Normen
FrÄG 2011;
FrPolG 2005 §120 Abs1a idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 idF 2011/I/038;
MRK Art8;
VStG §16 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrÄG 2011;
FrPolG 2005 §120 Abs1a idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 idF 2011/I/038;
MRK Art8;
VStG §16 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und reiste im Jahr 2000 nach Österreich ein. Hier stellte er zwei Asylanträge, die beide erfolglos blieben; der zweite Antrag wurde letztlich mit im Instanzenzug ergangenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 21. Oktober 2008 - in Verbindung mit einer Ausweisung in den Iran - rechtskräftig abgewiesen.
Der Beschwerdeführer verblieb in Österreich. Er wurde deshalb in der Folge von der Bundespolizeidirektion Salzburg (BPD) mit Straferkenntnis vom 14. Februar 2011 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet - begangen am 25. Dezember 2010 - zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 300 Stunden) verurteilt. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
Mit weiterem Straferkenntnis der BPD vom 15. September 2011 wurde dem Beschwerdeführer dann zur Last gelegt, er habe sich am 4. Juli 2011, um 14.00 Uhr, an einer näher genannten Adresse in Salzburg nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Er habe dadurch § 31 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG verletzt und es werde deshalb gemäß § 120 Abs. 1a FPG über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.500,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 37 Tagen und 12 Stunden, verhängt.
Die dagegen erhobene Berufung wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 17. Jänner 2012 als unbegründet ab; dies mit der Maßgabe, "die übertretene Norm" einerseits und "die Strafzumessungsnorm" andererseits hätten zu lauten "§ 120 Abs. 1a iVm § 31 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011" bzw. "§ 120 Abs. 1a zweiter Satz FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011".
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde erwogen:
Die belangte Behörde stellte u.a. fest, dass ein vom Beschwerdeführer am 1. April 2009 gestellter Antrag nach § 44 Abs. 3 NAG mit Bescheid vom 27. Mai 2011 als unzulässig zurückgewiesen worden sei; gegen die abweisende Berufungsentscheidung habe der Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dazu führte die belangte Behörde aus, dass ein Antrag nach § 44 Abs. 3 NAG kein Aufenthalts- und Bleiberecht im Bundesgebiet begründe.
Das greift zu kurz.
Das im Verwaltungsstrafverfahren erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf seinen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels war nämlich so zu deuten, dass er mittlerweile über derart intensive Beziehungen in Österreich verfüge, dass seine Aufenthaltsbeendigung nunmehr unzulässig wäre.
Zwar hatte der Asylgerichtshof gegen den Beschwerdeführer im Oktober 2008 eine asylrechtliche Ausweisung erlassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 38 (FrÄG 2011), unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2004, Zl. 2002/21/0065, ausgesprochen hat, kann eine Ausweisung aber ihre Wirksamkeit verlieren, wenn sich die Beurteilungsgrundlagen für die Abwägung nach Art. 8 EMRK maßgeblich zugunsten des Fremden verschoben haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. November 2009, Zl. 2009/21/0088, und vom 24. April 2012, Zl. 2009/22/0269). Wäre das, was jedenfalls bis zum 1. Juli 2011, mit dem Inkrafttreten des FrÄG 2011, in Betracht gekommen wäre, der Fall gewesen, was von der belangten Behörde aber nicht geprüft wurde, und würde sich bezogen auf den angenommenen Tatzeitpunkt (4. Juli 2011) ergeben, dass der Beschwerdeführer nunmehr derart gravierende private Bindungen in Österreich aufzuweisen habe, dass sein Interesse an deren Aufrechterhaltung die entgegenstehenden öffentlichen Interessen an seiner Außerlandesschaffung überwiegt, so hätte er wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Inland nicht bestraft werden dürfen (vgl. in diesem Sinn näher mit Hinweisen auf die Vorjudikatur das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zlen. 2010/21/0049 und 0050). Dem steht auch nicht die von der belangten Behörde erwähnte, die erstinstanzliche Zurückweisung des vom Beschwerdeführer nach dem NAG gestellten Antrags bestätigende Berufungsentscheidung der Bundesministerin für Inneres vom 4. Oktober 2011 entgegen; diese wurde nämlich mit hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2013, Zl. 2011/22/0319, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Darüber hinaus ist der hier bekämpfte Bescheid aber auch in der Straffrage rechtswidrig. Gemäß der herangezogenen Strafnorm des § 120 Abs. 1a zweiter Satz FPG wäre die Verhängung einer Geldstrafe von EUR 2.500,-- bis zu EUR 7.500,-- oder die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen in Betracht gekommen. Die Ausmessung der Ersatzfreiheitsstrafe mit 37 Tagen und 12 Stunden steht damit im Widerspruch zu der Anordnung des § 16 Abs. 2 VStG, wonach die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß einer zur Geldstrafe alternativ vorgesehenen Freiheitsstrafe nicht übersteigen darf.
Insgesamt war der bekämpfte Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 2. August 2013
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