VwGH 2009/08/0081

VwGH2009/08/008118.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Mag. N V in I, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 19/I, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 26. Februar 2009, Zl. LGSTi/V/0553/5414 12 01 59-702/2009, betreffend Abweisung des Antrags auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §38;
NotstandshilfeV §2 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
VwRallg;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §38;
NotstandshilfeV §2 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 3. Dezember 2008 einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe. Als Familienstand wurde "Lebensgemeinschaft" angegeben. Zur Frage im Antragsformular, ob in seinem Haushalt Angehörige leben, führte er als Lebensgefährtin H. an und brachte eine "Lohnbescheinigung" betreffend das Einkommen von H. ein.

Im Akt befindet sich weiters ein Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld mit Geltendmachung 13. August 2008, in welchem ebenso als Familienstand "Lebensgemeinschaft" und H. als Lebensgefährtin angegeben wurde.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 19. Dezember 2008 wurde dem Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe vom 3. Dezember 2008 gemäß § 33 AlVG und § 2 Notstandshilfe-Verordnung (NHV) mangels Notlage keine Folge gegeben und dies damit begründet, dass das anrechenbare Einkommen der Lebensgefährtin trotz Abzug aller gesetzlichen Freigrenzen die gebührende Notstandshilfe übersteige.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, dass er mit H. noch zusammenlebe. Sie befänden sich jedoch "in Trennung". Auf Grund des langen Zusammenlebens sei H. dennoch bereit, den Beschwerdeführer wie bisher "ein wenig zu unterstützen"; sie sei aber weder imstande noch willens, alle seine Lebenserhaltungskosten zu übernehmen. Die Wohnsituation in Innsbruck sei angespannt, sodass es aussichtslos erscheine, eine preisgünstigere und den Verhältnissen des Beschwerdeführers entsprechende Wohnung zu finden. Die derzeitigen Kosten betrügen ca. EUR 540,-- oder EUR 270,-- pro Person. Auch für H. sei die Suche nach einer neuen Wohnung nicht günstig, daher sei die weitere gemeinsame Nutzung der Wohnung für beide eine günstigere Option. Im Weiteren brachte der Beschwerdeführer vor, dass "auf Grund seines Alters, seiner Behinderung und insbesondere der aktuellen Wirtschaftslage" die Aussichten auf eine baldige Beschäftigung gering seien, und wies auf die Aussicht einer einmaligen Beihilfe (eines Stipendiums) seitens der Universität I. zum Abschluss seines Studiums hin, wozu er bis zur Entscheidung darüber für die Überbrückung der nächsten zwei bis drei Monate eine finanzielle Unterstützung benötige.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend wurde nach Darlegung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, dass ausgehend vom Berufungsvorbringen auf Grund des gemeinsamen Wohnens, der geteilten Mietkosten und der wirtschaftlichen Unterstützung seitens H. (zumindest) das Vorliegen der Wohn- und insbesondere der Wirtschaftsgemeinschaft als erwiesen anzusehen sei. Da der Wirtschaftsgemeinschaft nach der Rechtsprechung überragende Bedeutung zukomme und das eine oder andere Element der Lebensgemeinschaft, sohin insbesondere die Geschlechtsgemeinschaft, weniger ausgeprägt sein oder gänzlich fehlen könne, erachte die belangte Behörde eine Lebensgemeinschaft als gegeben. Bei Beurteilung der Notlage seien daher die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten und insbesondere das Einkommen der Lebensgefährtin H. im Sinn des § 2 Abs. 2 NHV zu berücksichtigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in Notlage befindet.

Gemäß § 2 Abs. 1 der Notstandshilfeverordnung liegt Notlage vor, wenn das Einkommen des Arbeitslosen und das seines Ehepartners bzw. Lebensgefährten oder seiner Lebensgefährtin zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht ausreicht. Die Vorgangsweise bei Heranziehen des Einkommens des Ehepartners bzw. des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin für die Beurteilung der Notlage ist näher im § 6 der Notstandshilfeverordnung geregelt.

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die konkrete Berechnung der Höhe der Notstandshilfe und er zieht auch das Ergebnis nicht in Zweifel, zu dem die belangte Behörde gelangt ist, nämlich, dass die anzurechnenden Einkünfte der Lebensgefährtin den Notstandshilfeanspruch übersteigen. Er bekämpft jedoch die Auffassung der belangten Behörde, dass überhaupt eine Lebensgemeinschaft vorliege, die zur Anrechnung führe, und vermeint, dass sein "Zusammenleben" lediglich auf gemeinsamem Wohnen beruhe und ein eheähnliches Zusammenleben in keiner Weise stattfinde, wozu er das Fehlen weiterer Ermittlungen rügt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber - wie auch bei einer Ehe - das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 4. Oktober 2001, Zl. 96/08/0312, mwN, und vom 14. Jänner 2004, Zl. 2002/08/0038).

Unter dem Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft ist zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen, etwa auch die Freizeit weitgehend gemeinsam verbringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0318).

Der Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten liegt offenkundig die Annahme zu Grunde, dass dieser wegen der Lebens- (Wohn-)Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil (etwa durch Mitfinanzierung der Miete oder der Ernährung) beiträgt. Gemeinsames Wohnen allein begründet auch zwischen Personen, die gemeinsame Kinder haben, noch keine Lebensgemeinschaft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 2001/08/0101).

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist -

die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regelungen unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d.h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre.

Unter Bedachtnahme auf die genannten Grundsätze kann es der belangten Behörde nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn sie im vorliegenden Fall das Bestehen einer Lebensgemeinschaft angenommen hat:

Allein mit der Behauptung des Vorliegens bloßer "Scheinfeststellungen" vermag der Beschwerdeführer die schlüssige Argumentation der belangten Behörde, die ausgehend vom Berufungsvorbringen zur Feststellung des Vorliegens einer Wirtschafts- und Wohnungsgemeinschaft kommt, nicht zu erschüttern. Die Beschwerde bestreitet im Übrigen auch nicht die Richtigkeit der Berufungsangaben, wonach H. den Beschwerdeführer weiterhin - zumindest teilweise - unterstütze und von beiden die Mietaufwendungen für die gemeinsam benutzte Wohnung im Hälfteausmaß von je EUR 270,-- getragen würden. Unter Zugrundelegung dessen erübrigten sich aber weitere Ermittlungen bzw. Feststellungen zum allfälligen Vorliegen auch einer Geschlechtsgemeinschaft, da die - wie zuvor ausgeführten - überwiegenden anderen und im hier vorliegenden Zusammenhang in erster Linie maßgebenden Elemente für die Bejahung einer Lebensgemeinschaft gegeben waren.

Der angefochtene Bescheid ist daher frei von Rechtsirrtum, wenn die belangte Behörde ausgehend vom Vorliegen einer Lebensgemeinschaft in Folge der Anrechnung des Einkommens von H. zu einer abschlägigen Behandlung des Antrags des Beschwerdeführers gelangt ist.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. November 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte