VwGH 2009/22/0269

VwGH2009/22/026924.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 11. August 2009, Zl. E1/862/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrPolG 2005 §125 Abs14 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrPolG 2005 §125 Abs14 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus Österreich aus.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde darauf ab, dass der Beschwerdeführer am 25. September 2001 unrechtmäßig in Österreich eingereist sei. Am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt. Diesem sei zunächst in erster Instanz mit Bescheid vom 25. Jänner 2002 keine Folge gegeben worden. Auf Grund einer dagegen erhobenen Berufung sei der erstinstanzliche Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das Bundesasylamt zurückverwiesen worden. Dieses habe über den Asylantrag mit Bescheid vom 28. Mai 2002 neuerlich negativ entschieden. Die dagegen eingebrachte Berufung sei vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Oktober 2008 abgewiesen worden. Seit 30. Oktober 2008 sei das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Der Entscheidung des Asylgerichtshofes sei zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer keine Glaubwürdigkeit zuerkannt worden sei. Seine Angaben im Asylverfahren seien widersprüchlich und völlig unschlüssig gewesen.

Seit Abschluss des Asylverfahrens sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht mehr rechtmäßig. Es sei daher die Erlassung einer Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG zulässig.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 3. Dezember 2004 in Z eine äthiopische Staatsangehörige geheiratet. Im Zeitpunkt der Eheschließung sei seine Ehefrau in Österreich bereits als Flüchtling anerkannt gewesen. Die Eheschließung sei allerdings zu einer Zeit erfolgt, als das Asylbegehren des Beschwerdeführers in erster Instanz schon "negativ beschieden" gewesen sei und ihm daher hätte bewusst sein müssen, dass sein Aufenthaltsstatus in Österreich als unsicher einzustufen sei. In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, seine Ehefrau wäre schwanger. Jedoch habe er "eine Bestätigung über die Schwangerschaft" nicht vorlegen können. Sohin seien keine "weiteren" familiären Bindungen im Bundesgebiet feststellbar.

In der Zeit von 1. Juni 2004 bis 31. Jänner 2005 sei der Beschwerdeführer durch Zuwendungen der öffentlichen Hand unterstützt worden. Lediglich in der Zeit von 13. Dezember 2006 bis 18. Jänner 2007 sei der Beschwerdeführer einer "meldepflichtigen" Erwerbstätigkeit nachgegangen. Es könne daher nicht von einer Integration am Arbeitsmarkt gesprochen werden. Auch könne das Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer habe sich immer intensiv um Arbeit in Österreich bemüht, nicht nachvollzogen werden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei erwerbstätig und verdiene monatlich EUR 938,08. Unter Berücksichtigung der Richtsätze des ASVG sei dies allerdings zu wenig, um den Unterhalt für sie selbst und den Beschwerdeführer sicherstellen zu können.

Der Beschwerdeführer weise Bindungen in seinem Heimatland Nigeria auf. Dort lebe seine Mutter und seine Schwester. Er könne in den Familienverband zurückkehren. Die Kontakte zu diesen Verwandten seien jederzeit aktualisierbar.

Dem Beschwerdeführer sei insofern ein Fehlverhalten zur Last zu legen, als er am 6. August 2007 von drei Jugendlichen beobachtet worden sei, als er und zwei Mittäter in S "vermutlich" Suchtgift verkauft oder gekauft hätten. Im Zuge von Polizeistreifen habe der Beschwerdeführer "ausfindig gemacht" werden können. Bei der Personsdurchsuchung sei bei ihm und seinen Mittätern Suchtgift, und zwar Cannabiskraut, aufgefunden und in der Folge beschlagnahmt worden. Hinsichtlich des Erwerbs, Besitzes und Konsums des Suchtgiftes habe sich der Beschwerdeführer in der darauf folgenden Vernehmung geständig gezeigt. Lediglich über die Herkunft des Suchtgiftes habe er keine Angaben gemacht. Die auf Grund dieses Verhaltens gegen den Beschwerdeführer erstattete Anzeige sei vom Bezirksanwalt beim Bezirksgericht S "zurückgelegt, mit einer Frist bis 06.06.2010", worden.

Bei der Bewertung der von ihr festgestellten Umstände ging die belangte Behörde tragend davon aus, der Beschwerdeführer habe sein Familienleben zu einer Zeit begründet, als das Asylverfahren in erster Instanz für ihn negativ abgeschlossen und somit der unsichere Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers klar gewesen sei. Zwar sei auf Grund seines Aufenthalts in Österreich seit September 2001 davon auszugehen, dass mit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers einhergehe. Angesichts dessen, dass dieser Aufenthalt nur auf einem abgewiesenen Asylantrag beruht habe, sei das Gewicht seiner persönlichen Interessen aber als gemindert anzusehen. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die allenfalls vorhandenen gegenläufigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht höher zu bewerten seien, als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Aus seinem Verhalten gehe hervor, dass er nicht gewillt sei, österreichische Rechtsvorschriften zu beachten. Er habe massiv gegen die Bestimmungen zur geordneten Abwicklung des Fremdenpolizeiwesens und des Einwanderungsrechts verstoßen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass hier für die Beurteilung des gegenständlichen Bescheides im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung (20. August 2009) die Rechtslage des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 29/2009 maßgeblich ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet zu verfügen. Auf dem Boden der diesbezüglich unbestrittenen behördlichen Feststellungen begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, es sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers unrechtmäßig, weshalb der darauf abstellende, die Erlassung einer Ausweisung ermöglichende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Beurteilung nach § 66 FPG. Vor dem Hintergrund der Ausführungen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer wolle sich von seiner Ehefrau scheiden lassen, wofür vom zuständigen Bezirksgericht auch bereits ein Termin festgesetzt worden sei, und er habe im Verwaltungsverfahren irrtümlich angegeben, seine Ehefrau wäre schwanger gewesen, erweist sich die Einschätzung der belangten Behörde, der Ehe des Beschwerdeführers könne bei der Interessenabwägung kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden, letztlich im Ergebnis nicht als rechtswidrig.

Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, es treffe ihn kein Verschulden daran, dass in Österreich die Abwicklung des Asylwesens schlecht organisiert sei, sodass sein diesbezügliches Berufungsverfahren sechs Jahre gedauert hätte, verkennt er, dass ihm dies von der belangten Behörde nicht zum Vorwurf gemacht wurde. Andererseits entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Asylwerber, dessen Antrag in erster Instanz abgewiesen wurde, von einem unsicheren Aufenthaltsstatus auszugehen hat, woran auch nichts ändert, dass er möglicherweise subjektiv die Hoffnung hat, sein Antrag werde doch noch erfolgreich sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0233).

Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, er sei nach wie vor unbescholten, weil die gegen ihn erstattete Anzeige von der zuständigen Staatsanwaltschaft am 6. Juni 2008 zurückgelegt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass er selbst einräumt, strafrechtlich relevantes Verhalten in der Form des verbotenen Erwerbes und Besitzes von Suchtgift gesetzt zu haben. Ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer dafür nicht rechtskräftig verurteilt wurde, war es der belangten Behörde unbenommen, das von ihr festgestellte Verhalten in ihrer Abwägung zu berücksichtigen.

Auch zur Frage einer allfälligen Integration auf dem Arbeitsmarkt ist aus dem Vorbringen in der Beschwerde nicht ableitbar, dass dem Beschwerdeführer eine solche in entscheidungswesentlichem Maß gelungen wäre. Dass dies seiner Ansicht nach darauf zurückzuführen sei, dass das Arbeitsmarktservice Beschäftigungsbewilligungen nicht erteilt habe, ändert am Fehlen einer maßgeblichen beruflichen Integration nichts.

Zentralen Raum nimmt aber ohnedies das Vorbringen des Beschwerdeführers ein, er sei eine außereheliche Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen. Am 24. Februar 2009 sei die aus dieser Beziehung stammende Tochter des Beschwerdeführers zur Welt gekommen. Diese sei - ebenso wie die Mutter - österreichische Staatsbürgerin. Dazu räumt aber bereits die Beschwerde ein, dass ein derartiger Sachverhalt im Verwaltungsverfahren nie geltend gemacht wurde. Es handelt sich beim diesbezüglichen Vorbringen somit um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG). Dies gilt auch für die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Beschwerdeführer in weiterer Folge bekannt gegebene (am 23. Oktober 2010 stattgefundene) Eheschließung mit der österreichischen Staatsbürgerin N.

Es begegnet sohin keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde den öffentlichen Interessen an einer Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers mehr Gewicht einräumte als seinen persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet. Aus den von der belangten Behörde festgestellten Umständen hätte sie vor dem Hintergrund des oben Gesagten nicht ableiten müssen, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig sei. Diese stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung des Beschwerdeführers hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des persönlichen Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich, durfte die belangte Behörde im Sinn des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG vor allem auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können.

Davon ausgehend wurde das Gewicht der erlangten Integration zutreffend als gemindert anzusehen. Es ist daher bezogen auf den hier der Entscheidung zu Grunde zu legenden Sachverhalt nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher einschätzte als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des seit Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers. Ein die Unzulässigkeit der Ausweisung bewirkendes, direkt aus Art. 8 EMRK abzuleitendes Aufenthaltsrecht musste dem Beschwerdeführer nicht zugestanden werden.

Soweit der Beschwerdeführer - wie oben dargestellt in für die vorliegende Entscheidung nicht weiter beachtlicher Form - auf Änderungen in seinen Lebensverhältnissen (Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie Geburt eines die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Kindes) hinweist, werden diese Umstände jedenfalls bei der Beurteilung, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers (immer noch) auf die vorliegende Ausweisung (die nach § 125 Abs. 14 FPG idF des FrÄG 2011 als Rückkehrentscheidung, ohne dass damit ein Einreiseverbot verbunden ist, weiter gilt) gestützt werden könnte, Beachtung zu finden haben (vgl. zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass Ausweisungen wirkungslos werden können, wenn sich die Beurteilungsgrundlagen für die Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK maßgeblich zugunsten des Fremden verschieben, die zum Fremdengesetz 1997 ergangenen, aber auch für die Rechtslage nach dem FPG maßgeblichen hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 2002, Zl. 2000/21/0195, und vom 26. Februar 2004, 2002/21/0065).

Vor dem Hintergrund des Gesagten liegt aber hinsichtlich des angefochtenen Bescheides die behauptete Rechtsverletzung nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. April 2012

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