VwGH 2007/01/1394

VwGH2007/01/139410.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des D L in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. November 2007, Zl. FA7C-11-12/2007-36, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §11a Abs4 Z1 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §11a Abs4 Z1 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines kongolesischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben auf seine Ehefrau und seine drei minderjährigen Kinder ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer halte sich seit 18. Februar 2000 in Österreich auf. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 2. August 2004 sei ihm Asyl gewährt worden. Der Beschwerdeführer erfülle daher die sechsjährige Aufenthaltsdauer gemäß § 11a Abs. 4 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG) in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. Nr. 37/2006. Er habe aber im Zeitraum vom 1. Jänner 2004 bis 18. Oktober 2006 (im Bescheid näher umschriebene) Sozialhilfeleistungen in der Höhe von insgesamt EUR 16.493,12 bezogen. Das sei erforderlich gewesen, um dem Beschwerdeführer "die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen" und um "ein selbst bestimmtes Leben führen zu können." Wegen des Bezugs der Sozialhilfe in den letzten drei Jahren erfülle der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG nicht. Der Verleihungsantrag und die darauf Bezug nehmenden Erstreckungsanträge seiner Familienangehörigen müssten deshalb abgewiesen werden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde macht zusammengefasst geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht verneint, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG "hinreichend gesichert" sei. Diese Verleihungsvoraussetzung müsse nämlich zum Verleihungszeitpunkt erfüllt sein und - wenn überhaupt - für die Zukunft beurteilt werden. § 10 Abs. 5 StbG enthalte nach Auffassung des Beschwerdeführers nur eine demonstrative Aufzählung von Umständen, die darauf schließen ließen, dass der Lebensunterhalt eines Einbürgerungswerbers im Verleihungszeitpunkt hinreichend gesichert sei. Auf Grund dieses "gesetzlich normierten demonstrativen Charakters" sei der Bezug von Sozialhilfeleistungen einer Gebietskörperschaft innerhalb der letzten drei Jahre nicht "automatisch" ein Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 7 StbG. Aus dem Dargelegten gehe schlüssig hervor, dass der Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der belangten Behörde das Verleihungserfordernis des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts erfülle und durch seine gegenwärtige Beschäftigung auch zukünftig sichern werde. Fallbezogen sei überdies zu beachten, dass dem Beschwerdeführer erst mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. August 2004 Asyl gewährt worden sei. Bis dahin habe er aufgrund "einschlägiger Normen des

Ausländerbeschäftigungsgesetzes ... keinerlei legaler

Beschäftigung nachgehen" können, sondern er sei zum Bezug von Sozialhilfeleistungen gezwungen gewesen. Die Rechtsauslegung der belangten Behörde führe dazu, dass anerkannte Flüchtlinge bei Beantragung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft einer zusätzlichen Wartefrist ausgesetzt wären. Das stehe jedoch keinesfalls im Einklang mit der Wertung des StbG, anerkannte Flüchtlinge bei der Einbürgerung zu begünstigen und stelle den Grundsatz der Rechtssicherheit in Frage.

Diesen Überlegungen vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten.

Die maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. Nr. 37/2006, lauten:

"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen

werden, wenn

...

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist ...

...

(5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

...

§ 11a.

...

(4) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1. ihm der Status als Asylberechtigter zukommt, sofern die Asylbehörde auf Anfrage mitteilt, dass weder ein Verfahren nach § 7 AsylG 2005 eingeleitet wurde, noch die Voraussetzungen für die Einleitung eines solchen Verfahrens vorliegen;

2. ..."

In den Gesetzesmaterialien (RV 1189 BlgNR 22. GP 3ff) heißt es dazu:

"Zu ... § 10 Abs. 1...

Abs. 1 regelt, ab wann und unter welchen Voraussetzungen einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden kann (Verleihungsvoraussetzungen), während Abs. 2 absolute

Verleihungshindernisse normiert. ... Die Voraussetzungen der

Abs. 1 und 2 ... müssen bei jeder Verleihung der Staatsbürgerschaft gegeben sein. Sie bilden somit das systematische Grundgerüst, auf dem jede Staatsbürgerschaftsverleihung aufbaut. Ergänzt wird dieses Grundgerüst durch die Klarstellung, was unter hinreichender Sicherung des Lebensunterhalts zu verstehen ist, ...

Zu ... § 10 Abs. 5...:

Abs. 5 definiert den hinreichend gesicherten Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) durch feste und regelmäßige Einkünfte, die aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit, Vermögen oder anderen Quellen den Lebensunterhalt des Fremden hinreichend gesichert erscheinen lassen, sodass eine Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften nicht notwendig ist. Diese Einkünfte sind für die letzten drei Jahre nachzuweisen.

...

Zu ... § 11a...:

Abs 4 nennt weitere Personengruppen, die zeitlich

privilegiert, die Staatsbürgerschaft erhalten.

...

Die Bevorzugung von Asylwerbern ist notwendig, um einerseits dem Art. 34 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GFK), BGBl. Nr. 55/1955 i.d.g.F., und andererseits Art. 6.Abs.4 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 39/2000, Genüge zu tun. ..."

Art. 34 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, lautet:

"Die vertragschließenden Staaten sollen soweit als möglich die Gleichstellung und Einbürgerung von Flüchtlingen erleichtern. Sie sollen insbesondere alles tun, um das Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und soweit als möglich die Kosten eines solchen Verfahrens zu reduzieren."

Art. 6 Abs. 4 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit, BGBl. III Nr. 39/2000, lautet:

"(4) Jeder Vertragsstaat erleichtert in seinem innerstaatlichen Recht folgenden Personen den Erwerb seiner Staatsangehörigkeit:

...

g) staatenlosen Personen und anerkannten Flüchtlingen, die ihren rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet haben."

Österreich hat zu diesem Punkt folgenden Vorbehalt abgegeben:

"Österreich erklärt, sich das Recht vorzubehalten, staatenlosen Personen und anerkannten Flüchtlingen, die ihren rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Staatsgebiet (dh. den Hauptwohnsitz) haben, den Erwerb der Staatsbürgerschaft allein aus diesem Grund nicht zu erleichtern."

Sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch die dazu vorliegenden Materialien lassen erkennen, dass § 10 Abs. 5 StbG nicht bloß "demonstrativen Charakter" hat, sondern damit eine "Definition" der in § 10 Abs. 1 Z 7 StbG aufgestellten zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts des Verleihungswerbers vorgenommen worden ist. Der Gesetzgeber gab damit zu verstehen, dass er die Staatsbürgerschaft nur an Fremde verliehen wissen will, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben.

Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein. Dass den Verleihungswerber am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts im Sinne der vorgenannten Bestimmungen kein Verschulden trifft, ist nicht von Belang (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. August 2007, Zlen. 2006/01/0586, 2007/01/0459 und 2007/01/0695, sowie das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/01/1408).

Der Beschwerde ist zwar zuzugeben, dass die Staatsbürgerschaftsbehörde die Verleihungserfordernisse im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu beurteilen hat. § 10 Abs. 5 StbG stellt jedoch klar, dass in Bezug auf das Erfordernis des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts des Einbürgerungswerbers nicht nur auf sein Einkommen im Entscheidungszeitpunkt abgestellt werden soll. Vielmehr erfordert die Annahme eines "hinreichend gesicherten Lebensunterhalts" eine Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung, die nach den gesetzlichen Vorgaben nur dann gegeben ist, wenn vom Verleihungswerber zum Entscheidungszeitpunkt feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und eine im Gesetz näher umschriebene Mindesthöhe erreichen.

Dass der Beschwerdeführer durch seine gegenwärtige Beschäftigung ein Einkommen erzielt, das seinen Lebensunterhalt jetzt und für die Zukunft hinreichend sichere, wird von der Beschwerde zwar behauptet, im Übrigen aber nicht näher präzisiert. Auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verleihungsverfahren und der Begründung des angefochtenen Bescheides lässt sich Derartiges nicht entnehmen. Es wäre nach dem zuvor Gesagten aber auch nicht ausreichend, um den gesetzlichen Vorgaben des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG zu entsprechen. Fest steht aber, dass der Beschwerdeführer innerhalb des Zeitraumes von drei Jahren vor der Entscheidung der belangten Behörde Sozialhilfeleistungen bezogen hat, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (in den

Worten der belangten Behörde: " ... um ein selbst bestimmtes Leben

führen zu können."). Damit hat er das gesetzlich gebotene Verleihungserfordernis nicht erfüllt.

Soweit sich die Beschwerde argumentativ auf § 11a Abs. 4 Z 1 StbG stützt, um die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG im Fall des Beschwerdeführers, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, als erfüllt anzusehen, ist ihr zu erwidern, dass die Begünstigungen für anerkannte Flüchtlinge nach dieser Gesetzesstelle in einer zeitlichen Verkürzung der Mindest-aufenthaltsdauer liegen (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 22. August 2007, Zl. 2007/01/0695). § 11a Abs. 4 StbG setzt im Übrigen aber ausdrücklich voraus, dass auch das Erfordernis eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Z 7 (iVm Abs. 5) StbG erfüllt sein muss. Ist diese Voraussetzung nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren nicht gegeben, so muss auch ein anerkannter Flüchtling bis zur Erfüllung dieser gesetzlichen Bedingung mit der Einbürgerung zuwarten. Insofern sind anerkannte Flüchtlinge nicht besser gestellt als andere Verleihungswerber. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft soll den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen, zu der nach der Wertung des Gesetzgebers auch gehört, dass der Verleihungswerber sein Fortkommen ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften bestreiten kann. Diese (allgemeine) Überlegung gilt auch für Personen, denen der Status als Asylberechtigter zukommt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 10. April 2008

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