VwGH 2013/11/0081

VwGH2013/11/008116.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der S W in W, vertreten durch die Rechtsanwälte Schwarzinger & Weiser Mag. Nikolaus Weiser in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/3/14, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 30. Jänner 2013, Zl. BMASK - 41550/0743-IV/9/2011, betreffend Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §3 Abs3;
ImpfSchG §6 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §3 Abs3;
ImpfSchG §6 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzten.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2011, Zl. 2007/11/0200, verwiesen, mit dem der Bescheid der Bundesberufungskommission vom 28. August 2007 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Mit diesem Bescheid war - im Wesentlichen einem nervenfachärztlichen Amtssachverständigengutachten Dris. M vom 5. Februar 2007 und einer Gutachtensergänzung vom 30. April 2007 folgend - das Ansuchen der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Entschädigung wegen eines behaupteten Impfschadens, der durch eine behauptetermaßen im Alter von 18 Monaten verabreichte Pockenimpfung verursacht worden wäre, abgewiesen worden.

Im fortgesetzten Verfahren veranlasste die belangte Behörde die Erstellung eines weiteren Gutachtens zur Beantwortung der Fragen, ob eine im Jahr 1963 verabreichte Pockenimpfung wenige Wochen später zu einer Meningoencephalitis oder Encephalitis führen konnte, desgleichen, ob eine derartige Erkrankung stattgefunden hat und zudem ob eine Pockenimpfung bekannter Weise überhaupt Auslöser einer Meningoencephalitis oder Encephalitis sein kann, ob also die bei der Beschwerdeführerin aufgetretenen Symptome überhaupt einschlägig sind, und - bejahendenfalls - ob es für die genannten Erkrankungen eine wahrscheinlichere Ursache gibt.

In seinem Gutachten vom 6. Februar 2012 führte der kinderfachärztliche Sachverständige Dr. S, nach Wiedergabe der Anamnese nach Aktenstudium zusammengefasst Folgendes aus:

"Kann eine Pockenimpfung Auslöser einer Meningoencephaltis oder Encephalitis sein?

Nebenwirkungen nach einer Impfung mit dem vermehrungsfähigen Vacciniavirus ließen atypische Impfverläufe und Impfkomplikationen unterscheiden. Atypische Impfverläufe zeigen starke Impfreaktion, die letztlich harmlos waren:

Impfulcus, Impfkeloid, Nebenpocken, Vaccinia serpiginosa, Area bullosa und Area migrans. Impfkomplikationen waren postvaccinale Enzephalitis; Fieberkrämpfe; Vaccinia generalisata, Vaccinia sekundaria; Eccema vaccinatum; Vaccinia inoculata; postvaccinale multiforme Exantheme, starke Lokalreaktion; Sekundärinfektion an der Impfstelle, sekundäre Allgemeininfektion; Verschlimmerung eines latenten Hirnschadens; unklare Todesursachen. Lebensbedrohlich waren die postvaccinale Enzephalitis und eine Vaccinia generalisata. Die Vorimpfung oder Simultanimpfung mit Vaccinia-lmmunglobulin sollte damals dem Zweck dienen, die Häufigkeit der postvaccinalen Enzephalitis zu senken. Dieses Vorgehen wurde bei älteren Erstimpfligen durch eine kombinierte aktiv- und passive Impfung mit Vacciniavirus und humanem Vaccinialmmunglobulin (VGG) gewählt. Die Nebenwirkungen nach Pockenimpfung wurden auch in den USA 1975 intensiv monitiert (Goldstein et. Al 1975). Die häufigsten Nebenwirkungen waren gutartig und benötigten kaum eine systemische Therapie. Zu beobachten waren Infektionen, erythematöse und urtikarielle Ausschläge und generalisierte Vaccinia. Vaccinia necrosum und Ekzema vaccinatum erforderten systemische Therapie mit Vaccinia-lmmunglobulinen. Die postvaccinale Enzephalitis wurde durch Immunglobuline nicht abgeschwächt. Cono et al. fassten 2003 die klinische Situation zusammen. Die exakte Prävalenz von Nebenwirkungen (NW) nach Pockenimpfung ist nicht eruierbar oder verfügbar. Die überwiegende Anzahl der Nebenwirkungen war leicht, für schwere Reaktionen ist Vaccinia-Immunglobulin die Therapie erster Wahl. Die NW inkludierten Fieber, Kopfschmerz, Schwäche, Schüttelfrost, Myalgie, lokale Hautreaktion, unspezifische Ausschläge, Erythmema multifonne, Lymphadenopathie und Schmerzen an der Impfstelle. Therapiebedürftig sind nichtbeabsichtigte Inokulation (Transfer zu einer anderen Seite am Körper des Impflings), generalisierte Vaccinia (disseminierter makulo­ papulärer Ausschlag auf erythematösem Grund, 6-9- Tage nach der Impfung), Ekzema vaccinatum (Patienten mit Anamnese einer atopischen Dermatitis), progressive Vaccinia (oft fatal bei Patienten mit Immunsuppression, schmerzlose Nekrosen an der Haut, Knochen und innere Organe) und postvaccinale ZNS-Erkrankung (postvaccinale Enzephalopathie und postvaccinale Enzephalomyelitis). Die Enzephalopathie ist am häufigsten bei Kindern unter 12 Monaten Alter. Klinisch treten zerebrale und zerebelläre Dysfunktion mit Kopfschmerz, Fieber, Erbrechen, beeinträchtigtes Bewusstsein, Lethargie, Anfälle und Koma auf.

Miravalle (2003) beschrieb die postvaccinale Enzephalitis (PE oder PVE) nach 'smallpox' Impfung. Die meisten Fälle traten 7-14 Tage nach Impfung auf (berichtet 1-23 Tage). Das Risiko einer PE war mit zunehmendem Alter bei Erstimpfung nach dem 1. Lebensjahr zunehmend. Das Risiko war 10 mal höher bei Erstimpfung als nach Re-Impfung. Die Inzidenz der PE auf 100.000 Impfungen in Europa 1964 differierte von 1.5 bis 30 (Österreich). Es wird eine Immunpathogenese angenommen, wegen der durchschnittlichen Zeit von 7 Tagen zwischen Impfung und beginnender Symptomatik. Akute demyelinisierende Enzephalamyelitis (ADEM) und akute hämorrhagische Leukenzephalitis wurden beschrieben.

Verschiedene neurologische Syndrome wurden nach Pockenimpfung beschrieben (Miravalle 2003).

1) Milde Symptome waren 5-7 Tage nach Impfung Kopfschmerz, Fieber, milde Photophobie, und Nackensteifigkeit

2) typische Fieberkrämpfe beginnend eine Woche nach Impfung im Alter unter 2 Jahren, mit Irritabilität, prolongierten Anfällen, mit nachfolgendem Koma. Die meisten Kinder zeigten vollständige Genesung 24 bis 48 Stunden nach dem Anfall, einige Kinder starben aber.

3) Die postvaccinale Enzephalitis trat 8-15 Tage nach Impfung auf, mit zunehmender Bewusstseinstrübung, von Irritabilität bis Koma, Bewegungsstörungen wie Tremor, Ataxie, Krämpfe, Pyramidenzeichen. Der Liquor zeigte eine lymphozytäre Pleozytose, erhöhtes Protein; bei normaler Glucose. Todesfälle traten innerhalb von 48h Stunden nach Beginn des Komas auf. Überlebende hatten minimale oder keine Residualsyndrome. Kretzschmar et al (2006) berichten hingegen von 16-30% permanenten neurologischen Schäden. Dieser Arbeit nimmt auch auf die historischen Studien, auch aus Österreich (Berger 1954, 1969 und 1974), Bezug. Die Arbeit Berger 1969 untersuchte den Zeitraum 1946- 1966. Laut Kretzschmar et al wurde der Bern­Stamm des Vaccinia-Stamms in Österreich in den 1950 und 1960er Jahren verwendet, wobei damit eine PVE von 44.9 Fällen auf 1 mio Impfungen höher als bei anderen Stämmen auftrat, ebenso die Todesfälle mit 55/1 mio Impfungen, dabei Todesrate bezogen auf PVE 11.0 pro 1 mio Impfungen. Die sog. 'Case-Fatality-Rate' in Europa war 10-50% bei PVE. Die Mortalität war am höchsten unter 1 Jahr alter, am niedrigsten bei einem Alter etwa von 2 Jahren. Die strenge Altersabhängigkeit führte in Deutschland und Österreich in den 1960er und 1970er Jahren zu einem Stopp der Primärimpfung nach dem 3. Lebensjahr. In den USA wurde die Impfung im 1. Lebensjahr für kontraindiziert erklärt.

Die Inzidenz der PE/PVE ließ sich mit Gabe von antivaccinia-Gammaglobulin zum Zeitpunkt der Impfung deutlich senken.

Kam es nach einer Pockenimpfung im Jahr 1963 wenige Wochen später zu einer postvaccinalen Enzephalitis?

Die Angaben über die Pockenimpfung der Antragstellerin beziehen sich rein auf anamnestische Angaben der Mutter. Laut Angaben der Mutter kam es wenige Tage nach der Impfung zu Fieber und Essensverweigerung für 3 Tage. 10-14 Tage nach der Impfung kam es zu einem dokumentiertem Krankenhausaufenthalt. Die angeführten Diagnosen waren Lungenentzündung und Verdacht einer Meningitis, die per Lumbalpunktion ausgeschlossen wurde. Ein genauer Bericht über den Krankheitsverlauf liegt nicht vor. Es wird lediglich von einem normalen Liquorbefund berichtet. Im Weiteren divergieren die Angaben der Mutter und die der Kurzzusammenfassung über den stationären Aufenthalt. Laut Mutter kam es zu einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes im Krankenhaus, weshalb sie ihre Tochter auf Revers nach Hause genommen hat. Laut "Arztbrief" wurde Stefanie in deutlich gebessertem Allgemeinzustand am 21.10.1963 in häusliche Pflege entlassen. Die von der Mutter angegebenen schweren epileptischen Anfälle, lassen sich nicht nachvollziehen, da es keine ärztlichen Aufzeichnungen oder Diagnostik im Krankenhaus darüber gibt. Die Anfälle werden von der Mutter als "Schlagen des Kopfes gegen den Diwan" beschrieben, was einer Verhaltensstörung im Sinne einer nichtepileptischen Jactatio capitis entspricht. Weiters kam es laut Mutter zu deutlichen Entwicklungsrückschritten nach dem Krankenhausaufenthalt. Bereits erlernte Dinge mussten erneut erlernt werden. In den folgenden Jahren bis 1965 kam es zu weiteren Krankenhausaufenthalten. Es liegen keine Information über die psychomotorische Entwicklung zu diesem Zeitpunkt vor. Es gibt auch keine Informationen ob eine Abklärung im Hinblick auf eine auffällige Entwicklung durchgeführt wurde.

Am 22.4.1965 finden sich im Aufnahmeblatt des KH Rosenhügel keine Hinweise auf neurologische Auffälligkeiten, Krampfanfälle oder Zustand nach Enzephalitis oder Meningoenzephalitis. Unter Impfschäden werden '39 Grad Fieber und 3 Tage nicht gegessen' nach Pockenimpfung angeführt.

Bezieht man sich lediglich auf die anamnestischen Angaben der Mutter, hat eine Pockenimpfung stattgefunden, was den damaligen Bestimmungen in Österreich entsprechen kann. Wann es nach der Impfung zu den beschriebenen Zuständen und Fieber kam wird nicht angegeben, dürfte aber unmittelbar nach der Impfung aufgetreten sein, da nach mehreren Arztbesuchen 10-14 Tage nach der Impfung die stationäre Aufnahme erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich wie oben angeführt eine postvaccinale Enzephalitis, die üblicherweise 8-15 Tage nach Impfung auftrat, mit zunehmender Bewusstseinstrübung, von Irritabilität bis Koma, Bewegungsstörungen wie Tremor, Ataxie, Krämpfe, Pyramidenzeichen und einer Iymphozytären Pleozytose mit erhöhtem Protein, bei normaler Glucose im Liquor gezeigt. Eine solche Symptomatik wird aber in den angeführten Berichten nicht erwähnt. Es liegen keine Befunde vor, die Anzeichen einer schweren klinisch-neurologischen Erkrankung beschreiben. Des weiteren wird im frühesten Arztbericht (Prof. Dr. R) nach 1963 auf keine Impfenzephalitis nach Pockenimpfung hingewiesen. Erstmalig wird eine Impfencephalitis nach Pockenimpfung im Gerichtsgutachten Univ.Prof.Dr. St (Anm.: erstellt im Sachwalterbestellungsverfahren im Jahr 1980) erwähnt ohne Begründungen anzugeben. Auch in allen weiteren Befunden und Behandlungsberichten wird wiederholt eine postvaccinale Encephalitis im Rahmen der Anamnesedaten angeführt.

Zusammenfassend sprechen im vorliegenden Fall mehr Fakten gegen das Vorliegen eines Impfschadens als dafür.

IV) Stellungnahme zu den Fragen an den Gutachter

1) Exakte Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigungen

Intelligenzminderung

Affektive Störung mit intermittierenden psychotischen Symptomen

2) Beurteilung der Kausalität (§ 1 Impfschadensgesetz) der Leiden und Beschwerden

Aus ärztlicher Sicht besteht kein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der angeschuldigten Impfung und den nunmehr vorliegenden Beschwerden.

3) Beurteilung, ob die angeschuldigte Impfung als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen hat. Begründung, was für den wesentlichen Einfluss der Impfung spricht und was dagegen.

3.1) Falls festgestellt wird, dass die angeschuldigte Impfung eine wesentliche Bedingung für den derzeitigen Leidenszustand darstellt, wird um Stellungnahme gebeten.

Es gibt lediglich anamnestische Angaben der Mutter, dass eine Impfung stattgefunden hat. Wenn die Impfung erfolgte, trat nach einem plausiblen Intervall nach der Impfung eine Fieberreaktion auf, die in weiterer Folge zu einer stationären Aufnahme führte. Anlässlich dieser Aufnahme wird jedoch eine neurologische Komplikation nicht dokumentiert. Ärztliche Befunde sprechen keine für einen Zusammenhang.

3.1.1) es liegt keine als Impfschädigung anzuerkennende Gesundheitsschädigung vor

3.1.2) Begründung einer abweichenden Beurteilung zu den bisher eingeholten Sachverständigengutachten:

Wie in Punkt 3.1) und 3.2) ausgeführt erfolgt eine abweichende Beurteilung im Vergleich zu Gutachten Dr. Sa (Abl 49- 58) (Anm: vom 21. Dezember 2005 im erstbehördlichen Verfahren), jedoch übereinstimmende Beurteilung verglichen zu Stellungnahme Dr. W (Abl 60-61) (vom 14. Februar 2006 im erstbehördlichen Verfahren) und Gutachten Dr. M (Abl 80/27-31; 80/60)

3.2. Falls festgestellt wird, dass die angeschuldigte Impfung keine wesentliche Bedingung für den derzeitigen Leidenszustand darstellt wird um Begründung ersucht.

Laut vorliegenden Unterlagen gibt es keinen Nachweis einer stattgehabten Impfung. In dem zeitlichen Intervall, in dem laut Literatur die postvaccinale Enzephalitis nach einer Lebendstoffimpfung mit Vaccinia-Stamm auftreten hätte können, erfolgte eine stationäre Behandlung in einem Kinderspital, eine Enzephalitis, neurologische Probleme oder zerebrale Anfälle werden nicht beschrieben, die wiederum zu der nunmehr vorliegenden Intelligenzminderung hätten führen können. Somit ist es in der sogenannten Inkubationszeit zu keiner neurologischen Erkrankung im Sinne einer Enzephalitis gekommen, sondern es war laut Unterlagen eine Pneumonie aufgetreten.

3.2.1) welche Ereignisse den derzeitigen Leidenszustand verursacht haben

hierzu finden sich in den Unterlagen keinerlei Befunde oder Überlegungen, noch Untersuchungsergebnisse die eine ätiologische Klärung der kognitiven Entwicklungsstörung hätten klären können, da die anamnestischen Angaben einer postvaccinalen Enzephalitis jeweils übernommen wurden. Somit kann aus gutachterlicher Sicht ein plausibler biologischer Grund oder wahrscheinlicheres Erklärungsmodell der Ätiologie des Beschwerdebildes Intelligenzminderung nicht angegeben werden. Es besteht allerdings auch keine zusätzliche fokal neurologische Symptomatik wie fokale Anfälle, Ataxie oder Bewegungsstörung, die wiederum auf ein Residualsyndrom nach Enzephalitis hinweisen könnten. Auch heutzutage, mit modernen diagnostischen Möglichkeiten, gelingt je nach Schwere der Intelligenzminderung ein ätiologischer Nachweis in 30-50% nicht.

4) Die Frage, ob eine im Jahr 1963 verabreichte Pockenimpfung wenige Wochen später zu einer Meningoenzephalitis oder Encephalitis führen konnte, ist mit ja zu beantworten (siehe Abschnitt III). Die Frage, ob eine derartige Erkrankung stattgefunden hat ist mit nein zu beantworten, da es keinerlei befundmässige Untermauerung in den Unterlagen gibt. Eine Pockenimpfung konnte bekannterweise Auslöser einer Enzephalitis sein, die bei der Beschwerdeführerin aufgetretenen Symptome sind nicht im Sinne einer postvaccinalen Enzephalitis zu werten.

5) keine abweichende Beurteilung gegenüber Vorgutachten Dr. M (Abl 80/27-31)".

In dem von der Beschwerdeführerin beigebrachten Privatgutachten des Facharztes für Neurologie, Neuropädiatrie, Psychiatrie und Kinder und Jugendpsychiatrie Dris. Sp vom 12. Juli 2012 gibt dieser nach Wiedergabe des Aktenstudiums zusammengefasst Folgendes an:

"Aktuell liegt bei der Beschwerdeführerin, geb. am 13.12.1961 eine deutliche mentale Retardation vor. Sie ist aktuell sowohl was die Alltagsstruktur als auch das Wohnen anlangt gut versorgt.

Aus der Anamnese wird deutlich, dass früher - vor allem im jungen Erwachsenenalter - vermutlich aber schon im jugendlichen Alter beträchtliche psychopathologische Auffälligkeiten vorgelegen haben. (siehe dazu auch die Berichte der Neuropsychiatrischen Abteilung für Kinder und Jugendliche mit Behindertenzentrum aus dem Jahre 1990 und folgend.)

Bereits davor war die Beschwerdeführerin in derselben Krankenhausabteilung, aber wegen anders gelagerter Problembereiche aufgenommen. Offenbar ab dem Alter von 4 Jahren wurde sie eben dort wegen einer deutlich ausgeprägten mentalen Retardation behandelt.

Noch weiter zurückgehend wird von ihrer Mutter ein Krankheitsbild zeitlich nach Pockenimpfung geschildert, das zu einer Aufnahme im Karolinen-Kinderspital führte. In diesem Zeitraum kam es nicht nur zu massiven körperlichen sondern auch zu psychischen Krankheitszeichen - es wird diesbezüglich von der Mutter eine qualitative Bewusstseinsstörung die im Krankenhaus vorlag angegeben - sondern auch zu einem deutlichen

Entwicklungsrückschritt. ... Die Mutter schildert, ein schweres

zelebrales Krankheitsbild mit dem Auftreten einer massiven Residualsymptomatik in der Folge und ab diesem Zeitpunkt dem Vorliegen einer deutlichen, vor allem allgemein kognitiven Entwicklungsbehinderung.

Leider gibt es aufgrund der Auflösung des Karolinen-Kinderspitals keine Krankengeschichte über diese Aufnahme, sondern lediglich eine kurze Stellungnahme vom 27.4.1965 offenbar auf Anfrage der das damals 4jährige Kind behandelnden Abteilung von Prim. Dr. R.

Frage 1

Ob nach heutigem Stand des Wissens eine im Jahr 1963 verabreichte Pockenimpfung wenige Wochen später zu einer Meningoencephalitis oder Encephalitis führen konnte.

Es ist bekannt, dass es sehr selten nach Pockenimpfungen zu Meningoencephalitis oder Encephalitis kam. Was die Latenz zwischen Pockenimpfung und Ausbruch einer drauf zu beziehenden Erkrankung anlangt so ist eine kurze Latenz dafür hinweisend. Unter kurz meine ich ein bis zwei Wochen. Dies ist eine Einschätzung, die auch von anderen Kollegen, die ich dazu befragt habe, geteilt wird. Eine empirische Untersuchung dazu gibt es meines Wissens nicht. Was auch damit zusammenhängt, dass diese Krankheit de facto seit langem nicht mehr existiert und daher diesbezüglich kein aktueller Erfahrungsschatz besteht.

Frage 2

Ob eine derartige Erkrankung stattgefunden hat.

Dies kann nicht mit Sicherheit angenommen werden. Zwar spricht die Schilderung der Mutter von der Beschwerdeführerin für eine solche zerebrale Komplikation respektive eine zerebrale Erkrankung. Der berichtete Krankheitsverlauf im Kurzarztbrief des Karolinen-Kinderspitals schließt eine solche Erkrankung jedoch aus.

Frage 3

Ob eine Pockenimpfung bekannter Weise überhaupt Auslöser einer Meningoencephalitis oder Encephalitis sein kann.

Die Beantwortung dieser Frage entspricht der der Frage 1. Frage 4

Ob die bei der Beschwerdeführerin aufgetretenen Symptome überhaupt einschlägig sind.

Nach einer Encephalitis kann symptomatisch ein Krankheitsbild entstehen, das dem der Beschwerdeführerin symptomatologisch entspricht

Frage 5

Ob es für die genannten Erkrankungen eine wahrscheinliche

Ursache gibt.

Diese Frage muss bejaht werden, da eine schwerwiegende mentale Retardation nach postvakzinaler Pockenencephalitis ein höchst seltenes Ereignis ist und es andererseits nicht selten vorkommt, dass mentale Retardationen wie bei der Beschwerdeführerin in Hinblick auf ihre Verursachung ungeklärt bleiben."

In einer von der Beschwerdeführerin ebenfalls beigebrachten Stellungnahme des Immunbiologen Dr. Re vom 26. Oktober 2012 führt dieser zusammengefasst aus, eine im Jahr 1963 verabreichte Pockenimpfung habe wenige Wochen später zu einer Meningoencephalitis oder Encephalitis führen können, da jene Pockenimpfstoffe, die zur angegebenen Zeit verabreicht wurden, in seltener, aber doch signifikanter Zahl als Nebenwirkung eine so genannte PVE (Post Vaccinal Encephalitis) ausgelöst hätten. Im speziellen führe die Literatur den sogenannten "Bern Stamm" an, der eine außergewöhnlich hohe Inzidenz von PVE ausgelöst habe. Dieser Impfstamm sei zur angeführten Zeit in unseren Breiten verabreicht worden (Kretschmer, Wallinga et al. 2006). Es könne aber nicht eindeutig gesagt werden, ob eine derartige Erkrankung bei der Beschwerdeführerin vorgelegen sei, dies aufgrund fehlender Krankengeschichte und fehlender Angabe über die Parameter der Liquorunterschung. Es fehle der eindeutige Nachweis eines vorliegenden Impfschadens, allerdings auch der eindeutige Beweis, dass kein Impfschaden vorliege.

Mit Bescheid vom 30. Jänner 2013 wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Begründend führte sie - das im fortgesetzten Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten Dris. S und die im Rahmen des Parteiengehörs erstattete Stellungnahme der Beschwerdeführerin wiedergebend - aus, das Sachverständigengutachten Dris. S sei schlüssig und nachvollziehbar und weise keine Widersprüche auf. Die nach der Impfung aufgetretenen und dokumentierten Symptome hätten nicht dem Bild einer schweren klinisch-neurologischen Erkrankung entsprochen. In der Inkubationszeit sei es zu keiner neurologischen Erkrankung im Sinne einer Enzephalitis gekommen, eine ätiologische Klärung der kognitiven Entwicklungsstörung sei auch im Entmündigungsverfahren nicht erfolgt.

Die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwände und vorgelegten Beweismittel seien nicht geeignet gewesen, das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entkräften oder eine Erweiterung des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen. Die bisherigen Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin zum Krankheitsverlauf stimmten im Wesentlichen mit der Schilderung im Zuge der Erstellung des Privatgutachtens Dris. Sp überein, eine zusätzliche Einvernahme sei daher unterblieben. Diese Angaben stünden zwar im Widerspruch zu den im Akt erliegenden Arztbriefen, die seitens Dris. St dargelegten "Spekulationen", der Bericht des Karolinen-Kinderspitals vom 27. April 1965 könne falsch sein oder würde auf einem Irrtum beruhen, seien nicht stichhaltig. Vielmehr decke sich dieser mit den Angaben im Befundbericht des Krankenhauses Rosenhügel vom 22. April 1965. Allerdings entsprächen die von der Mutter angeführten Symptome ohnehin nicht jenen einer postvaccinalen Enzephalitis, da eine Verhaltensstörung keinem zerebralen Anfallsleiden entspreche.

Übereinstimmend werde von Dr. S, Dr. Sp und Dr. Re dargelegt, dass eine 1963 verabreichte Pockenimpfung zu einer Meningoencephaltis oder Encephalits hätte führen können. Es bestünde aber keine zusätzlich fokal neurologische Symptomatik wie fokale Anfälle, Ataxie oder Bewegungsstörung, die auf ein Residualsyndrom nach Enzephalitis hinweisen könne. Dr. Sp und Dr. Re legten sich nicht fest, dass eine derartige Erkrankung bei der Beschwerdeführerin stattgefunden habe, zudem setzte sich Dris. Sp nicht mit der gutachterlichen Beurteilung Dris. S und Dris. M auseinander und führe nicht aus, warum die Beschreibung des Krankheitsverlaufes der Mutter auf eine zerebrale Erkrankung schließen lasse.

Das Sachverständigengutachten Dris. S werde in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

Zwar hätte die angeschuldigte Impfung grundsätzlich zu einer Meningoencephalitis oder Encephalitis führen können und es fehle eine andere wahrscheinlichere Erklärungsmöglichkeit, doch entsprächen weder der von der Mutter der Beschwerdeführerin geschilderte Krankheitsverlauf, noch die objektiven Befunde der Symptomatik einer postvaccinalen Enzephalitis.

Dass in diesem Zusammenhang eine Kausalität nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden könne, also grundsätzlich die Möglichkeit bestehe, reiche für die Anerkennung als Impfschaden nicht aus, da ein Zusammenhang zwischen angeschuldigter Impfung und Gesundheitsschädigung zumindest wahrscheinlich sein müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichthof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Das Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973, in der vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zuletzt mit BGBl. I Nr. 96/2012 geänderten Fassung, lautet (auszugsweise):

"§ 1. Der Bund hat für Schäden, die durch eine Schutzimpfung auf Grund

1. des bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Bundesgesetzes über Schutzimpfungen gegen Pocken (Blattern), BGBl. Nr. 156/1948, oder

verursacht worden sind, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes

Entschädigung zu leisten.

§ 3. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes sind unmittelbar von Bundesbehörden zu versehen.

(2) Über Ansprüche auf Entschädigung nach diesem Bundesgesetz entscheidet in erster Instanz das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, in zweiter und letzter Instanz die Bundesberufungskommission.

(3) Soweit dieses Bundesgesetz nicht Abweichendes bestimmt, sind die §§ 2, 31a, 54 bis 60, 65 bis 67, 69 bis 72, 73a, 82, 83 Abs. 1, 85 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2, 86, 87, 87a Abs. 1 bis 3, 88 Abs. 3, 92 bis 94a und 98a Abs. 7 und 8 HVG sinngemäß anzuwenden.

…"

1.2. § 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) lautet (auszugsweise):

"§ 2. (1) Eine Gesundheitsschädigung ist als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. …

(2) Die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges durch hiezu geeignete Beweismittel genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Beschaffung von Urkunden oder amtlichen Beweismitteln zur Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.

…"

1.3. Das in § 1 Z. 1 des Impfschadengesetzes erwähnte Bundesgesetz über Schutzimpfungen gegen Pocken (Blattern), BGBl. Nr. 156/1948, lautete (auszugsweise):

"§ 2. (1) Jedes Kind ist, sofern nicht Befreiung nach § 4 eintritt, bis zum 31. Dezember des der Geburt nachfolgenden Kalenderjahres der Impfung gegen Pocken zu unterziehen.

…"

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2.1. Als zentrale Tatbestandsvoraussetzung wird in § 1 Z. 1 des Impfschadengesetzes, auf den sich der angefochtene Bescheid stützt, die Verursachung eines Schadens durch eine Pockenimpfung normiert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage der Verursachung eines Schadens durch eine Impfung im Sinne des Impfschadengesetzes unter Bezugnahme auf die Novelle BGBl. I Nr. 48/2005, die auch im vorliegenden Fall Gültigkeit hat, in seinem Erkenntnis vom 17. November 2009, Zl. 2007/11/0005, auseinandergesetzt. Durch die genannte Novelle wurde § 3 Abs. 3 Impfschadengesetz dahin geändert, dass bei der Beurteilung eines Entschädigungsanspruches nach dem Impfschadengesetz der oben zitierte § 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) sinngemäß anzuwenden ist. Gemäß § 2 Abs. 1 HVG kommt es darauf an, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung "zumindest mit

Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis ... ursächlich

zurückzuführen ist"; Abs. 2 leg. cit. normiert, dass die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung genügt, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.

Daraus folgt, dass nach der hier anzuwendenden Rechtslage der Anspruch auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz nicht nur bei einem "Kausalitätsnachweis", sondern schon im Falle der "Kausalitätswahrscheinlichkeit" besteht. Davon ausgehend ist jedenfalls dann, wenn auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens anzunehmen ist, dass die drei maßgeblichen Kriterien (entsprechende Inkubationszeit, entsprechende Symptomatik, keine andere wahrscheinlichere Ursache) erfüllt sind, von der Wahrscheinlichkeit der Kausalität einer Impfung für die betreffende Gesundheitsschädigung im Sinne der §§ 1 und 3 Abs. 3 des Impfschadengesetzes iVm § 2 HVG auszugehen (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom 17. November 2009, Zl. 2007/11/0005, sowie das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2011, Zl. 2007/11/0034). Anhand dessen ist zu überprüfen, ob die belangte Behörde ohne Rechtswidrigkeit zu dem Ergebnis gelangte, es sei im vorliegenden Fall nicht einmal die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität der gegenständlichen Impfung für die Leiden des Beschwerdeführers anzunehmen.

2.2.1. Die Mutter der Beschwerdeführerin gab laut dem von ihr vorgelegten Sachverständigengutachten Dris. Sp vom 12. Juli 2012 - übereinstimmend mit ihrer Stellungnahme im ersten Rechtsgang vom 5. Februar 2007- an, die Beschwerdeführerin habe sich in den Tagen nach der Pockenimpfung verändert, hätte viel geschrien, begonnen mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen, habe Fieber gehabt und sei bei der Einlieferung ins Krankenhaus bewusstlos gewesen. Nach dem Krankenhausaufenthalt sei der Allgemeinzustand verschlechtert gewesen, und die Beschwerdeführerin sei wieder wie ein Säugling gewesen, habe nicht mehr alleine gehen können und die Fähigkeit verloren, Worte zu sprechen. Das von der Beschwerdeführerin beigebrachte Sachverständigengutachten Dris. Sp vom 12. Juli 2012 gehe davon aus, dass die von der Mutter geschilderten Symptome für eine postvaccinale Encephalitis sprechen und diese symptomatologisch einem solchen Krankheitsbild entsprechen können.

Die belangte Behörde führt hingegen, dem Sachverständigengutachten Dris. S folgend, aus, die von der Mutter der Beschwerdeführerin angeführten Symptome entsprächen nicht einer postvaccinalen Encephalitis, da eine "Verhaltensstörung" keinem cerebralen Anfallsleiden entspreche. Das Sachverständigengutachten Dris. S. gibt an, dass die von der Mutter der Beschwerdeführerin angegebenen Symptome nicht in der Krankengeschichte erwähnt seien und daher "nicht nachvollzogen werden können".

2.2.2. Das Sachverständigengutachten Dris. S vom 6. Februar 2012 bringt - insofern erkennbar einzelne Schilderungen der Mutter der Beschwerdeführerin zum Zustand der Beschwerdeführerin vor dem stationären Krankenhausaufenthalt zugrundelegend - zum Ausdruck, dass es das von der Mutter angegebene Schlagen des Kopfes gegen den Diwan bzw. auch gegen die Wand als "Verhaltensstörung im Sinne einer nichtepileptischen Jactatio capitis" qualifiziert. Warum es sich bei dem Schlagen des Kopfes gegen die Wand nicht um epileptische Anfälle, wie das Sachverständigengutachten Dris. Sa vom 21. Dezember 2005 meint, sondern um eine "Verhaltensstörung im Sinne einer nichtepileptischen Jactatio capitis" gehandelt hat, wird jedoch nicht schlüssig begründet. Auf die von der Mutter geschilderte Bewusstlosigkeit bei der Einlieferung ins Krankenhaus und das Verhalten nach dem Krankenhausaufenthalt wird weder vom Sachverständigengutachten Dris. S noch von der belangten Behörde eingegangen.

Sofern die belangte Behörde, dem Sachverständigengutachten Dris. S folgend, in der Bescheidbegründung davon ausgeht, dass laut Schilderungen der Mutter der Beschwerdeführerin lediglich eine Verhaltensstörung aufgetreten sei bzw. der von ihr geschilderte Krankheitsverlauf nicht der Symptomatik einer postvaccinalen Encephalitis entspreche, sind diese Feststellungen vor dem Hintergrund des Vorbringens der Mutter und dem Sachverständigengutachten Dris. Sp vom 12. Juli 2012 nicht ausreichend nachvollziehbar.

2.2.3. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Stellungnahme vom 31. Juli 2012 darauf hingewiesen, dass im Sachverständigengutachten Dris. S die Auflistung des Befundes der Krankenanstalt Rudolfstiftung vom 28. Oktober 1977 fehle, in dem wörtlich angeführt werde "bei der Patientin besteht ein nach frühkindlicher cerebraler Schädigung (Meningitis) aufgetretene Oligophrenie." Das Sachverständigengutachten Dris. S vom 6. Februar 2012 bezeichne das fachärztliche Attest Dris. R vom 28. September 1979 als "frühesten Arztbericht". Die Ansicht der belangte Behörde, eine Relevanz für die gegenständliche Kausalitätsbeurteilung sei daraus nicht zu erkennen, und Dris. S verweise "global" auf diverse fachärztliche Bescheinigungen, die in der Anamnese eine schwere Gesundheitsschädigung nach frühkindlicher Encephalitis anführen, vermag nicht zu überzeugen. Der Befund der Krankenanstalt Rudolfstiftung vom 28. Oktober 1977 geht nicht von einer schweren Gesundheitsschädigung nach frühkindlicher Encephalitis sondern von einer Meningitis aus. Auch im Befundbericht des Krankenhauses Rosenhügel vom 22. April 1965, den das Sachverständigengutachten Dris. S insofern heranzieht, dass unter Impfschäden lediglich "39 Grad C Fieber und 3 Tage nicht gegessen" angegeben sei, wird angeführt, dass die Beschwerdeführerin im Alter von 18 Monaten eine Meningitis hatte.

Dieser Umstand wurde weder im Sachverständigengutachten Dris. S aufgegriffen noch von der belangten Behörde entsprechend gewürdigt. Die belangte Behörde hätte allenfalls aufgrund der vorgebrachten Einwendungen der Beschwerdeführerin eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens einholen müssen und es aufgrund der aufgezeigten Unstimmigkeiten nicht vorbehaltslos ihrer Entscheidung zugrunde legen dürfen.

2.2.4. Die Beschwerde bringt zudem vor, das Sachverständigengutachten Dris. Sp vom 12. Juli 2012 ziehe seine Schlüsse auch aus den von der Mutter der Beschwerdeführerin geschilderten Symptomen nach der Pockenimpfung. Ob eine Encephalitis bei der Beschwerdeführern aufgetreten ist, könne zwar nicht mit Sicherheit angenommen werden, die Schilderungen der Mutter sprächen aber dafür. Die belangte Behörde hätte jedenfalls darlegen müssen, ob und gegebenenfalls weshalb sie die Schilderungen der Mutter über die Symptome nicht für glaubwürdig hält, was sie im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zur Gänze unterlassen hat. Die belangte Behörde hat auch nicht nachvollziehbar begründet, warum sie in Ermangelung einer vollständigen Krankengeschichte und offensichtlicher Divergenzen zwischen dem Vorbringen der Mutter und der dokumentierten Krankengeschichte die beantragte Einvernahme der Mutter als Zeugin nicht für notwendig erachtete.

2.2.5. Vor dem Hintergrund der Divergenzen zwischen den Sachverständigengutachten und der aufgezeigten Unstimmigkeiten hätte die belangte Behörde die Mutter der Beschwerdeführerin als Zeugin einvernehmen müssen und die Aussage über den Krankheitsverlauf nach ihrer Glaubwürdigkeit und vor dem Hintergrund der eingeholten, allenfalls ergänzten und beigebrachten Sachverständigengutachten würdigen müssen. Erst dann hätte sie beurteilen können, ob eine postvaccinale Encephalitis oder Meningoencephalits (oder auch eine andere Krankheit) bei der Beschwerdeführerin mit Wahrscheinlichkeit zu einem Impfschaden geführt hat oder nicht.

Da die Behörde dies unterlassen hat, belastet sie auch ihren (Ersatz)Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

2.3. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Ein Ersatz der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG kommt nicht in Betracht, weil die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 des Impfschadengesetzes von der Entrichtung dieser Gebühr befreit war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 2004, Zl. 2001/11/0329).

Wien, am 16. Dezember 2013

Stichworte