Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §50;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §50;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezog in der Zeit vom 22. Juli 2006 bis 11. Jänner 2007, vom 13. Jänner 2007 bis zum 31. Jänner 2007 und vom 3. Februar 2007 bis 29. Juni 2007 Arbeitslosengeld.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Arbeitslosengeldbezug in den genannten Zeiträumen gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und - in einer Gesamthöhe von EUR 7.745,20 - gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückgefordert.
Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer bei einer aufgrund einer anonymen Anzeige durchgeführten Erhebung am 3. September 2007 im Geschäft seiner Ehefrau als einzig Anwesender angetroffen worden sei. Er habe angegeben, nur "zufällig" anwesend zu sein. Die Ehefrau des Beschwerdeführers arbeite als Reinigungskraft mit einer Arbeitszeit von 37,5 Stunden pro Woche bei der Firma I. Die Öffnungszeiten des Lebensmittelgeschäfts würden von Montag bis Samstag 10:00 - 21:00 Uhr, am Sonntag und an Feiertagen von 11:00 bis 21:00 Uhr betragen. Der Beschwerdeführer sei bei der Erhebung von einem über dem Geschäft lebenden Bewohner als "Chef" identifiziert worden und solle dort schon mindestens ein Jahr täglich arbeiten.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, er habe nie länger als eine Stunde im Geschäft seiner Ehefrau gearbeitet, oft würden dort auch seine Kinder aushelfen. Es handle sich bei dem Geschäft aber auch um einen "Familientreff", weshalb er sich oft dort aufhalte ohne zu arbeiten. Im Haus befänden sich einige Anrainer, zu denen die Familie kein gutes Verhältnis pflege, weshalb diese möglicherweise Unwahrheiten erzählt hätten, um den Beschwerdeführer zu belasten.
Die belangte Behörde führte dazu aus, dass sie den Beschwerdeführer im Berufungsverfahren geladen habe, er sei dieser Ladung aber grundlos nicht gefolgt und habe das Schriftstück auch gar nicht behoben. Er habe es daher verabsäumt, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu beziehen.
Die belangte Behörde könne die Angaben des Beschwerdeführers, dass er nie länger als eine Stunde im Geschäft arbeite, nicht nachvollziehen. Die Ausführungen in der Berufung, dass der Beschwerdeführer und dessen Kinder sehr oft im Geschäft anwesend seien, würden keinesfalls bezweifelt, dass der Beschwerdeführer jedoch keinerlei Tätigkeiten ausübe, werde als reine Schutzbehauptung gewertet. Es bestehe kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer in diesem Betrieb mit den angegebenen Öffnungszeiten ohne weitere Mitarbeiter und angesichts der Vollbeschäftigung seiner Ehefrau seit mindestens einem Jahr eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Tätigkeit ausübe.
Daher habe sich die Zuerkennung des Arbeitslosengelds als gesetzlich nicht begründet erwiesen und sei gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG rückzufordern gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
2. Die belangte Behörde stützte ihre Sachverhaltsfeststellungen im Wesentlichen auf einen - nach einer anonymen Anzeige veranlassten - Erhebungsbericht, insbesondere auf die dort enthaltenen Angaben eines bei der Erhebung zufällig anwesenden Anrainers, der jedoch nicht förmlich als Zeuge im Sinne des § 50 AVG vernommen wurde. Die Erhebung durch ein Organ des Arbeitsmarktservice fand mehr als zwei Monate nach Ende des Leistungsbezugs des Beschwerdeführers statt.
In seiner Berufung hatte der Beschwerdeführer unter anderem vorgebracht, dass neben seiner Frau auch seine erwachsenen Kinder im Geschäft aushelfen würden sowie dass zu den Anrainern im Haus ein gespanntes Verhältnis bestehe. Die belangte Behörde hat aber, wie in der Beschwerde zutreffend gerügt wird, zu keinem dieser Punkte weitere Erhebungen durchgeführt und insbesondere weder die Ehefrau noch die Kinder des Beschwerdeführers einvernommen. Die belangte Behörde hat zwar als ein tragendes Element ihrer Beweiswürdigung festgestellt, dass das Geschäft, in dem der Beschwerdeführer (geraume Zeit nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges) angetroffen wurde, auf den Namen der Ehefrau des Beschwerdeführers "registriert" sei, diese jedoch bei einem näher genannten Unternehmen als Reinigungskraft mit 37,5 Stunden "in Vollbeschäftigung" stehe, ohne aber in der Begründung ihres Bescheides festzustellen, ob und in welchem Ausmaß diese Feststellungen auch schon für den Zeitraum des Bezuges von Arbeitslosengeld durch den Beschwerdeführer zutreffen. Auch der im Erhebungsbericht genannte Anrainer wurde keiner Vernehmung unter Belehrung über seine Wahrheitspflicht unterzogen. Gemäß § 46 AVG kommt zwar als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falls zweckdienlich ist. Liegen jedoch widersprechende Beweisergebnisse vor und kommt der Beweiswürdigung im konkreten Fall besondere Bedeutung zu, ist eine formlose Befragung nicht ausreichend, um den Grundsätzen der Amtswegigkeit des Verfahrens und der Erforschung der materiellen Wahrheit zu genügen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl. 2005/08/0017 unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 25. September 2002, Zl. 2001/12/0209). Der das Erhebungsorgan des Arbeitsmarktservice schon im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erhebung - zu dem der Beschwerdeführer nicht im Leistungsbezug stand - keine eigene Wahrnehmung über eine die Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers im Bezugszeitraum ausschließende Tätigkeit haben konnte und die maßgeblichen Feststellungen des angefochtenen Bescheides daher im Ergebnis ausschließlich auf den Angaben des vom Erhebungsorgan angesprochenen Hausbewohners beruhen, wäre angesichts der Bestreitung seiner Angaben durch den Beschwerdeführer eine förmliche Einvernahme als Zeuge unter Belehrung über die Wahrheitspflicht sowie die Aussageverweigerungsgründe geboten gewesen.
3. Der angefochtene Bescheid enthält auch keine Feststellungen, ab welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer im Geschäft seiner Ehefrau tätig gewesen sein soll. Soweit das Zitieren der Angaben des vom Erhebungsorgan angesprochenen Hausbewohners, der Beschwerdeführer sei "seit mindestens einem Jahr" tätig, in der Begründung des angefochtenen Bescheides dahingehend zu verstehen sein sollte, dass die belangte Behörde damit zumindest implizit eine Feststellung über den Tätigkeitszeitraum treffen wollte, ist festzuhalten, dass der Widerruf und die Rückforderung auch Zeiträume betrifft, die mehr als ein Jahr vor dem Erhebungszeitpunkt liegen. Für die Annahme, der Beschwerdeführer sei während des gesamten vom Widerruf und der Rückforderung betroffenen Zeitraums in einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Weise tätig gewesen, fehlt damit auch eine nachvollziehbare Begründung des angefochtenen Bescheides.
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 19. Jänner 2011
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