die Präsentation der Ergebnisse erfolgte im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie 23.04.-26.04.2009 in Graz. Die Studie wurde von 'von Spiczak S et al' (Kiel, Deutschland und Ütrecht, Niederlande) durchgeführt. Die Studie (VACNEC Studie soll eine Beschreibung und Einordnung epileptischer Anfälle nach Impfungen ermöglichen. Anbei die im Kongressband angegebene Zusammenfassung.

    VACENC - Eine retrospektive und prospektive Studie zur Klinik und Genetik impfassoziierter Epilepsien: Erste klinische Daten

    von Spiczak S.1, Helbig I.1, Drechsel-Baeuerle U.2, Muhle H.1, van Baalen A.1, van Kempen M.J.A.3, Lindhout D.3, Stephani U.1, Keller-Stanislawski B.2

    1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Klinik für Neuropädiatrie, Kiel, Germany,

    2Paul-Ehrlich-Institut, Abteilung Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten, Langen, Germany,

    3Division Biomedical Genetics, University Medical Center, Dept. Medical Genetics, Utrecht, Netherlands

    In einem unbekannten Teil der Fälle mit schweren frühkindlichen Epilepsien und insbesondere dem Dravet-Syndrom treten erste epileptische Anfälle in zeitlichem Zusammenhang mit Impfungen auf, was von einigen Autoren als kausaler Zusammenhang gedeutet wurde. Obwohl große epidemiologische Studien keinen Hinweis darauf liefern, dass Impfungen im Kindesalter zu bleibenden neurologischen Schäden führen, werden immer wieder Fälle beschrieben, in denen Impfungen von medizinischem Personal oder Eltern als Grund der Epilepsie angeschuldigt werden. In Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sollen in der VACENC-Studie Fälle von Dravet-Syndrom in einer repräsentativen retrospektiven sowie einer prospektiven Kohorte von Patienten mit gemeldeten Anfällen im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen identifiziert und der Anteil von Patienten mit Veränderungen im SCN1A-Gen und anderen assoziierten Genen bestimmt werden. In einem ersten Schritt wurden 175 Fälle mit Eintritt des Verdachtes einer Impfkomplikation in den Jahren 2006 und 2007 klinisch ausgewertet. Es konnten zwei Fälle mit dringendem klinischem Verdacht auf Vorliegen eines Dravet-Syndroms identifiziert werden, des Weiteren fünf Patienten mit anderen Epilepsien. Bei 47 gemeldeten Patienten traten einzelne Anfälle auf, davon waren 38 Fieberkrämpfe. Ein Status epilepticus wurde bei 10 Patienten beschrieben. In 86 Fällen lagen keine epileptischen Anfälle oder Epilepsien vor, bei 35 Patienten war die Gruppenzuordnung aufgrund der vorliegenden Daten unsicher. Ein Zusammenhang mit der Art der Impfung war nicht erkennbar. Die VACENC-Studie wird erstmals eine umfangreiche Beschreibung und Einordnung epileptischer Anfälle nach Impfungen und sogenannter 'Impfepilepsien' ermöglichen. Durch eine medizinische Bewertung der Kausalität der gemeldeten Verdachtsfälle kann zum Einen eine umfassende Beratung über Krankheitsverlauf und Therapiemöglichkeiten bei identifizierten Fällen mit Dravet-Syndrom erfolgen, zum Anderen wird durch Aufklärung der wissenschaftlichen Zusammenhänge eine Stärkung des Impfgedankens erreicht.

    ad Abl 224 Punkt 4d

    Der Gutachter möchte anhand relevanter Literatur zu den Themen Fieberkrämpfe nach Impfungen als Differentialdiagnose einer Impfenzephalopathie stellungnehmen.

S. Shorvon und A. Berg (2007) schreiben über die Pertussis Impfung und Epilepsie: Nebenwirkungen von Impfungen inkludiert Fieber. Impfungen werden in einem Alter verabreicht, wo Fieberkrämpfe auftreten. Es treten daher einige Fieberkrämpfe nach Impfungen auf, durch Fieber ausgelöst und weniger durch eine direkte Aktion der Impfung am Nervensystem. Es scheint, dass impfinduzierte Fieberkrämpfe nicht häufiger sind als Fieberkrämpfe durch jede andere Ursache für das Fieber und tragen damit die gleichen relativ gutartigen Konsequenzen. Eine impf-induzierte Enzephalopathie oder Epilepsie kann nur diagnostiziert werden, wenn andere Formen einer Enzephalopathie oder Epilepsie im Kindesalter ausgeschlossen werden. Eine Studie von Berkovic et al. (2006) zeigt, dass ein Teil der Fälle, früher einer Impfenzephalopathie zugeschrieben, tatsächlich eine genetisch bestimmte SMEI (schweren myoklonische Epilepsie im Kindesalter, Dravet Syndrom) als Ursache haben. Es ist möglich, dass eine Impfung Fieber hervorruft, welches die Manifestation der Erkrankung früher auftreten lassen kann, aber die Impfung ist nicht die kausale Ursache der Erkrankung. Als Konsequenz sollte jedes Kind mit Verdacht einer impf-induzierten Enzephalopathie oder Epilepsie auf Vorliegen der SMEI getestet werden, bevor die Diagnose akzeptiert werden kann.

IV) Zusammenfassung

Zusammenfassend ergeben sich im Vergleich zum Vorgutachten (Abl 199-219) keine neuen Hinweise für einen kausalen Zusammenhang zwischen den INFANRIX Impfungen und der Erkrankung (des Beschwerdeführers). Es liegt nunmehr eine eindeutige Diagnose der Erkrankung vor. Die Impfungen am 8.8.2005, 10.10.2005 und insbesondere am 20.12.2005, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu der Manifestation der Erkrankung am 31.12.2005 beigetragen. Die Impfungen stehen auch nicht ein einem zeitlichen Zusammenhang, dass angenommen werden muss, eine Fieberreaktion auf die Impfung am 20.12.2005 hätte als Trigger oder auslösender Faktor eines 1. zerebralen Anfalles am 31.12.2005 gewirkt.

Zu den Fragen an den Gutachter

a) exakte Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigung: schwere myoklonische Epilepsie, Dravet Syndrom G 40.3

b) Die Symptome, das Manifestationsalter, der weitere Verlauf und die Untersuchungsergebnisse sind als typisch für dieses Syndrom zu bezeichnen.

c) Einzig der zeitliche Zusammenhang mit Impfungen in den Monaten vor der akuten Erkrankung bzw. mit einer Impfung 11 Tage vor der Erkrankung sprechen für einen Zusammenhang im Sinne einer nicht-kausalen Koinzidenz. Da nur Totimpfstoff in der Impfung enthalten ist, wäre eine Impfreaktion 6 bis 48 (bis 72) Stunden nach verabreichter Impfung zu erwarten.

d) Die Gewichtung ist als letztlich nicht ausschliessbare, aber nicht wahrscheinliche Ursache einzuschätzen

e) Das Vorliegen dieses pädiatrischen Epilepsie-Syndroms, mit genetischer Sicherung einer Mutation des SCN1A Gens, macht die Differenzialdiagnose einer Impfenzephalopathie/Impfreaktion höchst unwahrscheinlich, da alle Symptome als zu dem Syndrom gehörend erklärt werden können.

f) Im Sinne der gesamtheitlichen Sicht spricht erheblich mehr gegen einen ursächlichen Zusammenhang

g) es besteht mit hoher Wahrscheinlich keine Kausalität (§1 Impfschadengesetz) dieser Leiden und Beschwerden mit den vorgenommenen Impfungen

h) ..."

Basierend auf diesem Gutachten wies das BSA mit Bescheid vom 2. Dezember 2009 den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und der Krankheit des Beschwerdeführers habe nicht festgestellt werden können, weshalb die Voraussetzungen zur Entschädigung nach dem Impfschadengesetz nicht vorliegen.

Nachdem der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung erhoben hatte, veranlasste die belangte Behörde die Einholung eines weiteren Gutachtens durch Dr. S, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde.

In deren Gutachten vom 8. Juli 2010 werden folgende

Ausführungen getroffen:

"Stellungnahme und Beantwortung der Fragen:

Der Beschwerdeführer leidet an einem Dravet-Sydrom, einer seltenen schweren malignen Form myoklonischer Epilepsie im Kindesalter G40.3. Die Erstmanifestation der epileptischen Anfälle ist typischerweise zwischen 3. und 9. Lebensmonat, der erste Krampfanfall manifestiert sich häufig als Fieberkrampf, der das Bild eines Grand Mal oder Hemi- Grand- Mal zeigt. Im Verlauf treten unterschiedliche Anfallsarten auf: Generalisiert klonische und tonisch- klonische Anfälle (oft halbseitig), myoklonische Anfälle (mit Spikewave-Mustern), irreguläre Myoklonien (ohne Spikewave-Muster), komplexfokale Anfälle, atypische Absencen, Blickkrämpfe, schwache Zuckungen und Sturzanfälle. Es besteht eine häufige Neigung zum Status epilepticus. Die Anfallsbereitschaft der Kinder wird erhöht durch Infektionen mit und ohne Fieber, Wärme, Badewassertemperaturen über 35 Grad C, Überanstrengung, Photosensiblität, Schlafmangel. Knaben sind doppelt so häufig betroffen wie Mädchen.

Die Prognose ist vergleichsweise ungünstig. Bei der im Säuglingsalter beginnenden Verlaufsform besteht meist Therapieresistenz, eingesetzte Medikamente (z.B. Lamictal) verschlimmern sogar die Anfallsintensität und Frequenz. Im Verlauf kommt es zum Entwicklungsstillstand und zu einer umfassenden Entwicklungsverzögerung mit kognitiver Behinderung und motorischen Beeinträchtigungen und Sprachentwicklungsverzögerung. Bei vielen Kindern mit einem Dravet Syndrom liegt eine SCN1A-Genmutation vor. Die meisten Mutationen sind Spontanmutationen, aber auch vererbte Fälle und ein elterliches Mosaik sind bekannt. Beim Beschwerdeführer liegt eine Spontanmutation im SCN1A Gen vor, bei den Eltern konnte diese Genmutation ausgeschlossen werden.

Spontanmutationen treten 'de novo' auf, können folgedessen nicht vererbt werden. Spontanmutation sind schon von Geburt an vorhanden. Die Sechsfachimpfungen mit Beginn im dritten Lebensmonat, können somit nicht verursachend sondern evtl. triggernd für die Erstmanifestation bei vorbestehender neurologischer Erkrankung sein.

Beim Sechsfachimpfstoff handelt es sich um einen Totimpfstoff. Bezüglich der Impfstoffkomponenten und möglichen Nebenwirkungen verweise ich auf die ausführliche Beschreibung im Gutachten von Prof Dr. G (Abl 211-214). Neurologische Symptome wie anhaltendes Schreien über 3 Stunden und länger innerhalb von 48 Stunden, Krampfanfälle mit und ohne Temperaturerhöhung innerhalb von 3 Tagen nach der Impfung sind als Impfreaktionen beschrieben. Symptome einer Encephalopathie können sich bei Totimpfstoffen mit biologischer Plausibiliät innerhalb von 7 Tagen nach der Impfung manifestieren (Griffin et al 1990), cerebrale Krampfanfälle bei Lebendimpfstoffen zwischen 8 und 14 Tagen nach der Impfung (Barlow et al 2001).

Impfungen gelten als triggernder Faktor für epileptische Anfälle beim Dravet-Syndrom ebenso wie bei zahlreichen frühkindlichen Epilepsiesyndromen, wobei hierin ebenso wie im Fieber nicht die Ursache des Syndroms liegt. Fieber als Impfreaktion innerhalb Stunden von 6-48-(-72) nach Gabe eines Totimpfstoffes ist beschrieben. Fieber gilt unbestritten als Triggerfaktor für einen Fieberkrampf, als Auslöser von Fieberkrämpfen kommen aber genauso häufig Infekte vor. Zudem verschlechtert sich die Prognose durch impfassoziierte Anfälle nicht (Griffin et al). Die Idee, dass das Dravet-Syndrom ohne Impfung nicht manifest geworden wäre trotz Vorliegens der SCN1A-Genmutation, ist eine Annahme und keine Tatsache. Die Erstanfälle beim Dravet-Syndrom treten in einem Lebensalter auf, in dem zahlreiche Impfungen durchgeführt werden, also ist eine zeitliche Koninzidenz nicht ungewöhnlich, damit aber nicht gleichzeitig kausal. Weiters ist bei einem zeitlichen Abstand größer als 7 Tage ein kausaler Zusammenhang unwahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen. Ich beziehe mich auf die Studie 'Provokation von Anfällen nach Impfungen bei Kindern mit SCN1A-Mutation', die anlässlich einer Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie in Graz 4/2009 vorgetragen wurde.

Die Studie basiert auf einer Studie von Berkovic et al (Lancet Neurologie 2006) durchgeführt an 39 Patienten mit nachgewiesener SCN1A Genmutation. 23 % der Eltern berichteten über eine Anfallsprovokation durch Impfungen. Bei einem zeitlichen Abstand größer als 7 Tage ist ein kausaler Zusammenhang unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen. Bei Anfällen nach Impfungen ist im Kontext mit anderen klinischen Kriterien an das Vorliegen einer SCN1A Genmutation zu denken und in Einzelfällen sollte eine postvaccinale Anfallsprophylaxe durchgeführt werden.

Eine impfasssoziierte Encephalopathie ist eine Ausschlussdiagnose, das bedeutet, dass andere Erkrankungen systematisch ausgeschlossen werden müssen z.B: cerebrale Fehlbildungen durch Bildgebung, entzündliche Erkrankungen des Nervensystems wie Meningoencephalitis (bakteriell oder viral), Encephalomyelitis disseminata und Guillain Barre-Syndrom durch Liquorpunktion; metabolische Erkrankungen durch spezielle Stoffwechseluntersuchungen, auch neurodegenerative Erkrankungen, genetische Syndrome und toxische Encephalopathien (welche zu perivaskulären Mikroblutungen und Strukturläsionen führen) müssen ausgeschlossen werden, um eine Impfencephalopathie beweisen zu können. Im Fall des Beschwerdeführers ist die genetisch bedingte Erkrankung, nämlich die Spontanmutation im SCN1A-Gen als Ursache seines Anfallsleidens und in weiterer Folge seines Neuromotorischen- und Sprachentwicklungsrückstandes bekannt. Therapieresistente Anfälle über einen langen Zeitraum führen zu einem neuromotorischen Entwicklungsstillstand. Dank ketogener Diät sistierten die Anfälle und der Beschwerdeführer konnte erstaunliche Entwicklungsfortschritte machen.

Die angeschuldigte Impfung hat nicht als wesentliche Ursache

zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen.

...

Von den Sachverständigen wurde Stellung bezogen zum DTP-Totimpfstoff, MMR-Impfstoff und Polio-Schluckimpfstoff als Beispiel für Lebendimpfstoffe. Es wurden ausführlich die neurologischen Impfreaktionen insbesondere der Pertussiskomponente beschrieben. Hinzuzufügen habe ich noch zur Pertussisimpfung, dass es sich hierbei um eine Pertussis- Ganzkeimvakzine handelte, deren Nebenwirkung im Hinblick auf Fieberkrämpfe nicht berühmt war. Dieser Impfstoff ist schon lange aus dem Verkehr gezogen. Der Infanrix -Hexa- Impfstoff beinhaltet eine azelluläre Pertussisvakzine. Die Nebenwirkungen wurden bereits im Gutachten von Prof Dr. G ausführlich beschrieben. Auch Kinder mit chronischen Erkrankungen ohne Immundefizienz sollten empfohlene Impfungen erhalten, sofern keine spezifischen Kontraindikationen gegeben sind. Kontraindikationen im engeren Sinne sind behandlungsbedürftige Erkrankungen. Für Kinder mit neuropädiatrischen Erkrankungen bedeutet dies, dass während der akuten klinischen Manifestation nicht geimpft werden soll. Ansonsten besteht der Konsens, dass gerade Kinder mit behandelten chronischen Erkrankungen durch Impfungen geschützt werden sollen.

Keller-Stanislavski et al. beschrieben in einer Arbeit zu Verdachtsfällen von Impfkomplikationen an zweiter Stelle Symptome des zentralen und peripheren Nervensystems, zumeist Fieberkrämpfe, seltener vereinzelte afebrile Krampfanfälle. In keinem Fall schlossen sich chronische Anfallsleiden an.

Einen Sonderfall stellt die akute perivenöse disseminierte Encephalomyelitis dar. Es handelt sich um eine akute demyelinisierende Erkrankung mit multiplen Herden im Gehirn und Rückenmark. Diese Herde sind zwischen 0,1 und 1 mm im Durchmesser und umgeben immer keline Venen und Venolen. Sie ist als Impfreaktion nur nach Pocken- sowie Tollwutimpfstoffen, die auf Hirngewebe gezüchtet wurden gesichert. Die Pockenimpfung wird seit Ausrottung der Pocken nicht mehr durchgeführt. Nach Anwendung der modernen Zellkulturimpfstoffe gegen Tollwut kommen solche Komplikationen ebenfalls nicht mehr vor. Perivenöse Encephalomyelitiden stellen sich in der MRT dar und gehen mit entsprechenden neurologischen Symptomen einher.

Nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen können die Krankheitserscheinungen des Beschwerdeführers nicht als impfkausal beurteilt werden."

Der Beschwerdeführer, zur Äußerung zu diesem Gutachten eingeladen, machte mit Schriftsatz vom 5. November 2010 Folgendes geltend: Er beantragte, unter Hinweis auf das bisherige Vorbringen und die bisher gestellten Beweisanträge, die Erörterung des Sachverständigengutachtens im Rahmen einer durchzuführenden mündlichen Verhandlung. Das Gutachten unterstelle, dass die Spontanmutation im SCN1A-Gen bereits von Geburt an vorhanden gewesen sei, ohne Begründung woraus diese Annahme abgeleitet werde. Hingegen gehe der Beschwerdeführer davon aus, dass gesicherte Erkenntnisse darüber, wann Spontanmutationen im SCN1A-Gen auftreten bzw. wodurch sie verursacht würden, nicht vorliegen. Es sei möglich, dass die gegenständliche Spontanmutation durch die kurz vor dem ersten massiven Anfall stattgefundene Sechsfachimpfung erfolgt sei. Sollte dies zutreffen, würde zweifellos ein Impfschaden vorliegen. Diese Frage wolle er mit der Sachverständigen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erörtern. Zudem bestehe bei Dravet-Patienten eine signifikante Häufung im Zusammenhang mit kurz vor dem ersten Anfall stattgefundenen Impfungen, was ein klares Indiz für eine kausale Korrelation zwischen Impfung und SCN1A-Mutation sein könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Dezember 2010 wies die belangte Behörde - ohne Durchführung der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung - die Berufung ab.

Die belangte Behörde gab den wesentlichen Inhalt des von ihr eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dr. S ebenso wieder wie die maßgebenden Rechtsvorschriften und legte im Rahmen der rechtlichen Beurteilung dar, dass zu prüfen gewesen wäre, ob eine ausreichende Wahrscheinlichkeit gegeben sei, dass die beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die angeschuldigte Impfung zurückzuführen sei.

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 8. Juli 2010 sei schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. In ihm werde ausführlich dargelegt, dass beim Beschwerdeführer ein Dravet-Syndrom bestehe, als dessen Ursache eine Spontanmutation im SCN1A-Gen anzunehmen sei. Unter Berücksichtigung der gültigen medizinischen Lehrmeinung sei davon auszugehen, dass Spontanmutationen schon von Geburt an vorhanden seien; der geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs mit den angeschuldigten Sechsfachimpfungen vom 8. August 2005, 19. Oktober 2005 und 20. Dezember 2005 sei somit nicht gegeben. Auch im zeitlichen Zusammenhang - Auftreten der ersten objektivierbaren Symptome elf Tage nach der letzten Impfung - könne kein Indiz für einen kausalen Zusammenhang erkannt werden. Obwohl hinsichtlich des Zeitpunkts des Auftretens der SCN1A-Genmutation und des zeitlichen Zusammenhangs mit den angeschuldigten Impfungen keine völlig gesicherten Aussagen der Sachverständigen abzuleiten seien, sei die Kausalität der Erkrankung, basierend auf den eingesehenen ärztlichen Beweismitteln sowie der gültigen medizinischen Lehrmeinung, nicht mit dem geforderten Grad an Wahrscheinlichkeit begründbar. Das Sachverständigengutachten werde in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

Die seitens des Beschwerdeführers berichteten Fälle der deutschen Rechtslage seien mangels gesetzlicher Deckung im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden; es sei vielmehr die Wahrscheinlichkeit der Kausalität zu prüfen.

Ein Anspruch auf Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bzw. bestimmter Sachverständiger bestehe nicht, vielmehr komme es auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an.

Weder nach dem AVG noch nach den Bestimmungen des Impfschadengesetzes sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwingend vorgesehen. Im Rahmen des Parteiengehörs habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, sich zu äußern, eventuelle Einwände zu erheben oder neue Beweismittel vorzulegen; eine Fragerecht der Parteien an den Sachverständigen sei aber nicht vorgesehen.

Da der notwendige Grad an Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen der bestehenden Gesundheitsschädigung und den angeschuldigten Impfungen nicht bestehe, liege ein Impfschaden nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weitere Stellungnahmen erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Hinsichtlich der maßgebenden Rechtslage und der Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung in einem Verfahren auf Zuerkennung einer Impfschadenentschädigung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 2013, Zlen. 2013/11/0081 und 2011/11/0180, und vom 23. Mai 2013, Zl. 2011/11/0114, verwiesen.

Daraus ist hervorzuheben, dass nach der - auch im Beschwerdefall anzuwendenden - Rechtslage nach der Novelle BGBl. I Nr. 48/2005 der Anspruch auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz schon im Fall der "Kausalitätswahrscheinlichkeit" besteht, weshalb zu überprüfen ist, ob die belangte Behörde ohne Rechtswidrigkeit zu dem Ergebnis gelangte, es sei nicht einmal die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität der gegenständlichen Impfung für die Leiden des Beschwerdeführers anzunehmen.

2. Das Beschwerdevorbringen zeigt nicht auf, dass die belangte Behörde die derart gebotenen Vorgaben nicht eingehalten hätte.

2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts macht die Beschwerde Folgendes geltend:

Beim Beschwerdeführer liege keine vererbte genetische Veränderung vor, sondern eine Spontanmutation des SCN1A-Gens. Ungeklärt sei, was Auslöser dieser Mutation sei. Da es eine signifikante Häufung zwischen Mehrfachimpfungen einerseits und dem ersten Anfall eines Dravet-Syndroms andererseits gebe, und auch beim Beschwerdeführer ein signifikanter und deutlich erkennbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen der Sechsfachimpfung und dem Auftreten des ersten Anfalls bestehe, sei die Kausalität der Impfung iSd § 1 Impfschadengesetz zu bejahen, zumal klare Beweise dafür fehlten, dass die Mutation durch eine andere Ursache ausgelöst worden wäre.

2.2. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerde Folgendes vor:

Die belangte Behörde habe sich auf ein Sachverständigengutachten gestützt, dessen Erörterung in einer mündlichen Verhandlung trotz entsprechenden Antrags des Beschwerdeführers unterblieben sei. Wäre dem Beschwerdeführer eine Befragung der Sachverständigen durch seinen Rechtsvertreter ermöglicht worden, wäre die belangte Behörde zu einem im Ergebnis anderen Bescheid gelangt, zumal es dem Rechtsvertreter möglich gewesen wäre, die Ausführungen der Sachverständigen durch entsprechende Befragung zu erschüttern.

Die Beschwerde macht weiter geltend, wegen der medizinisch ungeklärten Korrelation zwischen der Mutation des SCN1A-Gens und dem Auftreten des Dravet-Syndroms habe der Beschwerdeführer die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten Humangenetik und Epileptologie beantragt, was die belangte Behörde unterlassen habe. Dies begründe einen wesentlichen Verfahrensmangel, weil die belangte Behörde bei Einholung der genannten Gutachten zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid gekommen wäre.

Schließlich macht die Beschwerde geltend, der Beschwerdeführer habe "umfangreiche Fakten vorgebracht, mit denen sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandersetzt" habe. Beispielsweise habe er auf die Erkenntnisquellen, die anlässlich der 35. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie in Graz im April 2009 vorgetragen wurden, Bezug genommen. Weiters auf den Umstand, dass es in Deutschland bereits Anerkennungen von Impfschäden im Zusammenhang mit dem Dravet-Syndrom gegeben habe. Hätte sich die belangte Behörde mit all diesen Fakten auseinander gesetzt, wäre sie zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid gekommen.

3.1. Zu diesem Beschwerdevorbringen ist vorweg Folgendes festzustellen:

Der Beschwerdeführer selbst ist - insofern im Einklang mit den eingeholten Sachverständigengutachten - im Verwaltungsverfahren davon ausgegangen, dass die epileptische Erkrankung, an der er leidet (Dravet-Syndrom), durch eine Mutation des SCN1A-Gens verursacht wurde (vgl. etwa seine Stellungnahme vom 24. Februar 2008, AS 223); unstrittig ist, dass beim Beschwerdeführer eine Spontanmutation dieses Gens vorliegt, eine vererbte genetische Erkrankung ist auszuschließen.

Das nunmehrige Beschwerdevorbringen zeigt keine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung, es sei nicht wahrscheinlich, dass das Dravet-Syndrom durch die in Rede stehenden Impfungen verursacht wurde, auf. Die belangte Behörde konnte sich bei ihrer diesbezüglichen Einschätzung auf die im erst- und im zweitinstanzlichen Verfahren eingeholten - in ihrem wesentlichen Inhalt oben wiedergegebenen - Sachverständigengutachten stützen, die nach Darstellung der einzelnen Bestandteile der "angeschuldigten" Sechsfachimpfung und unter Bezugnahme auf - näher dargestellte - Fallstudien und Literatur zu den Wirkungsweisen (samt Nebenwirkungen) dieser Impfung einen solchen Zusammenhang als unwahrscheinlich beurteilt haben. Vielmehr sei wahrscheinlicher, dass die beim Beschwerdeführer vorliegende, als Anlage schon seit Geburt vorhandene, Genmutation die Erkrankung (Dravet-Syndrom) verursacht habe.

3.2. Dem tritt die Beschwerde insofern entgegen, als sie geltend macht, es sei nicht abschließend geklärt worden, was Auslöser der genannten Mutation gewesen sei. Auf Grund der zeitlichen Nähe zwischen der letzten Teilimpfung (20. Dezember 2005) und dem Auftreten des ersten Fieberkrampfes (31. Dezember 2005) sei zu vermuten, dass die Impfung den Fieberkrampf und dieser die in Rede stehende Mutation ausgelöst habe.

3.3. Auch mit diesem Vorbringen wird eine Unschlüssigkeit der auf den dargestellten Gutachten aufbauenden behördlichen Beweiswürdigung nicht aufgezeigt.

Ein gewisses zeitliches Naheverhältnis zwischen Impfung und Auftreten erster Anfälle des Dravet-Syndroms wurde von den Sachverständigen (vgl. das Gutachten Dr. S, S. 16) als deshalb nicht ungewöhnlich beurteilt, weil die Erstanfälle beim Dravet-Syndrom regelmäßig in einem Lebensalter stattfänden, in dem zahlreiche Impfungen verabreicht würden; dies begründe aber noch keine Kausalitätswahrscheinlichkeit. Beim Vorbringen des Beschwerdeführers, das Dravet-Syndrom wäre trotz des Vorliegens der SCN1A-Mutation ohne Impfung nicht manifest geworden, handle es sich um "eine Annahme und keine Tatsache". Auch wenn Fieber, neben anderen Umständen, als "Triggerfaktor" für einen Fieberkrampf gelte, liege im Fieber nicht die Ursache des Syndroms. Zudem verschlechtere sich die Prognose durch impfassoziierte Anfälle nicht (vgl. das Gutachten Dr. S, S. 16).

3.4. Auf die Frage, wie die Kausalität zu beurteilen wäre, wenn (mit überwiegender Wahrscheinlichkeit) feststünde, dass die Impfung Fieber verursacht hat und dieses wiederum die Manifestation des Dravet-Syndroms ausgelöst hat, muss im Beschwerdefall nicht näher eingegangen werden, weil die beigezogenen Sachverständigen und darauf aufbauend die belangte Behörde mit schlüssiger Begründung (im Wesentlichen mit dem vom Beschwerdeführer nicht konkret in Frage gestellten Argument, ein "impfbedingtes" Fieber hätte früher auftreten müssen; das am 31. Dezember 2005 aufgetretene Fieber liege also außerhalb des zu erwartenden Zeitfensters) einen solchen Zusammenhang mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verneint haben.

3.5. Der Verwaltungsgerichtshof kann einen Verfahrensmangel gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG nur aufgreifen, wenn von der beschwerdeführenden Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof konkret dessen Relevanz dargetan wird.

In der vorliegenden Beschwerde hat der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt, inwiefern er den Ausführungen der Amtssachverständigen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde samt Gutachtenserörterung entgegen getreten wäre (sein Parteiengehör wurde im Übrigen durch Übermittlung einer Ausfertigung des Gutachtens samt Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme dazu gewährt). Zur Darlegung der Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel reicht das - oben wiedergegebene - Beschwerdevorbringen jedenfalls nicht aus.

Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe sich nicht mit dem auf die Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie in Graz Bezug nehmenden Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, ist zu erwidern, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheid auch ausdrücklich auf die diesbezüglichen Ausführungen der Sachverständigen Dr. S Bezug genommen wird und sich die belangte Behörde - in schlüssiger Weise - auch mit diesem Beweismittel beschäftigt hat. Ein vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmender Verfahrensmangel liegt daher auch insoweit nicht vor. Auch mit dem pauschalen Vorbringen, es habe "in Deutschland bereits Anerkennungen von Impfschäden im Zusammenhang mit dem Dravet-Syndrom gegeben", wird keine Rechtswidrigkeit der Einschätzung der belangten Behörde aufgezeigt.

4.1. Eine Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel wird auch nicht durch die weiteren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Stellungnahmen des Beschwerdeführers dargestellt.

Mit Schriftsatz vom 18. September 2012 (verbessert am 27. November 2012 durch Anschluss einer unbeglaubigten Übersetzung) legte der Beschwerdeführer die Ausfertigung eines amerikanischen Urteils in einem Impfschadenverfahren vor und brachte dazu vor, in den USA sei damit bereits in einem zweiten Fall ein Impfschaden bei einem Patienten mit SCN1A-Mutation bzw. Dravet-Syndrom anerkannt worden, nachdem es der Regierung nicht gelungen sei, ihrer Beweislast nachzukommen, dass die aufgetretene Erkrankung durch eine andere Ursache als die Impfung entstanden sei. Da auch nach der österreichischen Rechtslage ein zwingender Kausalitätsnachweis nicht erforderlich sei, vielmehr die Wahrscheinlichkeit der Verursachung reiche, erweise sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Der Umstand, dass es zahlreiche Dravet-Patienten gebe, die keine Genmutation aufwiesen sowie Patienten mit einer Genmutation ohne die schwere Form des Dravet-Syndroms, bestätige das Fehlen eines zwingenden Zusammenhangs zwischen SCN1A-Mutation und Dravet-Syndrom.

Beide Erscheinungen seien sehr selten; die Ursachen, warum es zu einer Spontanmutation komme, seien nicht wirklich erforscht. Vor diesem Hintergrund wäre die Durchführung der beantragten Sachverständigenbeweise erforderlich gewesen.

Mit Schriftsatz vom 25. April 2013 legte der Beschwerdeführer Teile einer Abhandlung über das Dravet-Syndrom vor. Den entsprechenden Ausführungen sei zu entnehmen, dass es keine eindeutigen Genotyp-Korrelationen zwischen Mutationen des SCN1A-Gens einerseits und dem Auftreten des Dravet-Syndroms andererseits gebe; eine verlässliche Übereinstimmung habe nicht herausgefunden werden können. Eine genetische Diagnose sei daher "meist wenig nützlich, um die Schwere der tatsächlich auftretenden Erkrankung vorherzusagen".

Berücksichtige man diese Erkenntnisse, müsse man jedenfalls davon ausgehen, dass keinesfalls zwingend anzunehmen sei, dass das beim Beschwerdeführer vorliegende Dravet-Syndrom durch die Mutation des SCN1A-Gens verursacht wurde. Vielmehr sei es - auch im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung - naheliegend, dass der durch die Impfung ausgelöste Fieberschub das Auftreten der schweren Dravet-Erkrankung ausgelöst habe.

4.2. Entgegen diesen Ausführungen kann aus dem Umstand, dass mit dem vorgelegten Urteil behauptetermaßen (schon) in einem zweiten Fall ein Impfschaden bei einem Patienten mit SCN1A-Mutation bzw. Dravet-Syndrom anerkannt worden sei, keine Unrichtigkeit der auf die konkreten Umstände des Beschwerdefalls aufbauenden Beurteilung der belangten Behörde abgeleitet werden. Auch im vorgelegten Urteil wird im Übrigen die Wichtigkeit einer Beurteilung der Umstände des Einzelfalls ("circumstances of the particular case") betont.

Der Hinweis auf das Fehlen eindeutiger "Genotyp-Korrelationen" zwischen der in Rede stehenden Genmutation und dem Auftreten des Dravet-Syndroms schließlich lässt noch keine Schlussfolgerung zu, dass die angeschuldigte Impfung mit Wahrscheinlichkeit zur Gesundheitsschädigung geführt hat, zumal der belangten Behörde nicht entgegenzutreten ist, wenn sie unter dem Gesichtspunkt des zeitlichen Verlaufs (erster Fieberkrampf außerhalb des zu erwartenden Zeitfensters) die Kausalitätswahrscheinlichkeit verneint hat.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 6. März 2014

Stichworte