VwGH 2011/23/0503

VwGH2011/23/050318.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Alice Hoch, Rechtsanwältin in 2361 Laxenburg, Schlossplatz 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Jänner 2009, Zl. E1/373746/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, verfügte in den Jahren 2001, 2003 und 2004 wiederholt über Visa (zuletzt gültig vom 28. Jänner 2004 bis zum 27. Juli 2004) und hielt sich in dieser Zeit in Österreich auf. Am 11. November 2005 heiratete er in Wien die österreichische Staatsbürgerin M und stellte - im Hinblick auf diese Ehe - am 25. November 2005 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Dieser Antrag wurde mit dem - in Rechtskraft erwachsenen - Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 1. Februar 2008 (wegen unzulässiger Inlandsantragstellung) abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. Jänner 2009 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Einleitend hielt die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben vor Ablauf des zuletzt erteilten Visums nach Italien gefahren und etwa eine Woche vor der Eheschließung nach Österreich zurückgekehrt sei. Der Beschwerdeführer halte sich (seither) unrechtmäßig in Österreich auf und könne somit gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG stellte die belangte Behörde fest, dass der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens. Auch wenn die belangte Behörde in der weiteren Bescheidbegründung darauf hinwies, dass die aktenkundigen Umstände für die Annahme einer Scheinehe sprechen würden, legte sie ihrer Abwägung dann dennoch das Bestehen familiärer Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau zugrunde. Berufliche bzw. andere (über seine Ehe hinausgehende) private Interessen seien nicht dargelegt worden. Im Ergebnis seien die Bindungen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise. Besondere Umstände, die eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung zugelassen hätten, seien weder ersichtlich noch vorgebracht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Jänner 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Nach der Aktenlage bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG beim Beschwerdeführer vorläge.

Der Beschwerdeführer bringt zwar vor, er sei Ehemann einer "freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin und daher nach dem Gemeinschaftsrecht berechtigt, sich in Österreich aufzuhalten". Allerdings enthält nicht einmal dieses Vorbringen eine Behauptung, der die tatsächliche Ausübung des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts durch seine Ehefrau entnommen werden könnte. Da auch den vorgelegten Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen sind, dass seine Ehefrau von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe, wäre es aber am Beschwerdeführer gelegen, diesbezüglich bereits im Verwaltungsverfahren ein konkretes Vorbringen zu erstatten (siehe das Erkenntnis vom 19. Mai 2011, Zl. 2008/21/0124).

Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde den Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG als erfüllt angesehen hat.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. auch dazu das schon genannte Erkenntnis Zl. 2008/21/0124).

Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung verweist die Beschwerde auf die Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin, auf seinen im Bescheiderlassungszeitpunkt (etwa) dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet sowie auf seine Integration in das gesellschaftliche Leben.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Beschwerde rügt zunächst, dass die belangte Behörde über das Vorliegen einer Ehe und über die Angehörigeneigenschaft des Beschwerdeführers "leichtfertig" hinweggegangen und dass die Behauptung einer Scheinehe nicht objektiviert worden sei. Dem ist zu erwidern, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zwar auf aktenkundige, für die Annahme einer Scheinehe sprechende Umstände verwies, ihrer Entscheidung aber - wie oben dargestellt - ausdrücklich familiäre Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau zugrunde legte. Diesen familiären Bindungen stellte die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung zu Recht das hoch zu veranschlagende Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften gegenüber. Die belangte Behörde durfte dabei auch berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer bereits mehr als drei Jahre hindurch unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. Auch seine (letzte) Einreise im Herbst 2005 erfolgte ohne Einreise- oder Aufenthaltstitel und diente offenkundig dem Zweck, das Familienleben mit seiner (späteren) Ehefrau aufzunehmen. Damit liegt aber eine vom Beschwerdeführer von Anfang an beabsichtigte Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" auf der Hand. Schließlich setzte der Beschwerdeführer seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich auch noch nach der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Februar 2008 fort.

In einer solchen Konstellation führt aber auch die aufrechte Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht dazu, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Vielmehr ist es dem Beschwerdeführer in diesem Fall zumutbar, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 2012, Zl. 2011/23/0541). Daran vermag auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Unbescholtenheit sowie sein - allerdings nicht näher konkretisiertes - Vorbringen, "bestens" integriert zu sein, nichts zu ändern. Die behördliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine berufliche Integration in Österreich aufweise, wird in der Beschwerde jedenfalls nicht bestritten.

Der Beschwerdeführer rügt noch, die belangte Behörde habe sich mit den für ihn günstigen Sachverhaltsmomenten nicht einmal ansatzweise beschäftigt. Diesem Vorbringen fehlt es aber an einer für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels erforderlichen Relevanzdarstellung, zumal nicht dargelegt wird, welche weiteren - für das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich sprechenden - Umstände von der belangten Behörde zu berücksichtigen gewesen wären. Auch wenn die belangte Behörde ihre Erwägungen im Rahmen der Interessenabwägung eingehender hätte darstellen können, lassen sich dem angefochtenen Bescheid die zugrunde gelegten Umstände und die vorgenommene Beurteilung doch entnehmen, weshalb der Bescheid - entgegen der Beschwerdeauffassung - als hinreichend begründet anzusehen ist.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Oktober 2012

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