VwGH 88/08/0121

VwGH88/08/012119.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde der S-Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, Albrechtgasse 3/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Jänner 1988, Zl. 5-226 Ste 105/32-1988, betreffend Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse in Graz, Josef Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113;
ASVG §113;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Punkt 1) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. September 1983 schrieb die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse der Beschwerdeführerin gemäß § 113 Abs. 1 ASVG einen Beitragszuschlag von S 68.500,-- vor. Der dagegen eingebrachte Einspruch wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 5. Dezember 1984 als unzulässig zurückgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die von BL vorgelegte Vollmacht keinen Hinweis darauf enthalte, daß der Genannte zur Vertretung der Beschwerdeführerin vor dem 8. November 1983 und damit auch zur Einbringung des Einspruches bevollmächtigt gewesen sei. Auf Grund der dagegen eingebrachten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 20. Juni 1985, Zl. 85/08/0014, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

In der Folge erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der mitbeteiligten Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 7. September Folge 1983 keine Folge gegeben wurde, der erstinstanzliche Bescheid jedoch dahingehend abgeändert wurde, daß über die Beschwerdeführerin 1.) wegen Nichterstattung von Versicherungsanmeldungen in zehn Fällen gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 ASVG ein Beitragszuschlag von S 10.000,-- und 2.) wegen Meldung eines falschen Beginnes der Pflichtversicherung und der damit verbundenen Meldung eines zu niedrigen Entgeltes in drei Fällen ein Beitragszuschlag von S 3.000,-- verhängt wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. In der Beschwerde wird im wesentlichen ausgeführt, mit Bescheid der mitbeteiligten Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 7. September 1983 seien acht Fälle der unterlassenen Versicherungsanmeldung und drei Fälle der Meldung des unrichtigen Ein- (bzw.) Austrittstages mit Beitragszuschlägen geahndet worden. Mit dem angefochtenen Bescheid seien zehn Fälle wegen Nichterstattung der Versicherungsanmeldung geahndet worden, also zwei mehr als die Gebietskrankenkasse in erster Instanz zur Begründung herangezogen habe. Hier habe also der Landeshauptmann als Behörde zweiter Instanz über einen Sachverhalt entschieden, der in erster Instanz nicht behandelt worden sei, nämlich offensichtlich in zwei Fällen mehr. Das sei auch deswegen relevant, da offensichtlich für jeden Verstoß der Landeshauptmann S 1.000,-- als Beitragszuschlag verhängt habe, sodaß, wenn dieser Schluß richtig sei, nur wegen acht Fällen ein Beitragszuschlag von zusammen S 8.000,-- "verhängt" hätte werden können. Es möge dem Landeshauptmann freistehen, unter Umständen auch einen höheren Beitragszuschlag zu "verhängen". Er könne jedoch nicht Beitragszuschläge für Verstöße gegen die Meldepflicht "verhängen", welche von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse selbst in deren Bescheid nicht angezogen worden sei. Wegen dieser Überschreitung und im Hinblick auf den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 7. September 1983 leide der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Weiters habe die Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren vorgebracht, daß die ihr zugeschriebenen Dienstnehmer nicht von ihr beschäftigt worden seien, sondern als Vertreter dreier Personen, nämlich SG, Dr. HD und Dr. JF, aufgenommen worden seien. Die Vernehmung dieser drei Personen hätte klar ergeben, daß die in Rede stehenden Personen nicht für die Beschwerdeführerin, sondern für diese drei aufgenommen worden seien. Die Unterlassung dieser Vernehmungen sei als Verletzung von Verfahrensgrundsätzen deshalb relevant, da dann, wenn die oben angeführten drei Personen die tatsächlichen Dienstherren der in Rede stehenden Dienstnehmer gewesen wären, nicht die Beschwerdeführerin die Beiträge zu zahlen gehabt hätte, sondern eben andere Personen. Eine Begründung, warum es erwiesen sei, daß die für die Dienstnehmer GF, JK und AW erstatteten Versicherungsanmeldungen unrichtig gewesen seien, sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. In dieser Hinsicht sei der angefochtene Bescheid unüberprüfbar. Unüberprüfbar sei auch der Zeitraum, für welchen die Versicherungsanmeldung nicht erstattet worden sein sollte. Um die Rechtfertigung für Beitragszuschläge zu bilden, hätte der Zeitraum, für den die Dienstnehmer nicht angemeldet worden seien, sowohl im Spruch als auch in der Begründung des Bescheides angeführt werden müssen. Das Verfahren über Beitragszuschläge habe im wesentlichen Strafcharakter und müßten auch hier dieselben Kriterien und Garantien, die in einem Verwaltungsstrafverfahren verlangt würden, gelten, zumindest müsse also gefordert werden, daß der Sachverhalt, dessentwegen ein Beitragszuschlag verhängt werde, im Spruch festgehalten werde. Bei der Verhängung von Beitragszuschlägen sei auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Dienstgebers Rücksicht zu nehmen. Die belangte Behörde führe selbst am Ende des angefochtenen Bescheides aus, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin nicht belegt worden seien, begründe aber die Verhängung der Beitragszuschläge mit eben diesen wirtschaftlichen Verhältnissen. In dieser Hinsicht handle es sich also offensichtlich um eine leere Begründung ohne konkretisierten Inhalt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat ein umfangreiches Ermittlungsverfahren darüber durchgeführt, wer Dienstgeber bzw. eine der im § 111 ASVG genannten Personen der in Betracht kommenden Dienstnehmer war.

BL, der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin, hat während des Verwaltungsverfahrens keinen Beweisantrag auf Einvernahme der SG, des Dr. D und des Dr. F gestellt. Anläßlich seiner Einvernahme als Zeuge am 27. November 1986 vor dem Magistrat Graz - Sozialamt erklärte BL auf die Fragen: "4. sind dem Zeugen AT, JK, FL, GF, AW und BY bekannt und zutreffendenfalls

5. welche dieser Personen wurde für die Beschwerdeführerin als Dienstnehmer in vorangeführten Zeitraum aufgenommen; 6. durch wen erfolgt die Aufnahme" zu 4.) "Für schwach in Erinnerung." Zur Frage Nr. 5 erklärte er: "Ich kann mich heute nur noch schwach daran erinnern, daß ich entweder alle oder einige dieser Herren für SG, Dr. D, Dr. F als Taglöhner gelegentlich beschäftigt habe."

Zur Frage Nr. 6 erklärte er: "Durch mich, sofern es die genannten Personen betrifft, bzw. kann ich derartige Angaben für die 'Beschwerdeführerin' nicht machen, weil ich mich nicht mehr daran erinnere." Die Adresse der in Frage kommenden Dienstgeberin SG gab BL anläßlich dieser Niederschrift mit "Kenia" an, hinsichtlich Dr. D und Dr. F klärte BL auf die Frage, um welche Dienstnehmer es sich hiebei im einzelnen handelte und für welche Zeiträume diese für die Hauseigentümer aufgenommen worden seien, diese Frage könne er aufgrund des Zeitablaufes nicht mehr genau beantworten.

Der Zeuge RW, der als Techniker bei der Beschwerdeführerin beschäftigt ist, gab anläßlich der Zeugeneinvernahme am 16. Oktober 1985 an, JK sei bei SG als Taglöhner beschäftigt gewesen, dabei erklärte er: "SG = Herr L, derzeit Prokurist, ist Verwalter des Gutes in H, welches auf SG läuft, SG ist im Ausland". Nach dieser Aussage des RW seien auch FL und BY bei SG beschäftigt gewesen; GF sei bei der Beschwerdeführerin beschäftigt gewesen.

Die von BL beantragten Zeugen EL und SH konnten nicht angeben, für welchen Zeitraum und für welchen Dienstgeber die Dienstnehmer beschäftigt waren.

RA, der als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin beschäftigt war, erklärte anläßlich der Niederschrift vom 27. Oktober 1986, die Entrichtung der Löhne sei aus Mitteln der Beschwerdeführerin erfolgt, durch BL seien tatsächlich im beschwerdegegenständlichen Zeitraum im Namen der Beschwerdeführerin Dienstnehmer aufgenommen und Löhne an diese ausbezahlt worden.

Die Aussage des Zeugen A wurde BL vorgehalten, er unterließ es aber als Bevollmächtigter der Beschwerdeführerin, eine abschließende Stellungnahme zur Aussage des von ihm beantragten Zeugen abzugeben.

Unstrittig ist schließlich, daß von Mitarbeitern der Beschwerdeführerin an die sechs genannten Dienstnehmer wiederholt Geld gezahlt wurde, im Auftrag von BL, der der "Chef" war.

Die Zeugen W, K und T gaben an, im fraglichen Zeitraum für die Beschwerdeführerin gearbeitet zu haben.

Auf Grund dieser Aussagen erscheint die Annahme der belangten Behörde, wonach die sechs Dienstnehmer im fraglichen Zeitraum von der Beschwerdeführerin beschäftigt waren, durchaus schlüssig. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11894/A, sowie vom 20. April 1989, Zl. 89/18/0005, u.a.), unterliegt die Beweiswürdigung der Behörde einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen dann, wenn sie mit den Denkgesetzen, und auch mit dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, im Einklang stehen. Ob eine vorgenommene Beweiswürdigung richtig in dem Sinn ist, daß z.B. die Version eines Zeugen und nicht die Version des Beschwerdeführers den Tatsachen entspricht, ist aber eine solche Frage der Beweiswürdigung, die der Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuprüfen vermag.

Im Rahmen seiner solcherart umgrenzten Prüfungsbefugnis vermag der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtswidrigkeit in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides auch unter Beachtung des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen.

Der Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Bescheides sieht einen Beitragszuschlag für 10 Fälle wegen "Nichterstattung von Versicherungsanmeldungen", Spruchpunkt 2.) einen solchen wegen "Meldung eines zu niedrigen Entgeltes in drei Fällen" vor. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat anläßlich der Beitragsprüfung sämtliche Meldeverstöße geprüft und über den gesamten Komplex bescheidmäßig absprechen wollen. In der Begründung hat sie jedoch - wie auch im Einspruchsverfahren von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse dargelegt wurde - irrtümlich bloß die näher bezeichneten Verstöße angeführt, was jedoch die Sache nicht eingeschränkt hat. Da nun die hervorgekommenen Meldeverstöße Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren, durfte auch die belangte Behörde alle bei der Beitragsprüfung hervorgekommenen Meldeverstöße aufgreifen. Allerdings handelte es sich nach den eigenen Feststellungen der belangten Behörde (Seite 2 verso dritter Absatz der Begründung des angefochtenen Bescheides) bei den 10 Fällen - im Gegensatz zum Spruchpunkt 1.) - aber nicht um 10 Anmeldungsfälle, sondern um 7 Anmeldungs- und 3 Abmeldungsfehler der Beschwerdeführerin. Da ein Beitragszuschlag bei Abmeldungsfehlern gemäß § 113 ASVG nicht vorgesehen ist, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid im Spruchpunkt

1.) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Dieser Spruchpunkt war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die belangte Behörde setzte den Beitragszuschlag im Spruchpunkt 2.) für die Meldeverstöße (Meldung eines falschen Beginnes der Pflichtversicherung und der damit verbundenen Meldung eines zu niedrigen Entgeltes in drei Fällen) mit insgesamt S 3.000,-- fest. Nach dem Beschwerdevorbringen habe die belangte Behörde am Ende ihres Bescheides ausgeführt, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin nicht belegt worden seien, die belangte Behörde begründe aber die Verhängung der Beitragszuschläge mit eben diesen wirtschaftlichen Verhältnissen. Es handle sich hiebei offensichtlich um eine leere Begründung ohne konkretisierten Inhalt. Dieser Beschwerdevorwurf entbehrt der Berechtigung, weil nicht zu erkennen ist, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin gelangen hätte können. Da es die Beschwerdeführerin unterlassen hat, jene wirtschaftlichen Verhältnisse darzustellen, welche die belangte Behörde ihrer Meinung nach richtigerweise hätte feststellen müssen, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage zu beurteilen, ob die belangte Behörde bei einer Auseinandersetzung mit dieser Frage zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 19. Dezember 1989

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