VwGH 2008/21/0124

VwGH2008/21/012419.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde von 1. H, 2. R, 3. S, 4. E, 5. M, alle vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 16. Jänner 2008, Zl. 2Fr-217/07, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Ehefrau des österreichischen Staatsbürgers Abdalla A., die Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer sind ihre gemeinsamen Kinder (geboren 1992, 1994, 1996 und 2003).

Die Beschwerdeführer, ägyptische Staatsangehörige, reisten mit einem vom 15. Juni 2006 bis 14. Oktober 2006 befristeten Visum "D" in das Bundesgebiet ein und verblieben hier auch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer. Sie hatten am 7. Juli 2006 Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln "Familienangehöriger" nach § 47 Abs. 2 NAG gestellt, die mit Bescheiden vom 17. April 2007 erstinstanzlich abgewiesen wurden. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufungen, die mittlerweile mit Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 23. Jänner 2008 abgewiesen wurden. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. März 2008, B 392- 396/08-3, abgelehnt. Beim Verwaltungsgerichtshof ist diesbezüglich kein Verfahren anhängig.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 20. Juni 2007 waren die Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 86 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden, weil sie sich seit 15. Oktober 2006 unrechtmäßig in Österreich aufhielten.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (der belangten Behörde) vom 16. Jänner 2008 keine Folge gegeben.

In der Begründung ging die belangte Behörde nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsinhaltes und nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften zunächst auf das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln ein. In den abweisenden Bescheiden habe die Niederlassungsbehörde dargelegt, dass die Entscheidung über die Anträge gemäß § 21 Abs. 1 NAG im Ausland abzuwarten gewesen wäre. Nach § 21 Abs. 4 NAG verschaffe eine zulässige Inlandsantragstellung kein über den erlaubten "sichtvermerksfreien" Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht. Daran anknüpfend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführer hielten sich seit 15. Oktober 2006 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, weil ihre Visa nur bis 14. Oktober 2006 gültig gewesen und sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen seien. Demnach sei die Ausweisung der erstinstanzlichen Behörde zu Recht ergangen.

Das von den Beschwerdeführern vorgebrachte Interesse am Verbleib in Österreich sei zwar durchaus gewichtig, aber keineswegs so stark ausgeprägt, dass das maßgebliche gegenläufige Interesse an der Aufenthaltsbeendigung in den Hintergrund zu treten habe. Die öffentliche Ordnung werde nämlich schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, weiterhin in Österreich aufhalten, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Zudem bestehe keine Möglichkeit, den nunmehr unberechtigten Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren.

In den weiteren Ausführungen begründete die belangte Behörde, dass die Ausweisung iSd § 66 Abs. 1 FPG zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend erforderlich sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme nämlich gerade den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Zudem liefe es dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesens grob entgegen, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien, als er rechtens nicht mit einem längeren Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen, den tatsächlichen, jedoch unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte.

Aufgrund der Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger werde zwar in das Familien- und Privatleben eingegriffen, doch werde dieser Eingriff dadurch relativiert, dass sich die Beschwerdeführer erst kurz (lediglich eineinhalb Jahre) in Österreich befänden. Daran könne der Schulbesuch der Kinder (seit 11. September 2006) nichts ändern. Wenn in der Berufung vorgebracht worden sei, die Erstbeschwerdeführerin pflege ihren Ehemann nach seiner Lebertransplantation im Jahre 2005, werde dies durch den aktenkundigen Umstand relativiert, dass Abdalla A. trotz seiner Erkrankung zwei Beschäftigungsverhältnisse eingegangen sei und für den Unterhalt der gesamten Familie aufkomme. Insgesamt müssten somit die privaten Interessen hinter den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen "anstehen". Daher habe auch vom Ermessen nicht zu Gunsten der Beschwerdeführer Gebrauch gemacht werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

1.1.1. Die Beschwerdeführer gestehen zu, dass die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsvisa am 14. Oktober 2006 abgelaufen ist und ihnen bis zur Erlassung des bekämpften Bescheides kein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Sie machen aber in diesem Zusammenhang geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, von Amts wegen zu ermitteln, ob der österreichische Ehegatte und Vater der Beschwerdeführer von seinem Freizügigkeitsrecht im Sinne des § 57 NAG Gebrauch gemacht habe, weil die Beschwerdeführer diesfalls schon ex lege "auf Grund des Gemeinschaftsrechts im Sinne des § 31 Abs. 1 Z 2 FPG" zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt wären und eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG nicht in Betracht käme.

1.1.2. Dass Abdalla A. das ihm unionsrechtlich zustehende Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen habe, wird jedoch nicht einmal in der Beschwerde behauptet. Von daher legen die Beschwerdeführer schon die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht dar. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es - in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich aus der Aktenlage keine Anhaltspunkte ergeben, dass die österreichische Ankerperson von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat - primär an den Beschwerdeführern gelegen wäre, bereits im Verwaltungsverfahren diesbezüglich ein konkretes Vorbringen zu erstatten, handelt es sich dabei doch um in ihrem Bereich gelegene Tatsachenumstände (vgl. idS etwa das hg. Erkenntnis vom 11. März 2010, Zl. 2007/09/0096).

1.2.1. Weiters wird in der Beschwerde die Auffassung vertreten, durch § 87 FPG würden Ehegatten und minderjährige Kinder von österreichischen Staatsbürgern, selbst wenn diese ihr Freizügigkeitsrecht nicht ausgeübt hätten, den begünstigten Drittstaatsangehörigen gleichgestellt und dürften gemäß § 86 Abs. 2 FPG nur ausgewiesen werden, wenn ihr persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

1.2.2. Dem ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zur hier noch anzuwendenden Rechtslage - § 86 Abs. 2 iVm § 87 FPG in der Stammfassung - entgegen zu halten, dass Rechtsgrundlage für die Ausweisung unrechtmäßig aufhältiger Familienangehöriger von Österreichern, die ihr unionsrechtlich zustehendes Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommenen haben, nicht die erstgenannte Bestimmung, sondern § 53 Abs. 1 FPG ist (vgl. das Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/21/0330, und mehrere daran anschließende Erkenntnisse, wie z.B. jenes vom 15. Dezember 2009, Zl. 2008/18/0040; siehe dazu auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 2009, G 125/08). Die Ausweisung der Beschwerdeführer setzt daher nicht das Vorliegen der in der Beschwerde angesprochenen qualifizierten Gefährdung voraus (vgl. das Erkenntnis vom 26. November 2009, Zl. 2009/18/0413).

1.3.1. Weiters wird in der Beschwerde vorgebracht, zu der von der belangten Behörde "vertretenen Auslegung des § 31 Abs. 1 Z 1 FPG", derzufolge sich die Beschwerdeführer nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Visa D unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, sei festzuhalten, dass jedenfalls nach der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Rechtslage der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 2 FrG 1997, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels dann zu versagen gewesen sei, wenn dieser zeitlich an den durch ein Einreise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden sollte, im Falle des Anschlusses an ein Visum D nicht anzuwenden gewesen sei. Das habe aber auch nach der seit 1. Jänner 2006 geltenden Rechtslage seine Berechtigung. Andernfalls hätte es die Niederlassungsbehörde in verfassungswidriger Weise selbst in der Hand, durch die Wahl des Entscheidungszeitpunktes eine abweisende Entscheidung zu bewirken. Gerade im vorliegenden Fall hätte die Niederlassungsbehörde erster Instanz aber genügend Zeit gehabt, noch vor Ablauf der Gültigkeit der Visa über die bereits am 7. Juli 2006 eingebrachten Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln zu entscheiden. In diesem Zusammenhang sei auch zu bedenken, dass die von der belangten Behörde im Einklang mit der Erstbehörde "vertretene Interpretation des § 31 Abs. 1 Z 1 FPG" zu einem dem Rechtsstaatsprinzip widersprechenden Ergebnis führe, weil die Beschwerdeführer gezwungen würden, die Entscheidung über ihre Berufung gegen die Bescheide der Niederlassungsbehörde erster Instanz im Ausland abzuwarten und somit einseitig mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung der ersten Instanz belastet würden.

1.3.2. Der angesprochene § 31 Abs. 1 Z 1 FPG bestimmt, dass sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels nicht überschritten haben. Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 FPG sind "Einreisetitel" unter anderem "Visa (§ 20)", die nach § 20 Abs. 1 Z 4 FPG auch als "Aufenthaltsvisum (Visum für den längerfristigen Aufenthalt, Visum D)" erteilt werden. Demnach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Beschwerdeführer mit ihrem Verbleib nach Ablauf der Gültigkeit des ihnen erteilten Visums D in Österreich nicht im Sinne des § 31 Abs. 1 Z 1 FPG "die Befristungen … des Einreisetitels nicht überschritten" haben. Es ist nicht zu sehen, dass die Beschwerdeführer die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllten. Diesbezüglich ist auch aus der Auslegung des genannten Versagungsgrundes des nicht mehr geltenden FrG 1997 nichts zu gewinnen. Außerdem hat sich die Niederlassungsbehörde - nach der unbekämpften Darstellung im angefochtenen Bescheid - gar nicht auf den entsprechenden Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG gestützt, sondern die Abweisung der Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung von Aufenthaltstiteln damit begründet, dass sie entgegen § 21 Abs. 1 NAG die Entscheidung darüber nicht im Ausland abgewartet haben. Im Übrigen bestehen nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Grundsatz der "Auslandsantragstellung (vgl. das Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, B 1263, 1264/07, Punkt III.1.2.1. der Entscheidungsgründe). Dass die Niederlassungsbehörde - wie die Beschwerdeführer meinen - hätte früher entscheiden können, änderte nichts an der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts der Beschwerdeführer seit 15. Oktober 2006. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

2. Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) darf eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1, 3 und 4 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese in § 66 Abs. 2 FPG genannten Gesichtspunkte auch bei der für die Prüfung der Zulässigkeit einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG vorzunehmenden Beurteilung nach § 66 Abs. 1 FPG zu beachten (vgl. Punkt 2.3.2. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348). Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

2.1.1. Diesbezüglich machen die Beschwerdeführer einerseits geltend, dass sich Abdalla A. im April 2005 einer Lebertransplantation habe unterziehen müssen und seit dieser Zeit ständiger Pflege und Betreuung bedürfe, für die seit ihrer Einreise die Erstbeschwerdeführerin sorge. Ohne deren Unterstützung könnte er auch nicht die beiden Beschäftigungen (als Abwäscher und Zeitungskolporteur) ausüben. Die belangte Behörde habe sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen nur oberflächlich auseinandergesetzt und weder die Erstbeschwerdeführerin noch Abdalla A. zu der Frage einvernommen, wie sich die Ausweisung auf seinen Gesundheitszustand konkret auswirkte. Ebenso wenig habe sie Ermittlungen, etwa durch Einholung eines medizinischen Gutachtens, zu der Frage vorgenommen, ob Abdalla A. alleine und ohne Pflege durch eine dritte Person ein menschenwürdiges Leben führen könne.

2.1.2. Dem ist zu entgegnen, dass dieses - schon in der Berufung so vorgetragene - Vorbringen nicht ausreichend konkret ist, um damit die Verletzung der Ermittlungspflichten der belangten Behörde nachvollziehbar darzutun. Der allgemein gehaltene Hinweis in der Berufung auf die etwa eineinhalb Jahre davor erfolgte Lebertransplantation und die Pflegebedürftigkeit musste die belangte Behörde noch nicht veranlassen, die genannten Personen zu den angesprochenen Fragen im Berufungsverfahren einzuvernehmen, um ihnen so ein ergänzendes Vorbringen zu ermöglichen. Dazu ist nämlich noch anzumerken, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 14. April 2011, Zl. 2010/21/0495). Im Übrigen wird auch in der Beschwerde nicht näher dargetan, zu welchen Ergebnissen weitere Ermittlungen in Bezug auf den Pflegebedarf des Abdalla A. konkret geführt hätten. Es fehlt also auch hier (vgl. schon oben Punkt 1.1.2.) eine ausreichende Relevanzdarstellung. Schließlich kann aber der belangten Behörde überdies nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Pflegebedürftigkeit als "relativiert" angesehen hat, wenn Abdalla A. in der Lage ist, zwei Beschäftigungen nachzugehen. Außerdem wäre auch noch einzubeziehen, dass Abdalla A. in der Zeit nach seiner Operation im April 2005 bis zur erst mehr als ein Jahr später erfolgten Einreise seiner Ehefrau offenbar auch imstande war, ohne deren Hilfe auszukommen. Angesichts dessen liegt somit nicht auf der Hand, dass die Betreuung - soweit erforderlich - nur durch die Erstbeschwerdeführerin vorgenommen werden könnte.

2.2.1. Weiters wird in der Beschwerde in diesem Zusammenhang ins Treffen geführt, es wäre "unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls" von einer Ausweisung Abstand zu nehmen gewesen. Die Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer besuchten seit 11. September 2006, somit seit fast eineinhalb Jahren in Österreich die Schule, wo sie mittlerweile bei ihren Mitschülern beliebte Klassenkameraden geworden seien. Auch aus pädagogischen Gründen wäre es nicht zu verantworten, sie "mitten im Schuljahr" aus ihrem schulischen Umfeld zu reißen. Dazu komme, dass gerade der Kontakt zu ihrem Vater für heranwachsende Kinder von eminenter Bedeutung für die gedeihliche zukünftige Entwicklung sei. Durch die Ausweisung käme es zu einer Trennung und damit zum Auseinanderreißen einer intakten Familie, was unweigerlich zu einer Entfremdung führen würde. Die nochmalige Einbringung von Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln vom Ausland aus sei für die Beschwerdeführer mit erheblichen Kosten und Mühen verbunden, weil sie nach Ägypten zurückkehren und bei der dortigen österreichischen Berufsvertretungsbehörde neuerlich um die Erteilung von Aufenthaltstiteln ansuchen müssten. Außerdem sei auf Grund der "derzeit geltenden Praxis in der Vollziehung" des Aufenthaltsrechts damit zu rechnen, dass sie in Ägypten "Monate, wenn nicht sogar Jahre" warten müssten, bis ihnen die Aufenthaltstitel endlich erteilt würden. Abdalla A. sei es aber als österreichischem Staatsbürger, der hier seit vielen Jahren den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe und hier erwerbstätig sei, und wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes nicht zumutbar, mit den Beschwerdeführern nach Ägypten zu übersiedeln, um dort ihr gemeinsames Familienleben fortzusetzen.

2.2.2. Die belangte Behörde ist angesichts der in der Beschwerde geltend gemachten Umstände ohnehin von einem Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer ausgegangen. Sie hat aber auch zu Recht darauf hingewiesen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, Punkt 2.2.2.2. der Entscheidungsgründe, mit weiteren Nachweisen, auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Dieses öffentliche Interesse haben die Beschwerdeführer aber maßgeblich beeinträchtigt, indem sie nach Ablauf der Gültigkeit ihrer Visa nicht wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, sondern durch ihren unrechtmäßigen Verbleib unter Umgehung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen für einen geordneten Familiennachzug versuchten, "vollendete Tatsachen" zu schaffen.

Vor diesem Hintergrund reichen die geltend gemachten Umstände - vor allem auch angesichts der relativ kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes, die im maßgeblichen Bescheiderlassungszeitpunkt erst eineinhalb Jahre betragen hat - nicht aus, dass die dargestellte Vorgangsweise unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK hätte akzeptiert und von einer Ausweisung Abstand genommen werden müssen. Bei der Bewertung des Interesses der Beschwerdeführer an einem weiteren Aufenthalt in Österreich durfte nämlich auch berücksichtigt werden, dass sie nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Visa nicht damit rechnen durften, in Österreich verbleiben zu können. Deshalb ist das Gewicht der mittlerweile erlangten Integration (v.a. die Intensivierung der Beziehung zum Ehemann bzw. Vater, die sozialen Bindungen durch den Schulbesuch und die erworbenen Deutschkenntnisse) dadurch gemindert, dass sich die Beschwerdeführer während der meisten Zeit des Inlandsaufenthalts ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das schon genannte Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, Punkt 2.2.2.3., mit Hinweisen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte; siehe in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2009/21/0115, 0116).

Im Ergebnis ist es somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unverhältnismäßig angesehen hat. Die mit der Ausweisung und einer Rückkehr nach Ägypten verbundenen Konsequenzen, insbesondere auch, dass die Beschwerdeführer von dort aus Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu stellen hätten, resultieren nur aus ihrem fremdenrechtswidrigen Verhalten und haben sie sich letztlich selbst zuzuschreiben. Damit verbundene Erschwernisse und Unannehmlichkeiten sind nur eine Folge dessen, dass die Beschwerdeführer nicht von Anfang an den für den Familiennachzug vorgesehenen Weg eingehalten haben. Im Übrigen ist dazu noch anzumerken, dass die schulbesuchenden Kinder im Alter von zehn, zwölf und vierzehn Jahren nach Österreich kamen und daher nicht anzunehmen ist, dass nach einem bloß eineinhalbjährigen Auslandsaufenthalt eine Wiedereingliederung in ihrem Heimatland nicht möglich wäre.

2.3.1. Unter dem Gesichtspunkt des der Behörde eingeräumten Ermessens verweisen die Beschwerdeführer noch darauf, dass sich das Aufenthaltstitelverfahren erst im Stadium der Berufung befinde. Entgegen der Meinung der belangten Behörde bestehe die Möglichkeit, den Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, und zwar dann, wenn "besonders berücksichtigungswürdige Fälle" im Sinne des § 72 Abs. 1 NAG vorlägen, wozu in verfassungskonformer Auslegung dieser Bestimmung gerade auch jene Fälle zu zählen seien, in denen die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sei. Es könne daher nicht als im Sinne des Gesetzes angesehen werden, dass die belangte Behörde von ihrer Ermächtigung zur Ausweisung im Sinne des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch mache, obwohl über die Frage, ob die Beschwerdeführer ihre Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" im Inland stellen und die Entscheidung darüber im Inland abwarten dürften, vom Bundesminister für Inneres noch nicht rechtskräftig abgesprochen worden sei.

2.3.2. Dazu genügt es auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zu verweisen, dass ein noch nicht erledigter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einer Ausweisung nicht entgegensteht (siehe zu "humanitären" Aufenthaltstiteln das schon mehrfach genannte Erkenntnis vom 22. November 2009, Zl. 2009/21/0293, Punkt. 4. der Entscheidungsgründe; zur Rechtslage nach dem am 1. Jänner 2010 in Kraft getretenen FrÄG 2009 siehe das Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2010/21/0214). Das gilt auch für ein offenes Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" nach § 47 Abs. 2 NAG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2007, Zl. 2007/18/0390).

3.1. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

3.2. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. Mai 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte