VwGH 2009/08/0091

VwGH2009/08/009111.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des A Y in O, vertreten durch Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Evangelische Kirchengasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 19. März 2009, Zl. 6-SO-N4370/1-2009, betreffend Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei:

Burgenländische Gebietskrankenkasse in 7001 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs1 idF 2007/I/031;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §113 Abs1 idF 2007/I/031;
ASVG §113 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 11. November 2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG iVm § 33 Abs. 1 und 1a ASVG ein Beitragszuschlag in Höhe von EUR 1.300,-- vorgeschrieben.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, im Zuge einer am 29. August 2008 in der Pizzeria P in O von Prüforganen der Abgabenbehörden des Bundes durchgeführten Kontrolle sei der Dienstnehmer Y bei der Verrichtung von Arbeiten für den Beschwerdeführer betreten worden; dabei sei festgestellt worden, dass dieser Dienstnehmer bereits seit 16. August 2008 für den Beschwerdeführer tätig sei, entgegen den Bestimmungen des § 33 Abs. 1 und Abs. 1a ASVG aber erst am 1. September 2008 zur Pflichtversicherung angemeldet worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Einspruch und machte geltend, bei der Abmeldung des bereits seit 14. Dezember 2007 angemeldeten Dienstnehmers Y habe es sich um ein Verständigungsproblem zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Steuerberater gehandelt. Der Beschwerdeführer habe dem Steuerberater per SMS ("Ali ab meldin ab 15 08 einfanemlich danke") die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses mitgeteilt und sei davon ausgegangen, dass insoweit eine Frist zu berücksichtigen sei, sodass der Dienstnehmer mit 31. August 2008 abgemeldet werde. Der Steuerberater habe aber die Abmeldung am 18. August 2008 per 15. August 2008 durchgeführt, ohne mit dem Beschwerdeführer über das Abmeldedatum zu sprechen. Es werde ersucht, die Verkettung von Missverständnissen auf Seiten des Beschwerdeführers und seines Steuerberaters bei der Bemessung der Beitragszuschläge zu berücksichtigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch teilweise Folge und setzte den Beitragszuschlag mit EUR 600,-- fest. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der türkische Staatsangehörige Y sei am 29. August 2008 um 21.45 Uhr in der Pizzeria P in O von Prüforganen der Abgabenbehörden des Bundes bei der Verrichtung von Arbeiten (Zubereitung von Pizzen) für den Beschwerdeführer, den Inhaber der Pizzeria P, betreten worden. Im Rahmen dieser Kontrolle sei von Prüforganen der Abgabenbehörden des Bundes festgestellt worden, dass der Dienstnehmer Y im Zeitpunkt der Kontrolle nicht zur gesetzlichen Sozialversicherung gemeldet gewesen sei. Es habe sich dabei um den ersten Meldeverstoß des Beschwerdeführers gehandelt.

Gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sei wegen der Nichtanmeldung des Dienstnehmers Y zur Sozialversicherung im Zeitpunkt der Kontrolle am 29. August 2008 ein Beitragszuschlag vorzuschreiben gewesen. Die Unkenntnis bzw. ein Irrtum über die Folgen einer einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses bzw. Verständigungsprobleme mit dem Steuerberater seien keinesfalls als berücksichtigungswürdige Umstände iSd § 113 Abs. 2 ASVG zu qualifizieren. Die vom Beschwerdeführer zu vertretende Abmeldung des Dienstnehmers Y per 15. August 2008 habe dazu geführt, dass Y zwei Wochen lang als Dienstnehmer des Beschwerdeführers beschäftigt gewesen sei, ohne zur Sozialversicherung gemeldet zu sein. Von völlig unbedeutenden Folgen iSd § 113 Abs. 2 ASVG könne daher nicht gesprochen werden. Es liege auch kein besonders berücksichtigungswürdiger Fall iSd § 113 Abs. 2 ASVG vor. Im Hinblick darauf, dass es sich um den ersten Meldeverstoß handle, sei aber der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung mit EUR 200,-- und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz mit EUR 400,-- festzusetzen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, in der jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird, erwogen hat:

1. § 113 ASVG idF BGBl. I Nr. 31/2007 lautet auszugsweise:

"(1) Den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder

2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder

  1. 3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder
  2. 4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.

(2) Im Fall des Abs. 1 Z 1 setzt sich der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 500 EUR je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 800 EUR. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 400 EUR herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

(3) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 darf der Beitragszuschlag das Doppelte jener Beiträge nicht überschreiten, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der vollständigen Anmeldung oder bis zum Einlangen der verspäteten vollständigen Anmeldung beim Versicherungsträger bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes oder bis zum Einlangen der verspäteten Meldung des Entgeltes beim Versicherungsträger entfallen; im Fall des Abs. 1 Z 4 darf der Beitragszuschlag nicht höher sein als das Doppelte des Unterschiedsbetrages zwischen den sich aus dem zu niedrig gemeldeten Entgelt ergebenden und den zu entrichtenden Beiträgen. Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger die wirtschaftlichen Verhältnisse der die Beiträge schuldenden Person und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen; der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären.

(…)"

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, § 113 Abs. 2 ASVG biete die Möglichkeit, dass bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen sowohl der Teilbetrag für die Bearbeitung als auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen könne. Es sei dem angefochtenen Bescheid auch nicht zu entnehmen, welche über das gesetzlich definierte Ausmaß der "unbedeutenden Folgen" hinausgehenden Folgen der gegenständliche Fall nach sich gezogen hätte, um von dieser Bestimmung auf Nichtfestsetzung und Entfall des Beitragszuschlages keinen Gebrauch zu machen. Der Beitragszuschlag habe zur Gänze zu entfallen.

3. Der Beitragszuschlag nach § 113 Abs. 1 ASVG stellt eine pauschalierte Abgeltung des durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachten Verwaltungsaufwandes und des Zinsentganges infolge der verspäteten Beitragsentrichtung dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2002/08/0114).

Der Beschwerdeführer beschäftigte unstrittig den Dienstnehmer Y. Dieses Dienstverhältnis war - wie auch aus dem in den Akten des Verwaltungsverfahrens befindlichen Versicherungsdatenauszug hervorgeht - jedenfalls seit 1. Februar 2008 dem zuständigen Krankenversicherungsträger gemeldet. Zum Zeitpunkt der Betretung durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes am 29. August 2008 wurde der Dienstnehmer Y weiterhin vom Beschwerdeführer beschäftigt; er war aber bereits mit 15. August 2008 abgemeldet worden. Die belangte Behörde hat nicht festgestellt, dass das Beschäftigungsverhältnis des Dienstnehmers Y zwischen der Abmeldung am 15. August 2008 und der Betretung am 29. August 2008 unterbrochen worden wäre.

Es liegt hier also kein Fall vor, dass ein Dienstgeber die von ihm beschäftigte Person nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet hat (§ 33 Abs. 1 ASVG); vielmehr erfolgte die Abmeldung vor dem Ende der Pflichtversicherung. Insoweit wird aber nicht der Tatbestand des § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG erfüllt.

Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass bei einer unberechtigt erfolgten Abmeldung allein ein Beitragszuschlag nicht vorgesehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1989, Zl. 88/08/0121). Ein Beitragszuschlag kann aber für die verfrühte Abmeldung festgesetzt werden, insoweit mit dieser die Meldung eines zu niedrigen Entgeltes (§ 113 Abs. 1 Z 4 ASVG) verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1985, Zl. 84/08/0118, mwN; vgl. auch - zu § 113 ASVG idF BGBl. Nr. 283/1988 - das hg. Erkenntnis vom 7. August 2002, Zl. 99/08/0103).

Gegenstand dieses Verfahrens ist aber ausschließlich die Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 (und nicht nach Z 4) ASVG.

Beitragszuschläge nach § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG einerseits und solche nach Z 4 leg. cit. andererseits unterscheiden sich sowohl hinsichtlich des Tatbestandes als auch der Rechtsfolge (Ermittlung der Höhe des Beitragszuschlages; Möglichkeit, die Zuschläge zu ermäßigen oder sie ganz entfallen zu lassen). Es liegt insoweit ein anderer Verfahrensgegenstand vor.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 11. Juli 2012

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