VwGH 2008/01/0604

VwGH2008/01/060416.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der C I in S, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 9. Juli 2008, Zl. 1/12-20997/9-2008, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293 Abs1;
ASVG §293;
BPGG 1993 §1;
NAG 2005 §11 Abs5;
StaatsbürgerschaftsrechtsNov 2005;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5;
ASVG §293 Abs1;
ASVG §293;
BPGG 1993 §1;
NAG 2005 §11 Abs5;
StaatsbürgerschaftsrechtsNov 2005;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Georgien, vom 3. Dezember 2007 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, sowie den Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf ihre minderjährige Tochter vom 18. März 2008, gemäß § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) "idgF", iVm §§ 11a Abs. 4 Z. 1, 10 Abs. 1 Z. 7, und Abs. 5, 17 Abs. 1 Z. 2 und 18 leg.cit. ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, für die Berechnung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 7 und Abs. 5 StbG seien sämtliche von der Beschwerdeführerin vorgelegten Einkommensnachweise herangezogen worden (Studiengebühren, Gebühren für die Tätigkeit als Dolmetsch bei Gericht, Wochengeld, Kindergeld, geringfügige Beschäftigung, Erhalt eines Unterhaltes des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin für die Monate Mai und Juni sowie die Einmalzahlung der Mutter der Beschwerdeführerin).

Bei Gegenüberstellung des somit ermittelten Einkommens der Beschwerdeführerin und der ASVG-Richtsätze und der von der Beschwerdeführerin geleisteten Hälfte der Miete ergebe sich für den vorliegend maßgeblichen Zeitraum von Juli 2005 bis Juni 2008 ein monatliches Minus von EUR 159,91, für den gesamten Zeitraum ein solches von insgesamt EUR 5.756,77. Da die Beschwerdeführerin somit die Voraussetzungen für eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 und Abs. 5 StbG nicht erfülle, seien sowohl ihr Antrag als auch der damit verbundene Erstreckungsantrag abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Beschwerdevorbringen:

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, es sei ihr nicht möglich gewesen, die Summen der Einkünfte, von denen die Behörde bei ihrer Berechnung ausgehe, auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen, zumal auch die im Akt der belangten Behörde angeführten Zahlen nicht oder nur äußerst schwer zuzuordnen seien.

Insbesondere habe die belangte Behörde nicht begründet, warum sie die Bestätigung der Mutter der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt habe, wonach diese seit ihrer Pflegebedürftigkeit 2003 der Beschwerdeführerin den monatlichen Betrag von EUR 280,-- für deren Pflegeleistung im gemeinsamen Haushalt überweise. Hätte die belangte Behörde diesen Betrag als Einkünfte der Beschwerdeführerin berücksichtigt, hätte diese Einkünfte in ausreichender Höhe nachweisen können.

2. Zum hinreichend gesicherten Lebensunterhalt (nach § 10 Abs. 1 Z. 7 und Abs. 5 StbG) und dessen Berechnung:

2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

Gemäß § 10 Abs. 5 StbG ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen.

2.2. Mit der zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gab der Gesetzgeber zu verstehen, dass er die Staatsbürgerschaft nur an Fremde verliehen wissen will, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein; dass den Verleihungswerber am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts im Sinne der vorgenannten Bestimmungen kein Verschulden trifft, ist nicht von Belang (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2010, Zl. 2007/01/0864, mit Verweisen auf die Vorjudikatur).

Bei einem gemeinsamen Haushalt ist unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht. Minderjährige Kinder, die Unterhaltsansprüche gegen einen Verleihungswerber haben, sind daher bei Ermittlung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts zu berücksichtigen, wenn sie mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0768, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur; vgl. zur Berechnung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 5 StbG insbesondere das hg. Erkenntnis vom 4. September 2008, Zl. 2008/01/0494).

3. Zur Berücksichtigung von Pflegegeld (hier nach dem PGG):

3.1. Im Beschwerdefall beruft sich die Beschwerdeführerin auf die von ihr im Verfahren vorgebrachten monatlichen Zahlungen ihrer Mutter für die Vollbringung der Pflegeleistung im gemeinsamen Haushalt. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist ersichtlich, dass die Mutter Pflegegeld nach dem Salzburger Pflegegeldgesetz, LGBl. Nr. 99/1993 (PGG), bezieht.

Die belangte Behörde hat zu diesen Zahlungen im angefochtenen Bescheid nicht Stellung genommen. In der Gegenschrift vor dem Verwaltungsgerichtshof - mit der jedoch eine im angefochtenen Bescheid fehlende Begründung nicht mehr nachgetragen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2006, Zl. 2005/12/0224, mwN) - führt die belangte Behörde hiezu aus, Pflegegeld könne höchstens als Aufwandersatz der im gemeinsamen Haushalt lebenden Tochter für die Pflege der Mutter, nicht jedoch als "regelmäßige und eigene Einkünfte" der Beschwerdeführerin im Sinn des StbG gewertet werden. Die Mutter sei nämlich nicht derart pflegebedürftig, dass sie eine "Rund-um-Betreuung" durch ihre Tochter benötige, sodass diese auf die "Pflegeentschädigung" ihrer Mutter angewiesen wäre, weil sie keiner anderen Beschäftigung nachgehen könne. Außerdem läge auch keiner der in der Durchführungsverordnung zum Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz angeführten geforderten Nachweise für den gesicherten Lebensunterhalt vor, wie etwa Lohnzettel oder Lohnbestätigung.

3.2. Gemäß § 1 PGG hat das Pflegegeld den Zweck, pflegebedingte Mehraufwendungen in Form eines Beitrages pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern und die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

3.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Bestimmung des § 11 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) festgehalten, dass zweifellos eine Hinzurechnung des Pflegegeldes zwecks Unterhaltsgewährung in einem Nachzugsfall dann nicht statthaft sei, wenn das Pflegegeld erforderlich sei, um den in § 1 Bundespflegegeldgesetz umschriebenen Aufwand einschließlich einer Betreuung durch Dritte abzudecken. Eine andere Sichtweise käme nur dann in Betracht, wenn krankheitsbedingt kein besonderer Sachaufwand anfalle, mit dem Pflegegeld daher die erforderlichen persönlichen Pflegeleistungen abgegolten werden können und diese Leistungen nicht von Dritten, sondern durch den nachziehenden Angehörigen selbst erbracht werden. Dann stünde nämlich dieser Betrag dem Zusammenführenden gemeinsam mit den Nachziehenden zur Verfügung und könnte für die Bestreitung des Unterhalts des Nachziehenden verwendet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, Zl. 2008/22/0632).

3.4. Diese Überlegungen sind auf die nahezu gleichlautende Rechtslage des § 10 Abs. 5 StbG (in der oben angeführten Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005; vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0944, mit Hinweis auf die Materialien zu § 10 Abs. 5 StbG) zu übertragen:

Die belangte Behörde hätte daher im Beschwerdefall - den oben angeführten Überlegungen folgend - prüfen müssen, ob mit dem von der Beschwerdeführerin angeführten Teil des Pflegegeldes die von ihr als Angehörige erbrachten Pflegeleistungen abgegolten, diese Leistungen nicht von Dritten erbracht werden und dieser Teil des Pflegegeldes auch sonst nicht krankheitsbedingt für einen besonderen Sachaufwand benötigt wird. In einem solchen Falle würde nämlich dieser Betrag der Beschwerdeführerin als Entgelt für die von ihr erbrachten Pflegeleistungen frei zur Verfügung stehen wie er auch einer dritten - die Pflege gegen Entgelt erbringenden - Person zur Verfügung stünde. Ist dies zu bejahen, ist dieser Betrag für die Berechnung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 7 iVm Abs. 5 StbG heranzuziehen.

4. Zur Berücksichtigung der Miete:

Wie dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde bei der Berechnung des hinreichenden Lebensunterhaltes neben den ASVG-Richtsätzen auch die von der Beschwerdeführerin geleisteten Hälfte der Miete berücksichtigt.

Dies steht jedoch mit § 10 Abs. 5 StbG (in der vorliegend maßgeblichen Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005) nicht im Einklang. Nach dieser Rechtslage wurde die Höhe der Richtsätze derart festgelegt, dass davon ausgegangen wird, dass bei Erreichen eines solchen Einkommens der notwendige Lebensunterhalt, also auch die Bestreitung der Kosten einer Unterkunft, gesichert sind und daher daraus resultierende weitere Belastungen nicht von den Einkünften abzuziehen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0295).

Für das fortgesetzte Verfahren wird jedoch auf die neue Rechtslage des § 10 Abs. 5 StbG in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009, BGBl. I Nr. 122 hingewiesen, wonach feste und regelmäßige eigene Einkünfte durch regelmäßige Aufwendungen, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen, geschmälert werden.

5. Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Dezember 2010

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