VwGH 2010/08/0029

VwGH2010/08/002914.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Peck, über die Beschwerde des E E in Wien, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Laurenzerberg 1/30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 7. Jänner 2010, Zl. BMASK-422880/0001- II/A/3/2009, betreffend Pflichtversicherung nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. A H, 2. Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19, 3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
AVG §14;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
ASVG §4 Abs2;
AVG §14;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit festgestellt wurde, dass die Erstmitbeteiligte aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses zum Beschwerdeführer vom 1. bis zum 30. Jänner 2008 der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlag, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, dass die Erstmitbeteiligte aufgrund ihrer Tätigkeit als (Hilfs‑)Arbeiterin beim Beschwerdeführer vom 1. bis 31. Jänner 2008 der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

Am 31. Jänner 2008 sei im Zuge einer Kontrolle durch die Organe des Finanzamts Wien (KIAB) die Erstmitbeteiligte, eine ukrainische Staatsbürgerin, bei Putztätigkeiten in der Küche des Lokals des Beschwerdeführers in W. betreten worden. Sie sei mit einer grauen Stoffhose und rotem Kurzarmpullover bekleidet gewesen, ihre Straßenkleidung sowie persönliche Gegenstände habe sie in einem Spind mit der Nr. 6 im hinteren Bereich der Theke (Extraraum) aufbewahrt. Die Erstmitbeteiligte habe ein Personenblatt, das unter anderem in russischer Sprache verfasst gewesen sei, ausgefüllt und in diesem angegeben, dass sie seit einem Monat im Lokal des Beschwerdeführers als Putzhilfe beschäftigt sei und 20 Stunden in der Woche um EUR 4,-- pro Stunde arbeite. Der Beschwerdeführer habe sich zum Zeitpunkt der Kontrolle auch im Lokal befunden und gegenüber den Kontrollorganen angegeben, dass die Erstmitbeteiligte nur den Mist rausbringe. Es habe festgestellt werden können, dass sich die Erstmitbeteiligte nicht legal in Österreich aufhalte, woraufhin diese festgenommen worden und daher der Tag der Betretung als ihr letzter Arbeitstag zu betrachten sei.

Diese Sachverhaltsfeststellungen würden sich aus dem Versicherungs- und Verwaltungsakt, insbesondere aus dem Erhebungsblatt und dem von der Erstmitbeteiligten bei der Betretung am 31. Jänner 2008 ausgefüllten Personenblatt der KIAB ergeben.

In rechtlicher Hinsicht legte die belangte Behörde zunächst dar, weshalb im gegenständlichen Verfahren österreichisches Recht zur Anwendung komme. In der Folge setzte sich die belangte Behörde mit den Unterschieden des Russischen und Ukrainischen auseinander und kam zu dem Ergebnis, dass der ukrainische Wortschatz zu etwa zwei Drittel aus russischen Wörtern bestehe, sodass auch Russischsprechende Ukrainisch gut verstehen könnten bzw. fast 95 % der Ukrainer Russisch sprechen und verstehen würden. Die Erstmitbeteiligte sei im Jahr 1957 geboren, sie habe 34 Jahre in der russischen Föderation gelebt, in der Russisch Amtssprache gewesen sei. Sie schreibe im selben Alphabet und habe daher die auf dem Personalblatt angeführten (russischen) Wörter und Sätze verstehen können. So habe sie in der Rubrik "beschäftigt als" das russische Wort für eine "Putzhilfe" verwendet. In der Rubrik "beschäftigt seit" stehe (phonetisch) "rabotaju s", auf Russisch heiße Arbeit (phonetisch) "rabota". Das Wort (phonetisch) "saplata" in der Rubrik "Lohn" heiße (auch) auf Ukrainisch Lohn/Gehalt.

Auf den Vorhalt des Beschwerdeführers, es sei auffallend, dass ausgerechnet das Wort in der Rubrik "beschäftigt seit" in Lateinschrift geschrieben sei und dieses daher nicht von der Beschäftigten geschrieben worden sei, sei zu entgegnen, dass die Arbeiterin das ganze Formular in der kyrillischen Schrift ausgefüllt habe und (bis auf das Wort "Putzhilfe" in der Rubrik "beschäftigt als") phonetisch auf Deutsch. Zufälligerweise würde sich die kyrillische Schrift in dem Wort "Monat" mit der lateinischen bis auf den Buchstaben "T" decken. Diesen habe die Erstmitbeteiligte offenbar grundsätzlich in lateinischer Form verwendet, so auch in der Rubrik "tägliche Arbeitszeit (Stunden und Tage)", wo sie in der Abkürzung "St" wieder das lateinische "t" verwendet habe. Dass die Angabe der Beschäftigungsdauer der ukrainischen Staatsbürgerin etwas mit der Dauer der Ausstellung ihres Reisepasses zu tun haben solle - wie es der Beschwerdeführer behaupte - könne die belangte Behörde nicht nachvollziehen.

Es sei auch aus dem Gesamtbild des Personenblatts zu ersehen, dass diese Angaben eindeutig von ein und derselben Person geschrieben worden seien, wie man bei der (recht spezifischen) Handschrift und dem verwendeten Schreibutensil erkennen könne.

Somit ergebe sich, dass die Erstmitbeteiligte das Personenblatt ohne Verständnisschwierigkeiten ausgefüllt habe und die für den gegenständlichen Fall ausschlaggebenden Fakten angeben habe können. Der Behauptung des Beschwerdeführers, das Ausfüllen des Personenblatts sei ausschließlich auf Anweisung der Beamten erfolgt, könne die belangte Behörde keinen Glauben schenken, zumal die Betretung von einer Gruppe von vier Beamten durchgeführt worden sei, was für die Verlässlichkeit der Angaben spreche.

Zum Berufungsvorbringen, bei der Betretung habe nur die Wahrnehmung eines Vorstellungstermins der Erstmitbeteiligten stattgefunden, führte die belangte Behörde aus, die Erstmitbeteiligte sei - unter anderem - mit einem Kurzarmoberteil bekleidet und mit Speiseresten beschmutzt gewesen. Wenn der Beschwerdeführer behaupte, sie habe nur aus Gründen der Sicherheit ihre Handtasche im Spind versperrt, sei dem entgegenzuhalten, dass die Betretung im Jänner stattgefunden habe, und die Erstmitbeteiligte daher sicherlich auch einen Mantel oder eine Jacke als Straßenkleidung mitgehabt und im Spind verschlossen habe. Wenn der Beschwerdeführer behaupte, die Erstmitbeteiligte sei nur zum Vorstellungstermin erschienen, sei dies für die belangte Behörde völlig lebensfremd und als reine Schutzbehauptung zu werten. Eine sich vorstellende weibliche Arbeitskraft behalte entsprechend der Lebenserfahrung für die Dauer des Bewerbungsgesprächs und der Begehung des Lokals ihre Handtasche bei sich und verschließe diese nicht im Spind. Dies wäre nur dann notwendig, wenn sie ihre Hände/Arme zum Arbeiten freihalten müsse. Die Erstmitbeteiligte sei bei einer tatsächlichen Tätigkeit in der Küche - mit Speiseresten verschmutzt - betreten worden. Niemand erscheine auf diese Weise zu einem Vorstellungsgespräch. Eventuell komme es vor, dass Menschen ungepflegt oder mit ungewaschener Kleidung zum Gespräch erschienen, wenn aber eine Person mit Speiseresten an der Kleidung in einer Küche "arbeitend betreten" werde und ihre persönlichen Gegenstände in einem Spind verschlossen habe, so deute dies auf eine "bereits aktive Arbeitskraft" hin.

Zur Dienstnehmereigenschaft der Erstmitbeteiligten führte die belangte Behörde aus, die Erstmitbeteiligte habe bei Betretung durch die KIAB Putztätigkeiten in der Küche des Lokals des Beschwerdeführers verrichtet. Werde jemand bei der Erbringung solcher Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuteten (wie dies bei der Tätigkeit als Küchen- und Putzgehilfin in einem Gastronomiebetrieb der Fall sei), könne die Behörde von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn ausgehen. Die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit müsse daher nicht näher geprüft werden, sondern ergebe sich aus den Umständen. Die Erstmitbeteiligte sei auch nicht wegen Geringfügigkeit ihrer Beschäftigung im Sinne des § 5 Abs. 2 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen, da bei Unterbezahlung als Basis zur Berechnung des Entgelts der Kollektivvertrag im Gastgewerbe herangezogen werde, aus dem sich ergebe, dass eine Halbtagskraft mindestens EUR 547,50 pro Monat verdient hätte, womit die Geringfügigkeitsgrenze im Jahr 2008 von monatlich EUR 349,01 überschritten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert). Für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert (arbeitslosenversichert) sind Dienstnehmer, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind (§ 1 Abs. 1 lit. a AlVG).

Ob bei einer Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist.

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht vollständig ermittelt. Hinsichtlich der Dauer der Versicherungspflicht - nach dem angefochtenen Bescheid vom 1. bis zum 31. Jänner 2008 - sei der Vermerk der Erstmitbeteiligten auf dem Erhebungsblatt "ein Monat" und dessen Bedeutung strittig. Die belangte Behörde hätte in diesem Zusammenhang die Erstmitbeteiligte als Zeugin einvernehmen müssen. Der Beschwerdeführer habe nämlich dargelegt, dass die Erstmitbeteiligte das Wort "Monat" nur im Zusammenhang mit der Dauer bis zum Erhalt des Reisepasses "aufgegriffen" habe. Bei vollständiger Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Erstmitbeteiligte vor dem 31. Jänner 2008 nicht in dem vom Beschwerdeführer betriebenen Lokal anwesend gewesen sei, woraus sich jedenfalls ein Entfall der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht zumindest für den Zeitraum 1. bis 30. Jänner 2008 ergebe.

3. Mit diesem - wie auch dem weiteren Beschwerdevorbringen - bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass die Erstmitbeteiligte am 31. Jänner 2008 in dem von ihm betriebenen Lokal als Putzhilfe arbeitend angetroffen wurde.

Wird aber jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d. h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2012, Zl. 2010/08/0170, mwN).

Der belangten Behörde ist daher nicht entgegenzutreten, wenn sie in Ermangelung eines zu ernsthaften Zweifeln Anlass gebenden substantiierten Vorbringens des Beschwerdeführers für den Tag der Betretung - den 31. Jänner 2008 - ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG angenommen hat. Zu diesem Ergebnis scheint auch der Beschwerdeführer selbst zu kommen, wenn er in der Beschwerde anführt, dass die belangte Behörde bei vollständiger Ermittlung des Sachverhalts zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass die Erstmitbeteiligte "allenfalls nur am 31.1.2008 (somit einem Tag)" in seinem Lokal beschäftigt gewesen sei.

Nach der hg. Rechtsprechung ist der Abspruch über die Versicherungspflicht stets zeitraumbezogen zu beurteilen und insoweit auch teilbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2006, Zl. 2004/08/0275). Die Beschwerde war daher, insoweit sie sich gegen die Feststellung der Versicherungspflicht der Erstmitbeteiligten am 31. Jänner 2008 bezieht, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Für den restlichen verfahrensgegenständlichen Zeitraum zeigt die Beschwerde jedoch im Ergebnis zutreffend einen wesentlichen Verfahrensmangel auf:

Die belangte Behörde stützte ihre Feststellung, dass die Erstmitbeteiligte seit 1. Jänner 2008 im Lokal des Beschwerdeführers beschäftigt gewesen sei, auf ein bei der Betretung am 31. Jänner 2008 von den Kontrollorganen erstelltes "Personenblatt", in dem die Erstmitbeteiligte im Feld "Beschäftigt seit" die Angabe "1 Monat" gemacht habe.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren mehrfach - bereits vor der erstinstanzlichen Behörde, aber auch im Einspruch und in der Berufung - vorgebracht, dass sich die Erstmitbeteiligte am 31. Jänner 2008 erstmals in seinem Lokal befunden und sie die Bedeutung des Personenblatts aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht verstanden habe. Er hat in seinem Einspruch auch die Einvernahme der Erstmitbeteiligten - im Wesentlichen zum Beweis dafür, dass sie weder deutsch noch russisch spricht - beantragt.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid abstrakt mit Unterschieden zwischen der russischen und ukrainischen Sprache befasst, sich sodann mit einzelnen Wörtern in dem anlässlich der Kontrolle ausgefüllten "Personenblatt" auseinandergesetzt, und ist schließlich - unter Würdigung des Schriftbildes sowie des Gesamtbildes des Personenblatts - zum Ergebnis gekommen, dass die Erstmitbeteiligte das Personenblatt ohne Verständnisschwierigkeiten ausgefüllt habe. Eine Einvernahme der Erstmitbeteiligten oder der Kontrollorgane erfolgte jedoch weder vor der belangten Behörde noch vor der erst- und zweitinstanzlichen Behörde.

Nach § 46 AVG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Auch die von den Kontroll- oder Erhebungsorgangen der Abgabenbehörden und der Sozialversicherungsträger verwendeten Formulare, die im Zuge einer Kontrolle unter anderem von den bei der Kontrolle angetroffenen Beschäftigten ausgefüllt werden (Erhebungs- oder Personenblätter) sind daher zulässige Beweismittel im Verwaltungsverfahren. Liegen aber widersprechende Beweisergebnisse vor und kommt der Beweiswürdigung im konkreten Fall besondere Bedeutung zu, so sind derartige Erhebungs- oder Personenblätter, die nicht den Anforderungen einer Niederschrift im Sinne des § 14 AVG entsprechen, nicht ausreichend, um den Grundsätzen der Amtswegigkeit des Verfahrens und der Erforschung der materiellen Wahrheit zu genügen. Diesfalls hat die Behörde jene Person, von der nur ein von ihr ausgefülltes Formular vorliegt, als Zeugin niederschriftlich zu vernehmen (vgl. zu formlosen Befragungen und schriftlichen Stellungnahmen das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2008/08/0251).

Aufgrund des Widerspruchs zwischen dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den der Erstmitbeteiligten zugeschriebenen Angaben im Personenblatt hätte die belangte Behörde daher zumindest den Versuch unternehmen müssen, die Erstmitbeteiligte als Zeugin zu befragen. Sollte die Erstmitbeteiligte, die nach den Verwaltungsakten nach der Kontrolle in Schubhaft genommen wurde, wegen mittlerweile erfolgter Abschiebung und danach unbekannten Aufenthalts nicht mehr erreicht werden können, so wäre die Einvernahme der einschreitenden Kontrollorgane zur Frage der Angaben der Erstmitbeteiligten über die Dauer ihrer Beschäftigung geboten gewesen. Da die belangte Behörde dies unterlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die Feststellung der Pflichtversicherung im Zeitraum vom 1. bis zum 30. Jänner 2008 mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet.

5. Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Ausspruch über die Pflichtversicherung vom 1. bis zum 30. Jänner 2008 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben; im übrigen - hinsichtlich der Pflichtversicherung am 31. Jänner 2008 - war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das auf den Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Mehrbegehren des

Beschwerdeführers war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 14. November 2012

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