VwGH 2010/22/0120

VwGH2010/22/012022.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden

1. des T, 2. der T, 3. des A, und 4. des V, alle in S, alle vertreten durch Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 9/2/7, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg je vom 31. Mai 2010, 1. Zl. E1/4255/9/2009 (Zl. 2010/22/0120),

2.) Zl. E1/4256/9/2009 (Zl. 2010/22/0121), 3.) Zl. E1/4226/6/2009 (Zl. 2010/22/0122) und 4.) Zl. E1/4255/9/2009 (Zl. 2010/22/0125), jeweils betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
NAG 2005 §44 Abs4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
NAG 2005 §44 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die beschwerdeführenden Parteien, alle vietnamesische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien sind die Eltern der Erst- und Viertbeschwerdeführer.

Die belangte Behörde legte ihren Entscheidungen die im Wesentlichen gleichlautenden Feststellungen zu Grunde, dass die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien seit Oktober 2003 in Österreich aufhältig und ihre Asylanträge erstinstanzlich am 4. Dezember 2003 und zweitinstanzlich im Februar 2009 "negativ beschieden" worden seien. Die Erst- und Viertbeschwerdeführer seien im Juli 2004 bzw. Oktober 2005 in Österreich geboren worden; auch deren Asylanträge seien mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 26. Februar 2009 rechtskräftig "negativ beschieden" worden. Seit 4. März 2009 halte sich die gesamte Familie nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Mit Blick auf die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass sich die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien seit Ende 2003, die Kinder seit ihrer Geburt im Juli 2004 bzw. Oktober 2005 im Bundesgebiet aufhielten, nur vorübergehend auf Grund asylrechtlicher Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt gewesen seien und sich seit 4. März 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Die gesamte Familie lebe im gemeinsamen Haushalt, darüber hinaus verfügten die beschwerdeführenden Parteien über keine Familienangehörigen oder verwandtschaftliche Beziehungen im Bundesgebiet, weil alle Verwandten im Heimatstaat Vietnam lebten. Der Drittbeschwerdeführer habe ein Jahr lang aktiv als Fußballspieler bei einem Fußballverein gespielt. Eigenen Angaben zufolge habe die Familie Kontakt zu anderen in S aufhältigen Vietnamesen. Im Akt befinde sich ein Zertifikat, wonach der Zweitbeschwerdeführerin die Teilnahme an einem Deutschkurs für Anfänger bestätigt werde; weitere Zertifikate über ein höheres Sprachniveau bzw. den Drittbeschwerdeführer betreffend lägen nicht vor. Laut einem Versicherungsdatenauszug sei der Drittbeschwerdeführer seit Mai 2005 mehreren Erwerbstätigkeiten in unterschiedlichen Arbeitsstätten nachgegangen, wobei er zwischendurch immer wieder Arbeitslosengeld bezogen habe. Zuletzt sei er im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung mit Gültigkeit bis 27. Jänner 2010 gewesen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei zu keiner Zeit einer meldepflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern habe bis Ende 2006 finanzielle Zuwendungen der öffentlichen Hand bezogen. Die Söhne besuchten nach Angaben ihrer Eltern den Kindergarten. Im Heimatstaat Vietnam lebten die Eltern bzw. Großeltern und Geschwister bzw. Tanten und Onkel der Familie. Es sei daher davon auszugehen, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Rückkehr nach Vietnam über ein soziales Auffangnetz verfügten. Es schienen keine gerichtlichen Verurteilungen auf.

Die beschwerdeführenden Parteien hätten lediglich über vorläufige Aufenthaltsbewilligungen nach asylrechtlichen Bestimmungen verfügt, Aufenthaltstitel seien ihnen nie erteilt worden. Die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien hätten sich seit der erstinstanzlichen Abweisung ihrer Asylanträge am 4. Dezember 2003 - somit noch vor der Geburt der beiden Kinder - ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen der beschwerdeführenden Parteien jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen stellten zwar einen Eingriff in ihr Privatleben, nicht jedoch in ihr Familienleben dar, weil von der gegenständlichen Maßnahme alle Familienmitglieder betroffen seien. Die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung der beschwerdeführenden Parteien überwögen bei weitem deren private Interessen an einem Weiterverbleib in Österreich.

Dem Vorbringen, die beschwerdeführenden Parteien seien besonders integriert, weil sie sich an dem Projekt "S" beteiligten, sei entgegenzuhalten, dass es sich dabei um ein Projekt zum "gemeinsamen Gärtnern & Plaudern" für in Städten lebende Menschen handle und die Teilnahme an diesem Projekt keineswegs eine "besondere Integration" untermauere. Auch die beiden minderjährigen Kinder, die sich in einem anpassungsfähigen Alter befänden und denen daher die Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtert werde, würden im Beisein ihrer Eltern in ihren Herkunftsstaat zurückkehren.

Auch die Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gemäß § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stünden der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

In den Beschwerden wird nicht bestritten, dass sich die beschwerdeführenden Parteien nach rechtskräftiger Abweisung ihrer Asylanträge seit 4. März 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG (idF vor dem FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) erfüllt sei, keinen Bedenken.

Wie die belangte Behörde zutreffend ausführte, vermögen auch die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gemäß § 44 Abs. 4 NAG an der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG nichts zu ändern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2010, 2010/18/0117, mwN). Davon ist die in dem von den beschwerdeführenden Parteien zitierten hg. Beschluss vom 14. September 2009, AW 2009/21/0149 - zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 - aufgeworfene Frage zu trennen, ob während dieses bei der Niederlassungsbehörde anhängigen Verfahrens eine zwangsweise Durchsetzung des Ausreisebefehls zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, 2009/22/0301).

Die Beschwerden rügen eine unzureichende Interessenabwägung der belangten Behörde im Sinn des Art. 8 EMRK. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die in Österreich geborenen minderjährigen Kinder, die hier den Kindergarten besuchten, perfekt Deutsch sprächen und einen Freundeskreis hätten, sei in keiner Weise berücksichtigt worden. Auch die Eltern verfügten über gute Deutschkenntnisse und seien in ihrem Wohnumfeld integriert und anerkannt. Die Familie unterstütze auch das Integrationsprojekt "S". Der Drittbeschwerdeführer habe bis zuletzt bei einem näher genannten Unternehmen gearbeitet und ein für die Familie ausreichendes Einkommen erwirtschaftet. Der Dienstgeber habe ihn jedoch mit Ende Juni "abmelden" müssen, weil die Beschäftigungsbewilligung ausgelaufen sei. Der Drittbeschwerdeführer verfüge jedoch über eine fixe Beschäftigungszusage für den Fall, dass ihm ein Aufenthaltstitel und eine Beschäftigungsbewilligung erteilt würden. Sämtliche Familienmitglieder seien unbescholten.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat die in den Beschwerden vorgebrachten Umstände im Rahmen der von ihr vorgenommenen Interessenabwägung nach § 66 FPG ausreichend berücksichtigt. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes der beschwerdeführenden Parteien resultierenden persönlichen Interessen sind an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt zuerst nur auf Grund von Asylanträgen, die sich in der Folge als unbegründet herausstellten, vorläufig erlaubt war und seit etwa 15 Monaten unrechtmäßig ist. Zutreffend hat die belangte Behörde auch darauf hingewiesen, dass die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien seit der erstinstanzlichen Abweisung ihrer Asylanträge am 4. Dezember 2003 - somit bereits vor der Geburt der beiden Kinder - nicht mehr damit rechnen durften, auf Dauer ein Familienleben in Österreich führen zu können. Maßgebliche Bedeutung kommt auch dem Umstand zu, dass alle Mitglieder der Kernfamilie rechtskräftig ausgewiesen wurden. Dass die beschwerdeführenden Parteien in ihrem Heimatland über ein soziales Auffangnetz auf Grund der dort aufhältigen Eltern und Geschwister bzw. Großeltern, Tanten und Onkel verfügen, blieb in den Beschwerden unbestritten. Auch der Hinweis auf eine fixe Beschäftigungszusage für den Drittbeschwerdeführer für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels und einer Beschäftigungsbewilligung vermag die Interessen der beschwerdeführenden Parteien nicht wesentlich zu stärken, ging doch die belangte Behörde bei ihren Entscheidungen von einem (noch) bestehenden Beschäftigungsverhältnis des Drittbeschwerdeführers aus.

Auf dem Boden des Gesagten erweisen sich auch die Rügen, der angefochtene Bescheid enthalte nur eine formelhafte Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK, ohne auf die Umstände des Einzelfalles einzugehen, als unbegründet. Entgegen der Beschwerdeansicht hat die belangte Behörde auch zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die beiden minderjährigen Kinder - die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht zur Schule gingen - in einem anpassungsfähigen Alter befinden und ihre Eingliederung in den Herkunftsstaat dadurch erleichtert werde, dass sie gemeinsam mit ihren Eltern dorthin zurückkehrten.

Den - somit relativierten - persönlichen Interessen der beschwerdeführenden Parteien steht das große öffentliche Interesse an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens, dem ein hoher Stellenwert zukommt, gegenüber. Die in den Beschwerden angeführten persönlichen Bindungen der beschwerdeführenden Parteien in Österreich stellen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK dar, die es ihnen unzumutbar machen würden, aus Österreich auszureisen.

Die Beurteilung der belangten Behörde, dass § 66 FPG der Erlassung der vorliegenden Ausweisungen der beschwerdeführenden Parteien nicht entgegenstehe, begegnet daher keinem Einwand.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. Juni 2011

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