Normen
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §48;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §48;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Beschwerdeführer wurde am 7. Oktober 2009 vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice R eine Niederschrift über das Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung aufgenommen. Nach dieser Niederschrift sei dem Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice am 18. September 2009 eine Beschäftigung als Abwäscher bei der Firma A. (ein Restaurant) mit einer Entlohnung "laut Kollektivvertrag" zugewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe keine Einwendungen gegen die Beschäftigung, erkläre aber, bei der Firma sei ihm gesagt worden, dass er zu schlecht Deutsch spreche. Es stimme nicht, dass er gesagt habe, "schwarz" arbeiten zu wollen.
Im Anhang der Niederschrift findet sich ein Computerausdruck mit folgendem Inhalt:
"Arbeitswilligkeit, bei Bewerbung, sehr aggressiv, will nur den Stempel oder schwarz arbeiten lt DG"
Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 13. Oktober 2009 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer der Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vom 25. September bis 5. November 2009 ausgesprochen. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass er durch sein Verhalten das Zustandekommen einer vom Arbeitsmarktservice zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung bei der Firma A. vereitelt habe.
In seiner dagegen erhobenen Berufung vom 23. Oktober 2009 führte der Beschwerdeführer an, er sei bei der Firma A. gewesen, doch sei ihm dort gesagt worden, dass bereits jemand anders aufgenommen worden sei.
Nach einer vor der belangten Behörde im Berufungsverfahren aufgenommenen Niederschrift vom 2. Dezember 2009 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er sei beim Restaurant A. zur Vorstellung gewesen und habe mit dem Küchenchef sprechen wollen. Die Restaurantleiterin habe aber gesagt, dieser habe keine Zeit. Der Beschwerdeführer habe "einen Tag vorher telefoniert", aber man habe ihm keinen genauen Termin gegeben, sondern gesagt, er solle sich einfach vorstellen kommen. Die Restaurantleiterin habe dem Beschwerdeführer gesagt, die Stelle sei schon besetzt. Daraufhin habe der Beschwerdeführer gesagt, er brauche einen "Stempel" für das Arbeitsmarktservice. Diesen "Stempel" habe sie ihm nicht geben wollen und er hätte einen Termin an einem anderen Tag für diesen "Stempel" ausmachen müssen. Da er nicht eingesehen habe, warum das nicht gleich zu erledigen sei, habe es eine "Diskussion" gegeben. Die Restaurantleiterin habe gesagt, sie wolle nicht mit dem Beschwerdeführer arbeiten und daraufhin habe dieser gesagt, er wolle auch nicht mit ihr arbeiten. Es stimme nicht, dass er "schwarz" arbeiten habe wollen.
Im Verwaltungsakt findet sich weiters ein Aktenvermerk der belangten Behörde vom 11. Dezember 2009 betitelt mit "Telefonat mit Frau (T.) (DG Restaurant (A.))". Demnach habe der Beschwerdeführer mitten im Abendgeschäft - ca. um 20:15 Uhr - angerufen und einen Vorstellungstermin mit Herrn K., dem Küchenchef, vereinbaren wollen. Telefonate würden um diese Zeit grundsätzlich nicht in die Küche durchgestellt, da es arbeitstechnisch einfach nicht möglich sei.
Kurze Zeit später sei der Beschwerdeführer dann im Lokal gestanden und habe einen Vorstellungstermin wahrnehmen wollen, obwohl keiner vereinbart worden sei. Die "Streiterei" habe tatsächlich stattgefunden, da der Beschwerdeführer ein äußerst unangenehmes Auftreten gehabt habe und nicht akzeptieren habe wollen, dass ein Vorstellungsgespräch in einem Lokal voller Gäste und einer auf Hochdruck arbeitenden Küche nicht stattfinden könne. Frau T. habe den Vermittlungsvorschlag unterschrieben, jedoch nicht abgestempelt, da es keinen Stempel im Lokal gegeben habe. Ob dem Beschwerdeführer gesagt worden sei, dass die Stelle schon besetzt sei, sei nicht mehr "erinnerlich oder nachvollziehbar".
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei am 18. September 2009 ein Vermittlungsvorschlag als Abwäscher im Restaurant A. übersandt worden, dessen Anforderungen er erfüllt habe. Dieses Schreiben habe er auch tatsächlich erhalten und er habe daraufhin ohne vorherige Terminvereinbarung spontan im Restaurant vorgesprochen. Die Restaurantleiterin habe ihm mitgeteilt, dass der Küchenchef aufgrund des großen Gästeandrangs keine Zeit für ein Vorstellungsgespräch habe, worauf es zu einem Streitgespräch vor den im Restaurant anwesenden Gästen gekommen sei. Der genaue Inhalt des Streitgesprächs habe nicht mehr nachvollzogen werden können; insbesondere habe nicht festgestellt werden können, ob dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden sei, dass die Stelle schon besetzt sei. Die belangte Behörde sehe es daher aufgrund der übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und der Restaurantleiterin als erwiesen an, dass das Vorstellungsgespräch einen ungünstigen Verlauf genommen und in weiterer Folge dazu geführt habe, dass das Restaurant A. das Interesse am Beschwerdeführer verloren habe.
Das gegenständliche Dienstverhältnis sei entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zumutbar gewesen. Der Beschwerdeführer habe durch das Führen eines Streitgesprächs mit dem Dienstgeber eine mögliche Annahme der Beschäftigung vereitelt, wodurch der Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG erfüllt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, Zl. 2005/08/0049, uva).
2. Die belangte Behörde hat die Vereitelungshandlung des Beschwerdeführers darin erblickt, dass er ohne vorherige Terminvereinbarung im Restaurant A. vorgesprochen und auf die Mitteilung hin, dass der Küchenchef aufgrund des großen Gästeandrangs keine Zeit für ein Vorstellungsgespräch habe, ein Streitgespräch mit der Restaurantleiterin vor den versammelten Gästen begonnen habe.
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass überhaupt ein Vorstellungsgespräch stattgefunden habe. Er habe mehrfach betont, dass die vom Arbeitsmarktservice zugewiesene Stelle bereits besetzt gewesen sei. Ursache für das im angefochtenen Bescheid genannte Streitgespräch sei die für den Beschwerdeführer unverständliche Weigerung der Restaurantleiterin gewesen, die Bestätigung für das Arbeitsmarktservice zu unterzeichnen. Es sei daher von entscheidendem Gewicht, ob dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde, dass die Stelle bereits besetzt war. Die diesbezüglichen Erwägungen der belangten Behörde, wonach das Streitgespräch eine mögliche Annahme der Beschäftigung verhindert habe, seien nicht schlüssig.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
3. Mit ihren Feststellungen ist die belangte Behörde vom Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren abgewichen. Dieser hatte in seiner Berufung angegeben, ihm sei vor Ort gesagt worden, die Stelle sei schon vergeben. Er hatte weiters vor der belangten Behörde niederschriftlich zu Protokoll gegeben, dass er einen Tag vorher beim Restaurant A. angerufen habe und ihm gesagt worden sei, er solle einfach vorbeikommen um sich vorzustellen.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d.h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2003/08/0233, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf sich die Behörde nur in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung als Beweismittel begnügen. Wo aber widersprechende Beweisergebnisse vorliegen und der Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit nicht zulässig, sich mit solchen Befragungen zu begnügen. Diesfalls hat die Behörde entsprechend dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens jene Personen, die zunächst nur formlos befragt wurden, als Zeugen niederschriftlich zu vernehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2011, Zl. 2008/08/0010, mwN).
Die belangte Behörde stützte ihre Feststellungen offenbar im Wesentlichen auf einen Aktenvermerk über ein Telefonat mit Frau T. vom Restaurant A. vom 11. Dezember 2009. Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass dem Beschwerdeführer zum Inhalt dieses Aktenvermerks Parteiengehör eingeräumt worden wäre. Dennoch hat die belangte Behörde ihre Feststellungen weitgehend aus den Angaben von Frau T. im Aktenvermerk übernommen, wobei sich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer vor seiner Vorsprache im Restaurant A. überhaupt nicht angerufen habe, auch nicht auf den Inhalt dieses Aktenvermerks stützen lässt.
Zur Angabe des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, es sei ihm gesagt worden, dass die Stelle schon besetzt sei und danach sei erst das Streitgespräch über den "Stempel" geführt worden, führte die belangte Behörde lediglich aus, der genaue Inhalt des Streitgesprächs habe nicht mehr nachvollzogen werden können und insbesondere habe nicht festgestellt werden können, ob dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden sei, dass die Stelle schon besetzt sei.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde aber in wesentlichen Punkten als mangelhaft. Weder hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit den widersprechenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb sie dem Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist, noch hat die belangte Behörde T. förmlich als Zeugin einvernommen, obwohl zwischen deren Angaben und dem Vorbringen des Beschwerdeführers offensichtliche Widersprüche bestanden.
War die dem Beschwerdeführer zugewiesene Beschäftigung beim Restaurant A. aber im Zeitpunkt seiner Vorsprache tatsächlich bereits vergeben, so konnte der Beschwerdeführer das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr durch das Führen eines Streitgesprächs über den "Stempel" für die Bestätigung für das Arbeitsmarktservice vereiteln. Zudem wäre dem Beschwerdeführer auch keine Vereitelungshandlung aufgrund der spontanen Vorsprache im Restaurant A. während der Hauptgeschäftszeit vorzuwerfen, wenn er tatsächlich einen Tag vor dieser Vorsprache telefonisch die Auskunft erhalten hätte, er möge sich ohne genauen Termin einfach vorstellen kommen.
4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 14. November 2012
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