VwGH 2007/01/0944

VwGH2007/01/094428.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des mj. E Y in S, vertreten durch O u. E Y, diese vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 1. Juni 2007, Zl. 1/12-20714/5-2007, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs5;
StaatsbürgerschaftsrechtsNov 2005;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs5;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs5;
StaatsbürgerschaftsrechtsNov 2005;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des minderjährigen Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 39 iVm §§ 10 Abs. 1 Z. 7 und Abs. 5, 10a, 11a und 12 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, für Minderjährige, die selbst kein eigenes Einkommen haben, seien die Einkommen der unterhaltspflichtigen Eltern als Bewertungsgrundlage für den Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes gemäß § 10 Abs. 5 StbG heranzuziehen.

Die Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers habe im Jahr 2005 (einmalig) Sozialhilfeleistungen in der Höhe von EUR 200,-- bezogen. Sie sei vom 10. bis 21. Juni 2005 im Salzburger Frauenhaus untergebracht gewesen und habe für diesen Zeitraum vom Sozialamt eine "Überbrückungszahlung" bezogen. Der Umstand, dass dieser Sozialhilfebezug einmalig gewesen und im Rahmen einer besonderen Notlage der Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers eingetreten sei, könne an der rechtlichen Bewertung im Rahmen der staatsbürgerschaftsrechtlichen Normen nichts ändern. Da vom Beschwerdeführer bzw. seinen Vertretern keine Stellungnahme zu dieser Information erfolgt sei, werde davon ausgegangen, dass im gegenständlichen Verfahren ein staatsbürgerschaftsrechtlich relevanter Sozialhilfebezug innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entscheidung vorliege. Ein gesicherter Lebensunterhalt des mj. Beschwerdeführers könne daher nicht als gegeben angesehen werden. Das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 StbG sei nicht mehr zu prüfen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Rechtslage:

Gemäß § 12 Z. 3 StbG ist einem Fremden (unter anderem) unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 StbG die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er die Staatsbürgerschaft nach § 17 StbG durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben kann, weil der hierfür maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

Gemäß § 10 Abs. 5 StbG ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

2. Zur Anwendung des § 10 Abs. 5 StbG bei unterhaltsberechtigten Minderjährigen:

2.1. Der Beschwerdeführer bringt gegen den angefochtenen Bescheid vor, er habe als Minderjähriger kein eigenes Einkommen, sodass § 10 Abs. 5 StbG nicht unmittelbar zur Anwendung kommen könne. Es gebe keine Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen bei einem Minderjährigen der Lebensunterhalt hinreichend gesichert sei. Die Begründung der belangten Behörde, wonach das Einkommen der unterhaltspflichtigen Eltern als Bewertungsgrundlage heranzuziehen sei, entspreche nicht dem Gesetzeswortlaut und sei überdies nicht nachvollziehbar und willkürlich. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass die Prüfung der Voraussetzungen bei einem Minderjährigen strenger sei als bei einem Erwachsenen, bei dem nur die eigene finanzielle Situation überprüft werde, beim Minderjährigen jedoch die finanzielle Situation beider Elternteile. Zudem erkläre die belangte Behörde nicht, aus welchen Gründen sie der Ansicht sei, dass beim Antrag eines Minderjährigen § 10 Abs. 5 StbG heranzuziehen sei, im gegenständlichen Fall sei lediglich § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG anzuwenden, Abs. 5 könne lediglich zur Auslegung dienen.

2.2. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG auch beim minderjährigen Beschwerdeführer zur Anwendung kommt.

Im Übrigen ergibt sich bereits aus § 12 Z. 3 StbG, dass der Gesetzgeber auch bei Minderjährigen von der Notwendigkeit eines Nachweises eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes ausgeht. So ist nach dieser Bestimmung einem minderjährigen Fremden (§ 17 Abs. 1 StbG) die Staatsbürgerschaft unter anderem unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 StbG zu verleihen, was auch die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG umfasst.

Was aber § 10 Abs. 5 StbG anlangt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass diese Bestimmung nicht bloß "demonstrativen Charakter" hat, sondern damit eine "Definition" der in § 10 Abs. 1 Z. 7 leg. cit. aufgestellten zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes des Verleihungswerbers vorgenommen worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 2008, Zl. 2007/01/1394). Somit ist bei Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung auch bei Minderjährigen von § 10 Abs. 5 StbG auszugehen.

Gemäß § 10 Abs. 5 erster Satz StbG können auch Einkünfte aus gesetzlichen Unterhaltsansprüchen als Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes dienen. Der letzte Satz dieser Bestimmung spricht davon, dass bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen ist.

§ 11 Abs. 5 NAG knüpft nahezu gleichlautend - dort bei der Frage, ob der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führt - an die Richtsätze des § 293 ASVG an und enthält eine dem § 10 Abs. 5 letzter Satz StbG nahezu inhaltsgleiche Regelung. Dies lässt sich dadurch erklären, dass der Gesetzgeber der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 das Staatsbürgerschaftsgesetz an das NAG anpassen wollte, um zu gewährleisten, dass es (Fremden gegenüber) zu keinen Wertungswidersprüchen kommt (RV 1189 BlgNR XXII. GP, S. 3). Wie der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Regelung bereits festgehalten hat, ist bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0711).

Da es sich im vorliegenden Fall um einen minderjährigen und gegenüber seinen Eltern unterhaltsberechtigten Beschwerdeführer ohne eigenes Einkommen handelt, kann ausgehend von der oben angeführten Rechtslage der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie für die Beurteilung des - auch für Minderjährige geltenden - Erfordernisses des gesicherten Lebensunterhaltes jenen der unterhaltspflichtigen Eltern des Beschwerdeführers als Haushaltseinkommen herangezogen hat (vgl. idS zu Ehegattinnen Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), 104 und 106).

3. Fallbezogen zur einmaligen Sozialhilfeleistung:

3.1. In diesem Zusammenhang bringt die Beschwerde vor, der Vater des Beschwerdeführers habe niemals Sozialhilfe bezogen und verfüge über ein festes und regelmäßiges Einkommen. Die Mutter habe nur vorübergehend wegen einer familiären Notlage kurzfristig Sozialhilfe in Höhe von EUR 200,-- in Anspruch genommen, die zurückbezahlt worden sei. Abgesehen davon hätten die Eltern des Beschwerdeführers niemals Sozialhilfe in Anspruch genommen. Die Mutter des Beschwerdeführers sei nur vorübergehend nicht liquid gewesen. Lediglich eine familiäre Krisensituation habe dazu geführt, dass die Mutter des Beschwerdeführers für wenige Tage kein bares Geld gehabt habe. Die Verantwortlichen im Frauenhaus hätten die Entscheidung getroffen, für die Mutter des Beschwerdeführers Überbrückungshilfe in Anspruch zu nehmen. Dieser sei jedoch eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen auch zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen. Es sei eine Gesamtbetrachtung der finanziellen Situation der letzten drei Jahre vor Erlassung des Bescheides nötig. Eine bloß kurzfristige Inanspruchnahme von Überbrückungshilfe infolge einer Notsituation ändere bei vorliegenden und regelmäßigen Einkünften nichts daran, dass der Lebensunterhalt hinreichend gesichert sei, insbesondere wenn die Überbrückungshilfe zurückbezahlt worden sei.

§ 10 Abs. 1 Z. 7 und Abs. 5 StbG müssen unter dem Blickwinkel des damit verfolgten Zwecks gesehen werden, nämlich die Staatsbürgerschaft nur an Fremde zu verleihen, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom 22. August 2007, Zl. 2007/01/0459).

3.2. Die im Beschwerdefall gegebene besondere Fallkonstellation (nämlich die einmalige Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen in der Höhe von EUR 200,--, die Rückzahlung dieses Betrages sowie der Umstand, dass auch während dieser Zeit auf Grund der seit 1992 durchgehenden Beschäftigung des Vaters von einem ausreichenden Haushaltseinkommen auszugehen ist) gleicht jener, die dem hg. Erkenntnis vom 22. August 2007, Zl. 2007/01/0459, zu Grunde gelegen ist.

Unter diesen besonderen Umständen liegt das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 7 iVm Abs. 5 StbG nicht vor.

4. Ausgehend davon war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Oktober 2009

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