VwGH 2008/22/0422

VwGH2008/22/042215.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Mai 2007, Zl. 316.749/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 8. November 2005 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde in ihrer Begründung - sei im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "befristete Beschäftigung, § 12 Abs. 2 FrG" mit einer Gültigkeitsdauer vom 18. Mai bis 17. November 2005 gewesen. Unter Hinweis auf die §§ 81 und 82 NAG führte die belangte Behörde aus, nach der seit 1. Jänner 2006 geltenden Rechtslage handle es sich bei diesem Aufenthaltstitel um eine "bloß vorübergehende selbständige Erwerbstätigkeit" gemäß § 24 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG). In solchen Fällen werde seit 1. Jänner 2006 gemäß der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) ein Aufenthalts-Reisevisum (D+C) ausgestellt. Daher könne der Beschwerdeführer nicht als niedergelassen angesehen werden und eine diesbezügliche Aufenthaltserlaubnis führe nicht zur Aufenthaltsverfestigung im Sinn des NAG. "Konsequenterweise" sei der nunmehrige Antrag vom 8. November 2005 als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zu werten, weil der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe. "Bei Erstanträgen" seien die §§ 11 Abs. 2 Z. 4 und 11 Abs. 5 NAG zu beachten.

Gemäß § 29 Abs. 1 habe der Fremde am Verfahren mitzuwirken.

Der Beschwerdeführer habe am 3. November 2005 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und sei bei dieser aufrecht gemeldet und wohnhaft. Gemäß § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) müsse für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar ein Mindestbetrag von EUR 1.167,23 zur Verfügung stehen, um den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers zu sichern (für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar EUR 1.091,14 zuzüglich EUR 76,09 für ein Kind, exklusive Mietbelastung). Laut Aktenlage beziehe die Ehefrau des Beschwerdeführers jedoch lediglich monatlich etwa EUR 592,30 (Kinderbetreuungsgeld von EUR 435,90 plus Familienbeihilfe für ein minderjähriges Kind in Höhe von EUR 156,30).

In der Berufung habe der Beschwerdeführer angegeben, seine Ehefrau werde demnächst als Verkäuferin zu arbeiten beginnen. Recherchen der belangten Behörde hätten ergeben, dass die Ehefrau seit 5. März 2007 bei einem näher genannten Unternehmen als Angestellte beschäftigt sei. Eine aktuelle Lohnbestätigung sei im Verfahren jedoch nicht vorgelegt worden. Diesbezüglich werde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach die Parteien verpflichtet seien, an der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken. Unterlasse dies die Partei, obwohl ihr dazu Gelegenheit geboten worden sei, handle die Behörde im Allgemeinen nicht rechtswidrig, wenn sie weitere Erhebungen unterlasse.

Von der Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung habe daher Abstand genommen werden müssen, weil das Einkommen laut Aktenlage für ein Ehepaar und ein Kind, das im gemeinsamen Haushalt lebe, nicht ausreichend sei.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer weiters angegeben, selbst erwerbstätig zu sein und monatlich EUR 1.187,80 zu verdienen. Laut vorgelegter Lohn/Gehaltsabrechnung vom August und September 2006 sei er bei einem näher genannten Unternehmen mit einem monatlichen Nettogehalt von EUR 1.018,14 beschäftigt. Diesbezüglich werde bemerkt, dass der Beschwerdeführer einer illegalen Beschäftigung nachgehe, weil er über keinen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfüge. Gemäß "§ 1 Abs. 2 lit. AuslBG" sei der Beschwerdeführer nur zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt gewesen, wenn er zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen wäre. Zu diesem Zeitpunkt habe er jedoch über keine Berechtigung nach dem NAG verfügt. Daher könne sein Einkommen im Verfahren nicht herangezogen werden.

Im Zuge der erforderlichen Interessenabwägung habe die belangte Behörde kein Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen festgestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständliche Beschwerde im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung nach der Rechtslage des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006 zu beurteilen ist.

Nach § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinne des § 47 Abs. 1 NAG (dabei handelt es sich um Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt) sind, ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllen.

Der - im 1. Teil des NAG enthaltene - § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG lautet:

"§ 11. (1) ...

(2) ...

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

...

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen."

Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, die belangte Behörde hätte sein Einkommen im Verfahren berücksichtigen müssen. Für die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel ist nämlich jenes Einkommen maßgeblich, das dann erzielt wird, wenn der Familiennachzug vollzogen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, 2008/22/0406). Bereits in der Berufung bringt der Beschwerdeführer vor, er sei berufstätig und beziehe von einem näher genannten Unternehmen ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.187,80. Da dem Beschwerdeführer mit dem von ihm begehrten Aufenthaltstitel nach dem NAG die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. m Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG, i.d.F. BGBl. I Nr. 157/2005) nicht versagt ist, er bereits ein Arbeitsverhältnis eingegangen ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er nach Erteilung des Aufenthaltstitels nicht weiterhin beschäftigt sein wird, hätte die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer erzielte Einkommen bei der Ermittlung der erforderlichen Unterhaltsmittel berücksichtigen müssen. Ob er diese Tätigkeit bisher ausgeübt hat, ohne im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung zu sein, ist dabei ohne Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, 2008/22/0411, mwN).

Im Übrigen weist die Beschwerde auch zu Recht auf einen wesentlichen Verfahrensfehler hin. Weder dem vorgelegten Verwaltungsakt noch dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ermittlungsergebnis hinsichtlich der Berufstätigkeit seiner Ehefrau zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit zu einer Stellungnahme dazu eingeräumt hätte. Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer auch nicht zur Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung über das von seiner Ehefrau erzielte Einkommen aufgefordert. Diesfalls hätte sich - laut Beschwerdevorbringen - herausgestellt, dass bereits die Ehefrau monatlich netto mehr als die erforderlichen EUR 1.167,23 ins Verdienen bringe. Dem geltend gemachten Verfahrensmangel kommt somit auch Relevanz zu.

Dadurch, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die für die Berechnung der erforderlichen Unterhaltsmittel nötigen Feststellungen hinsichtlich des Einkommens des Beschwerdeführers nicht getroffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit - der vorrangig wahrzunehmenden - Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. April 2010

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