VwGH 2007/05/0289

VwGH2007/05/028930.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und den Hofrat Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über den Antrag der G W in St. Marienkirchen an der Polsenz, vertreten durch Mag. Günther Eybl, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Schlagenstraße 17, auf Wiederaufnahme des mit hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0016 abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (belangte Behörde:

Oberösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei:

Gemeinde St. Marienkirchen an der Polsenz, vertreten durch Holter - Wildfellner Rechtsanwälte GmbH in 4710 Grieskirchen, Roßmarkt 21), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §69 Abs1 Z1 impl;
VwGG §45 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs1 Z1 impl;
VwGG §45 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 und der mitbeteiligten Gemeinde in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Umstand, dass die nunmehrige Antragstellerin auf ihrem landwirtschaftlich genutzten Grundstück im Bereich der Grenze zum benachbarten öffentlichen Gut, Wegparzelle 1154/1, KG Fürneredt, einen Zaun errichtet und dahinter Obstbäume gepflanzt hat, war der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach befasst. Basierend auf einem Gutachten des Amtes der Oö. Landesregierung, Abteilung BauME, Straßenverkehrstechnik, vom 10. Juli 1998, wurde zunächst ein Beseitigungsauftrag erteilt (Erkenntnis vom 28. September 1999, Zl. 99/05/0137). Gegenstand des wiederaufzunehmenden Verfahrens war der Antrag der damaligen Beschwerdeführerin auf Erteilung der Zustimmung zur Unterschreitung der Abstandsvorschriften der §§ 18 und 19 Oö. Straßengesetz 1991 für den neuen, zurückversetzten Zaun und die vorhandene Bepflanzung. Der Verwaltungsgerichtshof billigte die Verweigerung der begehrten Zustimmung, weil, wie im Gutachten der Oö. Landesregierung vom 10. Juli 1998 dargelegt, durch die Errichtung des Zaunes und Bepflanzung mit Obstbäumen auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs derart beeinträchtigt werde, dass eine gefahrlose Benützbarkeit der Straße nicht gewährleistet sei. Das Erkenntnis wurde den damaligen Vertretern der nunmehrigen Antragstellerin am 4. Jänner 2005 zugestellt.

Die Antragstellerin begehrt mit dem am 3. Dezember 2007 zur Post gegebenen Antrag die Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aus dem Grunde des § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG. Dazu verweist sie auf den von der mitbeteiligten Gemeinde damals in der Gegenschrift vertretenen Standpunkt, dass auf Grund des zitierten Gutachtens von der Lage des Zaunes und durch die Beibehaltung bereits gepflanzter Obstbäume die gefahrlose Benützung der Straße beeinträchtigt werde.

Nunmehr habe der Ehemann der Beschwerdeführerin, H. W., die Information erhalten, dass der begründete Verdacht bestehe, das gegenständliche Grundstück Nr. 1154/1 sei Gegenstand von Anträgen auf AMA-Förderungen; seit Jahren seien an private Landwirte Förderungen wegen landwirtschaftlicher Nutzung als Acker und Grünland bezahlt worden. Die Staatsanwaltschaft Wels habe nach Rücksprache mit dem Büro für interne Angelegenheiten einen Ermittlungsauftrag an das Landeskriminalamt erteilt, da man festgestellt habe, dass der begründete Verdacht bestehe, dass Organe der mitbeteiligten Gemeinde das Weggrundstück seit mehr als 15 Jahren Landwirten zur privaten landwirtschaftlichen Nutzung überlassen hätten und dieses Grundstück auch von diesen Landwirten genutzt werde. Eine telefonische Anfrage am 19. November 2007 beim Landeskriminalamt habe ergeben, dass man einen Chefinspektor mit den Ermittlungen beauftragt habe. Es bestehe daher der dringende Tatverdacht, dass die Einleitung und Durchführung des Straßenverfahrens nach den §§ 18, 19 Oö StraßenG unter der Vorspiegelung der falschen Tatsache, nämlich durch die unwahre Behauptung von Organen der Straßenverwaltung, die gegenständliche Wegparzelle diene einem öffentlichen Verkehrsbedürfnis, zu Unrecht und damit amtsmissbräuchlich erfolgt sei. Daher habe das Landeskriminalamt gegen vorerst unbekannte Täter aus dem Kreis der zuständigen Gemeinde als Straßenerhalter und Straßenverwalterin Erhebungen wegen des Verdachtes des Amtsmissbrauches eingeleitet. Nur mit dieser bewusst falschen Darstellung sei es möglich gewesen, gegen die Beschwerdeführerin ein Verfahren auf Entfernung des Weidezaunes und der Obstbäume nach den §§ 18, 19 Oö StraßenG einzuleiten (dazu ist anzumerken, dass der Entfernungsauftrag Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 28. September 1999 war).

Weiters bringt die Antragstellerin vor, dass, hätte die mitbeteiligte Gemeinde den Sachverhalt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren offen gelegt, wonach die Wegparzelle von der Allgemeinheit nicht befahren werde, sondern vielmehr als landwirtschaftlicher Nutzgrund bewirtschaftet werde, sodass dafür sogar AMA-Förderungen bezogen wurden, hätte die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde Erfolg haben können. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2004 insbesondere auf die Bestimmung des § 13 Abs. 1 Oö StraßenG über die Sicherheit der öffentlichen Straße und das Verkehrsbedürfnis verwiesen; wenn aber diese Wegparzelle Landwirten zur privaten Nutzung überlassen worden sei, sei es weder rechtlich noch technisch oder praktisch möglich, dass eine Verkehrsfläche vorliege, die einem örtlichen oder gar überörtlichen Verkehrsbedarf dienen könne. Die mitbeteiligte Gemeinde hätte offen legen müssen, dass die Wegparzelle faktisch nicht als Straße benützt werde und deswegen seit Jahren Landwirten zur Nutzung überlassen worden sei. Indem sie dies unterlassen habe und vielmehr ihren Standpunkt neuerlich durch Verweis auf die vermeintliche Beeinträchtigung der Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs bekräftigt habe, habe sie als Partei des verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahrens das Erkenntnis vom 14. Dezember 2004 im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG erschlichen.

Die Antragstellerin legte zur Bescheinigung der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages eine undatierte eidesstättige Erklärung des H.W. vor. Diese Erklärung lautet:

"Ich, H. W., ..., habe vom Bundesministerium für Inneres,

Büro für interne Angelegenheiten und Herrn Chefinspektor ... von

der Landeskriminalabteilung Oberösterreich am 19.11.2007

fernmündlich erfahren, dass die Staatsanwaltschaft Wels in

Absprache mit dem Büro für interne Angelegenheiten Herrn

Chefinspektor ... damit beauftragt hat, kriminalpolizeiliche

Erhebungen wegen des Verdachtes des Amtsmissbrauches gegen verantwortlichen Organe der Gemeinde St. Marienkirchen an der Polsenz durchzuführen, da auch das Bundesministerium für Inneres den Verdacht für prüfenswert ansieht, dass Verantwortliche der Marktgemeinde St. Marienkirchen an der Polsenz den Umstand, dass das Grundstück 1154/1 KG Fürneredt zumindest Jahre vor 1997 und seitdem bis auf Weiteres Landwirten zur privaten landwirtschaftlichen Nutzung überlassen wurde, bewusst verschwiegen haben könnten um ein in Wahrheit gar nicht gegebenes öffentliches Verkehrsbedürfnis vorzutäuschen und meine Frau in ihren Rechten als Nachbarin dieses Grundstückes zu schädigen. Ich habe diese Umstände meiner Ehefrau (Antragstellerin) am selben Tag, also am 19.11.2007, zur Kenntnis gebracht. Ich bin jederzeit bereit diese Aussage auch vor Gericht gegebenenfalls unter Eid im Rahmen einer förmlichen Einvernahme als Zeuge zu wiederholen."

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde äußerten sich zum Wiederaufnahmeantrag ablehnend. Die mitbeteiligte Gemeinde brachte in ihrem Schriftsatz vom 23. Jänner 2008, der dem Vertreter der Antragstellerin übermittelt worden war, Verfristung im Sinne des § 45 Abs. 2 VwGG vor. Das behauptete bewusste Verschweigen von wesentlichen Tatsachen sei der Beschwerdeführerin nicht erst seit 19. November 2007 bekannt. Ihr Ehemann habe nämlich am 12. Juli 2005 vor der Polizeiinspektion Eferding Strafanzeige gegen Verantwortliche der mitbeteiligten Gemeinde wegen Verdachtes des Amtsmissbrauches erstattet. Auch gegen Landwirte, welche die gegenständliche Wegparzelle in ihren AMA-Förderungsanträgen ausgewiesen hätten, sei auf Grund der Anzeige des Ehegatten der Antragstellerin das Strafverfahren wegen Subventionsbetrug durch die Staatsanwaltschaft Wels eingeleitet worden. In dem seitens der Staatsanwaltschaft Wels zu 2 St 240/05x eingeleiteten Strafverfahren gegen den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde sei wiederholte Male H. W. polizeilich einvernommen worden; anlässlich seiner Einvernahme am 28. Februar 2006 habe er angegeben, dass nach seinem Wissensstand Landwirte, deren Grundstücke an die gegenständliche Wegparzelle angrenzten, seitens der Agrarmarkt Austria entsprechende Fördergelder für die Bewirtschaftung dieser Parzelle bezogen hätten.

In der von der Mitbeteiligten als Beilage ./4 vorgelegten Niederschrift vor dem Landeskriminalamt Oberösterreich vom 28. Februar 2006 sagte H. W. unter anderem aus:

"Meinem Wissensstand zufolge hat Bgm.(...) allenfalls auch andere Mitglieder der Gemeindeverwaltung sehr wohl Kenntnis davon gehabt, dass dieses öffentliche Gut, Parzelle 1154/1, zumindest seit dem Zeitpunkt 1995 angrenzenden Landwirten (zumindest K. und E.) zur Nutzung, d.h. zur Bewirtschaftung des öffentlichen Gutes, überlassen wurde. Wie aus dem Grundbuchsauszug, EZ 260, BG Eferding, Grundbuch, 45008 Fürneredt, (Kopie als Beilage) zu ersehen ist, handelt es sich bei der Parzelle 1154/1 eindeutig um Eigentum der Gde. St. Marienkirchen an der Polsenz. Bei der Beschreibung der genannten Parzelle wird in Klammer 'Weg' angeführt.

Da nun - wie oben erwähnt - die Landwirte E. und K., vielleicht auch noch andere - das öffentliche Gut zur Nutzung überlassen worden sein dürfte, und diese Personen bei der Agrar Markt Austria in Wien entsprechende Förderungsanträge gestellt haben dürften und in der Folge die dafür entfallenen Förderungssummen von 1995 bis dato erhalten haben, ist für mich klar, dass sich die Gemeinde als Eigentümer nicht geschädigt fühlen kann, weil sie dieses öffentliche Gut zumindest den oben genannten Personen zur Nutzung überließ. Dies müsste auch zumindest aus Gemeinderatssitzungsprotokollen eindeutig hervorgehen."

Der Wiederaufnahmeantrag ist verspätet.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluss durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist. Unter einer Erschleichung ist ein vorsätzliches Verhalten der Partei im Zuge des Verfahrens zu verstehen, das darauf abzielt, eine für sie günstigere Entscheidung zu erlangen, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Der Tatbestand des § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG setzt also voraus, dass für die Antragsgegnerin durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ein rechtlicher Vorteil entstanden ist (hg. Beschluss vom 3. April 2003, Zl. 2002/05/1238, m. w. H.).

Gemäß § 45 Abs. 2 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.

Zum Nachweis dafür, dass die in dieser Stelle genannte zweiwöchige Frist eingehalten sei, beruft sich die Antragstellerin auf das oben beschriebene Telefonat vom 19. November 2007.

Als "Wiederaufnahmegrund", dessen Kenntnis die zweiwöchige Frist des § 45 Abs. 2 VwGG auslöst, wird hier der Umstand geltend gemacht, dass die Mitbeteiligte ihre Wegparzelle Landwirten zu landwirtschaftlicher Nutzung überlassen hat und dass diese Landwirte Förderungen lukrieren. Dies habe die Mitbeteiligte im wiederaufzunehmenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren verschwiegen.

Dass die Antragstellerin die Kenntnis von diesem Wiederaufnahmegrund erst am 19. November 2007 erlangt hätte, ist mit den vorliegenden Beweisergebnissen nicht in Einklang zu bringen. Abgesehen davon, dass H.W. schon am 12. Juli 2005 (im gegebenen Zusammenhang, aber nicht konkret wegen des hier gegenständlichen Vorwurfes) Anzeige gegen Verantwortliche der Mitbeteiligten erstattet hat, hat er bei der oben wiedergegebenen Vernehmung am 28. Februar 2006 genau die Vorwürfe erhoben, die die Antragstellerin jetzt als wesentliche, aber verschwiegene Umstände geltend macht.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass für den Beginn der zweiwöchigen Frist zur Stellung des Wiederaufnahmeantrages nach § 45 Abs. 2 VwGG nicht der Zeitpunkt maßgebend ist, zu dem der Wiederaufnahmewerber (vermeintlich) in die Lage versetzt wird, das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes zu beweisen, sondern der Zeitpunkt, zu dem er vom Vorliegen des Grundes Kenntnis erlangt hat (siehe zuletzt den hg. Beschluss vom 29. April 2008, Zl. 2008/05/0060, mwN).

Jedenfalls schon am 28. Februar 2006 hatte die Antragstellerin davon Kenntnis, dass die Mitbeteiligte - bei Wahrunterstellung des Vorbringens der Antragstellerin - im wiederaufzunehmenden Verfahren entscheidende Tatsachen verschwiegen hätte; ihr erst am 3. Dezember 2007 zur Post gegebener Wiederaufnahmeantrag war daher jedenfalls verspätet.

Nach dem vorliegenden Akteninhalt besteht für den Verwaltungsgerichtshof kein Grund daran zu zweifeln, dass der Kenntnisstand des Ehegatten H.W. stets auch bei der Antragstellerin bestand.

Der Wiederaufnahmeantrag war daher gemäß § 45 Abs. 2 VwGG als verspätet zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere 54 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 30. April 2009

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