VwGH 2008/22/0406

VwGH2008/22/040618.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Februar 2007, Zl. 147.026/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vom 21. November 2005 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Der Beschwerdeführer habe den gegenständlichen Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass er in Familiengemeinschaft mit seiner in Österreich lebenden Ehefrau leben könne. Daher sei ein Einkommensnachweis von der Ehefrau zu erbringen gewesen.

Mit Schreiben vom 19. Jänner 2007 sei der Beschwerdeführer zur Urkundenvorlage und Stellungnahme u.a. bezüglich eines Einkommensnachweises seiner Ehefrau für die letzten sechs Monate aufgefordert worden. Innerhalb der vorgegebenen Frist seien jedoch keine Stellungnahme abgegeben und keine Nachweise vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer sei somit seiner Verpflichtung zur Mitwirkung an der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht nachgekommen. Es sei nicht ersichtlich, ob sein Lebensunterhalt in Österreich als gesichert zu werten sei.

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels sei auch nicht gemäß § 11 Abs. 3 NAG - trotz familiärer Bindungen in Österreich zu der Ehefrau des Beschwerdeführers - zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten.

Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) und könne auch kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen, weil aus dem gesamten Akteninhalt nicht ersichtlich sei, dass seine Ehefrau das Recht auf die (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist anzumerken, dass der angefochtene Bescheid im Blick auf den Zeitpunkt seiner Erlassung nach der Rechtslage des NAG vor der Novelle BGBl. I Nr. 99/2006 zu überprüfen ist.

Nach § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinne des § 47 Abs. 1 NAG (dabei handelt es sich um Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt) sind, ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllen.

Der - im 1. Teil des NAG enthaltenen - § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG lautet:

"§ 11. (1) ...

(2) ...

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

...

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen."

Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass sich die belangte Behörde nicht mit dem Berufungsvorbringen zu seinen Einkünften auseinandergesetzt hat. Für die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel ist nämlich jenes Einkommen maßgeblich, das dann erzielt wird, wenn der Familiennachzug vollzogen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2009, 2008/22/0659, betreffend die Ausgleichszulage gemäß § 292 Abs. 1 ASVG). Bereits in der Berufung bringt der Beschwerdeführer vor, er sei berufstätig und beziehe von einem näher genannten Unternehmen ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.179,13. Da dem Beschwerdeführer mit dem von ihm begehrten Aufenthaltstitel nach dem NAG die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. m Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG, i.d.F. BGBl. I Nr. 157/2005) nicht versagt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2008/22/0102), er bereits ein Arbeitsverhältnis eingegangen ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er nach Erteilung des Aufenthaltstitels nicht weiterhin beschäftigt sein wird, hätte die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer erzielte Einkommen bei der Ermittlung der erforderlichen Unterhaltsmittel berücksichtigen müssen. Ob er diese Tätigkeit bisher ausgeübt hat, ohne im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung zu sein, ist dabei ohne Belang.

Dadurch, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die für die Berechnung der erforderlichen Unterhaltsmittel erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat (sekundärer Verfahrensmangel), hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren wird abgewiesen, weil der Pauschalbetrag gemäß § 1 Z. 1 lit. a dieser Verordnung die Umsatzsteuer bereits abdeckt.

Wien, am 18. März 2010

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