Normen
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 4. März 2010 wurden die beschwerdeführenden Parteien, alle türkische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihren Entscheidungen im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Erstbeschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Zweitbeschwerdeführerin, und dem gemeinsamen Sohn, dem Drittbeschwerdeführer, am 19. September 2003 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und noch am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe; die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer hätten ebenfalls am 19. September 2003 Asylerstreckungsanträge gemäß §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 eingebracht. Diese Anträge seien mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 5. November 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 bzw. gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 abgewiesen worden. Dagegen erhobene Berufungen seien mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 6. März 2009 (rechtskräftig am 11. März bzw. 10. März 2009) abgewiesen worden.
Die Viertbeschwerdeführerin, die Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, sei am 1. Oktober 2005 in Niederösterreich geboren worden; für sie sei am 17. Oktober 2005 ein Asylantrag eingebracht worden, der mit Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen worden sei; zugleich sei festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Viertbeschwerdeführerin in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 zulässig sei, und die Viertbeschwerdeführerin sei gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 ausgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 6. März 2009 (rechtskräftig am 11. März 2009) gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz 1997 abgewiesen worden; hinsichtlich der ausgesprochenen Ausweisung sei der Berufung allerdings stattgegeben worden, weil dem Asylgerichtshof im Asylverfahren der Eltern und des Bruders keine Ausweisungskompetenz zukomme.
Am 19. März 2008 sei der Erstbeschwerdeführer im Zuge einer Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG durch Organe des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs beim Ausräumen einer Wohnung arbeitend angetroffen worden, ohne im Besitz einer arbeitsmarktbehördlichen Bewilligung zu sein. Ein aufgrund dessen eingeleitetes Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes sei eingestellt worden, weil nicht zweifelsfrei festgestellt habe werden können, dass der Erstbeschwerdeführer entgegen den Bestimmungen des AuslBG beschäftigt gewesen sei.
Anlässlich einer Befragung des Erstbeschwerdeführers am 8. April 2009 habe dieser angegeben, dass der Drittbeschwerdeführer die vierte Klasse Volksschule besuche und die Viertbeschwerdeführerin in den Kindergarten gehe. Der Drittbeschwerdeführer spreche perfekt Deutsch; der Rest der Familie verfüge nur über unzureichende Deutschkenntnisse. Aufgrund des beinahe sechsjährigen Aufenthalts im Inland sei der Erstbeschwerdeführer nicht zur Ausreise bereit. Die Familie lebe seit Dezember 2005 in einer Mietwohnung. Die Miete in der Höhe von EUR 300,-- sei während des Asylverfahrens vom Sozialamt bezahlt worden; seit Abschluss des Asylverfahrens würde die Familie bei der Bestreitung ihres Lebensunterhaltes von Verwandten und Freunden sowie türkischen Institutionen in Österreich unterstützt.
Die beschwerdeführenden Parteien - so die belangte Behörde weiter - hätten am 8. April 2009 Anträge gemäß § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG eingebracht. In einer vom 8. Juni 2009 datierenden, begründeten Stellungnahme der belangten Behörde gemäß § 44b Abs. 2 NAG seien aufenthaltsbeendende Maßnahmen für zulässig erklärt worden.
In Österreich lebten noch eine Schwester des Erstbeschwerdeführers und deren Familie sowie nach den Angaben des Erstbeschwerdeführers in einer Stellungnahme vom 1. Juli 2009 noch weitere Seitenverwandte, mit denen die beschwerdeführenden Parteien jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebten. In der Türkei lebten die Eltern und ein Bruder sowohl des Erstbeschwerdeführers als auch der Zweitbeschwerdeführerin. Weder der Erstbeschwerdeführer noch die Zweitbeschwerdeführerin sei in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgegangen; die gesamte Familie sei, solange das Asylverfahren anhängig gewesen sei, im Rahmen der Grundversorgung betreut worden.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich die beschwerdeführenden Parteien seit der rechtskräftigen negativen Beendigung der Asylverfahren am
10. bzw. 11. März 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, sodass eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG zulässig sei.
Aufgrund der festgestellten Umstände sei davon auszugehen, dass eine Ausweisung in das Familien- und Privatleben der beschwerdeführenden Parteien eingreife. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu; dieses maßgebliche öffentliche Interesse werde durch illegal im Bundesgebiet aufhältige Fremde erheblich beeinträchtigt. Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG bzw. Art. 8 Abs. 2 EMRK sei zu berücksichtigen, dass die beschwerdeführenden Parteien bis März 2009 über vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigungen verfügt hätten. Dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin hätte allerdings bewusst sein müssen, dass es sich dabei nur um ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für die Dauer der Asylverfahren und nicht etwa um dauerhafte Aufenthaltstitel gehandelt habe, zumal die erstinstanzlichen negativen Asylbescheide bereits zwei Monate nach der illegalen Einreise ergangen seien. Die rechtmäßigen Aufenthalte der beschwerdeführenden Parteien seien lediglich auf offensichtlich unbegründete Asylanträge zurückzuführen.
Es könne auch nicht eine nachhaltige Integration des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Bundesgebiet festgestellt werden; insbesondere sei ihnen eine berufliche Integration im österreichischen Arbeitsmarkt versagt geblieben. Der Besuch der Schule bzw. des Kindergartens durch den Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin falle zwar bei der Abwägung ins Gewicht, könne aber den Verbleib der Familie in Österreich nicht rechtfertigen, weil auch zu berücksichtigen sei, dass die Kinder in einem anpassungsfähigen Alter seien und in Begleitung ihrer Eltern in ihren Herkunftsstaat zurückkehren würden, wodurch ihnen die neuerliche Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtert werde.
Da alle beschwerdeführenden Parteien mit den angefochtenen Bescheiden aus dem Bundesgebiet ausgewiesen würden, liege insoweit ein Eingriff in deren Familienleben nicht vor. Hinsichtlich der weiteren in Österreich lebenden Seitenverwandten sei davon auszugehen, dass die Beziehung zu diesen nicht über das bei erwachsenen Seitenverwandten dieses Grades übliche Maß hinausgehe. Die beschwerdeführenden Parteien hätten zu keiner Zeit im gemeinsamen Haushalt mit diesen gelebt; ein besonderes Naheverhältnis zu diesen Seitenverwandten sei nie behauptet worden.
Die Bindungen zum Heimatstaat der beschwerdeführenden Parteien seien durch die dort lebenden Eltern und Brüder sowohl des Erstbeschwerdeführers als auch der Zweitbeschwerdeführerin nicht zum Erliegen gekommen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Erstbeschwerdeführer auch bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Möglichkeit habe, dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und dass er auch in seinem Heimatstaat durchaus selbsterhaltungsfähig sei. So habe er im Asylverfahren angegeben, von 1991 bis 2003 als Wasserinstallateur selbständig tätig gewesen zu sein; finanziell sei es ihm gut gegangen. Aus dem Fehlen strafgerichtlicher Verurteilungen lasse sich für die beschwerdeführenden Parteien nichts Entscheidendes gewinnen.
Aufgrund der im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigten Umstände gelange die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien dringend zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten sei. Es seien darüber hinaus auch keine Umstände ersichtlich, die für eine Ermessensübung zu Gunsten der beschwerdeführenden Parteien sprächen. Diese hätten nicht bereits ein so stark ausgeprägtes persönliches Interesse an einem weiteren Verbleib in Österreich, dass ausnahmsweise akzeptiert werden müsste, dass sie mit ihrem Verhalten - nämlich der Nichtausreise trotz rechtskräftig negativ abgeschlossener Asylverfahren - im Ergebnis versuchten, vollendete Tatsachen zu schaffen.
2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich die beschwerdeführenden Parteien seit der rechtskräftigen negativen Beendigung ihrer Asylverfahren im März 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG vorliege, begegnet somit keinen Bedenken.
1.2. Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass die beschwerdeführenden Parteien Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen (gemäß § 44 Abs. 4 NAG) gestellt hätten, so ist dazu anzumerken, dass auch derartige Anträge an der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG nichts zu ändern vermögen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2009/18/0324, mwN).
2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und verweist dazu auf den sechseinhalbjährigen Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien in Österreich; weiters bringt die Beschwerde vor, dass sämtliche beschwerdeführenden Parteien "bereits sehr gut Deutsch" sprächen und im sozialen Umfeld ihrer Heimatgemeinde bestens integriert seien, was sich auch darin zeige, dass verschiedene Personen Patenschaftserklärungen für die beschwerdeführenden Parteien abgegeben hätten und der Behörde eine Vielzahl von Unterschriften und Unterstützungserklärungen vorgelegt habe werden können. Zu der in Österreich lebenden Schwester des Erstbeschwerdeführers hätten die beschwerdeführenden Parteien sehr engen Kontakt. Die Eltern des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in der Türkei könnten diese im Fall einer Rückkehr nicht unterstützen, sodass auf ein soziales Netzwerk in der Türkei nicht zurückgegriffen werden könne. Darüber hinaus hätten der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin keinerlei Bezug mehr zur Türkei und wären im Fall einer Ausweisung völlig entwurzelt.
2.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die belangte Behörde hat bei ihrer Beurteilung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien im Inland in der Dauer von sechseinhalb Jahren (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG) und die familiären Bindungen zu in Österreich lebenden Verwandten des Erstbeschwerdeführers (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 2 FPG) berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien verbundenen Eingriff in deren Privat- und Familienleben angenommen.
Die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts der beschwerdeführenden Parteien resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt zuerst nur aufgrund von Asyl- bzw. Asylerstreckungsanträgen, die in der Folge abgewiesen wurden, vorläufig erlaubt war und seit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Abweisung dieser Anträge im März 2009 unrechtmäßig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2009/18/0429, mwN). Die persönlichen Bindungen der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet sind ganz überwiegend im Zeitraum nach den abweisenden erstinstanzlichen Bescheiden im Asylverfahren (bereits im Jahr 2003) entstanden, somit in einer Zeit, in der sich die beschwerdeführenden Parteien ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG).
Den - somit relativierten - persönlichen Interessen der beschwerdeführenden Parteien an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sie sich trotz rechtskräftiger Abweisung ihrer Asyl- bzw. Asylerstreckungsanträge unrechtmäßig weiterhin im Bundesgebiet aufhalten, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2009/18/0421, mwN). In Anbetracht dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien im Sinn des § 66 FPG zulässig sei, selbst dann keinem Einwand, wenn man mit den Beschwerdevorbringen sehr gute Deutschkenntnisse der beschwerdeführenden Parteien annimmt.
2.3. Soweit die Beschwerde mit Hinweis auf die in der Türkei lebenden nahen Verwandten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vorbringt, dass diese Verwandten sie im Fall einer Rückkehr nicht unterstützen könnten, so geht auch daraus hervor, dass Bindungen der beschwerdeführenden Parteien zu ihrem Heimatstaat (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 5 FPG) nach wie vor vorhanden sind.
2.4. Auf dem Boden des Gesagten gehen auch die Verfahrensrügen der Beschwerde ins Leere.
3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 30. April 2010
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