VwGH 2009/18/0421

VwGH2009/18/04219.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des B S in W, geboren am 7. April 1977, vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 26/Marco-d'Aviano Gasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Juni 2009, Zl. E1/237.517/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Juni 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 6. Mai 2000 illegal und ohne Reisedokument in das Bundesgebiet eingereist sei und am 9. Mai 2000 einen Asylantrag gestellt habe; das Asylverfahren sei mittlerweile seit 5. März 2009 in zweiter Instanz durch Entscheidung des Asylgerichtshofes rechtskräftig negativ abgeschlossen worden, wobei die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien für zulässig erklärt worden sei. Der Beschwerdeführer sei bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesen.

Der Beschwerdeführer befinde sich mittlerweile seit neun Jahren in Österreich und habe hier keine Sorgepflichten. Seine Eltern und seine Schwester lebten in Indien.

Nach einer Anfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger scheine kein sozialversicherungsrechtlich relevantes Arbeitsverhältnis auf. Als Asylwerber sei der Beschwerdeführer aufgrund des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht berechtigt gewesen, eine unselbständige Tätigkeit auszuüben und sich so in den heimischen Arbeitsmarkt voll zu integrieren. Aus einem vom Beschwerdeführer vorgelegten Werkvertrag mit der Firma M. vom 5. April 2006 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer seit 1. April 2006 als Abonnentenbetreuer tätig gewesen sei. Es könne daher nur von einer geringen Integration des Beschwerdeführers auf dem heimischen Arbeitsmarkt ausgegangen werden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 53 Abs. 1, 66 Abs. 1 und 2 FPG -

im Wesentlichen aus, dass sich der Beschwerdeführer nach rechtskräftiger negativer Beendigung seines Asylverfahrens, somit seit 6. März 2009, unrechtmäßig in Österreich aufhalte, weshalb eine Ausweisung, wenn dieser nicht die Bestimmungen des § 66 FPG entgegenstünden, veranlasst werden könne.

Aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in dessen Privatleben auszugehen. Dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 6. März 2009 jedoch gravierend. Das Gewicht der aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen werde auch dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer "ohne jegliche Nahebeziehung nach Österreich gekommen" sei. Abgesehen davon sei der Beschwerdeführer während des anhängigen Asylverfahrens bloß zum vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen.

Den Großteil seines 32-jährigen Lebens habe sich der Beschwerdeführer in Indien bzw. einem anderen Staat als Österreich aufgehalten. Trotz neunjähriger Abwesenheit vom Heimatland müsse zumindest von einer losen Bindung an den Heimatstaat Indien ausgegangen werden, weil seine Eltern und seine Schwester in Indien lebten. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer völlig unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar ausgeführt, dass der über "intensive soziale Bindungen" verfüge und "aufgrund seiner Freizeitgestaltung als sozial vollständig integriert" anzusehen sei. Insgesamt könne das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers daher nur als relativ gering erachtet werden.

Wenn der Beschwerdeführer ausführe, dass die Sicherheitslage in seinem Heimatland äußerst angespannt sei und er aufgrund fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten in Indien in eine existenzbedrohende Situation geraten würde, so sei dem entgegenzuhalten, dass durch die Ausweisung aus Österreich nicht ausgesprochen werde, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land ausgewiesen oder abgeschoben werde. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer auch in Österreich - mangels einer Aufenthaltsberechtigung - keine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt auf legalem Weg zu verdienen.

Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Erlassung der Ausweisung als dringend geboten und im Sinn des § 66 Abs. 1 und 2 FPG als zulässig erweise.

Außer der strafgerichtlichen Unbescholtenheit sprächen zu Gunsten des Beschwerdeführers keine sonstigen besonderen Umstände, welche die belangte Behörde veranlassen hätten können, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer am 6. Mai 2000 illegal nach Österreich eingereist ist, dass sein am 9. Mai 2000 gestellter Asylantrag mit im Instanzenzug ergangener Entscheidung des Asylgerichtshofes abgewiesen wurde und sich der Beschwerdeführer seit 6. März 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. In Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig einen "Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung" gestellt habe und das Verfahren darüber noch offen sei, vermag daran nichts zu ändern, weil nach ständiger hg. Rechtsprechung die Anhängigkeit eines Niederlassungsverfahrens zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung führt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2009, Zl. 2008/18/0651, mwN).

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG (in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde bei der Beurteilung bzw. Gegenüberstellung der zwingenden öffentlichen Interessen mit jenen des Beschwerdeführers eine falsche Gewichtung vorgenommen habe. Die Begründung der belangten Behörde, wonach der Eingriff in das Privatleben zulässig sei, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - gegenständlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei, sei rechtsunrichtig. Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer infolge der langen Verfahrensdauer des Asylverfahrens permanent mit einem Unsicherheitsfaktor habe leben müssen und ungeachtet dessen eine soziale und wirtschaftliche Integration in Österreich angestrebt habe. "Gerade durch den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet hätte dem Umstand des öffentlichen Interesses an einem funktionierenden Fremdengesetz dadurch Rechnung getragen werden müssen, so dem Beschwerdeführer der weitere Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet zuzustehen gewesen wäre, da gerade im öffentlichen Interesse im kongruenten Maß an Bedeutung verliert, in welcher langen Dauer der Beschwerdeführer sich reibungslos in das österreichische Sozial- und Wirtschaftsleben eingefügt hat." In diesem Zusammenhang dürfe "die strafgerichtliche Unbescholtenheit" des Beschwerdeführers nicht unerwähnt bleiben.

Weiters bringt die Beschwerde vor, dass der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung dargelegt habe, dass er in Österreich mit Freunden in einer Wohngemeinschaft lebe, wobei gerade zu diesen Freunden ein besonders enges Verhältnis bestehe. Der Beschwerdeführer habe bisher weder in Indien noch in Österreich eine Familie gegründet; in Indien lebten "nur noch" seine Eltern und Geschwister, zu denen er jedoch kaum mehr Kontakt pflege. Überdies sei der Beschwerdeführer bereits seit Jahren als Zeitungsverkäufer für die Firma M. tätig und habe in diesem Zusammenhang einen "GSVG-Werkvertrag" vom 1. April 2006 vorgelegt. Durch diese Erwerbstätigkeit sichere er sich seinen Lebensunterhalt und führe aufgrund seiner langjährigen Erwerbstätigkeit ein intensives Privatleben in Österreich. Es sei daher beim Beschwerdeführer von einem besonders hohen Grad der Integration auszugehen.

2.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat bei ihrer Beurteilung gemäß § 66 FPG den neunjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG) berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers angenommen.

Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur aufgrund eines Asylantrages, der in der Folge abgewiesen wurde, erlaubt war. Unstrittig verfügt der Beschwerdeführer über keine familiäre Bindungen im Bundesgebiet (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 2 FPG). Da der Beschwerdeführer lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt hat, kommt auch der von ihm ausgeübten Beschäftigung - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0103).

Den - somit relativierten - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0120, mwN). In Anbetracht dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, selbst dann keinem Einwand, wenn man von dem weiteren Beschwerdevorbringen ausgeht, dass der Beschwerdeführer in Österreich mit Freunden in einer Wohngemeinschaft lebe, wobei gerade zu diesen Freunden ein besonders enges Verhältnis bestehe.

2.3. Soweit die Beschwerde vorbringt, dass in Indien "nur noch" die Eltern und Geschwister des (32 Jahre alten) Beschwerdeführers lebten, zu denen er "kaum mehr" Kontakt pflege, so ist dem zu erwidern, dass somit Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat (§ 66 Abs. 2 Z. 5 FPG) - wenn auch eingeschränkt - nach wie vor vorhanden sind.

2.4. Auf dem Boden des Gesagten kommt auch den in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängeln keine Relevanz zu.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 9. November 2009

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