VwGH 2010/05/0184

VwGH2010/05/018410.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde der L GmbH, vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herbertstraße 10, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. August 2010, Zl. IKD(BauR)-014180/1-2010- Hd/Wm, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei:

Landeshauptstadt Linz in 4040 Linz, Neues Rathaus, Hauptstraße 1- 5), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauO OÖ 1994 §27 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauO OÖ 1994 §27 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 16. Jänner 2009 zeigte die Beschwerdeführerin beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz die beabsichtige Errichtung einer elektrisch betriebenen Werbe- oder Ankündigungseinrichtung auf dem Grundstück mit der Adresse K.- Gasse 2 in Linz an. Gemäß den Einreichunterlagen soll die Anlage in Aluminium- und Stahlkonstruktion auf einem Betonfundament errichtet werden und eine Breite von 3,72 m, eine Höhe von 2,73 m, somit eine Fläche von 10,15 m2, eine Tiefe von 0,51 m, einen Abstand vom Fahrbahnrand von ca. 3,25 m und eine Gesamthöhe über dem Gehsteig/der Fahrbahn von 6,05 m (Oberkante) bzw. 3,32 m (Unterkante) aufweisen, wobei es sich um eine Frontalanlage mit leuchtender Anzeigefläche handelt.

Der amtliche Sachverständige Mag. Ing. L. verfasste dazu ein Gutachten vom 9. Februar 2009, in dem er zum Ergebnis kam, dass die Errichtung der angezeigten Werbeanlage (mit einer Größe von 3,72 m x 2,73 m) eine Störung des Ortsbildes bewirke und mit der Umgebung nicht vereinbar sei. Die Werbeanlage trete als ortsuntypischer Fremdkörper in Erscheinung. Die Fremdkörperwirkung werde durch die Größe der Werbefläche, die beleuchtete Ausführung sowie die exponierte Anbringung im Straßenraum bewirkt. Zudem werde für einen von Norden bzw. Süden kommenden Betrachter der untere Teil der Bauernberganlagen bzw. des ortsbildprägenden Gebäudes K-Gasse verdeckt. Der Begutachtungsbereich wurde vom Amtssachverständigen innerhalb des Straßenovalschnittes K-Gasse zwischen den Objekten Nr. 4 und 14 sowie dem Straßenzug S-Gasse zwischen den Objekten KW-Straße 33 und S-Gasse 17 begrenzt.

Die Beschwerdeführerin gab dazu eine das Gutachten anzweifelnde Stellungnahme ab.

Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz als Baubehörde 1. Instanz untersagte mit Bescheid vom 5. März 2009 die Errichtung der Werbeanlage wegen Störung des Orts- und Landschaftsbildes.

In der dagegen mit Eingabe vom 23. März 2009 erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin vorwiegend die Mangelhaftigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen geltend, die sich u.a. aus dem gänzlichen Fehlen von Lichtbildern, der mangelnden Ausarbeitung des "charakteristischen Ortsbildes" sowie der fehlenden Definition des "ortsuntypischen Fremdkörpers" ergebe.

Mit Schriftsatz vom 24. April 2009 wurde über Anforderung der Berufungsbehörde das Ortsbildgutachten vom Amtssachverständigen Mag. Ing. L. ergänzt und mit einer Lichtbildbeilage sowie einem Lageplan versehen. Demnach handle es sich bei der Werbeanlage (Originalzitate sind im gesamten Erkenntnis ohne Fehlerberichtigung wiedergegeben):

"um eine frei stehende Konstruktion (Werbemast) mit einer Höhe von 3,32 m und einer darauf befindlichen Werbefläche mit einer Breite von 3,82 m und einer Höhe von 2,80 m. Die Tiefe des Leuchtkastens beträgt 0,51 m. Die maximale Höhe der Anlage beträgt laut Baubeschreibung 6,05 m, der Abstand vom Fahrbahnrand beträgt ca. 3,25 m. Die Anzeigefläche tritt beleuchtet in Erscheinung. Die Aufstellung erfolgt unmittelbar an der Grundgrenze zum öffentlichen Gut. Die bestehende Einfriedung des Grundstücks 2667/3 zum öffentlichen Gut wird durch die Werbeanlage überragt. Die Werbefläche wird daher nicht verdeckt, sondern ist in voller Größe im Straßenraum sichtbar."

Auch erweiterte der Sachverständige den Begutachtungsbereich wie folgt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall war im Hinblick auf den für die Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung des Berufungsbescheides am 28. Oktober 2009 die O.ö. Bauordnung 1994 (O.ö. BauO 1994), LGBl. Nr. 66, idF LGBl. Nr. 36/2008 anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"§ 27

Sonderbestimmungen für Werbe- und Ankündigungseinrichtungen

(1) Werbe- und Ankündigungseinrichtungen aller Art (Tafeln, Schaukästen, Anschlagsäulen, sonstige Vorrichtungen und Gegenstände, an denen Werbungen und Ankündigungen angebracht werden können, Bezeichnungen, Beschriftungen, Hinweise und dgl.) und deren Beleuchtung dürfen ungeachtet des für den Aufstellungsort geltenden Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans errichtet werden, sofern dieser eine solche Errichtung nicht ausdrücklich ausschließt. Sie müssen so errichtet oder angebracht werden und in Ausmaß, Form, Farbe und Werkstoff so beschaffen sein, daß sie die Sicherheit nicht gefährden und ihr Erscheinungsbild das Orts- und Landschaftsbild nicht stört. Einem Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan im Sinn des ersten Satzes gleichzuhalten ist eine Erklärung zum Neuplanungsgebiet, die zum Zweck der Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungs- oder Bebauungsplans verordnet wurde, mit dem die Errichtung von Werbe- und Ankündigungseinrichtungen ausdrücklich ausgeschlossen werden soll.

(2) Die beabsichtigte Errichtung, Anbringung oder wesentliche Änderung von Werbe- und Ankündigungseinrichtungen

1. mit elektrisch betriebener, leuchtender oder beleuchteter Werbe- oder Anzeigefläche oder

2. mit insgesamt mehr als 4 m2 Werbe- oder Anzeigefläche ist der Baubehörde vor Ausführung des Vorhabens anzuzeigen.

(3) Für die Bauanzeige und das baubehördliche Anzeigeverfahren gelten § 25 Abs. 3 erster Satz und Abs. 4 Z. 3, § 25a Abs. 2 und 4 sowie § 28 Abs. 3; § 25a Abs. 1 gilt mit der Maßgabe, daß eine Untersagung der Ausführung des angezeigten Vorhabens nur wegen eines Widerspruchs zu Abs. 1 erfolgen kann.

§ 25a

Anzeigeverfahren

(1) Die Baubehörde hat innerhalb von acht Wochen ab Einlangen der vollständigen und ordnungsgemäß belegten Bauanzeige die Ausführung des Bauvorhabens zu untersagen, wenn

1. Abweisungsgründe im Sinn des § 30 Abs. 6 Z 1 oder des § 35 Abs. 1 Z 3 vorliegen oder

2. offensichtliche Abweisungsgründe im Sinn des § 30 Abs. 6 Z 2 festgestellt werden oder

3. das angezeigte Bauvorhaben einer Bewilligung nach § 24 Abs. 1 bedarf.

Die Untersagungsfrist ist gewahrt, wenn die Baubehörde den Bescheid am letzten Tag der achtwöchigen Frist nachweisbar abfertigt, z.B. der Post zur Zustellung übergibt. "

Unter einem Ortsbild versteht man in erster Linie die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles, gleichgültig ob nun die Betrachtung von innen oder von einem Standpunkt außerhalb des Ortes erfolgt. Geprägt wird dieses Ortsbild grundsätzlich von den baulichen Anlagen eines Ortes selbst. Damit ergibt sich, dass auch der Schutz des Ortsbildes mit den baulichen Anlagen eines Ortes untrennbar verbunden ist, wenn auch in diesem Zusammenhang Gesichtspunkte miteinbezogen werden, die über die Wirkung dieser baulichen Anlagen hinausgehen und etwa auch noch die bildhafte Wirkung von Grünanlagen, Parklandschaften, Schlossbergen und dergleichen miteinbezogen wird, die neben den baulichen Anlagen dem jeweiligen "Orts- und Stadtbild" das Gepräge geben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. April 1992, Zl. 91/06/0153).

Die Frage der Störung des Ortsbildes (oder Landschaftsbildes) kann nur durch ein begründetes Sachverständigengutachten geklärt werden. Dabei muss der Befund eine detaillierte Beschreibung der örtlichen Situation, möglichst untermauert durch Planskizzen oder Fotos, enthalten, und es müssen die charakteristischen Merkmale der für die Beurteilung einer allfälligen Störung in Betracht kommenden Teile des Orts- und Landschaftsbildes durch das Gutachten erkennbar sein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. März 1999, Zl. 98/05/0232, und vom 15. Mai 2012, Zl. 2009/05/0235). Nur ein konkret unter architektonischen Gesichtspunkten und Fakten näher begründetes Gutachten ist geeignet darzutun, dass und warum das Bauvorhaben dem Ortsbild widerspricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/05/0326).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde bei Vorliegen einander widersprechender Gutachten auf Grund eigener Überlegungen mit entsprechender Begründung einem Gutachten wegen dessen größerer Glaubwürdigkeit bzw. Schlüssigkeit den Vorzug geben. Ist sie dazu nicht in der Lage, so kann sie den von ihr bestellten Sachverständigen auffordern, sich mit den Aussagen des (anderen, insbesondere des Privat-) Sachverständigen - gegebenenfalls unter neuerlicher Gewährung von Parteiengehör - im Detail auseinanderzusetzen. Diesfalls kann die Sache (beispielsweise) erst dann im Sinne des § 56 AVG spruchreif sein, wenn die Behörde den beigezogenen Amtssachverständigen dazu veranlasst hat, die gegen sein Gutachten vorgetragene Kritik in jedem einzelnen Punkt in einer auch dem nicht fachkundigen Rechtsanwender einleuchtenden Weise zu widerlegen (oder sein Gutachten dementsprechend zu adaptieren) und den Bescheidverfasser damit in die Lage zu versetzen, die Einsichtigkeit der von der Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen in ebenso einleuchtender Weise detailliert darzustellen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2012, Zl. 2010/06/0147).

Die Aussagen von Amts- und Privatsachverständigen besitzen grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2009/09/0138).

Verfahrensgegenständlich befasste weder die Berufungsbehörde noch die belangte Behörde den Amtssachverständigen mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gegengutachten.

Nach Ansicht der belangten Behörde habe sich die Berufungsbehörde inhaltlich mit den beiden Gutachten auseinandergesetzt und schlüssig dargelegt, warum sie dem Gutachten des Amtssachverständigen Mag. Ing. L. gefolgt sei. (Anmerkung: Das erste Gutachten des Amtssachverständigen wird als im Ergänzungsgutachten aufgegangen betrachtet, weshalb hier nur von einem Gutachten des Amtssachverständigen die Rede ist.).

Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.

Die Berufungsbehörde - und ihr folgend die belangte Behörde - beanstandete die Ausführungen des Amtssachverständigen hinsichtlich der "Verdeckung eines erheblichen Teiles der Bauernberganlagen sowie der Bebauung K.-Gasse 4-12" als nicht nachvollziehbar; vielmehr sei von einer "teilweisen" optischen Abdeckung, je nach Blickwinkel des Betrachters, auszugehen. Damit qualifizierte die belangte Behörde den zentralen Teil der Beurteilung und Schlussfolgerung des Amtssachverständigen als unschlüssig, ohne jedoch gleichzeitig - auf sachverständiger Grundlage - nachvollziehbar zu begründen, warum trotz Wegfalls dieses Teiles der Entscheidungsgrundlage die Gesamtbeurteilung, dass die geplante Werbeanlage eine Störung des Orts- und Landschaftsbildes bewirke, unberührt blieb. Schon damit erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.

Auch die gemeinsame Charakteristik des Erscheinungsbildes wurde vom Amtssachverständigen nicht ausreichend herausgearbeitet. Der Amtssachverständige hat als charakteristisch lediglich den Übergang von städtischer Bebauung zu den weitläufigen Bauernberganlagen bezeichnet und die unter Denkmalschutz gestellte Parkanlage (Bauernberganlagen) sowie die Gebäude im Sichtbereich näher beschrieben sowie "markante" Gebäude hervorgehoben, ohne jedoch das charakteristische Erscheinungsbild des Beurteilungsgebietes zu definieren (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/05/0326).

Aufgrund der insofern begründeten Einwände hinsichtlich der Schlüssigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen wäre es Aufgabe der Berufungsbehörde gewesen, den Amtssachverständigen aufzufordern, sein eigenes Gutachten zu ergänzen und sich dabei mit den Aussagen des Privatsachverständigen im Detail auseinander zu setzen und insbesondere auch dessen Grundlagen zu erörtern und darzulegen, warum die Annahmen des Privatgutachters seiner Ansicht nach nicht richtig sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 2012, Zl. 2010/06/0147, und vom 29. Jänner 2013, Zl. 2010/05/0232).

Bei diesem Ergebnis war auf die weiteren Beschwerdeausführungen nicht mehr einzugehen.

Da die belangte Behörde die Mängel des der Entscheidung der Berufungsbehörde zugrunde gelegten Gutachtens verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 10. Dezember 2013

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