VwGH 2011/08/0154

VwGH2011/08/015411.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der Hausbetreuung B GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Robert Galler und Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Viktor-Keldorfer-Straße 1, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 17. Mai 2011, Zl. 20305-V/14.859/6-2011, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse in 5020 Salzburg, Engelbert-Weiß-Weg 10), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs2 idF 2007/I/031;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §113 Abs2 idF 2007/I/031;
ASVG §33 Abs1;

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahin abgeändert, dass er lautet:

"Dem Einspruch der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 27. Oktober 2010 wird zum Teil Folge gegeben und dieser dahin abgeändert, dass der beschwerdeführenden Partei gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG hinsichtlich der Beschäftigung des B S ein Beitragszuschlag in Höhe von EUR 400,-- vorgeschrieben wird."

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der beschwerdeführenden Partei aufgrund einer Meldepflichtverletzung einen Beitragszuschlag in Höhe von EUR 1.300,-- vor. Anlässlich einer Kontrolle am 29. August 2010 durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes sei festgestellt worden, dass die beschwerdeführende Partei hinsichtlich der Beschäftigung des BS gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht verstoßen habe.

Die beschwerdeführende Partei erhob gegen diesen Bescheid Einspruch. BS habe im August 2008 (gemeint offenkundig: 2010) eine neue Erwerbstätigkeit gesucht. Sein Freund, der bereits bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigt sei, habe BS am Freitag (27. August 2010) zur beschwerdeführenden Partei mitgebracht. In einem Gespräch mit einem Verantwortlichen der beschwerdeführenden Partei sei vereinbart worden, dass BS am 1. September 2010 zu arbeiten beginnen solle; er sollte dann das Fahrzeug bzw. die Tour seines Freundes übernehmen. Am 29. August 2010 sei BS von Beamten des Finanzamtes aufgegriffen worden; es sei festgestellt worden, dass BS noch nicht sozialversicherungsrechtlich gemeldet gewesen sei. Tatsächlich sei BS am Tag vor dem vereinbarten Dienstbeginn, nämlich am Montag (30. August 2010) bei der Gebietskrankenkasse angemeldet worden. Die beschwerdeführende Partei sei daher der Meldepflicht fristgerecht nachgekommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Zuge einer Kontrolle durch Beamte der KIAB am 29. August 2010 sei BS im Vorgarten eines Hauses in Salzburg für die beschwerdeführende Partei entgeltlich arbeitend tätig angetroffen worden, ohne zur Sozialversicherung gemeldet gewesen zu sein. Die maßgeblichen Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG lägen vor.

Das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei werde durch die eigenen Wahrnehmungen der Kontrollorgane mit ausreichender Beweiskraft in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betretung an diesem Tag widerlegt. Das Vorbringen, BS habe ohne ihr Wissen vor dem vereinbarten Beschäftigungsbeginn am 1. September 2010 zu arbeiten begonnen, entspreche augenscheinlich nicht den Tatsachen; es handle sich hiebei um eine Schutzbehauptung. Im Zuge der Kontrolle sei BS bei Hausmeisterarbeiten (Verbringen einer Biomülltonne auf den Gehsteig zur Abholung durch die Müllabfuhr) vor dem Haus in Salzburg angetroffen worden.

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme habe BS unter anderem angegeben, dass er von seinem Freund zur beschwerdeführenden Partei vermittelt worden sei; als Arbeitsbeginn sei der 1. September 2010 vereinbart worden. Er habe den Arbeitsplan von seinem Freund und das Firmenfahrzeug übernommen. Es sei vereinbart worden, dass BS am 27. und 29. August 2010 versuchen solle, die Tour laut Arbeitsplan zu erledigen, worauf BS dies auch auftragsgemäß ausgeführt habe. Er habe dies auch nicht gegenüber den einschreitenden Beamten bei seiner Kontrolle bestritten.

Aus einer Gesamtschau könne davon ausgegangen werden, dass BS zum Zeitpunkt der Betretung für die beschwerdeführende Partei entgeltlich tätig und dieser gegenüber weisungs- und kontrollunterworfen gewesen sei. Er sei auch mit Betriebsmitteln der beschwerdeführenden Partei ausgestattet gewesen und habe diese verwendet.

Es seien sämtliche Tatbestandsmerkmale iSd § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG erfüllt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle am 29. August 2010 sei ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis iSd § 4 Abs. 2 ASVG vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat mitgeteilt, auf die Abgabe einer Gegenschrift zu verzichten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, sie habe bereits im Einspruch und auch in der folgenden Stellungnahme vorgebracht, dass die Tätigkeit des BS am 27. und 29. August 2010 ohne ihr Wissen und ohne ihren Willen erfolgt sei. Zum Beweis dafür habe sie Beweisanträge gestellt (Einvernahme des BS und dessen Freundes sowie des Geschäftsführers und von Mitarbeitern der beschwerdeführenden Partei). Im Zuge einer mündlichen Verhandlung hätte die beschwerdeführende Partei auch Gelegenheit gehabt, von ihrem Fragerecht Gebrauch zu machen und ihr Vorbringen unter Beweis zu stellen. Dadurch hätten auch Widersprüche in der schriftlichen Einvernahme des BS beseitigt werden können. Auch hätte dadurch nachgewiesen werden können, dass die beschwerdeführende Partei und deren Vertreter keine Kenntnis vom eigenmächtigen Tätigwerden des BS bzw. von der internen Vereinbarung zwischen diesem und seinem Freund gehabt hätten.

Weiter macht die beschwerdeführende Partei geltend, zu einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis gehöre die Willensübereinstimmung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dass abhängige Dienste entgeltlich geleistet und entgegengenommen werden. Auch nur das einseitige Fehlen eines solchen Willens - insbesondere auf Seiten des Dienstgebers - verhindere das Bestehen eines sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnisses. Da nach dem Wissen und Willen der beschwerdeführenden Partei das Dienstverhältnis zwischen ihr und BS erst am 1. September 2010 begonnen habe, sei die Anmeldung rechtzeitig erfolgt.

Auch sei das Vorliegen der Voraussetzungen für die Herabsetzung bzw. den Entfall des Beitragszuschlages von der belangten Behörde zu Unrecht verneint worden. Es sei von einer erstmaligen verspäteten Anmeldung iSd § 113 Abs. 2 ASVG auszugehen. Die Folgen des Meldeverstoßes seien unbedeutend. Schwarzarbeit sei nicht intendiert gewesen. BS sei am 30. August 2010 beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet worden, auch seien sämtliche Abgaben ordnungsgemäß abgeführt worden. Dies sei alles erfolgt, bevor die beschwerdeführende Partei vom Aufgreifen des BS durch die Beamten des Finanzamtes Kenntnis erlangt habe. Die beschwerdeführende Partei habe vom vorzeitigen Arbeitsantritt durch BS keine Kenntnis gehabt und habe hievon auch keine Kenntnis erlangen können. Obwohl die beschwerdeführende Partei ein funktionierendes Kontrollsystem in ihrem Betrieb eingerichtet habe, sei es ihr aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht möglich gewesen, die rechtzeitige Anmeldung vor dem Tätigwerden des BS vorzunehmen.

2. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

§ 113 ASVG (idF BGBl. I Nr. 31/2007) lautet (auszugsweise).

"(1) Den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder (…)

(2) Im Fall des Abs. 1 Z 1 setzt sich der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 500 EUR je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 800 EUR. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 400 EUR herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen."

3. Die Meldung der Dienstgeber hat nach § 33 Abs. 1 ASVG vor Arbeitsantritt zu erfolgen. Es kommt dabei auf den tatsächlichen, nicht den vereinbarten Arbeitsantritt an; es oblag der beschwerdeführenden Partei sicherzustellen, dass der Arbeitsantritt nicht vor der Anmeldung erfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2013, Zl. 2011/08/0037, mwN).

BS hat - unstrittig - seine Tätigkeiten unter Verwendung von Betriebsmitteln der beschwerdeführenden Partei bereits am 27. August 2010 und somit vor der Anmeldung aufgenommen. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG vor. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor.

4. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde eine früher erfolgte Beanstandung der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt, sodass von einer erstmaligen verspäteten Anmeldung auszugehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2010, Zl. 2010/08/0151). Im Hinblick darauf, dass lediglich ein Dienstnehmer verspätet angemeldet wurde und die Anmeldung des Dienstnehmers kurz nach dem Arbeitsantritt sowie - nach dem von der belangten Behörde nicht in Frage gestellten Vorbringen der beschwerdeführenden Partei - vor Kenntnis der Betretung des BS durch die beschwerdeführende Partei erfolgte, liegt hier nicht das typische Bild eines Meldeverstoßes vor. Es ist von unbedeutenden Folgen der erstmalig verspäteten Anmeldung auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2008/08/0218, mwN).

Da dem Gesetz keine weiteren Anhaltspunkte zu entnehmen sind, nach welchen Kriterien in diesen Fällen eine Ermessenausübung durch die Behörde zu erfolgen hätte, hat die Behörde dann, wenn die im Gesetz genannte Voraussetzung einer erstmaligen verspäteten Anmeldung mit unbedeutenden Folgen vorliegt, den Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung zur Gänze entfallen zu lassen und den Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf EUR 400,-- herabzusetzen (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011).

Ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall, in welchem auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz zur Gänze entfallen könnte, liegt hingegen nicht vor, da die beschwerdeführende Partei (auch in der Beschwerde) nicht aufzeigt, welche Vorkehrungen von ihr getroffen wurden, welche die Aufnahme einer Beschäftigung durch einen neuen Dienstnehmer ohne vorherige Meldung zur Pflichtversicherung verhindern könnten (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011).

5. Aus den dargelegten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 3a VwGG entsprechend abzuändern.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Diese Bestimmungen sehen einen darüber hinausgehenden Ersatz für Schriftsatzaufwand (in der Beschwerde verzeichnet: EUR 2.000,--) bzw. Umsatzsteuer nicht vor. Die Eingabegebühr war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 110 ASVG geltende sachliche Abgabenfreiheit nicht zuzusprechen.

Wien, am 11. Dezember 2013

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