VwGH 2009/22/0241

VwGH2009/22/024117.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Lennart Binder, LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 14. Juli 2009, Zl. 318.123/13- III/4/09, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art16 Abs1 lita;
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art7 Abs1 litc;
EURallg;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §11 Abs6;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §46 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2009:2009220241.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein mazedonischer Staatsangehöriger, brachte am 13. August 2007 bei der Österreichischen Botschaft Skopje einen Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" ein, den er mit der Familienzusammenführung mit seiner in Österreich lebenden Ehefrau, einer serbischen Staatsangehörigen, die über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfügt, begründete.

Dieser Antrag wurde im Instanzenzug von der belangten Behörde mit Bescheid vom 26. Mai 2008 gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 sowie Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Einer gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0711, Folge und hob den Bescheid vom 26. Mai 2008 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Hinsichtlich der näheren Vorgeschichte wird auf den Inhalt dieses Erkenntnisses verwiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG in Verbindung mit § 46 Abs. 4 Z 1 NAG ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs im Erkenntnis vom 3. April 2009 aus, der Beschwerdeführer sei im fortgesetzten Verfahren "förmlich aufgefordert" worden, (in der diesbezüglichen Verfahrensanordnung) näher bezeichnete Unterlagen und Bestätigungen vorzulegen, um nachzuweisen, dass sein Lebensunterhalt und jener seiner Ehefrau gesichert sei. Gleichzeitig sei ihm bekannt gegeben worden, dass seine Ehefrau unter Berücksichtigung der Sorgepflichten für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes minderjähriges Kind über ein Einkommen von EUR 1.239,03 verfügen müsse, damit der gegenständliche Antrag bewilligt werden könne.

Auf Grund der vom Beschwerdeführer daraufhin vorgelegten Unterlagen - so die belangte Behörde weiter - ergebe sich, dass seine Ehefrau im Hotel W beschäftigt sei und unter Berücksichtigung des 13. und 14. Monatsgehaltes über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.075,80 verfüge. Da aus dem zusätzlich vorgelegten Gehaltszettel des Unternehmens W W hervorgehe, dass nunmehr die mit der Ehefrau des Beschwerdeführers im gemeinsamen Haushalt lebende minderjährige Tochter (die Stieftochter des Beschwerdeführers) selbst ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.220,06 erwirtschafte, sei jener Betrag nach § 293 Abs. 1 ASVG von EUR 80,95, welcher für jedes Kind im Sinn des § 252 ASVG dem Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a ASVG hinzuzurechnen sei, dem aufzubringenden "Haushaltseinkommen" nicht mehr hinzuzuzählen. Es ergebe sich daher als zu erreichender "Haushaltsrichtsatz" ein Betrag von EUR 1.158,08. Dieses Einkommen erreiche die Ehefrau des Beschwerdeführers mit ihrem monatlichen Nettoeinkommen von EUR 1.075,80 nicht. Über ein zusätzliches Einkommen verfüge die Ehefrau des Beschwerdeführers nicht. Sohin sei davon auszugehen, dass das Einkommen der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht ausreiche, um den Unterhalt für sich selbst und für den Beschwerdeführer sicherzustellen.

Bei der nach § 11 Abs. 3 NAG gebotenen Abwägung sei davon auszugehen, dass noch kein Privat- oder Familienleben geführt worden sei. Es könne daher "grundsätzlich noch nicht von einer Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens bzw. von bereits stattgefundener persönlicher - oder gar beruflicher - Integration gesprochen werden". Es sei darauf Bedacht zu nehmen, dass als einziger Anknüpfungspunkt für familiäre Bindungen zum Bundesgebiet der Aufenthalt der Ehefrau des Beschwerdeführers und deren Kinder zu sehen sei. Die aus dieser Beziehung ableitbaren familiären Interessen an einem Aufenthalt in Österreich seien in ihrem Gewicht insofern wesentlich gemindert, als die familiäre Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau nicht zu einem Zeitpunkt begründet worden sei, in dem der Beschwerdeführer rechtmäßig im Inland niedergelassen gewesen sei. Die Eheschließung habe im Juli 2007 und somit nach rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens erster Instanz (Mai 2006) stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt sei sich der Beschwerdeführer bewusst gewesen, dass sein Aufenthaltsstatus "bzw. der Fortbestand des Familienlebens in Österreich von vornherein unsicher" gewesen sei. Der etwa zweijährige rechtmäßige Aufenthalt (von 2005 bis 2006) als Asylwerber könne keine nachhaltige Integration begründen. Die strafrechtliche Unbescholtenheit sowie der Umstand, dass dem Beschwerdeführer keine (sonstigen) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung vorzuhalten seien, wögen nicht schwerer als das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen des Fremdenrechts, im Besonderen des Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren lediglich auf die Existenz des § 11 Abs. 3 NAG verwiesen, jedoch kein Vorbringen erstattet, woraus erkennbar wäre, dass ein "besonderer Ausnahmefall" vorliegen würde. Sohin habe die begehrte Niederlassungsbewilligung auch nicht im Rahmen einer Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG erteilt werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Zu den Grundsätzen der Berechnung der vom Beschwerdeführer aufzubringenden Unterhaltsmittel, der deren Vorhandensein auf Unterhaltsansprüche gegen seine Ehefrau stützt, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des den Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnisses vom 3. April 2009, 2008/22/0711, verwiesen.

2. Anzumerken ist ferner, dass im hier zu entscheidenden Fall für die Berechnung der Höhe der notwendigen Unterhaltsmittel mit Blick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides § 293 ASVG in der Fassung des BGBl. II Nr. 7/2009 heranzuziehen ist. Diese Bestimmung sieht als Richtsatz für im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten EUR 1.158,08 (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG) vor. Dieser Richtsatz erhöht sich nach § 293 Abs. 1 letzter Satz ASVG um EUR 80,95 für jedes Kind (§ 252), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres - dieser beträgt gemäß § 293 Abs. 1 lit. c sublit. aa erster Fall ASVG EUR 284,10 - nicht erreicht.

3. Der Beschwerdeführer bestreitet nun nicht, dass seine Ehefrau (bloß) über ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.075,80 verfügt. Er weist allerdings darauf hin, dass die mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt lebende Tochter ein eigenes monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.220,06 erwirtschafte. Dieses Einkommen hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers in die Berechnung miteinbezogen werden müssen.

4. Zutreffend ist die belangte Behörde im Hinblick auf das festgestellte Einkommen der (minderjährigen) Stieftochter des Beschwerdeführers, das den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres übersteigt, davon ausgegangen, dass das von der Ehefrau des Beschwerdeführers nachzuweisende Einkommen nicht mehr um den für ihre minderjährige Tochter grundsätzlich vorgesehenen Steigerungsbetrag zu erhöhen ist. Die Ansicht der belangten Behörde, im vorliegenden Fall, in dem der Beschwerdeführer die Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau und seiner Stieftochter (im gemeinsamen Haushalt) anstrebt, sei allein der Richtsatz des § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG von EUR 1.158,08 der Beurteilung zugrunde zu legen, begegnet sohin keinen Bedenken.

5.1. Aus § 11 Abs. 5 NAG ergibt sich, dass der Nachweis des Vorhandenseins der für einen Fremden notwendigen Unterhaltsmittel auch durch das Bestehen von Unterhaltsansprüchen erbracht werden kann. Nach § 2 Abs. 4 Z 3 NAG ist ein Unterhaltsanspruch zum Nachweis der Unterhaltsmittel nicht nur nach dessen Rechtsgrundlage, sondern auch nach der tatsächlichen Höhe und der tatsächlichen Leistung zu beurteilen.

5.2. Der in § 11 Abs. 5 NAG erwähnte Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen, etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren. Eine Einschränkung der zum Nachweis der Unterhaltsmittel geeigneten gesetzlichen Unterhaltsansprüche enthält das NAG nicht. Im Fall eines vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruches, der durch Beibringung einer Haftungserklärung jenes Dritten, der sich zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat, nachzuweisen ist, legt § 11 Abs. 6 NAG demgegenüber fest, dass die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG mit einer Haftungserklärung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 15 NAG erbringen zu können, ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein muss. Daraus ergibt sich nun, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Fremden, seine Unterhaltsmittel aus einem vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruch abzuleiten, auf jene Fälle einschränkte, in denen dies im Gesetz ausdrücklich für zulässig erklärt (bzw. sogar die Vorlage einer Haftungserklärung verpflichtend angeordnet) wurde.

5.3. Der Beschwerdeführer begehrte im vorliegenden Fall die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 46 Abs. 4 (Z 3 lit. a) NAG (seiner Ehefrau wurde am 20. Dezember 2001 nach den damaligen Bestimmungen des - am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen - Fremdengesetzes 1997 eine unbefristet gültige Niederlassungsbewilligung für "jeglichen Aufenthaltszweck" erteilt, die ab 1. Jänner 2006 gemäß § 11 Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 2 Tabelle A Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - Durchführungsverordnung als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" weitergalt). Weder § 46 NAG noch eine mit diesem unmittelbar im Zusammenhang stehende Bestimmung erlaubt zum Nachweis der Unterhaltsmittel die Vorlage einer Haftungserklärung. Sohin können im vorliegenden Fall als Unterhaltsansprüche nach § 11 Abs. 5 NAG lediglich gesetzliche Unterhaltsansprüche zum Tragen kommen.

5.4. Der Beschwerdeführer bringt aber nicht einmal vor, dass ihm gegenüber seiner (minderjährigen) Stieftochter ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zustehen würde. Als das hier relevante "Haushaltseinkommen" ist somit allein das monatliche Nettoeinkommen der Ehefrau des Beschwerdeführers heranzuziehen. Zutreffend hat die belangte Behörde daher das von seiner Stieftochter erwirtschaftete Monatseinkommen dem Einkommen seiner Ehefrau nicht hinzugerechnet. Unzweifelhaft erreicht Letzteres das aufzubringende Ausmaß von EUR 1.158,08 nicht, weshalb der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie die Erfüllung der für die Erteilung der begehrten Niederlassungsbewilligung erforderlichen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG als nicht gegeben ansieht.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im - den Beschwerdeführer betreffenden - Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0711, betont, dass im gegenständlichen Fall aber auch die Vorschriften der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (RL 2003/86/EG) zu beachten sind. Das vorliegende Ergebnis steht allerdings nicht im Widerspruch zu dieser Richtlinie. Art. 16 Abs. 1 lit. a RL 2003/86/EG , wonach dann, wenn der Zusammenführende nicht über Einkünfte verfügt, die ausreichen, ohne dass auf Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaates zurückgegriffen werden muss, nach Art. 7 Abs. 1 lit. c RL 2003/86/EG die Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen zu berücksichtigen sind, bezieht sich nur auf den Fall der Verlängerung eines (bereits erteilten) Aufenthaltstitels. Eine darüber hinausgehende Pflicht, die Beiträge dieser Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen auch im Falle des erstmaligen Zuzugs - ein solcher liegt hier vor - in den betreffenden Mitgliedstaat zu berücksichtigen, lässt sich der genannten Richtlinie nicht entnehmen.

7.1. Zu der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG führt der Beschwerdeführer aus, die in § 293 ASVG festgelegten und von § 11 Abs. 5 NAG als relevant erklärten Beträge seien lediglich "im Sinne einer Orientierungshilfe zu verstehen". Es würde dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit widersprechen, wenn bei einer Abwägung des Schutzes des Familienlebens minimale Beträge ins Gewicht fielen. Bei einer Gesamtbetrachtung sei davon auszugehen, dass auch die Tochter der Ehefrau des Beschwerdeführers zum gemeinsamen Haushaltseinkommen beitrage.

7.2. Mit diesen Ausführungen legt der Beschwerdeführer allerdings in keiner Weise dar, weshalb es gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei, ihm eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Im Hinblick auf die - unbestritten gebliebenen - Feststellungen im angefochtenen Bescheid ist aber auch sonst nicht zu erkennen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Abwägung mit Rechtswidrigkeit behaftet wäre.

8. Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. Dezember 2009

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