Normen
ASVG §292 Abs1;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §11 Abs6;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §46 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ASVG §292 Abs1;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §11 Abs6;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §46 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 25. Februar 1933 geborene Beschwerdeführerin beantragte mit am 28. April 2004 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz eingelangter (in der Türkei zur Post gegebener) Eingabe vom 23. April 2004 die Erteilung einer (Erst-)Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" mit ihrem (seit mehreren Jahren) in Österreich niedergelassenen und arbeitenden Ehemann Z. Die Ehegatten sind türkische Staatsangehörige.
Z. gab am 2. April 2004 eine Erklärung ab, in der er sich verpflichtete, für den Unterhalt der Beschwerdeführerin aufzukommen und weiters der Republik Österreich, den Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern alle Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt - auch wenn dieser aus welchen Gründen immer über den Zeitraum "der Einladung" hinausgehe - und der Ausreise sowie allfälliger fremdenpolizeilicher Maßnahmen entstehen, binnen 14 Tagen ab Zahlungsaufforderung bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung zu bezahlen. Dazu legte er eine Lohnbestätigung vom 26. März 2004 vor, aus der sich ergab, dass er - mit Unterbrechungen - seit 21. März 1994 als Bauhelfer beschäftigt war und zuletzt ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.472,-- bezog.
Am 24. Februar 2005 teilte die erstinstanzliche Behörde Z. mit, dass er ab 1. Oktober 2004 nach ihren Erhebungen lediglich eine Invaliditätspension von EUR 296,46 (damals noch ohne Ausgleichszulage) bezogen habe. Ein Sparbuch mit dem Geld der Tochter, auf das "am heutigen Tag" EUR 6.200,-- einbezahlt worden seien, werde nicht akzeptiert, weil das Sparbuch "nicht gebunden" sei und das Geld täglich wieder abgehoben werden könnte.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2006 wies die Bezirkshauptmannschaft Bregenz - erkennbar namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg - den genannten Antrag vom 23. April 2004 gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 und § 11 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.
In ihrer Begründung stellte sie fest, Z., der Ehegatte der Beschwerdeführerin, beziehe aktuell monatlich netto ca. EUR 615,-- an Rente und habe davon seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er sei daher nicht in der Lage, der Beschwerdeführerin den notwendigen Unterhalt zu gewähren.
Das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen sei höher zu werten als das private Interesse der Beschwerdeführerin an der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Auch ein Eingehen auf ihre privaten und familiären Interessen iSd Art. 8 EMRK führe zu keinem anderen Ergebnis, weil die Beschwerdeführerin "seit mindestens 16 Jahren" (Datum der Eheschließung: 7. Jänner 1993) von ihrem Gatten getrennt lebe. Auch wäre es für den Gatten bzw. Vater der inzwischen erwachsenen Kinder kein Problem, zu seiner Frau in die Türkei zurückzukehren. Im Sinn eines geordneten Fremdenwesens und unter Berücksichtigung, dass der Unterhalt der Beschwerdeführerin nicht gesichert sei, was zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde, könne ihr keine Niederlassungsbewilligung erteilt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. November 2006 wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, zur Errechnung der Unterhaltsmittel, die der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten Z. mindestens zur Verfügung stehen müssten, sei der Richtsatz gemäß § 293 ASVG heranzuziehen. Für ein Ehepaar, das im gemeinsamen Haushalt lebe, mache dieser EUR 1.055,99 aus. Z., von dem (als Zusammenführenden) der Einkommensnachweis zu erbringen sei, beziehe dagegen "eine monatliche Rente" von EUR 615,--. Es sei somit nicht nachgewiesen, dass die Unterhaltsmittel gedeckt seien, und es sei sehr wahrscheinlich, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde.
Im Berufungsverfahren habe die Beschwerdeführerin die Kopie eines Sparbuches mit einer Einlage von EUR 9.020,-- vorgelegt und mitgeteilt, dass sie und Z. kostenlos bei ihrer Tochter A. wohnen könnten und von dieser auch kostenlos verpflegt würden. Es sei jedoch nicht eindeutig ersichtlich, dass diese Mittel ihnen tatsächlich zur Verfügung stünden. Unter "Bezeichnung" scheine in der Sparurkunde der Name der Tochter A. auf. Dazu komme, dass das Sparbuch von Februar 2005 bis April 2006 einen Saldo von EUR 20,34 ausgewiesen habe. Am 19. April 2006 sei Z. "ein negatives Parteiengehör der Bezirkshauptmannschaft Bregenz zugestellt" und ihm mitgeteilt worden, dass sein Lebensunterhalt in Österreich nicht ausreichend gesichert erscheine. Am 28. April 2006, also unmittelbar danach, sei eine einmalige Einzahlung auf das in Kopie vorgelegte Sparbuch in der Höhe von EUR 9.500,-- erfolgt. Unter Berücksichtigung der fehlenden Nachvollziehbarkeit, ob dieses Geld der Beschwerdeführerin tatsächlich zur Verfügung stehe, und darüber hinaus, dass es nicht glaubwürdig sei, dass das Geld im Hinblick auf die Rente des Z. tatsächlich von ihr stamme, könne das in Kopie vorgelegte Sparbuch nicht zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes anerkannt werden.
Der Einwand, wonach die Beschwerdeführerin kostenlos bei ihrer Tochter A. wohnen könnte und auch kostenlos verpflegt würde, könnte ebenso wenig berücksichtigt werden: Im § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG sei eindeutig definiert, dass Familienangehöriger nur der Ehegatte oder ein unverheiratetes minderjähriges Kind sei. Da demnach die Familienzusammenführung ausschließlich mit dem Ehegatten Z. beantragt werden könne und auch beantragt worden sei, könnte das Einkommen der Tochter, auch wenn sie eine kostenlose Verpflegung leiste, "nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes herangezogen bzw. berücksichtigt werden".
Gemäß § 11 Abs. 3 NAG könne ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z. 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten sei. Durch den Aufenthalt des Ehegatten Z. bestünden familiäre Bindungen in Österreich. Da es sich jedoch um einen Erstantrag handle und mangels Aufenthaltsrechtes der Beschwerdeführerin in Österreich hier noch kein Privat- oder Familienleben geführt worden sei, könne auch nicht von der Aufrechterhaltung eines solchen gesprochen werden. Art. 8 EMRK begründe nicht das Recht, Österreich als geeignetsten Ort für die Entwicklung des Familienlebens zu wählen. Jeder Vertragsstaat habe das Recht, die Einreise von Nichtstaatsangehörigen einer Kontrolle zu unterwerfen. Der Antrag sei somit mangels Sicherung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin abzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorweg ist festzuhalten, dass der gegenständliche, bei In-Kraft-Treten des NAG am 1. Jänner 2006 anhängige Fall gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach diesem Gesetz zu Ende zu führen war. Dabei ist offenkundig, dass der eingangs dargestellte Antrag nunmehr als solcher auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" im Zug der Familienzusammenführung gemäß § 46 Abs. 4 NAG zu verstehen ist.
Gemäß dem dabei anzuwendenden § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn - u.a. - der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (Z. 4). Gemäß § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeine Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z. 3 NAG) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO) nicht zu berücksichtigen.
Aus § 11 Abs. 5 NAG ergibt sich, dass der Nachweis des Vorhandenseins der für einen Fremden notwendigen Unterhaltsmittel auch durch das Bestehen von Unterhaltsansprüchen erbracht werden kann. Nach § 2 Abs. 4 Z 3 NAG ist ein Unterhaltsanspruch zum Nachweis der Unterhaltsmittel nicht nur nach dessen Rechtsgrundlage, sondern auch nach der tatsächlichen Höhe und der tatsächlichen Leistung zu beurteilen.
Der in § 11 Abs. 5 NAG erwähnte Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen, etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren. Eine Einschränkung der zum Nachweis der Unterhaltsmittel geeigneten gesetzlichen Unterhaltsansprüche enthält das NAG nicht. Im Fall eines vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruches, der durch Beibringung einer Haftungserklärung jenes Dritten, der sich zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat, nachzuweisen ist, legt § 11 Abs. 6 NAG demgegenüber fest, dass die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG mit einer Haftungserklärung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 15 NAG erbringen zu können, ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein muss. Daraus ergibt sich nun, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Fremden, seine Unterhaltsmittel aus einem vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruch abzuleiten, auf jene Fälle einschränkte, in denen dies im Gesetz ausdrücklich für zulässig erklärt (bzw. sogar die Vorlage einer Haftungserklärung verpflichtend angeordnet) wurde.
Die Beschwerdeführerin strebt im vorliegenden Fall, wie oben erwähnt, die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 46 Abs. 4 NAG an. Weder § 46 NAG noch eine mit diesem unmittelbar im Zusammenhang stehende Bestimmung erlaubt zum Nachweis der Unterhaltsmittel die Vorlage einer Haftungserklärung. Sohin können im vorliegenden Fall als Unterhaltsansprüche nach § 11 Abs. 5 NAG lediglich gesetzliche Unterhaltsansprüche zum Tragen kommen.
Die Beschwerdeführerin bringt aber nicht einmal vor, dass ihr oder ihrem Ehemann Z. gegenüber ihrer Tochter A. ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch (nach türkischem Recht) zustehen würde. Als das hier relevante "Haushaltseinkommen" ist somit allein das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes Z. heranzuziehen. Zutreffend hat die belangte Behörde daher das Sparbuch der Tochter A. unberücksichtigt gelassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/22/0241).
Allerdings haftet dem angefochtenen Bescheid folgende Rechtswidrigkeit an:
Die belangte Behörde hat bei der Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel zwar zutreffend den Familienrichtsatz des § 293 ASVG herangezogen, weil ein Zusammenleben der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt geplant ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0711). Allerdings hat sie unberücksichtigt gelassen, dass für die Beurteilung von Unterhaltsmitteln als ausreichend jenes Pensionseinkommen des Zusammenführenden maßgeblich ist, das dann erzielt wird, wenn der Familiennachzug vollzogen wird. Erst für diesen Zeitpunkt ist somit ein Familieneinkommen in Höhe des Familienrichtsatzes zu fordern, worauf der Pensionsberechtigte dann aber einen gesetzlichen Anspruch hat.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Ausgleichszulage keine "Sozialhilfeleistung der Gebietskörperschaft" im Sinn des § 11 Abs. 5 NAG ist. Deren Inanspruchnahme stellt also keine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG dar (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 22. September 2009, Zl. 2008/22/0659; siehe daran anknüpfend zu § 10 Abs. 5 StbG 1985 weiters das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0295).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 25. Februar 2010
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