VwGH 2009/08/0227

VwGH2009/08/022728.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Mag. M S in M, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 46a, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 26. Juni 2009, Zl. LGSSbg/2/0566/2009, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §50;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §50;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 9. März bis zum 3. Mai 2009 ausgesprochen.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der angeführten gesetzlichen Bestimmungen traf die belangte Behörde folgende für das weitere Verfahren wesentliche Feststellungen:

Das Arbeitsmarktservice S habe dem Beschwerdeführer am 27. Februar 2009 zwei Beschäftigungen angeboten, nämlich eine Stelle als Küchenhilfskraft beim "S" und eine als Verkäufer bei der "". Da beide Betriebe zur Dach- und Trägerorganisation S GmbH mit Sitz in S gehörten, sei als Kontaktperson Frau B., die dort für Personaleinstellungen zuständig sei, genannt worden. Unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer am 4. März 2009 bei der Firma S GmbH wegen dieses Stellenangebots vorgesprochen habe. Über den Verlauf des Vorstellungsgesprächs lägen unterschiedliche Darstellungen vor. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung folge die belangte Behörde den glaubwürdigen Aussagen von Frau B., die diese in einem E-Mail vom 29. April 2009 gemacht habe.

Danach seien die Bewerbungsunterlagen des Beschwerdeführers nicht maßgeblich für die Entscheidung gewesen, dass das Dienstverhältnis als Verkäufer in der "K" nicht zustande gekommen sei. Maßgeblich für diese Entscheidung seien vielmehr die Aussagen des Beschwerdeführers, dass er als international anerkannter Künstler nicht teamfähig sei und nur als Chef eingesetzt werden könne.

Diese Aussagen von Frau B. seien in Zusammenhang mit der Aussage des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 12. Mai 2009 - wonach er ja tatsächlich ein Künstler sei, der immer wieder in der Öffentlichkeit stehe und dies eben ein Hauptbestandteil seines Lebenslaufs und persönlichen Profils sei - glaubwürdig. Darüber hinaus habe die belangte Behörde keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit von Frau B. zu zweifeln, da kein Grund zur Annahme bestehe, dass Frau B. einem (ihr bisher unbekannten) Kunden des Arbeitsmarktservice durch eine falsche Aussage Schaden zufügen wolle.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, Frau B. hätte "diese (und die andere) Stelle" nie mit ihm besprochen, sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung vom 11. April 2009 bestätige, dass er vom Arbeitsmarktservice zwei Stellen zugewiesen erhalten habe, darunter auch die als Verkäufer in der "K". Es sei allerdings für die belangte Behörde sehr gut nachvollziehbar, dass Frau B. keine weiteren Details über die beiden Tätigkeiten mit dem Beschwerdeführer besprochen habe, nachdem ihr dieser mitgeteilt hätte, dass er aufgrund seiner künstlerischen Tätigkeit und Ausbildung nicht in einem Team arbeiten könne. Damit habe der Beschwerdeführer in Kauf genommen, dass das Vorstellungsgespräch nicht in Richtung Einstellung weitergeführt werde, sondern Frau B. sich nur noch für die künstlerische Tätigkeit des Beschwerdeführers interessiert habe, bevor sie das Gespräch beendet habe.

Die belangte Behörde sehe es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer bei seinem Vorstellungsgespräch am 4. März 2009 Frau B. von der Firma S GmbH, die Personaleinstellungen für die sozialökonomischen Betriebe "S" und "K" mache, mitgeteilt habe, dass er nicht teamfähig sei. Mit diesem Verhalten habe er es in Kauf genommen, dass das Beschäftigungsverhältnis als Verkäufer nicht zustande gekommen sei und damit den Tatbestand der Arbeitsvereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen.

Gemäß § 38 AlVG ist diese Bestimmung auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, Zl. 2005/08/0049, uva).

2. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dass die belangte Behörde die Angaben von Frau B. im Wege einer Zeugeneinvernahme zu verifizieren gehabt hätte bzw. zu den verfahrensrelevanten Fragen nähere und detailliertere Angaben von Frau B. anfordern hätte müssen. Die belangte Behörde hätte Frau B. daher im konkreten Fall formell als Zeugin unter Wahrheitspflicht einvernehmen müssen, zumal die aktenkundigen E-Mails von ihr nur eingeschränkten Beweiswert hätten und in Wahrheit nur bewiesen, dass diese vom Computer ihres Arbeitsplatzes versendet worden seien.

Es wäre darüber hinaus erforderlich gewesen, das Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und Frau B. "näher zu hinterfragen". Der genaue Gang des Gesprächs zwischen dem Beschwerdeführer und Frau B. wäre möglichst detailliert zu rekonstruieren gewesen. Ein allfälliger Hinweis des Beschwerdeführers, dass er sich "für die angebotene Tätigkeit (aus den angegebenen Gründen) für nicht geeignet hält", stelle per se noch keine Weigerung, eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen dar.

3. Zunächst ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass eine formlose Befragung einer Auskunftsperson (etwa per E-Mail) anstatt einer förmlichen Zeugeneinvernahme dort unzulässig ist, wo widersprechende Beweisergebnisse vorliegen und der Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt. Diesfalls hat die Behörde entsprechend dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens jene Personen, die zunächst nur formlos befragt wurden, als Zeugen niederschriftlich zu vernehmen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. April 2008, Zl. 2005/08/0017 und vom 19. Jänner 2011, Zl. 2008/08/0010).

Im gegenständlichen Fall liegen jedoch keine widersprüchlichen Beweisergebnisse vor:

Die von der belangten Behörde festgestellten - für die Annahme einer Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG wesentlichen - Aussagen des Beschwerdeführers beim Bewerbungsgespräch mit Frau B. waren jene, wonach er nicht im Team arbeiten könne und nur als Chef geeignet wäre. Diese Aussagen hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht bestritten. Auch die Beschwerde lässt nicht erkennen, welchen - für den Beschwerdeführer günstigeren - Verlauf seines Bewerbungsgesprächs die förmliche Einvernahme der Zeugin B. zeigen hätte können, insbesondere ob sich dabei gezeigt hätte, dass er diese Aussagen nicht getätigt hat. Im Gegenteil bestätigen bereits die Beschwerdeausführungen, wonach der Beschwerdeführer darauf hingewiesen habe, sich für die angebotene Tätigkeit "aus den angegebenen Gründen" für nicht geeignet zu halten, einen derartigen Gesprächsverlauf.

Die entscheidungserheblichen Feststellungen der belangten Behörde begegnen vor dem Verwaltungsgerichtshof daher keinen Bedenken. Sie sind auch ausreichend, um die Annahme einer Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu begründen. Zweifellos ist nämlich die gegenüber der potentiellen Dienstgeberin abgegebene Selbsteinschätzung des Beschwerdeführers, wonach er nicht im Team und nur als Chef arbeiten könne, geeignet, diese von einer Beschäftigung des Beschwerdeführers in ihrem Betrieb abzubringen. Mit einer solchen Mitteilung hat der Beschwerdeführer in Kauf genommen, dass die zugewiesene Beschäftigung als Verkäufer nicht zustande kommen würde. Die Ausführungen der belangten Behörde, wonach aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers beim Bewerbungsgespräch verständlich sei, dass weitere Angaben zu den Rahmenbedingungen der angebotenen Stellen in der Folge unterblieben seien, sind in diesem Zusammenhang nachvollziehbar.

3. Soweit der Beschwerdeführer weiters ausführt, dass er nach dem Bewerbungsgespräch ermittelt habe, dass die vom Arbeitsmarktservice zugewiesene Tätigkeit im "S" tatsächlich gar nicht offen gewesen sei, was Frau B. auch zugestanden habe, ist er auf die Begründung des angefochtenen Bescheids zu verweisen, wonach die belangte Behörde die Vereitelungshandlung aufgrund des Nichtzustandekommens der Beschäftigung als Verkäufer in der "K" - und nicht wegen des Nichtzustandekommens der Beschäftigung als Küchenhilfe im "S" - angenommen hat.

5. Die Beschwerde erweist sich somit als insgesamt unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. März 2012

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