VwGH 2012/08/0190

VwGH2012/08/019019.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der V M in S, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland vom 3. Juli 2012, Zl. LGS-Bgld./KP1/0566/2012, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die von der Beschwerdeführerin bezogene Notstandshilfe für die Zeiträume vom 2. Juli 2008 bis zum 24. Jänner 2009, vom 16. März 2009 bis zum 25. September 2010 und vom 6. Dezember 2010 bis zum 20. November 2011 widerrufen bzw. deren Höhe neu bemessen. Der Überbezug in Höhe von EUR 17.296,83 wurde zum Rückersatz vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführerin beziehe seit 2. Mai 2005 mit kleineren Unterbrechungen Notstandshilfe. In ihren Anträgen auf Zuerkennung der Notstandshilfe habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, sie sei geschieden, alleinstehend und für ihre mj. Tochter V, geboren am 5. März 2000, sorgepflichtig. Der Vater dieses Kindes sei E G.

In einer schriftlichen Anzeige vom 22. Februar 2012 sei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice O (AMS) bekannt gegeben worden, dass die Beschwerdeführerin und E G. seit über zwölf Jahren gemeinsam an der Adresse in O., Sch-Gasse, wohnten. Sie würden eine Lebensgemeinschaft unterhalten und in der Gemeinde als "Paar" auftreten. Zudem benütze die Beschwerdeführerin täglich das auf E G. zugelassene Fahrzeug Skoda.

Die genannte Anzeige stammt vom Bruder der Beschwerdeführerin, M M., mit dem sie insbesondere wegen der Aufteilung des mütterlichen Erbes (zweier Häuser in F., G-Straße) in Streit lebt.

Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass das AMS dem M M. mit Schreiben vom 13. Februar 2012 folgenden Fragen unterbreitet hat:

"1. Wohnen (die Beschwerdeführerin) und Herr G. in einer gemeinsamen Wohnung?

2. Leben diese in einer Lebensgemeinschaft bzw. haben sie in einer Lebensgemeinschaft gelebt?

3. Treten sie als Paar auf?"

Diese Fragen beantwortete M M. im genannten Schreiben vom 22. Februar 2012 wie folgt:

"Wie bereits telefonisch besprochen werden folgende Fragen beantwortet:

1., (Die Beschwerdeführerin) wohnt seit über zwölf Jahren mit Hrn. E G. in der Sch. g. - O. Hr. G. ist auch der Wohnungseigentümer dieser Wohnung u. hat sich 2008 abgemeldet u. in S. Bstr. 54A bei seinen Eltern angemeldet.

(Die Beschwerdeführerin) ist seit Juli 2008 in O. gemeldet u.

davor in der Ostr. 23/8 bei Fr. ??? registriert.

2., Beide leben nachweislich in einer Lebensgemeinschaft in

obiger (Sch.g.) Wohnung.

3., Beide treten als Paar auf u. (die Beschwerdeführerin)

fährt täglich mit dem roten Skoda ... der auf den Namen E G.

Adr. O. Sch. g. zugelassen ist."

Die belangte Behörde stellte fest, dass zwischen der Beschwerdeführerin und E G. ab dem 2. Juli 2008 eine Lebensgemeinschaft bestehe. E G. sei in O., Sch-Gasse wohnhaft. In sämtlichen von der N. GmbH, der Dienstgeberin des E G., erstellten Lohnbescheinigungen sei diese Wohnanschrift angeführt worden. Er habe bei seinem Dienstgeber keine Adressänderung bekannt gegeben. Auch sein Fahrzeug sei nach wie vor an der genannten gemeinsamen Adresse gemeldet. Die Post von E G. werde nach wie vor an diese Adresse zugestellt. E G. sei Vater der Tochter der Beschwerdeführerin. Er halte sich in der gemeinsamen Wohnung auf. Die Beschwerdeführerin zahle für die Nutzung der genannten Eigentumswohnung keine Miete. Es gebe eine gemeinsame Freizeitplanung.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe seit dem 13. August 1986 einen Nebenwohnsitz an der Adresse in F., G-Straße, begründet habe und sie sei an dieser Adresse nach wie vor polizeilich gemeldet. Es handle sich um eines der beiden Mehrparteienhäuser, welche die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Bruder, M M., geerbt habe. Vom 2. Juli 2008 bis zum 12. Juni 2012 hätten die Beschwerdeführerin und ihre Tochter V ihren Hauptwohnsitz an der Adresse in O., Sch-Gasse, (Unterkunftgeber: E G.) gehabt. E G. sei dort bis zum 25. März 2008 mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen. Seit dem 25. März 2008 sei er in S., E-Gasse, mit Hauptwohnsitz gemeldet. Es handle sich um sein Elternhaus, in welchem auch seine Eltern und sein Bruder mit Hauptwohnsitz gemeldet seien. Überdies unterhalte seine Schwester dort einen Nebenwohnsitz.

In seiner Befragung als Zeuge habe E G. am 1. Februar 2012 angegeben, nicht zu wissen, ob die Wohnung in O., Sch-Gasse, als Neben- oder Hauptwohnsitz geführt würde. Dies lasse nur den Schluss zu, dass er nicht Bescheid wisse, ob er selbst noch in der Wohnung polizeilich gemeldet sei. Der Umstand, über den eigenen Meldestatus nicht Bescheid zu wissen und keine Kenntnis über den Meldestatus der Mieter in der Wohnung zu haben, könne nur dahin gewertet werden, dass von E G. keine tatsächliche Übersiedlung nach S. vorgenommen worden sei. Zudem sei es nicht schlüssig nachvollziehbar, dass eine Person die eigene Eigentumswohnung einer anderen Person zur freien Bewohnung zur Verfügung stelle, selbst Wohnung im Elternhaus mit den Eltern und dem dort ansässigen Bruder nehme, ohne dass ein besonderes Naheverhältnis, welches über die im gegenständlichen Fall behauptete Freundschaft hinausgehe, vorliege. In der genannten Befragung habe E G. darüber hinaus angegeben, dass es über die Wohnung O., Sch-Gasse, keinen Mietvertrag sondern nur eine mündliche Vereinbarung gebe. Er habe der Beschwerdeführerin die Wohnung zur Verfügung gestellt, weil sie eine Unterkunft benötigt habe. Ihre Verlassenschaftssache sei nicht abgeschlossen gewesen und sie habe in das (ererbte) Haus in S. noch nicht einziehen können. Es sei nur eine befristete Wohnsitznahme geplant gewesen. Er bezahle die Kosten für die Wohnung (Miete und Betriebskosten). Die Beschwerdeführerin würde ihm die Kosten "für den tatsächlichen Verbrauch (Betriebskosten) in bar rückerstatten". Auch über diese Vereinbarung bestehe kein schriftlicher Nachweis.

Die Beschwerdeführerin habe am 1. Februar 2012 niederschriftlich angegeben, sie sei zur Hälfte Besitzerin der beiden Häuser in S., G-Straße. Sie habe dort kein Wohnrecht und mit E G. mündlich vereinbart, dass er (für die Benützung seiner Eigentumswohnung) die Miete und die Betriebskosten weiterhin zur Gänze erstatte und dafür keine Alimente für die Tochter V bezahlen müsse. Sie selbst würde weder Miete noch Betriebskosten bezahlen. Für die Lebenshaltung für sich und ihre Tochter komme sie selbst auf. Sie verrichte keine Tätigkeiten (Waschen, Kochen, Bügeln etc.) für E G.

Diese beiden Angaben - so die belangte Behörde weiter - differierten hinsichtlich der Angaben, von wem die Betriebskosten getragen würden. In Anbetracht einen Zeitraums vom 2. Juli 2008 bis zum 12. Juni 2012 könne nicht von einer "vorübergehenden Wohnsitznahme" in der Wohnung in O., Sch-Gasse, gesprochen werden. Aus dem Umstand, dass E G. der Beschwerdeführerin seine Wohnung ohne entsprechende Gegenleistung und ohne Bezahlung der Betriebskosten zur Verfügung gestellt habe, sei nur glaubwürdig, wenn zwischen den genannten Personen ein Naheverhältnis bestünde. Für eine Lebensgemeinschaft spreche, dass E G. der Vater der Tochter V sei, er die Wohnungskosten trage und er (der Beschwerdeführerin) sein Auto für sämtliche Fahrten zur Verfügung stelle. Der Umstand, dass dieses Auto fast immer vor dem Wohnhaus in O. parke, sei ein Indiz dafür, dass dass E G. in der Wohnung nach wie vor wohnhaft sei. Auch das gemeinsame Auftreten der Beschwerdeführerin und E G. anlässlich von Aktivitäten der gemeinsamen Tochter (z.B. Schulauftritte etc.), zu denen auch eine gemeinsame Anreise erfolge, spreche für eine "Familienzusammengehörigkeit". Ob gemeinsame Urlaube geplant würden, sei nicht relevant, zumal sich die Beschwerdeführerin und E G. gemeinsam um die Tochter kümmern würden, gemeinsam "für den Lernerfolg in der Schule zur Verfügung" stünden und auch gemeinsam die Betreuung des Kindes übernehmen würden.

Es liege eine Wirtschaftsgemeinschaft vor, zumal die Beschwerdeführerin in der Wohnung des E G. mietfrei mit der gemeinsamen Tochter leben würde und gemeinsam mit diesem dessen Wagen benütze. E G. habe auch bestätigt, dass er sich in der Wohnung zwecks Betreuung des gemeinsamen Kindes aufhalte und dass er auch in der Wohnung zeitweise (wenn die Beschwerdeführerin für eine Beaufsichtigung keine Zeit habe) nächtige.

Es sei auch von einer Geschlechtsgemeinschaft auszugehen, zumal E G. und die Beschwerdeführerin eine gemeinsame Tochter hätten.

Unter Berücksichtigung des Einkommens des E G. liege vom 2. Juli 2008 bis zum 31. August 2010 die Anspruchsvoraussetzung einer Notlage nicht vor. Für diesen Zeitraum sei der Notstandshilfebezug zu widerrufen. Für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis zum 20. November 2011 sei eine - näher dargestellten - Neubemessung der Notstandshilfe vorzunehmen gewesen.

Die Beschwerdeführerin wäre gemäß § 50 AlVG verpflichtet gewesen, ihren Familienstand ordnungsgemäß bekannt zu geben. Sie sei bei jeder Antragstellung hinsichtlich falscher Angaben und dem Verschweigen von maßgeblichen Tatsachen sowie über die Folgen aufgeklärt worden und habe den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben in den jeweiligen Anträgen mit ihrer Unterschrift bestätigt. Die Beschwerdeführerin habe das Bestehen der Lebensgemeinschaft mit E G. verschwiegen. Es sei der Rückforderungstatbestand gemäß § 25 Abs. 1 AlVG hinsichtlich eines - näher aufgeschlüsselten - Betrages von EUR 17.296,83 gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar. Unter dem Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft ist zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen, etwa auch die Freizeit weitgehend gemeinsam verbringen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. November 2009, Zl. 2009/08/0081).

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Beschwerdeführerin (sowie ihre Tochter) und E G. gemeinsam dessen Eigentumswohnung (zur Gänze) bewohnen (vgl. zur Maßgeblichkeit dieser Frage bei der Beurteilung des Vorliegens einer Wirtschaftsgemeinschaft anhand des Kriteriums einer Beteiligung an den Wohnkosten das hg. Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2007/08/0023).

Die Beschwerde bringt vor, die Beschwerdeführerin sei nach dem Tod ihrer Mutter im Zuge der Verlassenschaft mit ihrem Bruder in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten verwickelt gewesen, sie sei mit ihm verfeindet und habe seit ca. 30 Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen. In der (erwähnten) schriftlichen Stellungnahme an das AMS habe M M. auf ein zuvor geführtes Telefonat verwiesen, über das kein Aktenvermerk aufscheine. Die belangte Behörde habe die Beweiswürdigung völlig einseitig und willkürlich zum Nachteil der Beschwerdeführerin gestaltet, insbesondere indem sie - ohne den Anzeiger M M. jemals befragt zu haben - lediglich auf Grund dessen kursorischer Eingabe vom 22. Februar 2012 diesem mehr Glauben geschenkt habe, als dem unter Wahrheitspflicht einvernommenen E G. Dies trotz (Kenntnis) der "eklatanten Bösartigkeit" des M M. sowie dessen Motivation, sich das Erbe der Beschwerdeführerin "billig anzueignen", indem er ihr größtmögliche Schwierigkeiten bereite. Bereits im Verwaltungsverfahren habe die Beschwerdeführerin wiederholt beanstandet, dass M M. nicht als Zeuge vernommen worden sei.

Außerdem entspreche der Schluss von einer im Jahr 2000 geborenen gemeinsamen Tochter auf eine im hier gegenständlichen Zeitraum aktuelle Geschlechtsgemeinschaft nicht den Erfordernissen einer mängelfreien Beweiswürdigung.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin einen wesentlichen Verfahrensmangel auf.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen.

Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d. h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2003/08/0233, mwN).

Nach § 46 AVG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Auch eine telefonische Stellungnahme einer als Zeugin in Frage kommenden Person ist daher an sich im Verwaltungsverfahren ein zulässiges Beweismittel.

Liegen aber - wie hier - widersprechende Beweisergebnisse vor und kommt der Beweiswürdigung im konkreten Fall besondere Bedeutung zu, ist eine formlose Befragung, die Einholung einer telefonischen Stellungnahme oder die Einholung einer schriftlichen Stellungnahme (die noch dazu - wie im vorliegenden Fall - eine Konkretisierung vermeintlicher Wahrnehmungen vermissen lässt) nicht ausreichend, um den Grundsätzen der Amtswegigkeit des Verfahrens und der Erforschung der materiellen Wahrheit zu genügen. Diesfalls hat die Behörde jene Person, von der nur eine derartige Stellungnahme vorliegt, als Zeugen niederschriftlich zu vernehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. September 2012, Zl. 2011/08/0177, mwN).

Aus der mit E G. und der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift vom 1. Februar 2012 lässt sich unmittelbar kein Beweisergebnis dahin entnehmen, dass beide genannten Personen gemeinsam wohnen und wirtschaften. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde beruht zwar darauf, dass deren Angaben nicht glaubwürdig seien, sie konnte sich aber - in Ermangelung anderer Ermittlungsergebnisse - bei der Feststellung, dass im fraglichen Zeitraum eine Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführerin mit E G. vorlag, auf kein anderes Ermittlungsergebnis gestützt haben, als auf die Angaben des - nicht förmlich als Zeugen vernommenen - M M. Insoweit ist aber weder aktenkundig, welche konkreten Wahrnehmungen M M. in Bezug auf die Merkmale der von ihm behaupteten Lebensgemeinschaft, in der seine Schwester mit E G. - seiner Meinung nach "nachweislich" - leben soll, gemacht hat, noch hat sich die belangte Behörde - in gleicher Weise wie bei E G. und der Beschwerdeführerin - durch eine förmliche Einvernahme des M M. von dessen Glaubwürdigkeit überzeugt. Selbst wenn man aber die Angaben des M M. hinsichtlich eines "Auftretens als Paar" und der Nutzung des PKW des E G. durch die Beschwerdeführerin als glaubwürdig beurteilt, so mögen daraus allenfalls dann Indizien für eine Lebensgemeinschaft ableitbar sein, vorausgesetzt, dass zumindest Beweisergebnisse für ein gemeinsames Wohnen im strittigen Zeitraum vorliegen. Davon kann aber nach der derzeitigen Aktenlage keine Rede sein, da sich die Angaben des M M. (abgesehen von der Behauptung des Auftretens als Paar und der Nutzung des PKW) in der (Rechts-)Behauptung des Lebens in Lebensgemeinschaft (weshalb die Meldedaten unrichtig seien) erschöpfen. Die Beurteilung der Frage, ob eine Lebensgemeinschaft im Rechtssinne vorliegt, obliegt aber als Rechtsfrage der Behörde und setzt voraus, dass in tatsächlicher Hinsicht zumindest eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft im fraglichen Zeitraum erwiesen ist. Damit wurden jedoch die Feststellungen betreffend das Bestehen einer Lebensgemeinschaft nicht in einem mängelfreien Verfahren getroffen. Die belangte Behörde hätte M M. förmlich als Zeugen zu jenen konkreten Umständen befragen müssen, die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft sprechen.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 19. Dezember 2012

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