VwGH 2011/08/0058

VwGH2011/08/005827.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der G K in Wien, vertreten durch Dr. Hannes Jarolim, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 13. Oktober 2010, Zl. 2010-0566-9-002107, betreffend Sonderbeitrag nach dem AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §25 Abs2 idF 2007/I/104;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs4;
AlVG 1977 §25 Abs2 idF 2007/I/104;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. Juni 2010 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 2 und § 12 Abs. 3 AlVG iVm § 33 Abs. 1 ASVG und § 2 Abs. 1 Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) ein Sonderbeitrag zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von EUR 177,48 vorgeschrieben. Ein Empfänger einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung,H B., sei am 15. Jänner 2010 bei einer Tätigkeit im Sinn des § 12 Abs. 1 lit. a AlVG im Betrieb der Beschwerdeführerin angetroffen worden. Dieser habe seine Tätigkeit der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (AMS) nicht unverzüglich gemeldet. Da auch die Beschwerdeführerin keine zeitgerechte Anmeldung beim zuständigen Träger der Krankenversicherung vorgenommen habe, sei ein Sonderbeitrag vorzuschreiben gewesen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Ein Außendienstmitarbeiter des AMS habe (bei der Beschwerdeführerin) einen Termin für ein Gespräch mit H B. ausgemacht. Die für Terminvereinbarungen zuständige Dame habe gemeint, ein Gespräch am 14. Jänner 2010 sei nicht möglich, weil sich H B. den ganzen Tag über "auf Terminen" befinde. In der Folge sei der 15. Jänner 2010, 11 Uhr, vereinbart und eingehalten worden. H B. habe dem Außendienstmitarbeiter des AMS in dem Gespräch die Auskunft erteilt, dass der Makler "nicht auf der Seite der Versicherung, sondern des Kunden stehe". Fünf Minuten nach Beginn des Gesprächs habe sich der Außendienstmitarbeiter des AMS legitimiert und den Grund seines Besuches bekannt gegeben. H B. habe seine Lebenssituation (Lebensgemeinschaft mit der Tochter der Beschwerdeführerin) geschildert und die Tätigkeit für die Kanzlei der Beschwerdeführerin grundsätzlich nicht in Abrede gestellt. Er habe die Tätigkeit als "Aushilfe" im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bezeichnet.

Die Beschwerdeführerin habe H B. bereits zuvor ab dem 14. April 2008 als in ihrer Kanzlei geringfügig Beschäftigten angemeldet und mit dem 30. September 2009 wieder abgemeldet. Ab dem 20. April 2010 scheine erneut ein geringfügig entlohntes Dienstverhältnis bei der "SKE (Beschwerdeführerin) KEG" auf. Die Abmeldung mit September 2009 sei nach Auskunft von H B. aus "wirtschaftlichen Gründen" erfolgt, weil die Sozialversicherungsabgaben "nicht mehr tragbar" gewesen seien. H B. habe die Tätigkeit aber weiterhin ausgeübt.

Zum Gespächstermin mit dem Außendienstmitarbeiter des AMS habe H B. angegeben, die Auskunft der Sekretärin der Beschwerdeführerin, wonach er sich auf Außendienst befunden hätte, sei eine "Standardaussage". Sie besage nicht automatisch, dass er sich tatsächlich auf Außendienst befunden habe. Er führe nur die "Vorgespräche". Den "Abschluss" müsse die Beschwerdeführerin erledigen, weil nur sie die entsprechende Berechtigung (Maklerschein) habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, eine über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnte Tätigkeit sei unwiderleglich zu vermuten, wenn ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) durch öffentliche Organe bei einer Tätigkeit iSd § 12 Abs. 3 AlVG angetroffen werde, die der Arbeitslose nicht unverzüglich dem AMS angezeigt habe (§ 50 AlVG). Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest zwei Wochen sei zurückzufordern. Erfolge in einem solchen Fall durch den Dienstgeber keine zeitgerechte Meldung an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so sei ihm vom AMS ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben.

H B. sei für das Unternehmen der Beschwerdeführerin tätig gewesen. Es wäre sonst nicht möglich gewesen, mit ihm einen Termin zu vereinbaren. Der dort aufliegende Stapel von Visitenkarten mit Namen und Telefonnummer des H B. sei ein weiterer Hinweis auf dessen Tätigkeit in der Kanzlei der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin habe erklärt, dass H B. ihre Tochter zu verschiedenen Tageszeiten besucht habe. Der genannte Termin sei von einem Lehrmädchen ausgemacht worden. Es sei kein Termin mit H B., sondern ein Beratungstermin entweder für die Tochter der Beschwerdeführerin oder deren Geschäftspartner gewesen. Als die Beschwerdeführerin ins Büro gekommen sei, habe sie festgestellt, "dass dieser Termin nicht möglich sei". Weil sie aber keine Nummer für einen Rückruf gehabt habe, habe sie den Termin nicht verschieben können. So sei es dazu gekommen, dass der auf die Tochter der Beschwerdeführerin wartende H B."unverbindlich informativ geholfen hat". Diese Tätigkeit sei eine ganz private Aushilfstätigkeit gewesen. Es habe sich nicht um ein Beratungsgespräch gehandelt. Der Termin sei nicht für H B. vereinbart gewesen, das Lehrmädchen könne jedoch nicht ausschließen, gesagt zu haben, dass H B. zu dem genannten Termin möglicherweise anwesend sei. H B. habe in der Kanzlei der Beschwerdeführerin nie ein Zimmer gehabt. Das zur Rede stehende Gespräch mit dem Außendienstmitarbeiter des AMS habe in einem Gesprächszimmer stattgefunden, das jeder benützen könne. Die Visitenkarten des H B. gebe es wirklich, "da viele Kunden von ihnen selbständig sind und ihre Visitenkarten im Gesprächszimmer liegen lassen".

Die belangte Behörde stellte zu diesem Vorbringen beweiswürdigend fest, es sei ein Termin mit H B. verlangt und dieser auch für den 15. Jänner 2010 vereinbart worden. Die entgegenstehenden Angaben der Beschwerdeführerin seien nicht glaubwürdig. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Lehrmädchen mitteilen sollte, dass H B. anwesend sein werde, wenn er angeblich keine Tätigkeit ausübe. Überdies habe H B. am 15. Jänner 2010 seine "Aushilfstätigkeit" nicht bestritten. Auch die von der Beschwerdeführerin so bezeichnete "private Aushilfstätigkeit" unterliege einer Versicherungspflicht entweder in Form eines selbständigen Maklers oder als Dienstnehmer.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

§ 25 Abs. 2 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest vier Wochen ist rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar. "

§ 33 ASVG in der seit 1. Jänner 2008 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 31/2007 lautet:

"§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

(1a) Der Dienstgeber kann die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

1. vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und

2. die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

(2) Abs. 1 gilt für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, daß die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind."

Ungeachtet dessen, dass nach dem ersten Satz des § 25 Abs. 2 AlVG schon eine "Tätigkeit gem. § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d", bei deren Verrichtung die im Leistungsbezug nach dem AlVG stehende Person angetroffen wird, dazu führt, dass die gesetzliche Vermutung des letzten Halbsatzes des ersten Satzes des § 25 Abs. 2 AlVG eintritt, dass diese Tätigkeit mit Entgelt oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt wird, reicht dies allein nach dem Gesetzeswortlaut nicht aus, um nach dem dritten Satz des § 25 Abs. 2 AlVG den Sonderbeitrag verhängen zu dürfen. Die dafür normierte weitere Voraussetzung ist nämlich, dass eine "zeitgerechte" Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung unterblieben ist, d.h. eine Meldung, die auf Grund der Beschäftigung gesetzlich geboten gewesen wäre. Eine Meldung ist aber nur dann gesetzlich geboten, wenn es sich um eine Tätigkeit handelte, die tatsächlich sozialversicherungspflichtig war und bei der "der Dienstgeber" zur zeitgerechten Meldung verpflichtet gewesen ist. Die Verhängung eines Sonderbeitrages kommt daher im Ergebnis nur dann in Betracht, wenn die Tätigkeit - unter Außerachtlassung der Vermutung des § 25 Abs. 2 erster Satz AlVG - eine Pflichtversicherung nach einem der Tatbestände des ASVG begründet hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2007/08/0120, mwN).

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ist der festgestellte Gesprächsinhalt als Beratungsgespräch und die Tätigkeit des H B. als Beratertätigkeit zu qualifizieren. Daran ändert nichts, dass die Wahrnehmungen des Außendienstmitarbeiters des AMS (nur) einen Zeitraum von fünf Minuten umfassen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die Tätigkeit des H B auf diese Zeitspanne beschränkt hätte. Vielmehr wurde festgestellt, dass H B. auch schon zuvor bei der Beschwerdeführerin beschäftigt war und auch am Vortag Außentermine wahrgenommen hat. Mit ihrem weiteren Vorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen, den "maßgeblichen Sachverhalt" von Amts wegen zu ermitteln und die "erforderlichen Beweise" aufzunehmen, zeigt die Beschwerdeführerin keinen relevanten Verfahrensmangel auf, weil sie nicht darlegt, welche Beweise die belangten Behörde hätte aufnehmen und welchen konkreten, zu einem anderen Ergebnis führenden Sachverhalt die belangte Behörde hätte feststellen sollen. Die belangte Behörde hat in einem mängelfreien Verfahren und auf Grund einer nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung die Feststellung getroffen, dass H B. für die Beschwerdeführerin als Berater in ihrem Maklerunternehmen tätig gewesen sei. Die Beratung bzw. die Betreuung von Kunden im Rahmen des Betriebs eines Maklerbüros in der von der belangten Behörde festgestellten Weise stellt in Anbetracht der organisatorischen Einbindung des H B. in den Betrieb der Beschwerdeführerin (Unterstützung durch das Sekretariat bei der Terminvereinbarung; Ausübung der Tätigkeit in den Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin) und des Umstands, dass dieser über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügt hat, eine unselbständige Beschäftigung iSd § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG bzw. eine Tätigkeit auf Grund eines freien Dienstvertrages iSd § 4 Abs. 4 ASVG dar (vgl. das einen Vertreter bzw. Kundenbetreuer betreffende hg. Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2007/08/0153). H B. wäre daher (auch bei Teilversicherung) vom Dienstgeber gemäß § 33 Abs. 1 ASVG bei der zuständigen Krankenversicherung anzumelden gewesen. Der Beschwerdeführer wurde zudem als Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei seiner Tätigkeit als Dienstnehmer gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG durch öffentliche Organe angetroffen. Er hatte diese Tätigkeit - was die Beschwerdeführerin nicht bestreitet - nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt (§ 50 AlVG). Die belangte Behörde hat daher gemäß § 25 Abs. 2 AlVG zu Recht den Sonderbeitrag in der von der Beschwerde nicht bestrittenen Höhe vorgeschrieben.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Die Einleitung eines Vorverfahrens zum Zweck der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war nicht erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 2010, Zl. 2010/08/0007).

Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 27. April 2011

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