VwGH 2010/08/0170

VwGH2010/08/017028.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des E A in I, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Thomas E. Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b/I, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 22. Juni 2010, Zl. LGSTi/V/0566/11 03 88-702/2010, betreffend Sonderbeitrag gemäß § 25 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §46;
AVG §46;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. Mai 2010 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice I (in der Folge: AMS) den Beschwerdeführer zur Zahlung eines Sonderbeitrages gemäß § 25 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) in der Höhe von EUR 185,47 verpflichtet. Dies wurde damit begründet, dass laut Anzeige der Kontrollbehörde zur illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung (KIAB) K am 8. Jänner 2010 um 10.15 Uhr in I bei der Tätigkeit als Paketzusteller betreten worden sei, wobei er diese Tätigkeit für den Beschwerdeführer erbracht habe; der Beschwerdeführer habe die Aufnahme dieser Tätigkeit nicht zeitgerecht an den zuständigen Träger der Krankenversicherung gemeldet.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen.

Zur Begründung der Annahme des Vorliegens eines Dienstverhältnisses von K zum Beschwerdeführer und der Unterlassung einer zeitgerechten Meldung des Beschwerdeführers an den zuständigen Träger der Krankenversicherung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges (wie insbesondere der Wiedergabe des Inhaltes des betreffend K aufgenommenen "KIAB-Erhebungsblattes" vom 8. Jänner 2010 sowie der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft bei der zuständigen Gebietskrankenkasse und den Angaben der KIAB-Beamtin A, welche die Kontrolle am 8. Jänner 2010 durchgeführt hatte) und neben Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen Folgendes aus (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass (K) laut Anzeige des Finanzamtes (I)/KIAB bei der Paketzustellung bzw. beim Ausleeren der Pakete am 08.01.2010 um 10:15 Uhr für den Dienstgeber (den Beschwerdeführer) betreten worden ist.

Der (Beschwerdeführer) gab in der Stellungnahme vom 25.03.2010 und in der Berufung im Wesentlichen an, dass (K) zu keinem Zeitpunkt und nach wie vor nicht im Unternehmen des (Beschwerdeführers) tätig ist. (K) sei lediglich neben dem Auto gestanden und habe eine Zigarette geraucht.

Dem wird entgegengehalten, dass der Bezug des Arbeitslosengeldes von (K) mit Bescheid des (AMS) vom 09.04.2010 widerrufen und das Arbeitslosengeld für den Zeitraum von 12.12.2009 bis 08.01.2010 zurückgefordert wurde. Der Widerruf und die Zurückforderung erfolgten aufgrund der berufungsgegenständlichen Betretung am 08.01.2010. Gegen diesen Bescheid wurde seitens (K) keine Berufung erhoben. (K) ging nach Ansicht de(r belangten Behörde) somit selbst von einer Tätigkeit für den (Beschwerdeführer) aus.

Ferner gab die KIAB-Beamtin (A) im Zuge der fernmündlichen Befragung durch die (belangte Behörde) am 16.06.2010 bekannt, dass es nicht stimme, dass (K) lediglich neben dem Auto gestanden sei und geraucht habe. Man habe ihn zusammen mit der anderen Person über einen längeren Zeitraum beim Zustellen von Paketen beobachtet. Herr (K) habe dabei ein Paket in der Hand gehalten und dieses in ein Haus getragen. Ferner wurde im 'KIAB-Erhebungsblatt' angegeben, dass (K) als Paketzusteller am 08.01.2010 von 9:30 Uhr bis 12:00 Uhr beschäftigt gewesen sei. Ein Arbeitsvertrag habe nicht bestanden. Weiters wurde vermerkt, dass er 'nur' als Einschuler tätig gewesen sei, um sich anzuschauen, ob 'ihm die Anstellung gefällt'. Er sei am 08.01.2010 das erste Mal tätig geworden. Das 'KIAB-Erhebungsblatt' weist die Unterschrift von (K) auf.

Die (belangte Behörde) kam nicht zu der Ansicht, dass (K) zum berufungsgegenständlichen Zeitpunkt lediglich neben dem Auto gestanden sei und geraucht habe. Die KIAB-Beamtin (A) konnte der (belangten Behörde) glaubhaft darlegen, dass beide Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum bei der Zustellung von Paketen sowie dem Ausladen von Paketen beobachtet worden sind. Das Vorbringen, wonach (K) lediglich als Beifahrer mitgefahren sei, weil diesem langweilig gewesen sei, erscheint aufgrund der stimmigen Aussage von (A) in Zusammenhang mit dem von (K) unterschriebenen 'KIAB-Erhebungsblatt' nicht glaubwürdig.

Des Weiteren hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass (K) am 08.01.2010 geringfügig bei(m Beschwerdeführer) beschäftigt war. Dies ergibt sich aus dem Versicherungszeitenauszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde nicht zeitgerecht an den zuständigen Träger der Krankenversicherung gemeldet. Dies ergibt sich aus der Nachfrage der Meldeabteilung der Tiroler Gebietskrankenkasse am 17.06. 2010. Diese Tatsache steht weiters im Widerspruch mit dem Vorbringen des (Beschwerdeführers), wonach (K) 'zu keinem Zeitpunkt und nach wie vor nicht im Unternehmen des (Beschwerdeführer) tätig gewesen sei'."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Ab. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis steht.

§ 25 Abs. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 77/2004 lautet:

"(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest zwei Wochen ist rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar."

Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juli 2001, Zl. 99/08/0030, und vom 23. April 2003, Zl. 98/08/0270).

Der Beschwerdeführer bestreitet (wie bereits in der Berufung), dass K jemals im Rahmen seiner Unternehmung als Paketzusteller beschäftigt gewesen sei; er vermeint zusammengefasst, dass die bekämpften Feststellungen auf Grund eines unvollständigen und mangelhaften Ermittlungsverfahrens zustande gekommen seien, wozu er insbesondere die Unterlassung der von ihm beantragten Beweisaufnahmen (Einvernahme seiner Person sowie von K und dem Mitarbeiter Y, der die gegenständliche Transportfahrt durchgeführt habe, als Zeugen) und der Einräumung des Parteiengehörs zu den telefonisch gewonnenen Beweisergebnissen im Berufungsverfahren rügt.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Vorauszuschicken ist, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Mai 2005, 2002/08/0094) nicht bedeutet, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, einer Beweiswürdigung der belangten Behörde, der eine Überprüfung unter diesem Gesichtspunkt standhält, mit der Begründung entgegenzutreten, dass auch ein anderer Ablauf die Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre.

Im Sinne des Grundsatzes der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel (§ 46 AVG) gilt alles als Beweismittel, was Beweis zu liefern, d.h. die Wahrheit zu ergründen, geeignet ist. In diesem Sinne darf die Behörde grundsätzlich auch das Ergebnis einer telefonischen Erhebung (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, § 46 Enr. 24, 68) bei ihrer Entscheidung verwerten.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ihre beweiswürdigenden Erwägungen zur nichtgemeldeten Tätigkeit des K als Paketzusteller am 8. Jänner 2010 im Wesentlichen auf die Angaben der KIAB-Beamtin A, den Inhalt des von K unterfertigten Erhebungsblattes und den Umstand, dass K (auch) den auf Grund dieser Beschäftigung ihm gegenüber bescheidmäßig ausgesprochenen Widerruf des Arbeitslosengeldes bzw. dessen Rückforderung unbekämpft gelassen habe, gestützt und dargelegt, dass deshalb der gegenteiligen Darstellung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden könne. Dieser nachvollziehbaren Argumentation vermag die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegenzubringen: Der Beschwerdeführer kann weder aufzeigen, wieso mit den begehrten Einvernahmen die Angaben des K, der im Erhebungsblatt - wenngleich "als Einschuler" - eine Beschäftigung von 9.30 bis 12.00 Uhr an jenem Tag bestätigte, erschüttert würden, noch aus welchen Gründen die Angaben der die Kontrolle durchführenden Beamtin unrichtig seien; dasselbe gilt in Bezug auf das unterlassene Parteiengehör, womit im Ergebnis die Relevanzdarstellung zu den behaupteten Verfahrensmängel fehlt.

Insgesamt begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde ausgehend von den somit aus einer mängelfreien Beweiswürdigung resultierenden und für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichenden Feststellungen das Vorliegen einer Beschäftigung des K beim Beschwerdeführer als Dienstgeber bejaht und infolge der Unterlassung der Meldung dieser Tätigkeit beim zuständigen Krankenversicherungsträger die Vorschreibung des gegenständlichen Sonderbeitrages nach § 25 Abs. 2 AlVG für gerechtfertigt erachtet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 28. März 2012

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