VwGH 2012/06/0107

VwGH2012/06/010720.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerden der G W in S, vertreten durch die KMR Rechtsanwaltssozietät in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen 1) den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. Mai 2012, Zl. Verk-980224/1-2012-Ba/Le (registriert zu Zl. 2012/06/0113), betreffend Feststellung gemäß Oberösterreichischem Straßengesetz 1991 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S), und 2) den Beschluss des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 21. März 2012, Zl. UwSen-420665/27/WIE/Ba (registriert zu Zl. 2012/06/0107), betreffend Ersatzvornahme (weitere Partei: Landesregierung Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13;
AVG §56;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
LStG OÖ 1991 §5 Abs2;
VVG §10;
VVG §4;
VVG §9;
AVG §13;
AVG §56;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
LStG OÖ 1991 §5 Abs2;
VVG §10;
VVG §4;
VVG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerden und den diesen angeschlossenen Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides der Oberösterreichischen Landesregierung sowie des angefochtenen Beschlusses des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (UVS) ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Zur Vorgeschichte der Beschwerdefälle wird auf die hg. Erkenntnisse vom 24. August 2011, Zl. 2011/06/0103, vom 18. Mai 2010, Zl. 2010/06/0035, vom 30. April 2009, Zl. 2007/05/0289, vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0016, vom 16. Dezember 2003, Zl. 2003/05/0161, und vom 28. September 1999, Zl. 99/05/0137, verwiesen. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführerin bereits in erster Instanz mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. November 1997, bestätigt mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 6. November 1998 rechtskräftig aufgetragen worden war, den entlang des öffentlichen Weges Grundstück Nr. 1154/1, KG F., errichteten Zaun und die in einer Entfernung von ca. 0,7 bis 1 m zum öffentlichen Weggrundstück gepflanzten Obstbäume zu entfernen oder so zu versetzen, dass der Zaun einen Mindestabstand von 2 m und die Obstbäume einen solchen von 3 m zum nächstgelegenen Fahrbahnrand halten. Die gegen den Entfernungsauftrag eingebrachten Rechtsmittel wurden - ebenso wie die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde mit hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2003, Zl. 2003/05/0161 - als unbegründet abgewiesen. Mit Bescheid vom 12. April 2002 erließ die BH E die Anordnung einer Ersatzvornahme (Vollstreckungsverfügung) samt Vorauszahlung der Kosten derselben. Der dagegen eingebrachten Berufung gab die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 29. Mai 2002 keine Folge; die Vollstreckungsverfügung erwuchs in Rechtskraft.

Mit Eingabe vom 8. August 2002 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur Unterschreitung der Abstandsvorschriften gemäß §§ 18 und 19 Oberösterreichisches Straßengesetz 1991 (Oö. Straßengesetz 1991), welcher im Instanzenzug mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9. Dezember 2003 abgewiesen wurde; die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0016, als unbegründet abgewiesen.

Daraufhin begehrte die Beschwerdeführerin am 5. September 2009 und am 19. Oktober 2009, die Bezirkshauptmannschaft E. (BH) möge feststellen, dass das Grundstück Nr. 1154/1, KG F, keine Straße im Sinn des Oö. Straßengesetzes 1991 sei. Mit Bescheid vom 6. November 2009 wies die BH den Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin mangels Zuständigkeit zurück. Sodann brachte die Beschwerdeführerin einen solchen Feststellungsantrag mit Schreiben vom 18. November 2009 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde ein. Dazu teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Schreiben vom 1. März 2010 mit, dass eine Feststellung der Straßeneigenschaft eines Grundstückes mit Bescheid im Oö. Straßengesetz 1991 nicht vorgesehen sei. Die gegen dieses Schreiben von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung vom 15. März 2010 wurde vom Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 als unzulässig zurückgewiesen, weil der Erledigung vom 1. März 2010 kein Bescheidcharakter zukomme. Auch der dagegen eingebrachten Vorstellung wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Mai 2011 keine Folge gegeben; die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 24. August 2011, Zl. 2011/06/0103, mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides als unbegründet abgewiesen. Auch die gegen den Zurückweisungsbescheid der BH vom 6. November 2009 eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin wurde von der Oberösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof wies die dagegen eingebrachte Beschwerde mit hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2010, Zl. 2010/06/0035, ebenfalls als unbegründet ab und führte dazu im Wesentlichen aus, dass sowohl die BH in erster Instanz als auch die Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde für die angestrebte Feststellung, dass es sich bei dem Grundstück um keine öffentliche Straße handle, unzuständig gewesen seien.

Da der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. November 2009 auf Feststellung, dass das öffentliche Gut Grundstück Nr. 1154/1 der KG F keine öffentliche Straße im Sinn des Oö. Straßengesetzes 1991 sei, nicht fristgerecht entschieden hatte, stellte die Beschwerdeführerin am 20. Juni 2011 einen Devolutionsantrag; der so zuständig gewordene Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde wies den Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 als unzulässig zurück, weil ein derartiger Antrag im Oö. Straßengesetz 1991 nicht vorgesehen sei; die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei auch deshalb unzulässig, weil der Gegenstand des Antrages in der Begründung eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides - nämlich im Bescheid des Gemeinderates vom 6. November 1998 - bereits rechtskräftig beantwortet worden sei.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen eingebrachten Vorstellung keine Folge und stellte fest, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt werde. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass die zum Gegenstand des Feststellungsantrages gemachte Frage bereits rechtskräftig entschieden worden sei, weshalb sie nicht später im Wege eines Feststellungsbescheides neuerlich entschieden werden könne. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe den von den Gemeindebehörden erlassenen Entfernungsauftrag mit hg. Erkenntnis vom 28. September 1999, Zl. 99/05/0137, bestätigt, was nur möglich sei, wenn das betreffende Weggrundstück eine öffentliche Verkehrsfläche im Sinn des Oö. Straßengesetzes 1991 darstelle. Da das Feststellungsinteresse auch im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens entschieden werden könne, sei keine Notwendigkeit für die Erlassung eines Feststellungsbescheides als bloß subsidiärer Rechtsbehelf gegeben. Wenn die Beschwerdeführerin zum Schutz ihres Viehbestandes die Neuerrichtung eines Weidezaunes und das Wiedereinsetzen von Bäumen in dem strittigen Bereich plane, seien für derartige künftige Maßnahmen die Bestimmungen der §§ 18 und 19 Oö. Straßengesetz 1991 einschlägig. Der Verwaltungsgerichtshof habe in dem die Beschwerdeführerin betreffenden Erkenntnis vom 18. Mai 2010, Zl. 2010/06/0035, auch bestätigt, dass das Hindernis, die Rechtmäßigkeit des Titelbescheides im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung eines Beseitigungsauftrages zu hinterfragen, zulässigerweise nicht durch ein Feststellungsbegehren umgangen werden könne.

Eine Befangenheit des Bürgermeisters, weil er an der Entscheidung im Gemeinderat mitgewirkt habe, könne von der belangten Behörde nicht erkannt werden, weil der Bürgermeister keinen erstinstanzlichen Bescheid erlassen habe. Da der Berufungsbescheid auf einem Beschluss des Gemeinderates vom 15. Dezember 2011 beruhe, komme auch dem Umstand, dass er mit der Fertigungsklausel "der Bürgermeister: Ing. D." unterzeichnet worden sei, keine rechtserhebliche Bedeutung zu.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2011 drohte die BH E der Beschwerdeführerin die Ersatzvornahme an und räumte ihr eine weitere Frist von zwei Monaten für das Einhalten ihrer Leistungsverpflichtung ein.

Am 14. Februar (ergänzt am 11. März), 16. März und zuletzt am 22. März 2011 stellte die Beschwerdeführerin jeweils Anträge auf Aufschiebung der Ersatzvornahme und Einstellung des Vollstreckungsverfahrens bis zur Entscheidung der Verfahren betreffend die Einwendungen gegen den Vollstreckungstitel wegen der angeblich fehlenden Straßeneigenschaft des öffentlichen Weges auf Grundstück Nr. 1154/1, KG F. Diese Anträge wurden mit Bescheid der erstmitbeteiligten Marktgemeinde vom 18. März 2011 abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Juni 2011 ebenfalls abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Frage der Straßeneigenschaft bereits rechtskräftig entschieden sei. Im Vollstreckungsverfahren sei der Bescheid über die Anordnung der Ersatzvornahme mit der Berufungsentscheidung vom 12. April 2002 in Rechtskraft erwachsen und die dagegen eingebrachte Beschwerde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2003, Zl. 2003/05/0161, als unbegründet abgewiesen worden.

Am Nachmittag des 21. März 2011 führten sodann der Bezirkshauptmann und der Bundespolizeikommandant von E. mit der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann ein Informationsgespräch über die für den nächsten Tag geplante Ersatzvornahme. Gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin wurde gleichzeitig ein Waffenverbot erlassen; eine Sicherstellung der Waffen erfolgte nicht, weil der Schlüssel zum Waffenschrank nicht vor Ort war.

Die Ersatzvornahme erfolgte am 22. März 2011 unter der Leitung eines Behördenvertreters und unter Beiziehung von Sicherheitsorganen durch ein privates Unternehmen. Es waren sieben Polizeiorgane im Einsatz, wobei zwei jeweils mit einem Einsatzwagen in einigen hundert Metern Entfernung die Zufahrt absperrten und - neben dem Einsatzleiter - drei Polizeibeamte direkt vor Ort eingesetzt waren. Eine weitere Polizistin war zur Observation der Beschwerdeführerin, die schon am Vortag einen psychisch und physisch angeschlagenen und angespannten Eindruck gemacht hatte, eingesetzt. Die Polizistin hielt sich meist im Abstand von einigen Metern in Sichtweite der Beschwerdeführerin, die sich frei bewegte, die Ersatzvornahme mitverfolgte und fotografierte, auf. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann verhielten sich ruhig, es ereigneten sich keine Zwischenfälle. Da der Bürgermeister und der Amtsleiter der mitbeteiligten Marktgemeinde als gefährdete Personen eingeschätzt wurden, wurde für diese tagsüber Personenschutz durch Einsatzkräfte der EKO-Cobra-Mitte und nachts Objektschutz durch Kräfte des Bezirkspolizeikommandos vorgesehen.

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2011 erhob die Beschwerdeführerin an den UVS (belangte Behörde) Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG wegen der am 22. März 2011 durchgeführten Ersatzvornahme. In ihrer Begründung brachte sie u. a. vor, sie habe sich wegen der Bewachung einer eigens zu ihrer Überwachung abgestellten Beamtin nicht frei bewegen können; die Beiziehung von "an die 20 Cobra-Beamten" sei nicht notwendig gewesen. Darüber hinaus bestritt sie, dass die Straßeneigenschaft bereits rechtskräftig festgestellt worden sei, und brachte vor, gemäß dem "Titelauftrag" wären lediglich 50 Bäume und 47 Holzsteher zu entfernen gewesen, tatsächlich seien aber 57 Bäume und 48 Kunststoffsteher entfernt worden. Auch das Ausgraben der Wurzelstöcke wäre nicht notwendig gewesen; unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätte ein Abschneiden der Bäume ausgereicht. Der Titelbescheid umfasse lediglich das Entfernen der Bäume, das Ausgraben der Wurzelstöcke sei davon nicht umfasst.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und einer mündlichen Verhandlung am 10. November 2011 wies der UVS mit dem zweitangefochtenen Bescheid die Beschwerde betreffend die behauptete Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt als unzulässig zurück. Dies begründete er - unter Hinweis auf zahlreiche Literatur- und Judikaturzitate - im Wesentlichen damit, dass Zwangsakte, die im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens gesetzt würden, keine Maßnahmen der behördlichen Befehls- und Zwangsgewalt seien, sofern sie aufgrund einer Vollstreckungsverfügung iSd § 10 Abs. 2 VVG gesetzt würden; die Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat sei daher zurückzuweisen. Im vorliegenden Fall lägen ein rechtskräftiger Titelbescheid (vom 6. November 1998) und eine rechtkräftige Vollstreckungsverfügung betreffend die Anordnung der Ersatzvornahme (vom 12. April 2002) vor. Weder Titelbescheid noch Vollstreckungsverfügung seien durch die Ersatzvornahme überschritten worden; der Entfernungsauftrag spreche allgemein von der Entfernung der nordöstlich des Zaunes gepflanzten Obstbäume innerhalb eines Bereiches von 3 m vom Fahrbahnrand, ohne eine bestimmte Zahl anzugeben. Sowohl der Titelbescheid als auch die Vollstreckungsverfügung ordneten die Entfernung der Bäume an; dies umfasse auch das Ausgraben der Wurzelstöcke, weil ein Baum aus einer Baumkrone, einem Stamm und dem Wurzelstock bestehe. Aus Anlass des im Vollstreckungsverfahren erlassenen Bescheides vom 12. April 2002 über die Ersatzvornahme und die Kostenvorschreibung habe die Beschwerdeführerin bereits vorgebracht, sie habe den Zaun entfernt und mit anderen Materialien (Kunststoff statt Holz) sowie an anderer Stelle - nämlich um 30 cm rückversetzt - neu errichtet. Dies habe auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 2003, Zl. 2003/05/0161, nicht als wesentliche Änderung des Sachverhaltes beurteilt, weil der Zaun nach wie vor keinen Mindestabstand von 2 m zum nächstgelegenen Fahrbahnrand halte; ob der Maschendrahtzaun an Holz- oder Kunststoffstehern befestigt sei, mache dabei keinen Unterschied. Eine Unzulässigkeit der Vollstreckung iSd § 10 Abs. 2 Z 1 VVG müsse mit einer Berufung gegen die Vollstreckungsverfügung geltend gemacht werden; dies scheitere aber vorliegend an der Rechtskraft und Verbindlichkeit der Vollstreckungsverfügung.

Durch die Beobachtung und Überwachung einer Polizistin während der Ersatzvornahme sei die Beschwerdeführerin in keinem subjektiven Recht verletzt worden. Über Vorhalt in der mündlichen Verhandlung habe die Beschwerdeführerin selbst einräumen müssen, dass sie durch die Observation der Polizistin nicht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt worden sei. Von einer physischen Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit könne keine Rede sein. Gemäß § 9 VVG könne die Vollstreckungsbehörde Organe der öffentlichen Aufsicht heranziehen, und zwar nicht erst nach tatsächlich geleistetem Widerstand. Angesichts des durch langjährige Auseinandersetzungen belasteten Falls sei das Bedürfnis der Vollstreckungsbehörde, vorbeugende Maßnahmen zur Sicherung der Ersatzvornahme zu treffen, um einen reibungslosen Ablauf der Zwangsvollstreckung zu gewährleisten, berechtigt. Bei der Ersatzvornahme seien vom Behördenvertreter keine Einsatzkräfte der EKO-Cobra gesehen worden; auf den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Fotos seien maximal sechs Polizisten, aber kein Mitglied der EKO-Cobra zu sehen. Hinsichtlich der Durchführung der Vollstreckungsmaßnahmen und der zur Sicherung derselben geplanten Begleitmaßnahmen bestehe kein Mitspracherecht des Verpflichteten, sodass es nicht entscheidungsrelevant sei, wie viele Polizeibeamte und ob auch Beamte der EKO-Cobra im Einsatz gewesen seien.

In den gegen den angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung und gegen den Beschluss des UVS erhobenen Beschwerden wird Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Zum erstangefochtenen Bescheid:

§ 5 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 und 2 Oö. Straßengesetz 1991, LGBl. Nr. 84/1991, i.d.F. LGBl. Nr. 82/1997, lauten samt Überschrift:

"§ 5

Öffentliches Gut

(1) ...

(2) Grundstücke, die im Grundbuch als öffentliches Gut (Straßen, Wege usw.) eingetragen sind und allgemein für Verkehrszwecke benützt werden, gelten bis zum Beweis des Gegenteiles als öffentliche Straße im Sinne dieses Landesgesetzes.

§ 18

Bauten und Anlagen an öffentlichen Straßen

(1) Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, dürfen Bauten und sonstige Anlagen, wie lebende Zäune, Hecken, Park- und Lagerplätze, Teiche, Sand- und Schottergruben, an öffentlichen Straßen, ausgenommen Verkehrsflächen gemäß § 8 Abs. 2 Z 3, innerhalb eines Bereichs von acht Metern neben dem Straßenrand nur mit Zustimmung der Straßenverwaltung errichtet werden. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn dadurch die gefahrlose Benützbarkeit der Straße nicht beeinträchtigt wird. Wird die Zustimmung nicht oder nicht binnen einer Frist von sechs Wochen ab schriftlicher Antragstellung erteilt, entscheidet über die Zulässigkeit die Behörde mit Bescheid, wobei in diesem Verfahren der Straßenverwaltung Parteistellung zukommt.

(2) Die Beseitigung von entgegen des Abs. 1 errichteten Bauten oder Anlagen ist dem Eigentümer über Antrag der Straßenverwaltung von der Behörde mit Bescheid aufzutragen.

(3) ..."

Aus den Vorerkenntnissen ergibt sich, dass es sich bei dem Weggrundstück Nr. 1154/1 um öffentliches Gut der Gemeinde handelt. Von der Beschwerdeführerin wird dessen rechtliche Eigenschaft als öffentliche Verkehrsfläche bestritten. Sie strebt eine entsprechende Negativ-Feststellung an und macht daran ein rechtliches Interesse geltend. Dies begründet sie im Wesentlichen damit, dass § 5 Abs. 2 Oö. Straßengesetz 1991 die Möglichkeit vorsehe, den Beweis des Gegenteils der Eigenschaft als öffentliche Straße zu erbringen. Darin sei "nach der Rechtsprechung eine bescheidmäßige Feststellung ausdrücklich" vorgesehen. Da in dem Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 7. November 1997 über die rechtliche Eigenschaft des verfahrensgegenständlichen Grundstückes als Straße nur als Vorfrage entschieden worden sei, komme dieser Entscheidung keine Bindungswirkung zu. Der Beschwerdeführerin sei es unzumutbar, ein Verfahren nach § 18 Abs. 2 Oö. Straßengesetz 1991 "provozieren zu müssen", um dadurch eine Entscheidung über die Qualifikation des Grundstückes als öffentliche Straße herbeizuführen. Eine wesentliche Änderung des einem Entfernungsauftrag zugrunde gelegenen Sachverhaltes, soweit sich diese auf das strittige Recht oder Rechtsverhältnis auswirke, könne nur im Wege eines Feststellungsantrages geltend gemacht werden. Daher könne auch in einem Vollstreckungsverfahren die Feststellung beantragt werden, dass der durchzusetzende Anspruch wegen einer Änderung des dem Titelbescheid zugrunde liegenden Sachverhaltes erloschen sei, eine Vollstreckungsverfügung nicht mehr erlassen werden könne und daher die Vollstreckung unzulässig sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach herrschender hg. Rechtsprechung für einen Feststellungsbescheid dort kein Raum ist, wo ein Leistungsbescheid möglich ist; eine Vorfrage, die im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu lösen ist, kann nicht aus diesem Verfahren herausgegriffen und zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungsbescheides gemacht werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, Zl. 2010/07/0006, mwN). Im vorliegenden Fall liegen gegen die Beschwerdeführerin sowohl ein rechtskräftiger Entfernungsauftrag (mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 6. November 1998) als auch eine rechtskräftige Vollstreckungsverfügung (mit Bescheid der BH E vom 12. April 2002) vor; darüber hinaus wurde ihr Antrag auf Zustimmung zur Unterschreitung der Abstandsvorschriften gemäß §§ 18 und 19 Oö. Straßengesetz 1991 rechtskräftig abgewiesen. Über die Frage, ob das verfahrensgegenständliche Weggrundstück eine öffentliche Straße im Sinn des Oberösterreichischen Straßengesetzes 1991 darstellt, wurde daher als Vorfrage sowohl in einem Leistungsbescheid als auch im Rahmen des Verfahrens gemäß § 18 Oö. Straßengesetz 1991 bereits entschieden. Ein Rechtsschutzdefizit kann daher nicht erkannt werden (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 30. März 2004, Zl. 20002/06/0199, mwN). Dass sich der Sachverhalt seither wesentlich geändert hätte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Entgegen der Beschwerdeansicht sieht § 5 Abs. 2 Oö. Straßengesetz 1991 auch nicht ausdrücklich eine bescheidmäßige Feststellung des Gegenteiles, nämlich dass es sich nicht um eine öffentliche Straße handelt, vor. Der Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin wurde somit zu Recht - ohne dass auf die weiteren Beweisanträge einzugehen gewesen wäre - als unzulässig zurückgewiesen.

Soweit die Beschwerde eine Befangenheit des Bürgermeisters rügt, weil dieser in erster Instanz keine Entscheidung getroffen habe, aber - nach Übergang der Entscheidungspflicht auf Grund eines Devolutionsantrages - im Gemeinderat mitentschieden habe, wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung im hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0016, verwiesen. Eine Befangenheit des Bürgermeisters scheidet somit schon deshalb aus, weil er in erster Instanz nicht tätig geworden ist. Auch dem Umstand, dass in der Fertigungsklausel des Bescheides des Gemeinderates der Bürgermeister angeführt ist, kommt im Beschwerdefall keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2010), weil dem Bescheid des Gemeinderates - wie im angefochtenen Bescheid festgestellt und in der Beschwerde nicht bestritten wurde - ein Beschluss des Gemeinderates zugrunde lag, der vom Bürgermeister lediglich intimiert wurde.

Zum zweitangefochtenen Beschluss:

§ 2 Abs. 1, § 4 und § 9 VVG, jeweils in der Stammfassung,

lauten samt Überschrift:

"§ 2. (1) Bei der Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse haben die Vollstreckungsbehörden an dem Grundsatz festzuhalten, daß jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

(2) ...

Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen

a) Ersatzvornahme

§ 4. (1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.

Organe der Vollstreckung

§ 9. (1) Die Vollstreckungsbehörde ist berechtigt, bei der Durchführung dieses Bundesgesetzes die Organe der öffentlichen Aufsicht heranzuziehen. Ist die Vollstreckungsbehörde nicht selbst Dienstbehörde dieser Organe, so hat sie mit ihr das Einvernehmen zu pflegen.

(2) Die Gemeinden sind zur Mitwirkung verpflichtet.

(3) Unter den gesetzlichen Voraussetzungen kann die Vollstreckungsbehörde nötigenfalls auch die Mitwirkung des Bundesheeres in Anspruch nehmen."

Der UVS geht zutreffend davon aus, dass eine Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, sofern dem ein geeigneter Exekutionstitel (Vollstreckungsverfügung gemäß § 10 VVG) zugrunde liegt. Wird der Ersatzvornahme Widerstand entgegengesetzt, ist dieser durch Zwangsmaßnahmen - allenfalls unter Beiziehung von Exekutivorganen (§ 9 VVG) - zu überwinden. Solche Akte bedürfen keiner Anordnung durch eine gesonderte Vollstreckungsverfügung. Sie sind exekutive Hilfsakte und daher keine Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, können somit auch nicht beim UVS nach Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG angefochten werden (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz II2 (2000) § 4 Rz 11). Überschreitet die Vollstreckung die Vollstreckungsverfügung, so ist in diesem Umfang eine Maßnahmenbeschwerde gerechtfertigt (vgl. dazu die in Walter/Thienel, aaO, § 4 E 102 zitierte hg. Judikatur).

Die Beschwerde bringt - auf das Wesentliche zusammengefasst - zunächst vor, die Vollstreckbarkeit des Leistungsbescheides sei unzulässig, weil sich der Sachverhalt wesentlich geändert hätte. Diese wesentliche Änderung sieht die Beschwerdeführerin im Wegfall der Straßeneigenschaft des Grundstückes Nr. 1154/1, KG F. Sie habe einen entsprechenden Feststellungsantrag (zunächst bei der BH, die diesen mit Bescheid vom 6. November 2009 mangels Zuständigkeit zurückwies; sodann mit Schreiben vom 18. November 2009 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde) eingebracht, über den zum Zeitpunkt der Ersatzvornahme noch nicht entschieden worden sei.

Tatsächlich wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde im Devolutionsweg den Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin vom 18. November 2009 erst mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 als unzulässig zurück, weil ein derartiger Antrag im Oö. Straßengesetz 1991 nicht vorgesehen sei. Mit dem erstangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen eingebrachten Vorstellung keine Folge, weil die zum Gegenstand des Feststellungsantrages gemachte Frage bereits rechtskräftig entschieden worden sei, weshalb sie nicht später im Wege eines Feststellungsbescheides neuerlich entschieden werden könne. Der - letztlich als unzulässig zurückgewiesene - Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung, dass das Grundstück Nr. 1154/1, KG F, keine Straße im Sinn des Oö. Straßengesetzes 1991 sei, vermag somit keine wesentliche, die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach sich ziehende Sachverhaltsänderung darzutun.

Soweit die Beschwerde eine Überschreitung des Titelbescheides durch die Vollstreckung (Entfernung von 48 Kunststoffstehern und 57 Bäumen samt Wurzelstöcken statt 47 Holzstehern und 50 Bäumen) rügt, wiederholt sie nur die in der Beschwerde an den UVS vorgebrachten Argumente, ohne auf die Ausführungen im zweitangefochtenen Beschluss einzugehen. Aus dem hg. Erkenntnis Zl. 2003/05/0161 ergibt sich jedoch, dass der Titelbescheid vom 6. November 1998 - wie in der Begründung des zweitangefochtenen Beschlusses ausgeführt - keine konkrete Anzahl der zu entfernenden Zaunsteher oder Bäume enthält. Eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch das Ausgraben der Wurzelstöcke kann aus den vom UVS zutreffend ausgeführten Gründen ebenfalls nicht erkannt werden. Eine Überschreitung des Titelbescheides oder der Vollstreckungsverfügung durch die Vollstreckung, die eine Maßnahmenbeschwerde rechtfertigen könnte, ist somit nicht zu erkennen.

Soweit die Beschwerde "die Beiziehung von Polizeibeamten durch die Verwaltungsbehörde - egal ob auch Cobra-Beamte dabei waren - jedenfalls als gesetzlos" erachtet, ist sie auf § 9 VVG zu verweisen. Entgegen der Beschwerdeansicht ist dieser Bestimmung weder zu entnehmen, dass die Beiziehung der Organe der öffentlichen Aufsicht eines Gerichtsbeschlusses bedürfe, noch, dass diese erst dann beigezogen werden dürften, "wenn Widerstand tatsächlich erfolgt oder angedroht worden ist". Angesichts der im zweitangefochtenen Beschluss dargestellten Umstände (jahrelange Auseinandersetzungen über die verfahrensgegenständlichen Fragen, Erlassen eines Waffenverbotes gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin ohne Beschlagnahme der Waffen, psychisch und physisch angeschlagener Eindruck und Anspannung der Beschwerdeführerin bei der Besprechung am Vortag der Ersatzvornahme) kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die Vollstreckungsbehörde die Beiziehung von Organen der öffentlichen Aufsicht als notwendig erachtete und diese auch vorsorglich - also bevor es tatsächlich zu tätlichen Auseinandersetzungen kam - beizog. Zu der behaupteten Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem UVS selbst einräumte, durch die Observation der Polizistin nicht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt worden zu sein. Darauf geht die Beschwerde mit keinem Wort ein. Somit ist nicht nachvollziehbar, inwiefern eine "Freiheitsentziehung" oder eine Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit der Person oder des Vermögens erfolgt sein sollte. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht somit ins Leere. Die Ansicht des UVS, wonach keine Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Beschwerdeführerin erfolgt sei, kann somit nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, stellt sie deren Relevanz für die Beurteilung der Frage, ob gegenständlich eine Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, nicht dar.

Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. September 2012

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