VwGH 2010/08/0007

VwGH2010/08/000714.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der N GmbH & Co in G, vertreten durch MMMag. Dr. Franz-Josef Giesinger, Rechtsanwalt in 6840 Götzis, Dr. A.-Heinzle-Straße 34, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 4. August 2009, Zl. IVb-609-2009/0007, betreffend Beitrag nach § 5b AMPFG (mitbeteiligte Partei: Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, Jahngasse 4), zu Recht erkannt:

Normen

AMPFG 1994 §5b Abs2;
AMPFG 1994 §5b Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 4. August 2009 wurde die beschwerdeführende Partei gemäß § 5b iVm § 5c Abs. 1 AMPFG verpflichtet, für den Dienstnehmer Elmar E. den einmaligen Arbeitslosenversicherungsbeitrag bei Freisetzung Älterer in Höhe von EUR 6.807,03 zu entrichten.

Mit Kündigungsschreiben vom 18. Februar 2008 habe die beschwerdeführende Partei ihr (seit über zehn Jahren bestehendes) Dienstverhältnis mit dem über 50-jährigen Elmar E. unter Einhaltung einer Kündigungsfrist zum 31. März 2008 aufgekündigt. Elmar E. habe die Kündigung beim Landesgericht F als Arbeits- und Sozialgericht angefochten. Mit Schreiben vom 18. März 2008 habe die beschwerdeführende Partei Elmar E. mit der Begründung entlassen, dass er in der Nichtraucherzone geraucht und dabei auch nicht "ausgestempelt" habe. Diese Entlassung sei von Elmar E. mit Klage vom 25. März 2008 beim Landesgericht F als Arbeits- und Sozialgericht angefochten worden.

Im Mai 2008 hätten die beschwerdeführende Partei und Elmar E. folgenden Vergleich geschlossen:

"1. Das Arbeitsverhältnis wird einvernehmlich per 31.3.2008 beendet.

2. Herr Elmar E. erhält eine einmalige Abfertigung von zwei Monatsgehältern.

3. Bezüglich des Verfahrens GZ. 33 Cga 31/08 b beim Landesgericht F als Arbeits- und Sozialgericht (Kündigungsanfechtung) wird vereinbart, dass beide Seiten auf eine Fortsetzung dieses Verfahrens verzichten und somit auch diese Angelegenheit als bereinigt gilt.

4. Bezüglich des Verfahrens GZ. 35 Cga 53/08 b des Landesgerichtes F (Entlassungsanfechtung) tritt ewiges Ruhen ein. Eine diesbezügliche Ruhensvereinbarung wird von beiden Seiten an das Landesgericht übermittelt.

  1. 5. ...
  2. 6. Mit Abschluss dieses Vergleiches sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche endgültig bereinigt und verglichen."

    Eine Beitragspflicht gemäß § 5b Abs. 1 AMPFG bestehe gemäß Abs. 2 leg. cit. unter anderem dann nicht, wenn die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer gekündigt habe oder die Entlassung gerechtfertigt sei. Im vorliegenden Fall handle es sich um eine Auflösung des Dienstverhältnisses in beiderseitigem Einvernehmen. In den genannten Gerichtsverfahren wäre zu klären gewesen, ob die Kündigung vom 18. Februar 2008 bzw. die Entlassung vom 18. März 2008 rechtmäßig seien. Eine Entscheidung hierüber sei wegen des Vergleichs nicht getroffen worden. An die Stelle der angefochtenen Kündigung vom 18. Februar 2008 bzw. der angefochtenen Entlassung vom 18. März 2008 sei sohin der Vergleich über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses mit 31. März 2008 getreten. Das Dienstverhältnis sei nicht durch Entlassung beendet worden, was die sofortige Auflösung desselben mit Wirkung zum 18. März 2008 zur Folge gehabt hätte, sondern es habe entsprechend dem Vergleichsinhalt bis zum 31. März 2008 angedauert. Auf diesen formalen Akt der Beendigung des Dienstverhältnisses sei abzustellen. Daher liege ein die Beitragspflicht auslösender Auflösungsfall des Dienstverhältnisses im Sinn des § 5b AMPFG vor. Es sei daher unbeachtlich, ob die Entlassung vom 18. März 2008 gerechtfertigt gewesen sei oder nicht. Es sei auch ohne Bedeutung, welche Motive die Parteien des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zum Abschluss des oben erwähnten Vergleiches bewogen hätten. Es sei auch keine teleologische Lücke im Ausnahmekatalog des § 5b Abs. 2 AMPFG feststellbar, die durch analoge Anwendung eines der Ausnahmetatbestände auf den hier vorliegenden Fall zu schließen wäre.

    Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 14. Dezember 2009, B 1132/09-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

    In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragt die beschwerdeführende Partei die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 5b Abs. 1 und 2 AMPFG in der bis zur Aufhebung der §§ 5a bis 5c AMPFG samt Überschriften durch die Novelle BGBl. I Nr. 90/2009 geltenden Fassung hatte folgenden Wortlaut:

"§ 5b. (1) Wird das Dienstverhältnis einer Person, die zum Beendigungszeitpunkt das 50. Lebensjahr vollendet oder überschritten hat, aufgelöst, so hat der Dienstgeber einen Beitrag zu entrichten, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre gedauert hat. Bei der Berechnung der Dauer des Dienstverhältnisses werden Unterbrechungen der Beschäftigung bis zu einem Jahr sowie die Zeit der Beschäftigung in einem anderen Unternehmen innerhalb eines Konzerns oder innerhalb einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (zB ARGE) eingerechnet.

(2) Die Beitragspflicht besteht nicht, wenn

1. die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer

  1. a) gekündigt hat oder
  2. b) ohne wichtigen Grund vorzeitig ausgetreten ist oder
  3. c) aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ausgetreten ist oder
  4. d) im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses einen Anspruch auf eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension hat oder

    e) zum Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses die Anspruchsvoraussetzungen für eine andere (vorzeitige) Alterspension als die Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG), BGBl. I Nr. 142/2004, erfüllt oder

    f) im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Sonderruhegeldes nach Art. X des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981, erfüllt oder

  1. 2. die Entlassung gerechtfertigt ist oder
  2. 3. innerhalb eines Konzerns oder innerhalb einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (zB ARGE) im unmittelbaren Anschluss an das beendete Dienstverhältnis ein neues Dienstverhältnis begründet wird oder

    4. ein Wiedereinstellungsvertrag oder eine Wiedereinstellungszusage (§ 9 Abs. 7 AlVG) vorliegt oder

  1. 5. der Betrieb stillgelegt wird oder
  2. 6. ein Teilbetrieb stillgelegt wird und keine Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Teilbetrieb besteht."

    Die beschwerdeführende Partei bringt vor, im gegenständlichen Fall habe eine Entlassung vorgelegen. Damit sei ein Ausnahmetatbestand von der Beitragspflicht verwirklicht. Elmar E. habe die Entlassung alleine zu verantworten. Es komme nicht auf die formale Beendigung des Dienstverhältnisses (durch einvernehmliche Auflösung) an. § 5b Abs. 2 Z. 2 AMPFG stelle nur darauf ab, ob eine Entlassung gerechtfertigt sei. Ob eine solche tatsächlich ausgesprochen worden sei, sei nicht von Relevanz. Würde bloß auf die formalen Beendigungsgründe abgestellt werden, so müsste jeder Arbeitgeber die Entlassungsanfechtung durchprozessieren. Dies hätte bedeutet, dass Elmar E. bei weiteren Bewerbungen mit dem Stigma der fristlosen Entlassung belastet gewesen wäre, was seine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erschwert und somit den Gesetzeszweck vereitelt hätte. Der betreffende gerichtliche Vergleich sei auch unter diesem Aspekt abgeschlossen worden. Der betreffende Wunsch sei sogar von Elmar E. geäußert worden.

    Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass es bei der Frage, ob eine Ausnahme nach § 5b Abs. 2 AMPFG vorliegt, nicht auf allfällige Motive des Dienstgebers betreffend die Wahl der Art der Auflösung des Dienstverhältnisses ankommt (vgl. die hier gerichtlichen Erkenntnisse vom 18. Dezember 2003, Zl. 2000/08/0207, und vom 18. November 2009, Zl. 2008/08/0002). Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

    Die Kündigungsanfechtungsklage gemäß § 105 Abs. 3 iVm Abs. 7 ArbVG (bzw. die Anfechtung der Entlassung gemäß § 106 Abs. 2 ArbVG) führte zunächst zu einer schwebend rechtswirksamen Kündigung bzw. Entlassung, die für den Fall, dass das Gericht den Anfechtungsklagen stattgibt, rückwirkend für unwirksam erklärt werden (vgl. RIS Justiz RS0052018 sowie den Beschluss des OGH vom 29. August 1990, 9 Ob A 190/90.) Durch den im Mai 2008 vor dem Landesgericht F als Arbeits- und Sozialgericht zwischen der beschwerdeführenden Partei und Elmar E. abgeschlossenen Vergleich wurden die Beendigungserklärungen rückwirkend unwirksam und durch die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 31. März 2008 ersetzt. In Anbetracht dessen besteht für eine Prüfung, ob eine wirksam ausgesprochene Entlassung gerechtfertigt gewesen wäre, kein Raum. Auf die Motive betreffend die von den Parteien des Dienstvertrags letztlich gewählte Art der Auflösung des Dienstverhältnisses kommt es nach dem Gesagten nicht an. Von daher bildet es auch keinen relevanten Verfahrensmangel, wenn die belangte Behörde die Einvernahme des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei zum Zwecke der Erörterung der "wahren Hintergründe der gerichtlichen Vergleiche" unterlassen hat.

    Die Einleitung eines Vorverfahrens zum Zweck der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war nicht erforderlich. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998,

    41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die aufgworfenen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden daher keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte.

    Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Wien, am 14. April 2010

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