VwGH 2011/23/0541

VwGH2011/23/054124.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. Georg Uitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Doblhoffgasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Juli 2009, Zl. E1/327.985/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, ist in Wien geboren und lebte bis zu seinem sechsten Lebensjahr in Österreich. Nach seiner erneuten Einreise in das Bundesgebiet im Februar 1984 im Alter von 15 Jahren wurde er wegen des Verdachts des versuchten Einbruchsdiebstahls festgenommen. Mit Bescheid vom 6. März 1984 erließ die Bundespolizeidirektion Wien darauf hin gegen den - ohne seine Eltern in Österreich aufhältigen - Beschwerdeführer ein bis zum 30. Juni 1994 befristetes Aufenthaltsverbot, weil er nicht in der Lage sei, die Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen, und somit die Gefahr bestünde, er könnte der öffentlichen Hand zur Last fallen bzw. "weitere Diebstähle begehen".

Laut seinen Angaben reiste der Beschwerdeführer im Mai 2005 wieder nach Österreich ein. Am 26. Jänner 2006 heiratete er die österreichische Staatsbürgerin G.G. Sein im Hinblick darauf am 7. Dezember 2006 gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 2007 rechtskräftig abgewiesen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. Juli 2009 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Einleitend verwies die belangte Behörde darauf, dass gegen den Beschwerdeführer ein bis zum 26. November 2009 gültiges Aufenthaltsverbot der Bundesrepublik Deutschland bestehe. Diesem Aufenthaltsverbot liege - einem deutschen Amtshilfeersuchen zufolge - zugrunde, dass der Beschwerdeführer "zweigleisig" versucht habe, sich "ein Aufenthaltsrecht zu erschleichen": Zum einen habe er unter einer falschen Identität bereits 1996 erstmals eine Aufenthaltsbefugnis erhalten, zum anderen habe er 2003 unter seinem richtigen Namen gestützt auf eine Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wobei sich die Ehe in weiterer Folge als Scheinehe herausgestellt habe.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - verfüge über keinen Aufenthaltstitel. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung seien daher - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 FPG - im Grunde des § 53 FPG gegeben.

In Ansehung des § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Mai 2005 nach Österreich eingereist sei, um das Familienleben mit seiner (späteren) österreichischen Ehefrau aufzunehmen; weiters verfüge sein Vater über eine Niederlassungsbewilligung, seine Schwester sei mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und sein Cousin sei österreichischer Staatsbürger; außerdem spreche er perfekt deutsch und betreibe in Wien einen Autohandel.

Ausgehend davon nahm die belangte Behörde an, dass mit der Ausweisung ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Dieser Eingriff erweise sich aber zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - als dringend geboten. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens durch den nicht bloß kurzfristigen unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei von solchem Gewicht, dass seine gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise. Darüber hinaus sei das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltes bewusst gewesen sei. Mangels besonderer Umstände sah die belangte Behörde auch keinen Grund, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung der Ausweisung Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Juli 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG beim Beschwerdeführer vorläge. Die Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist in Form einer Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen vorzunehmen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2009/21/0156).

Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf seinen (seines Erachtens) langjährigen Aufenthalt in Österreich, auf seine soziale und berufliche Integration und insbesondere auf seine aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat ausgehend von den genannten Umständen einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers anerkannt. Sie hat diesen Umständen bei ihrer Interessenabwägung aber zu Recht das hoch zu veranschlagende Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften entgegengehalten. Anders als der Beschwerdeführer vermeint, durfte die belangte Behörde dabei auch in Anschlag bringen, dass sein Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, zu dem er sich seines unsicheren Aufenthaltes bewusst war. Die Einreise des Beschwerdeführers im Mai 2005 erfolgte ohne Einreise- oder Aufenthaltstitel und diente seinem Vorbringen zufolge dem Zweck, das Familienleben mit seiner (späteren) Ehefrau aufzunehmen. Der daran anschließende, knapp über vier Jahre andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig. Auch zum Zeitpunkt seiner Heirat im Jänner 2006 (und somit nach Inkrafttreten des Fremdenpolizeigesetzes 2005) konnte der Beschwerdeführer nicht davon ausgehen, dass er als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin einen Anspruch auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung erworben habe und den diesbezüglichen Antrag im Inland stellen dürfe. Damit liegt die vom Beschwerdeführer von Anfang an beabsichtigte Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" auf der Hand. Schließlich setzte der Beschwerdeführer seinen unrechtmäßigen Aufenthalt auch noch nach der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels fort.

In einer solchen Konstellation führt aber auch die aufrechte Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht dazu, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Vielmehr ist es dem Beschwerdeführer in diesem Fall zumutbar, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen.

Darüber hinaus konnte - wie noch abschließend anzumerken ist -

bei der Bewertung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der maßgeblichen fremdenrechtlichen Vorschriften auch berücksichtigt werden, dass gegen den Beschwerdeführer ein aufrechtes Aufenthaltsverbot der Bundesrepublik Deutschland bestand, dem ein in die gleiche Richtung gehendes fremdenrechtliches Fehlverhalten zugrunde lag, nämlich dass er (auf zwei Arten) versucht hatte, unter Umgehung der maßgeblichen deutschen Vorschriften ein Aufenthaltsrecht zu erlangen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. April 2012

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