Normen
12010E020 AEUV Art20;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
EURallg;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
12010E020 AEUV Art20;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
EURallg;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines kosovarischen Staatsangehörigen, auf Aufhebung des gegen ihn bestehenden befristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 12. Dezember 2008 freiwillig aus Österreich ausgereist. Mit Bescheid vom 2. Jänner 2009 (zugestellt am 6. Februar 2009) sei gegen ihn gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Am 23. Februar 2010 sei er im Bundesgebiet erneut festgenommen und am 16. März 2010 in den Kosovo abgeschoben worden. Bereits am 3. März 2010 habe der Beschwerdeführer die Aufhebung des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes beantragt. Dabei habe er unter anderem geltend gemacht, mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet zu sein und mit dieser einen gemeinsamen Wohnsitz zu haben; am 21. Dezember 2009 sei der gemeinsame Sohn zur Welt gekommen; dieser sei österreichischer Staatsbürger; beinahe alle Verwandten seiner Ehefrau lebten in Österreich und verfügten ebenfalls über die österreichische Staatsbürgerschaft; aufgrund der Geburt seines Sohnes sei der Beschwerdeführer "ein neuer Mensch" geworden und wolle als Vater Verantwortung für seine Familie übernehmen; die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes verstoße gegen Artikel 8 EMRK; er verfüge über fortgeschrittene Deutschkenntnisse und habe seine sozialen Kontakte im Kosovo abgebrochen; auch sein Bruder, zu dem er ein inniges Verhältnis habe, lebe im Bundesgebiet; aufgrund seiner Sorgepflichten "bestehe somit keine Gefährlichkeitsprognose mehr"; die Behörde sei bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes noch davon ausgegangen, dass nur seine Ehefrau im Bundesgebiet lebe; es sei für jeden Vater normal, sein neugeborenes Kind sehen zu wollen; die Erstbehörde sei daher zu Unrecht von einer illegalen Rückkehr nach Österreich ausgegangen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, das Aufenthaltsverbot sei erlassen worden, weil der Beschwerdeführer am 14. Oktober 2008 die illegale Ein- bzw. Durchreise von drei namentlich bekannten Personen in das Gebiet der Europäischen Union gefördert habe, indem er diese mit einem Taxi abgeholt habe, um ihre illegale Weiterreise zu ermöglichen. Aufgrund dessen sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Kurze Zeit später sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und wegen verbotenen Glücksspiels zu einer bedingten Zusatzfreiheitsstrafe von weiteren drei Monaten verurteilt worden. Er habe am 29. Jänner 2008 einen Polizeibeamten durch einen Stoß gegen dessen Brust an der Feststellung seiner Identität gehindert, nachdem er beim verbotenen "Hütchenspielen" betreten worden sei.
Der Beschwerdeführer habe durch sein Gesamtfehlverhalten deutlich unter Beweis gestellt, dass sein Aufenthalt zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach wie vor eine beträchtliche Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK darstelle.
Im Rahmen der Interessenabwägung führte die belangte Behörde aus, die nunmehrige Familiensituation des Beschwerdeführers stelle keine so immanente Änderung seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes dar. Die Ehe des Beschwerdeführers sei am 11. Oktober 2008 geschlossen worden und bereits - ebenso wie "die beiden noch nicht getilgten Verurteilungen" des Beschwerdeführers -
bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes (vom 2. Jänner 2009) berücksichtigt worden. Die neu hinzugetretene Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes am 29. Dezember 2009 (richtig: 21. Dezember 2009) Vater geworden sei, könne seine Stellung nicht stärken, weil er nicht damit habe rechnen können, dass das am 6. Februar 2009 erlassene und für zehn Jahre befristete Aufenthaltsverbot nach kaum einem Jahr aufgehoben werde.
Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sei nach wie vor zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer, zumal seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes erst ein sehr kurzer Zeitraum verstrichen sei. Der Beschwerdeführer sei zwar am 12. Dezember 2008 nach der Schubhaft freiwillig ausgereist, jedoch bereits im Herbst 2009 wieder illegal in das Bundesgebiet eingereist. Am 23. Februar 2010 sei er erneut festgenommen und schließlich am 16. März 2010 in den Kosovo abgeschoben worden. Von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes könne nicht ausgegangen werden, weil der Beschwerdeführer auch seitdem schwerwiegend gegen das österreichische Fremdenrecht verstoßen habe.
Sein Familienleben mit seiner Ehefrau habe der Beschwerdeführer am 11. Oktober 2008, somit zu einem Zeitpunkt begründet, als sein aufenthaltsrechtlicher Status als Asylwerber unsicher gewesen sei. Am 5. Dezember 2008 habe er seine Berufung gegen den negativen Asylbescheid zurückgezogen und sei in den Kosovo ausgereist. Aufgrund seiner Verurteilung wegen Schlepperei hätte gegen den Beschwerdeführer auch bei legalem Aufenthalt ein Aufenthaltsverbot erlassen werden können.
Mit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes werde dem Beschwerdeführer die Fortführung seines Familienlebens außerhalb des Bundesgebietes nicht verwehrt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers stamme selbst aus dem Kosovo und befinde sich in Karenz, weshalb sie dem Beschwerdeführer auch in den Kosovo folgen könne. Dieser wiederum könne seinen Obsorgepflichten auch aus dem Kosovo nachkommen. Der Bruder des Beschwerdeführers habe nicht mit diesem zusammengewohnt und sei auch nicht Teil der Kernfamilie. Die Aufrechterhaltung des "innigen Verhältnisses" könne auch durch Telefonate oder Besuche im Kosovo erfolgen.
Die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Umstände hätten zwischenzeitig keine "so immanente" Änderung zu Gunsten des Beschwerdeführers erfahren, dass das Aufenthaltsverbot nunmehr aufzuheben wäre.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, auf welche der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 replizierte, erwogen:
Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann somit nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährdungsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zulässig ist. Dabei kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem die Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Darüber hinaus hat die belangte Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 2011, Zl. 2007/18/0858, mwN).
Als seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geänderte Umstände bringt der Beschwerdeführer zunächst sein strafrechtliches Wohlverhalten vor. Der seit seiner letzten Verurteilung vergangene Zeitraum des Wohlverhaltens unterstreiche die deutlich sichtbare Minderung der von seiner Person ausgehenden Gefährlichkeit.
Dazu ist auszuführen, dass das gegenständliche Aufenthaltsverbot am 6. Februar 2009 erlassen wurde, weil der Beschwerdeführer im Oktober 2008 die illegale Ein- und Durchreise von drei Personen in das Gebiet der Europäischen Union gefördert und am 29. Jänner 2008 Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet hatte. Den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zufolge reiste der Beschwerdeführer freiwillig im Dezember 2008 aus dem Bundesgebiet aus, kehrte jedoch bereits im Herbst 2009 unter Missachtung des aufrechten Aufenthaltsverbotes wieder nach Österreich zurück. Im Februar 2010 wurde er erneut festgenommen und am 16. März 2010 in den Kosovo abgeschoben. Auch wenn der Beschwerdeführer nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht neuerlich strafrechtlich verurteilt wurde, handelte er dem bestehenden Aufenthaltsverbot zuwider und reiste - auch wenn er dafür persönliche Gründe gehabt haben mochte - illegal erneut in das Bundesgebiet ein; von einem Wohlverhalten in fremdenrechtlichem Sinn kann daher keine Rede sein. Der Zeitraum seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes von weniger als 13 Monaten erweist sich überdies als zu kurz, um von einem Wegfall oder einer maßgeblichen Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden, das Aufenthaltsverbot rechtfertigenden Gefährdung ausgehen zu können. Vor diesem Hintergrund war auch die Einholung eines vom Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung beantragten Sachverständigengutachtens zu der von seiner Person ausgehenden Gefährlichkeit jedenfalls entbehrlich.
In Hinblick auf § 66 FPG bringt der Beschwerdeführer vor, sein Privat- und Familienleben in Österreich wiege schwerer als das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes. Am 21. Dezember 2009 sei er Vater geworden und führe nunmehr mit seiner Ehefrau und seinem Sohn ein gemeinsames Familienleben. Die belangte Behörde ignoriere sein diesbezügliches Berufungsvorbringen und nehme auch auf seine Ausführungen hinsichtlich der möglichen Folgen einer zwangsweisen Trennung von Vater und Kind keine Rücksicht. Sowohl seine Ehefrau als auch sein Sohn verfügten über die österreichische Staatsbürgerschaft und es sei ihnen nicht zumutbar, ihr Familienleben in einem anderen Staat zu führen. Insbesondere seiner Ehefrau dürfe ein Eheleben in Österreich nicht verwehrt werden. Der Beschwerdeführer werde durch das gegenständliche Aufenthaltsverbot daran gehindert, sein Recht auf Obsorge auszuüben.
Diesem Vorbringen ist zunächst zu entgegnen, dass die Ehe des Beschwerdeführers bereits am 11. Oktober 2008 geschlossen und bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes am 6. Februar 2009 berücksichtigt wurde. Die Geburt des Sohnes des Beschwerdeführers am 21. Dezember 2009 stellt zweifellos eine erhebliche Änderung der Lebenssituation des Beschwerdeführers seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes dar. Entgegen der Beschwerdeansicht sprach die belangte Behörde dem Beschwerdeführer weder ein schützenswertes Privat- und Familienleben ab noch ignorierte sie seine Vaterschaft oder wertete diese als belanglos, sondern gewichtete die familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich zutreffend nur eingeschränkt zu seinen Gunsten, weil die Familienverstärkung zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem der Beschwerdeführer und seine Ehefrau nicht mit einem gemeinsamen Familienleben in Österreich rechnen durften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, 2007/21/0425). So kam der Sohn des Beschwerdeführers am 21. Dezember 2009 zur Welt und wurde daher erst nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes gezeugt. Im Ergebnis ging die belangte Behörde zu Recht davon aus, dass die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung die negativen Auswirkungen auf seine Lebenssituation überwiegen. Eine allfällige Trennung von seiner österreichischen Familie hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse weiterhin in Kauf zu nehmen.
Sofern sich der Beschwerdeführer auf Unionsrecht und das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 8. März 2011, C- 34/09 (Fall "Zambrano"), beruft, ist ihm zu entgegnen, dass es selbst im Anwendungsbereich der Unionsbürgerrichtlinie zulässig wäre, gegenüber einem Fremden, auch einem Unionsbürger - weil er durch sein persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. § 86 Abs. 1 FPG) - ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Derselbe Maßstab wäre für die Beurteilung, ob der Beschwerdeführer die Trennung von seiner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Familie oder jene die Beeinträchtigung der mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte hinnehmen müssten, anzuwenden, wenn dem Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel des Art. 20 AEUV grundsätzlich ein Aufenthaltsrecht einzuräumen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2012, Zl. 2008/22/0140, zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Fremden, der mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, verheiratet ist, sich auf Art. 20 AEUV berufen kann, demnach ein Aufenthaltstitel aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verweigert werden kann). Der dementsprechende Gefährdungsmaßstab des § 86 Abs. 1 FPG wurde im gegenständlichen Fall ohnedies bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer im Jahr 2009 geprüft und für erfüllt erachtet.
Fallbezogen liegen somit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass unter dem Blickwinkel des Art. 20 AEUV das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer aufzuheben gewesen wäre.
Auch der Beschwerdehinweis auf §§ 37, 39 AVG geht ins Leere, weil der Beschwerdeführer nicht darlegt, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde durch weitere Ermittlungen hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens gekommen wäre. Der Beschwerdeführer hatte ausreichend Gelegenheit, sich in seiner Stellungnahme und in seiner Berufung Parteiengehör zu verschaffen. Überdies besteht im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0131, mwN).
Da sich sohin die Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 15. Mai 2012
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