VwGH 2008/08/0218

VwGH2008/08/02187.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der M GmbH in B, vertreten durch Dr. Günther Bernhart und Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwälte in 7400 Oberwart, Evangelische Kirchengasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 28. August 2008, Zl. 6-SO-N4206/1-2008, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse in 7001 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs2 idF 2007/I/031;
ASVG §113 Abs2 idF 2007/I/031;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit darin der Teilbetrag des Beitragszuschlages für die gesonderte Bearbeitung in der Höhe von EUR 200,-- vorgeschrieben wird, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 22. April 2008 wurde über die beschwerdeführende Partei gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG iVm § 33 Abs. 1 und 1a ASVG sowie § 410 Abs. 1 Z 5 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.300,-- vorgeschrieben.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde dabei im Wesentlichen aus, dass im Zuge einer am 6. März 2008 durchgeführten Kontrolle ein namentlich genannter Dienstnehmer bei der Verrichtung von Arbeiten für die beschwerdeführende Partei betreten worden sei; dabei sei festgestellt worden, dass dieser Dienstnehmer bereits seit 6. März 2008, 16.50 Uhr, tätig gewesen sei, jedoch entgegen § 33 Abs. 1 und Abs. 1a ASVG erst am 6. März 2008, 18.37 Uhr, zur Pflichtversicherung angemeldet worden sei.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge und setzte den Beitragszuschlag mit EUR 600,--, bestehend aus dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung in der Höhe von EUR 200,-

- und dem Teilbetrag für den Prüfeinsatz in der Höhe von EUR 400,-- , fest.

Die beschwerdeführende Partei habe im Einspruch vorgebracht, dass ihr Geschäftsführer sich am 6. März 2008 auf Skiurlaub im Ausland befunden habe. Dem Geschäftsführer sei erst verspätet bekannt gegeben worden, dass ein Kraftfahrer der beschwerdeführenden Partei auf Grund einer familiären Verpflichtung seinen Dienst nicht habe antreten können und in Eigeninitiative einen Arbeitskollegen ersucht habe, für ihn einzuspringen, der sodann das Fahrzeug zum Zeitpunkt der durchgeführten Kontrolle gelenkt habe. Sofort nach Bekanntwerden dieses Umstandes sei eine Kontaktaufnahme mit der Steuerberatungskanzlei erfolgt und der Dienstnehmer sei unverzüglich gemeldet worden.

Die belangte Behörde stellte fest, es stehe unbestritten fest, dass am 6. März 2008 um 16.50 Uhr an einem näher bezeichneten Ort ein Lenker der beschwerdeführenden Partei kontrolliert worden sei, der erst am selben Tag um 18.37 Uhr zur Pflichtversicherung angemeldet worden sei. Es handle sich um den ersten Meldeverstoß der beschwerdeführenden Partei.

Aufgrund der erst nach Dienstantritt und damit verspätet erfolgten Meldung sei die Vorschreibung des Beitragszuschlags dem Grunde nach zu Recht erfolgt. Bezüglich der Bemessung des Beitragszuschlags vertrete die belangte Behörde die Auffassung, dass der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung mit EUR 200,-- und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz mit EUR 400,-- dem Zweck der Beitragsvorschreibung, das geordnete Funktionieren der Sozialversicherung zu sichern und den Verwaltungsmehraufwand abzudecken, entspreche. Zu den Einspruchsausführungen sei zu bemerken, dass es die Aufgabe der beschwerdeführenden Partei als Dienstgeberin sei, die Organisation ihres Betriebes so vorzunehmen, dass die Meldepflichten nach dem ASVG eingehalten würden. Soweit mangelndes Verschulden behauptet werde, sei dem entgegenzuhalten, dass die Vorschreibung eines Beitragszuschlags nicht als Verwaltungsstrafe zu qualifizieren und damit die Frage des Verschuldens nicht relevant sei. Ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall, der den Entfall des Teilbetrages für den Prüfeinsatz rechtfertigen würde, könne dem Einspruchsvorbringen nicht entnommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 31/2007, können den in § 111 Abs. 1 ASVG genannten Personen Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Gemäß § 113 Abs. 2 ASVG setzt sich der Beitragszuschlag in diesem Fall nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a ASVG aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf EUR 500,-- je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf EUR 800,--. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,-- herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

Sowohl hinsichtlich des Entfalls des Teilbetrags für die gesonderte Bearbeitung als auch der Herabsetzung des Teilbetrags für den Prüfeinsatz "bis auf 400 EUR" verwendet der Gesetzgeber das Wort "kann". Dieses Wort ist im vorliegenden Zusammenhang nicht als Einräumung von freiem Ermessen, sondern als Ermächtigung zu einer gebundenen Entscheidung zu verstehen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 1974, Zl. B 13/74, VfSlg. 7326/1974), zumal dem Gesetz auch keine weiteren Anhaltspunkte zu entnehmen sind, nach welchen Kriterien in diesen Fällen eine Ermessensausübung durch die Behörde zu erfolgen hätte. Liegt daher die im Gesetz genannte Voraussetzung einer erstmaligen verspäteten Anmeldung mit unbedeutenden Folgen vor, so hat die Behörde den Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung zur Gänze entfallen zu lassen und den Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf 400 EUR herabzusetzen.

2. Im Beschwerdefall steht fest, dass es sich um eine erstmalige verspätete Anmeldung handelt. Da die belangte Behörde den Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf 400 EUR herabgesetzt hat, ist sie erkennbar - wenngleich ohne dies näher zu begründen - auch davon ausgegangen, dass diese erstmalige verspätete Anmeldung unbedeutende Folgen gehabt habe, was vom Verwaltungsgerichtshof - im Hinblick darauf, dass lediglich ein Dienstnehmer verspätet gemeldet wurde - nicht als rechtswidrig erkannt werden kann (demgegenüber kann im Fall der verspäteten Anmeldung von zwei - oder mehr - Dienstnehmern nicht mehr von bloß unbedeutenden Folgen ausgegangen werden; vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 13. Mai 2009, Zl. 2008/08/0249 (zwei Dienstnehmer), vom 18. November 2009, Zl. 2008/08/0246 (drei Dienstnehmer), vom 8. September 2010, Zl. 2010/08/0151 (vier Dienstnehmer) und vom 19. Jänner 2011, Zl. 2010/08/0255 (sieben Dienstnehmer)).

Vor diesem Hintergrund erweist sich jedoch die Festsetzung des Teilbetrags für die gesonderte Bearbeitung mit EUR 200,-- als rechtswidrig, da eine derartige Herabsetzung dieses Teilbetrages des Beitragszuschlags im Gesetz nicht vorgesehen ist. Anders als der Teilbetrag für den Prüfeinsatz kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung im Falle der erstmaligen verspäteten Anmeldung mit unbedeutenden Folgen nicht auch (abgestuft) herabgesetzt werden; das Gesetz sieht für diesen Fall nur den gänzlichen Entfall dieses Teilbetrags vor.

Indem die belangte Behörde daher, ausgehend von einer erstmaligen verspäteten Anmeldung mit unbedeutenden Folgen, den Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung bloß herabgesetzt hat, nicht aber ihn gänzlich entfallen ließ, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

3. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, dass der Meldeverstoß nicht auf eine mangelhafte Organisation in ihrem Unternehmen zurückzuführen sei. Der Lenkereinsatz des (erst nach der Betretung) verspätet gemeldeten Dienstnehmers sei ausschließlich mit seinem Arbeitskollegen organisiert und disponiert worden. Es sei offenkundig, dass "mangels Verständigung einer wie immer eingerichteten Organisation (des) Unternehmens dieses gar nicht Kenntnis vom 'Lenkerwechsel' erhalten hätte können". Die Tatsache, dass der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei nach erfolgter Amtshandlung kontaktiert worden sei, zeige, dass die Organisation des Unternehmens so aufgestellt sei, dass bei Verständigung durch den Arbeitskollegen vor Arbeitsantritt die Meldung hätte durchgeführt werden können. Die nicht vor Arbeitsantritt erfolgte Anmeldung liege daher weder in der Organisation des Unternehmens noch im Verhalten des Geschäftsführers, sondern ausschließlich in der nicht nach außen gedrungenen Mitteilung und Verständigung seitens der beteiligten Arbeitnehmer. Diese Umständen seien jedenfalls berücksichtigungswürdig im Sinne des § 113 Abs. 2 letzter Satz ASVG, sodass kein Beitragszuschlag vorzuschrieben gewesen wäre.

Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit der Vorschreibung des (herabgesetzten) Teilbetrages für den Prüfeinsatz auf.

Die beschwerdeführende Partei legt auch in ihrem Vorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht dar, welche Vorkehrungen von ihr getroffen wurden, durch die die Aufnahme einer Beschäftigung durch einen neuen Dienstnehmer ohne vorherige Meldung zur Pflichtversicherung verhindert werden könnte. Wenn die beschwerdeführende Partei es als Dienstgeberin ihren Dienstnehmern ermöglicht, bei kurzfristig auftretender Verhinderung eine Ersatzkraft aufzunehmen, so hat sie auch dafür zu sorgen, dass die einstellungsberechtigte Person die erforderliche (Mindestangaben‑)Meldung an die Gebietskrankenkasse vor Aufnahme der Tätigkeit sicherstellen kann. Der bloße Umstand, dass der Geschäftsführer von der Aufnahme des Dienstnehmers nicht rechtzeitig - vor der durchgeführten Kontrolle durch die KIAB - informiert wurde, kann daher nicht als besonders berücksichtigungswürdiger Grund angesehen werden, der den gänzlichen Entfall des Teilbetrags des Beitragszuschlages für den Prüfeinsatz rechtfertigen würde.

Da die Vorschreibung der beiden Teilbeträge trennbar ist, war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Vorschreibung des (herabgesetzten) Teilbetrages für den Prüfeinsatz wendet, als unbegründet abzuweisen.

4. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit darin der Teilbetrag des Beitragszuschlages für die gesonderte Bearbeitung in der Höhe von EUR 200,-- vorgeschrieben wird, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 7. September 2011

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