VwGH 2007/05/0207

VwGH2007/05/020725.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der W U in Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Krammer, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Pfarrgasse 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Juli 2007, Zl. RU1- BR-605/002-2007, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. R S in 3573 Rosenburg, 2. Gemeinde Rosenburg-Mold in 3573 Rosenburg, Rosenburg 25), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §50 Abs3 Z2;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §50 Abs3 Z2;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 25. Jänner 2006 beantragte die erstmitbeteiligte Partei als Bauwerber die baubehördliche Bewilligung zum Zubau einer Terrasse zum bestehenden Wohnhaus auf dem Grundstück in 3573 Rosenburg 125, Parzelle Nr. 155/46, EZ. 245, KG Rosenburg. Die Terrasse sollte auf drei Holzsäulen bzw. an den an der Außenwand des bestehenden Wohnhauses befestigten Pfetten in rund 2,50 m Höhe über dem darunter liegenden Niveau errichtet werden. Das Plateau sollte mit einem umschließenden 1 m hohen Geländer gesichert werden. Dem Ansuchen lag die schriftliche Zustimmung des Grundstückeigentümers bei.

Am 21. März 2006 führte die Baubehörde erster Instanz eine Bauverhandlung vor Ort durch, zu der auch die Beschwerdeführerin ordnungsgemäß und unter Hinweis auf die Rechtsfolgen der §§ 41 und 42 AVG geladen worden war. Nach der Verhandlungsschrift erhob sie "gegen das Bauvorhaben hinsichtlich des Einblickes in ihren Garten sowie grundsätzlich gegen die Situierung des Objektes einschließlich Nutzung des Flachdaches als Terrasse Einspruch". Der bautechnische Sachverständige stellte in seinem Gutachten fest, dass gegen die Erteilung der (nachträglichen) Bewilligung für den Zubau eines Carports und die Bewilligung einer Terrasse zum bestehenden Wohnhaus in öffentlich-rechtlicher und bautechnischer Sicht bei projektgemäßer Ausführung unter Einhaltung von bestimmten Auflagen kein Einwand bestehe; mit dem Bauvorhaben würden subjektive öffentlich-rechtliche Nachbarrechte nicht beeinträchtigt werden.

Mit Bescheid vom 27. März 2006 erteilte die Baubehörde erster Instanz dem mitbeteiligten Bauwerber die beantragte Bewilligung (Zubau eines Carports und einer Terrasse). Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden als unbegründet abgewiesen, weil diese keine "subjektiv-öffentliche(n)" Rechte gemäß § 6 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996 (BO) berührten.

In ihrer dagegen gerichteten Berufung vom 5. April 2006 machte die Beschwerdeführerin unter anderem geltend, mit ihrer Einwendung gegen die "Situierung des Objekts" hätte sie eine Verletzung von Bestimmungen über den Abstand zur Nachbargrundgrenze und damit (da vorliegend kein Bebauungsplan gelte) die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts im Licht des § 54 BO geltend gemacht. Ferner handle es sich vorliegend um einen Zubau, verbunden mit einer Erweiterung des Verwendungszweckes des Obergeschosses, weil die Terrasse offenkundig nur über das Hauptgebäude bzw. über den innenliegenden Stiegenaufgang erreicht werden könnte. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin könnte bei Vorhandensein eines Bebauungsplanes - wo ein Seitenabstand links und rechts im Ausmaß von zumindest 3 m vorzuschreiben wäre - das vorliegende Bauvorhaben niemals rechtmäßig bewilligt werden, das Fehlen des Bebauungsplans dürfe aber zu keiner Verschlechterung der Nachbarrechte führen. Weiters wurden brandschutztechnische Bedenken mit Blick auf § 49 der NÖ Bautechnikverordnung 1997 geltend gemacht.

Im Berufungsverfahren holte die Baubehörde zweiter Instanz eine Ergänzung vom 8. Juni 2006 zum Gutachten des bautechnischen Sachverständigen vom 21. März dJ ein, in der der Sachverständige zum Schluss kommt, dass aus bautechnischer Sicht keine Unzulässigkeit gemäß § 54 BO bestehe.

Die Baubehörde zweiter Instanz wies die Berufung mit Bescheid vom 19. Juni 2006 als unzulässig eingebracht zurück. Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass im Sinn des ergänzten Sachverständigengutachtens von der zu bebauenden Liegenschaft aus Bauwerke sichtbar seien, die ebenfalls an der Grundgrenze situiert und in etwa gleich hoch wie das bewilligte Carport seien, weshalb das Vorhaben gemäß § 54 BO zulässig sei. Der Einwand betreffend die brandschutztechnischen Bedenken sei - weil nicht bei der mündlichen Verhandlung erhoben - verspätet.

Der gegen diesen Bescheid gerichteten Vorstellung der Beschwerdeführerin vom 3. Juli 2006 gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 28. August 2006 Folge, sie behob den Berufungsbescheid und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurück. In der Begründung wurde dieser Bescheid vor allem darauf gestützt, dass die besagte Ergänzung des Sachverständigen keine taugliche Grundlage für die rechtliche Beurteilung der Berufungsbehörde nach § 54 BO abgäbe und zudem bezüglich dieser Ergänzung das Parteiengehör nicht gewahrt worden sei. Lägen die Voraussetzungen des § 54 BO vor, dürfe der seitliche Bauwich auch 3 m unterschreiten. Die Frage, ob das Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung iSd § 54 leg. cit. in einem auffallenden Widerspruch stehe, sei eine Rechtsfrage, die von einem beigezogenen Sachverständigen nicht endgültig beurteilt werden könne. Im fortgesetzten Verfahren werde eine dem Parteiengehör zu unterziehende Gutachtensergänzung einzuholen sein.

Daraufhin holte die Baubehörde zweiter Instanz bei einer anderen bautechnischen Sachverständigen eine mit 4. September 2006 datierte, nunmehr in Befundaufnahme und Gutachten gegliederte Ergänzung zum Gutachten vom 21. März 2006 ein. Diese Ergänzung wird damit zusammengefasst, dass auf Grund der Lage in dem in sich geschlossenen Siedlungsbereich (bebaut mit Einfamilienhäusern) sowie des wegen der topographischen Geländebeschaffenheit sehr kleinen heranzuziehenden Bezugsbereichs und der dort vorherrschenden Bauwerke keine auffallende Abweichung des Terrassenzubaus von den zugleich mit diesem sichtbaren Bauwerken festgestellt werden könne; weiters entstehe durch den Terrassenzubau auf der Parzelle Nr. 155/46 keine Beeinträchtigung des Lichteinfalls unter 45 Grad für die Nachbarparzellen; diesbezüglich wird im Gutachten näher ausgeführt, dass sich das bestehende Wohngebäude der Beschwerdeführerin in ausreichendem Abstand zum Terrassenzubau befinde, sodass keine Beeinträchtigung des Lichteinfalls entstehe.

In ihrer Stellungnahme vom 29. September 2009 zu diesem Ergänzungsgutachten vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass das beantragte Projekt nicht als Nebengebäude, sondern als Zubau zum Hauptgebäude zu werten sei, zumal es über 3 m hoch sei und in zwei Ebenen genutzt werde, Nebengebäude nach der BO aber eine maximale Gesamthöhe von 3 m nicht überschreiten dürften. Geltend gemacht wurde weiters eine wesentliche Beeinträchtigung des Lichteinfalls auf das Grundstück der Beschwerdeführerin, da der gesetzmäßige Lichteinfall (45 Grad ) an der Grundgrenze nicht mehr zu 100 % gewährleistet sei.

Mit Bescheid vom 20. September 2006 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bewilligungsbescheid vom 27. März 2006 von der Baubehörde zweiter Instanz, gestützt auf die im fortgesetzten Verfahren eingeholte Gutachtensergänzung vom 4. September 2006, neuerlich als unzulässig eingebracht zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen gerichtete Vorstellung gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde insbesondere Folgendes ausgeführt: Sofern ein Nachbar ordnungsgemäß und unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG zu einer mündlichen Verhandlung geladen worden sei, habe dieser (ausgenommen etwa im Hinblick auf Fragen der Zuständigkeit der Behörde) nur hinsichtlich rechtzeitig erhobener Einwendungen einen Rechtsanspruch auf Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides. Die Beschwerdeführerin habe zwar in der mündlichen Bauverhandlung vom 21. März 2006 eingewendet, dass sie gegen das Bauvorhaben hinsichtlich des Einblicks in ihren Garten sowie Grundsätzlich gegen die Situierung des Objekts einschließlich Nutzung des Flachdaches der Terrasse Einspruch erhebe. Sie habe aber nicht weiter ausgeführt, wie dieser Einwand zu verstehen sei. Insbesondere habe sie es unterlassen darzulegen, in welchen der in § 6 Abs. 2 BO taxativ angeführten Nachbarrechten sie sich verletzt fühle. Die Zurückweisung dieser Einwände als verspätet unter Hinweis auf § 41 Abs. 2 AVG durch die Berufungsbehörde sei daher zu Recht erfolgt. Auch in der Vorstellung habe die Beschwerdeführerin zwar die Überprüfung des Lichteinfalls verlangt, aber wieder nicht die Verletzung eines bestimmten in § 6 Abs. 2 BO aufgezählten Rechtes eingewendet. Wie schon in der Berufung gehe die Beschwerdeführerin auch hier offenbar vom "Lichteinfall an der Grundgrenze" aus, der aber kein Recht nach § 6 Abs. 2 BO darstelle. Der "Einblick" in ein Grundstück sei ebenfalls keine Verletzung eines der in § 6 Abs. 2 leg. cit. angeführten Nachbarrechte.

Beim vorliegenden Bauvorhaben handle es sich um eine bauliche Anlage, die auf einer Seite von drei Holzsäulen getragen werde und an der anderen Seite an der Außenwand des bestehenden Wohnhauses auf befestigten Pfetten aufliege. Das Carport bestehe also nur aus einem Dach und einer Außenwand, die durch die Hausmauer gebildet werde. Im Sinne der Definition des § 4 BO (vgl. Z. 6 leg. cit.) stelle das Carport (entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin) kein Gebäude, sondern eine bauliche Anlage dar. Die tatsächliche Höhe des Bauvorhabens sei im Sinn des § 4 Z. 6 leg. cit. unbeachtlich.

Da ein Bebauungsplan nicht vorliege, seien die Überlegungen der Beschwerdeführerin zur Beurteilung des gegenständlichen Bauvorhabens bei Vorliegen eines Bebauungsplanes nicht relevant.

Nach § 54 BO komme der Beschwerdeführerin bezüglich des in § 6 Abs. 2 Z. 3 BO umschriebenen Kriteriums einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster ihrer Gebäude, welches in § 54 zweiter Fall BO besonders ausgeformt sei, ein Mitspracherecht zu. Nach § 54 zweiter Fall BO habe die Beschwerdeführerin Anspruch darauf, dass das Vorhaben den Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf ihrem Grundstück nicht beeinträchtige. Diesbezüglich sei auf das im fortgesetzten Verfahren eingeholte neue Ergänzungsgutachten vom 4. September 2006 zu verweisen, das einen ausführlichen Befund enthalte, hinsichtlich seiner Schlussfolgerung verständlich und nachvollziehbar sei und hinsichtlich seines Inhalts den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen entspreche. Dieses schlüssige Gutachten könnte in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten, somit auf gleicher fachlicher Ebene, bekämpft werden. Die Beschwerdeführerin habe diesem Gutachten aber kein gleichwertiges Gutachten entgegengesetzt. Die Baubehörde zweiter Instanz habe diese Gutachtensergänzung ihrem Bescheid zu Recht zugrunde gelegt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 41 Abs. 1 AVG hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen.

Nach Abs. 2 zweiter Satz dieses Paragraphen hat die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 AVG eintretenden Folgen zu enthalten.

Wenn eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht wurde, so hat dies gemäß § 42 Abs. 1 AVG zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt.

Gemäß Abs. 2 des § 42 AVG erstreckt sich die im Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge, auch wenn die mündliche Verhandlung nicht ordnungsgemäß kundgemacht wurde, jedenfalls auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

Die Anordnung des § 42 Abs. 1 AVG, wonach bei ordnungsgemäßer Kundmachung eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt, bedeutet, dass eine Partei, die rechtzeitig Einwendungen erhoben hat, nicht darüber hinaus nach der Verhandlung rechtens (im Sinne dieser Bestimmung) weitere, neue Einwendungen nachtragen kann, weil sie insoweit ihre Parteistellung verloren hat. Es tritt also insoweit ein partieller Verlust (Teilverlust) der Parteistellung ein. Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 BO haben im Baubewilligungsverfahren Nachbarn (das sind u.a. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen) Parteistellung. Sie sind aber nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk oder dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

Hiezu normiert § 6 Abs. 2 BO:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

Aus der dargestellten Rechtslage der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 folgt, dass das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat.

1.2. Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, die von der Beschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung am 21. März 2006 erhobenen Einwendungen "gegen das Bauvorhaben hinsichtlich des Einblickes in ihren Garten sowie grundsätzlich gegen die Situierung des Objekts einschließlich Nutzung des Flachdaches als Terrasse" seien nicht als Einwendungen im Rechtssinn zu deuten, übersieht, dass sie ihren Vorstellungsbescheid vom 28. August 2006 rechtskräftig eine gegenteilige Beurteilung zu Grunde legte, die sie nunmehr - ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof - bindet. Insofern hat sie den bekämpften Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

2. Entgegen der Beschwerde war die belangte Behörde nach der in der Beschwerde geltend gemachten Verpflichtung zur Rechtsbelehrung gemäß § 13a AVG (Manuduktionspflicht) auch nicht dazu verhalten, der Beschwerdeführerin Unterweisungen zu erteilen, wie sie ihre Einwendungen zu gestalten habe, damit ihrem Standpunkt von der Behörde allenfalls Rechnung getragen werde (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa die Erkenntnisse vom 19. Mai 2004, Zl. 2004/18/0114, und vom 10. September 2008, Zl. 2006/05/0124).

3. Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, dass das bewilligte Bauvorhaben für sie eine dem § 54 BO widersprechende Beeinträchtigung des Lichteinfalles entstehe. Damit zeigt die Beschwerdeführerin im Ergebnis einen dem angefochtenen Bescheid anhaftenden wesentlichen Verfahrensmangel auf.

Das gegenständliche Bauvorhaben ist unstrittig im ungeregelten Baulandbereich gelegen, für das zu bebauende Grundstück der mitbeteiligten Bauwerberin gilt kein Bebauungsplan. Ob das von den Beschwerdeführern geltend gemachte subjektivöffentliche Recht durch die hier zu beurteilende Baubewilligung verletzt wurde, ist daher an Hand der Regelung des § 54 NÖ BO zu beurteilen. Diese Vorschrift lautet:

"§ 54

Bauwerke im ungeregelten Baulandbereich

Ein Neu- oder Zubau eines Bauwerks ist unzulässig, wenn für ein als Bauland gewidmetes Grundstück kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält und das neue oder abgeänderte Bauwerk

*

in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder Höhe von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweicht oder

*

den Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigen würde.

Zur Wahrung des Charakters der Bebauung dürfen hievon Ausnahmen gewährt werden, wenn dagegen keine hygienischen oder brandschutztechnischen Bedenken bestehen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass § 54 NÖ BO dem Nachbarn nicht weitergehende Mitspracherechte einräumt, als im § 6 Abs. 2 NÖ BO umschrieben ist. Vielmehr werden im Rahmen des § 54 NÖ BO subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn darauf beschränkt, dass ein Einfluss auf den Lichteinfall auf die Nachbarliegenschaft ausgeübt wird. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann somit nur dann gegeben sein, wenn der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigt wird. Der in § 54 NÖ BO erster Satz, letzter Halbsatz, verwendete Begriff "zulässiges Gebäude" bezieht sich nach der hg. Judikatur nicht nur auf die Hauptfenster bestehender (bewilligter oder als konsensgemäß zu beurteilender) Gebäude auf den Nachbargrundstücken, sondern auch auf zukünftige bewilligungsfähige Gebäude. Die belangte Behörde hatte daher im Beschwerdefall zu prüfen, ob das bewilligte Bauvorhaben den Lichteinfall unter 45 Grad zukünftiger bewilligungsfähiger Neu- und Zubauten auf dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführerin beeinträchtigen würde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. November 2008, Zl. 2005/05/0363, vom 16. September 2009, Zl. 2006/05/0189, und vom 19. Jänner 2010, Zl. 2008/05/0162, mwH).

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem auf die Situierung des bewilligten Zubaus abstellenden Einwand bei der mündlichen Verhandlung am 21. März 2006 bei verständiger Würdigung die sich nach dem Abstand dieses Zubaus zu zulässigen - damit auch zu zukünftigen bewilligungsfähigen - Gebäuden auf ihrem Grundstück ergebende Beschränkung des Lichteinfalls iSd § 54 zweiter Fall BO geltend gemacht. Damit ist die Beschwerdeführerin zutreffend davon ausgegangen, dass ihr § 54 BO an sich die Möglichkeit offen lässt, ihr Grundstück in Richtung auf die Grundgrenze zum mitbeteiligten Bauwerber weiter zu verbauen.

Die belangte Behörde hätte daher prüfen müssen, ob das bewilligte Bauvorhaben den Lichteinfall unter 45 Grad zukünftiger bewilligungsfähiger Neu- und Zubauten auf dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführerin beeinträchtigen würde. Damit wäre auch zu klären gewesen, ob bei der zukünftigen Bebauung des Grundstückes der Beschwerdeführerin Hauptfenster in Richtung des in Rede stehenden Zubaus und in welcher Entfernung diese von der Grundstücksgrenze zulässig sind (vgl. dazu etwa das schon zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2005/05/0363). Der der Beschwerdeführerin diesbezüglich entgegengehaltene Umstand, dass ein Lichteinfall an der Grundgrenze nicht ausdrücklich als Recht nach § 6 Abs. 2 BO normiert sei, vermag daran nichts zu ändern.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. März 2010

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