Normen
EheG §55a;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
EheG §55a;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde 1975 in Khorramshar in der Islamischen Republik Iran geboren. Er hat seit 1999 seinen Wohnsitz in Österreich und heiratete am 30. November 2001 die österreichische Staatsbürgerin EC. Am 4. Oktober 2004 beantragte er bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 2005 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 20 in Verbindung mit § 11a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass binnen zwei Jahren "die vorgeschriebene Entlassung aus dem iranischen Staatsverband nachgewiesen wird".
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. Juli 2006 wurde dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom 27. Juli 2006 "nach § 11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985" die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. März 2008 hat die belangte Behörde wie folgt entschieden:
"1. Das Verfahren über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an H D, geb. 1975 in Khorramshar, Iran, wird gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm Abs. 3 leg.cit. von der Salzburger Landesregierung wiederaufgenommen. Der Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 27.7.2006, Zl. 0/912-18766/15-2006, über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an H D tritt damit gemäß §§ 69 und 70 AVG außer Kraft.
2. Der Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wird gemäß § 11a Abs. 1 StbG idF vor Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 abgewiesen."
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Fremdenpolizei (Bezirkshauptmannschaft Zell am See) habe am 21. Februar 2008 angefragt, ob der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft noch besitze, weil er im Iran unter Vorlage eines iranischen Personalausweises eine iranische Staatsangehörige geheiratet habe; der iranischen Heiratsurkunde sei nur eine iranische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu entnehmen.
Einer Abschrift aus dem Ehebuch des Standesamtes (Leogang) zufolge sei die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin EC am 29. September 2006 vor dem Bezirksgericht Saalfelden rechtskräftig geschieden worden. Durch Einsicht in den Scheidungsakt dieses Bezirksgerichtes habe sich gezeigt, dass der Beschwerdeführer am 11. Oktober 2005 die Ehescheidungsklage eingebracht habe und dieses Scheidungsverfahren am 7. November 2005 - zwecks Klärung der Möglichkeit einer einvernehmlichen Scheidung - auf unbestimmte Zeit erstreckt worden sei. In der mündlichen Verhandlung am 11. September 2006 vor dem Bezirksgericht Saalfelden hätten der Beschwerdeführer und die Ehegattin EC die Scheidung im Einvernehmen beantragt und übereinstimmend vorgebracht, dass "die eheliche Gemeinschaft seit spätestens Oktober 2005 aufgehoben ist". Der Beschluss über die Scheidung der Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin EC im Einvernehmen gemäß § 55a Ehegesetz (EheG) sei seit 29. September 2006 materiell rechtskräftig.
Die belangte Behörde sehe es daher als erwiesen an, dass "zum Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 27. Juli 2006 die erforderliche Haushaltsgemeinschaft gemäß § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG nicht gegeben war". Auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen, insbesondere der Einsicht in den Scheidungsakt des Bezirksgerichtes Saalfelden stehe fest, dass die eheliche Gemeinschaft seit spätestens Oktober 2005 aufgehoben gewesen sei. Daher sei eine Erschleichung des Bescheides über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Sinne des § 69 AVG vorgelegen. Anlässlich der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 27. Juli 2006 habe der Beschwerdeführer jedoch bestätigt, dass "seine Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin aufrecht ist, kein Scheidungsverfahren anhängig ist, und er im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau lebt". Dem Beschwerdeführer müsse damals bewusst gewesen sein, dass diese Erklärung nicht den Tatsachen entspreche. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft sei somit "unter falschen Voraussetzungen erfolgt", weil der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Haushaltsgemeinschaft mit der (damaligen) österreichischen Ehegattin falsche Angaben gemacht habe und "diese Haushaltsgemeinschaft zum Zeitpunkt der Verleihung nicht mehr aufrecht war". Daher sei das Verleihungsverfahren wieder aufzunehmen. Der im wieder aufgenommenen Verfahren erlassene Bescheid vom 27. Juli 2006 trete außer Kraft.
Auf Grund der seit 29. September 2006 rechtskräftigen Ehescheidung erfülle der Beschwerdeführer nicht die Voraussetzungen des § 11a Abs. 1 StbG. Da er sich erst seit November 1999 in Österreich aufhalte, seien auch die Voraussetzungen des zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitzes in Österreich gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllt, sodass der Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung der - am 23. März 2006 in Kraft getretenen - Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (im Folgenden: StbG nF), lauten:
"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn
1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;
...
§ 35. Die Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 33 und 34) oder die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministeriums für Inneres zu erfolgen. ...
...
§ 64a. ...
(4) Verfahren auf Grund eines vor dem In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 37/2006 erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen."
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, also in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (im Folgenden: StbG aF), lauten:
"§ 11a. (1) Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn
1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,
- 2. ...
- 3. … und
- 4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder
b) die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und sein Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen österreichischer Staatsbürger ist;
..."
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist. Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann die Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Abs. 1 auch von Amts wegen verfügt werden.
Die für die Erschleichung eines Bescheides notwendige Irreführungsabsicht setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass die Partei wider besseres Wissen gehandelt hat, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Partei in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. März 2010, Zl. 2007/01/0674, und vom 21. Jänner 2010, Zl. 2007/01/0570, jeweils mwN).
Im vorliegenden Fall begründete die belangte Behörde die Erschleichungsabsicht (Erschleichung des Verleihungsbescheides) nur damit, der Beschwerdeführer habe (im Verleihungsverfahren) am 27. Juli 2006 über seine Haushaltsgemeinschaft mit der Ehegattin EC falsche Angaben gemacht, weil diese Haushaltsgemeinschaft damals nicht mehr aufrecht gewesen sei.
Fallbezogen ist unstrittig, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin EC bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung am 29. September 2006 (seit mehr als vier Jahren) bestanden hat und der Beschwerdeführer somit im Verleihungszeitpunkt das Erfordernis der aufrechten Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin im Sinne des § 11a Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 4 lit. a StbG aF erfüllte.
Die Erfüllung des in § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG aF normierten Tatbestandselementes "Leben im gemeinsamen Haushalt" ist eine weitere Verleihungsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 2008, Zl. 2005/01/0368, mwN).
Im vorliegenden Fall nahm die belangte Behörde ausschließlich auf Grund der im Scheidungsverfahren nach § 55a EheG in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer und der Ehegattin EC (vor dem zuständigen Bezirksgericht) abgegebenen Erklärung, die eheliche Gemeinschaft sei seit spätestens Oktober 2005 aufgehoben, bereits als erwiesen an, die erforderliche Haushaltsgemeinschaft gemäß § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG aF sei am 27. Juli 2006 nicht (mehr) gegeben gewesen.
Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Die einvernehmliche Scheidung nach § 55a EheG setzt die Aufhebung der "ehelichen Lebensgemeinschaft" voraus, also einen (auch einseitigen) Mangel an jeder Ehegesinnung, welcher durch äußere Momente wie die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft kundgetan sein kann, aber nicht muss. Die eheliche Lebensgemeinschaft kann daher trotz gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens - etwa aus Gründen der Wohnungsnot oder im Interesse der Kinder - bereits aufgehoben oder umgekehrt auch bei getrenntem Wohnen noch aufrecht sein. Entscheidend ist allein der Verlust ehelicher Gesinnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2007/01/1051, mwN).
Davon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Ehescheidungsbeschluss nach § 55a EheG bzw. die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung, die eheliche Lebensgemeinschaft sei seit mindestens einem halben Jahr aufgelöst, Ermittlungen der Staatsbürgerschaftsbehörde zum Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes im Sinne des § 11a StbG aF nicht entbehrlich macht (vgl. das genannte Erkenntnis Zl. 2007/01/1051, sowie im Anschluss daran die hg. Erkenntnisse jeweils vom 23. September 2009, Zl. 2008/01/0138, Zl. 2008/01/0243 und Zl. 2008/01/0628). In diesem Sinn ist eine Ehescheidung nach § 55a EheG in der Regel ein wesentlicher Ansatzpunkt für ein weitergehendes behördliches Ermittlungsverfahren zur Frage des (Nicht-)Bestehens eines gemeinsamen Haushaltes der Eheleute im Verleihungszeitpunkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2007/01/0674). Zudem wird zum Begriff des gemeinsamen Haushaltes im Sinne des § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG aF gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung im hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2011, Zl. 2007/01/1144, verwiesen.
In Verkennung dieser Rechtslage hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Feststellungen zur Frage, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Verleihung mit seiner damaligen Ehefrau (noch) im gemeinsamen Haushalt im Sinne des § 11a Abs. 1 Z. 1 StbG aF gelebt hat, nicht getroffen.
Da die belangte Behörde zu Unrecht das Vorliegen des Wiederaufnahmetatbestandes des § 69 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG angenommen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid in seinem gesamten Umfang als rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Für ein allenfalls fortgesetztes Verfahren wird darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde im Verfahren betreffend die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers zu prüfen haben wird (vgl. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 2. März 2010 in der Rechtssache C-135/08 , Rottmann gegen Freistaat Bayern, Randnummern 54 ff).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 20. September 2011
- 4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder
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