VwGH 2005/13/0006

VwGH2005/13/000624.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der E GmbH in L, vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 9. Dezember 2004, Zl. RV/1999- W/03, betreffend Umsatzsteuer 2/2001 bis 12/2001 und 3/2002 bis 7/2002, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §284 Abs1 Z1;
EMRK Art6 Abs1;
UStG 1972 §11 Abs1 Z1;
UStG 1994 §11 Abs1 Z1;
UStG 1994 §16 Abs3 Z1;
BAO §284 Abs1 Z1;
EMRK Art6 Abs1;
UStG 1972 §11 Abs1 Z1;
UStG 1994 §11 Abs1 Z1;
UStG 1994 §16 Abs3 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Bericht vom 13. November 2002 über das Ergebnis einer bei der beschwerdeführenden GmbH durchgeführten UVA-Prüfung für den Zeitraum Februar 2001 bis Juli 2002 wurde u.a. ausgeführt, die Beschwerdeführerin erbringe Leistungen in erster Linie durch die P. GmbH als Subunternehmerin. In einer Rechnung der P. GmbH vom 21. Dezember 2001 seien der Beschwerdeführerin gegenüber u.a. Leistungen ab April 2001 in der Höhe von ca. S 8,12 Mio. fakturiert worden, die bisher in keiner Ausgangsrechnung der Beschwerdeführerin abgerechnet worden seien. Diese Leistungen seien unter Berücksichtigung der von der Betriebsprüfung ermittelten Gewinnspanne der Beschwerdeführerin der Umsatzsteuer zu unterziehen. In einem weiteren Abschnitt des Prüfungsberichtes wurde dargelegt, die auf Grund von Rechnungen der P. GmbH geltend gemachten Vorsteuern seien nicht anzuerkennen, weil die auf den Rechnungen angeführten Adressen offensichtlich nicht die Geschäftsanschrift des Unternehmens seien.

Das Finanzamt folgte diesen Feststellungen und erließ Bescheide vom 18. November 2002 über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Februar bis Dezember 2001 sowie März bis Juli 2002. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin im Dezember 2002 Berufung.

Mit dem angefochtenen, ohne mündliche Verhandlung erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte dazu nach einer Darstellung des Verfahrensganges zunächst aus, der in einer Besprechung am 23. Juli 2003 gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung sei nicht im Sinne des § 284 Abs. 1 Z 1 BAO "in der Berufung" enthalten gewesen und begründe daher keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung.

Zur Frage der nicht weiterfakturierten Leistungserlöse wies die belangte Behörde darauf hin, bei der Besprechung im Finanzamt am 23. Juli 2003 habe der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin erklärt, er sei davon überzeugt, dass die Beschwerdeführerin weiterfakturiert habe. Eine Ausgangsrechnung habe jedoch nicht vorgelegt werden können, obwohl dazu in der Betriebsprüfung und im Berufungsverfahren ausreichend Zeit gewesen wäre. Gegen eine Weiterfakturierung spreche auch das ursprüngliche Berufungsvorbringen, wonach die betroffenen Baustellen auf Grund von Schwierigkeiten, die sich aus einem Sicherstellungsbescheid des Finanzamtes ergeben hätten, nicht fertiggestellt worden und nicht abrechenbar seien, sodass es nicht möglich sei, die Arbeiten zu fakturieren. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass die - von der belangten Behörde der Höhe nach näher dargestellten -

Leistungserlöse nicht weiterfakturiert und nicht versteuert worden seien. Dem ursprünglichen Berufungsvorbringen könne die belangte Behörde nicht folgen, weil die P. GmbH die Leistungen fakturiert habe und die Richtigkeit und Vollständigkeit der Leistungsabrechnung durch eine von den Zivilingenieuren und Technikern der Auftraggeberin der Beschwerdeführerin vorgenommene Prüfung dokumentiert sei. Für fertig gestellte Baustellen sprächen u. a. auch die Nichtverlängerung der für die Arbeiten erforderlichen Bewilligungen nach der Straßenverkehrsordnung und - ungeachtet des Umstandes, dass eine Weiterfakturierung nicht feststellbar sei - die Äußerung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin bei der Besprechung am 23. Juli 2003. Die Beschwerdeführerin habe zunächst auch geltend gemacht, ausgehend von einer Fertigstellung der Leistung wäre "diese wegen der Uneinbringlichkeit aufgrund der Gegenforderung sofort gemäß § 16 UStG zu berichtigen". Eine Gegenforderung des Auftraggebers bedeute aber keine Uneinbringlichkeit der Forderung im Sinne des § 16 UStG 1994.

Zur Verweigerung des Vorsteuerabzuges führte die belangte Behörde aus, der Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 setze das Vorliegen dem § 11 UStG 1994 entsprechender Rechnungen voraus. Gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 müsse den Rechnungen u.a. die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers entnehmbar sein. Von den für den relevanten Zeitraum im Firmenbuch aufscheinenden und in den Rechnungen genannten Adressen sei keine die wirkliche Anschrift der P. GmbH gewesen. Laut Firmenbuch hätte die P. GmbH ihren Sitz bis zum 14. Mai 2001 an einer Adresse in der Meidlinger Hauptstraße und danach am Kärntner Ring gehabt. In beiden Fällen befänden sich dort jeweils andere Unternehmen, die u. a. Postweiterleitungen u.dgl. anböten. Der P. GmbH stünden an diesen Adressen keine Räumlichkeiten zur Verfügung, Arbeitnehmer der P. GmbH oder zu ihrer Vertretung befugte Personen seien dort nicht angetroffen worden. Eine im April 2001 begonnene Umsatzsteuersonderprüfung bei der P. GmbH habe an keiner dieser Adressen stattfinden können. Die Gesellschafterin und Geschäftsführerin der P. GmbH habe sich am 13. April 2001 nach Lissabon abgemeldet. Ihre Anwesenheit in Österreich sei nur für den 28. November 2000, den Tag ihres Erwerbes der Geschäftsanteile, zweifelsfrei bestätigt. Die Steuerberaterin der P. GmbH habe ihre Anweisungen nicht von einer der beiden angegebenen Geschäftsadressen in Wien, sondern per E-mail aus der Schweiz erhalten. Die beiden Adressen seien daher "wegen nachweislich fehlender Geschäftstätigkeit" an diesen Adressen nicht die wirklichen Anschriften der P. GmbH gewesen, weshalb der Vorsteuerabzug zu versagen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin rügt das Unterbleiben einer mündlichen Berufungsverhandlung und bringt vor, wenn "mehr als ein halbes Jahr nach Einbringung einer Berufung gegen einen Abgabenbescheid und 1 1/2 Jahre vor Ergehen der Berufungsentscheidung in einer im Finanzamt durchgeführten Besprechung zu der Berufung der Antrag auf Durchführung einer Berufungsverhandlung gestellt" werde, dann sei "dieser Antrag als 'in' der Berufung und damit den Anforderungen des § 284 Abs. 1 Z 1 BAO entsprechend gestellt anzusehen". Dem ist im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut, wonach der Antrag "in der Berufung (§ 250)" zu stellen ist, nicht zu folgen, was auch unter dem in der Beschwerde ins Treffen geführten Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 EMRK keine Bedenken erweckt. Näher muss darauf auch deshalb nicht eingegangen werden, weil die Beschwerdeführerin nicht konkret darlegt, inwiefern die Durchführung einer Berufungsverhandlung das Verfahrensergebnis beeinflusst hätte. Dies gilt auch für die abschließende Kritik daran, dass die belangte Behörde ohne Berufungsverhandlung auf eine mit 19. Mai 2004 datierte Sachverhaltsergänzung eingegangen sei.

Im Zusammenhang mit den nicht weiterfakturierten Leistungen hält die Beschwerdeführerin an dem im Berufungsverfahren zuletzt vertretenen Standpunkt - auf dessen Darstellung durch die belangte Behörde nicht eingegangen wird - nicht fest. Mit Rücksicht auf die durch den Sicherstellungsauftrag, dessen Datum mit 12. April 2002 angegeben wird, entstandenen Schwierigkeiten hätte die belangte Behörde nach der in der Beschwerde vertretenen Auffassung davon ausgehen müssen, dass es "der Beschwerdeführerin mangels der erforderlichen flüssigen Mittel nicht möglich" gewesen sei, "die Baustellen fortzuführen und musste(n) diese daher zur Einstellung gelangen, sie konnten somit nicht fertiggestellt und auch nicht abgerechnet werden. Mangels Fertigstellung der Baustellen erfolgte

seitens der ... AG auch keine Abnahme der erbrachten

Teilleistungen, zumal letztlich die Gegenforderungen der ... AG

höher sind, als die zur Verrechnung offenen Leistungen".

Auf die nicht unschlüssigen Argumente, auf die die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung gestützt hat, wird dabei in der Beschwerde nicht eingegangen, sodass sie insoweit erfolglos bleiben muss. Mit Recht verweist die belangte Behörde aber in der Gegenschrift auch auf den Zeitabstand zwischen der Verrechnung der Leistungen gegenüber der Beschwerdeführerin und dem Sicherstellungsauftrag, dessen Folgewirkungen eine Weiterverrechnung gegenüber der Auftraggeberin der Beschwerdeführerin erst vereitelt haben sollen. Der belangten Behörde ist auch in rechtlicher Hinsicht beizupflichten, wenn sie das behauptete Vorliegen höherer Gegenforderungen nicht als Fall der Uneinbringlichkeit im Sinne des § 16 Abs. 3 Z 1 UStG 1994 gewertet hat. Die Verrechnung mit einer Gegenforderung bedeutet die Tilgung und nicht die Uneinbringlichkeit einer Forderung.

Die Versagung des Vorsteuerabzuges durch die belangte Behörde gründet sich auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1972 und 1994, wonach eine Rechnung, aus der nicht die richtige Adresse des leistenden Unternehmers hervorgeht, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dies gilt u.a. dann, wenn unter der angegebenen Adresse nie eine Geschäftstätigkeit entfaltet wurde (vgl. außer den Nachweisen bei Ruppe, UStG3, § 11 Tz 60, etwa auch die Erkenntnisse vom 20. November 1996, Zl. 95/15/0179, vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/15/0209, vom 25. April 2001, Zlen. 98/13/0081, 0099, vom 31. Juli 2002, Zl. 98/13/0170, vom 25. September 2002, Zl. 2000/13/0203, vom 30. April 2003, Zl. 98/13/0119, vom 10. August 2005, Zl. 2005/13/0059, vom 1. Juni 2006, Zl. 2002/15/0174 und Zl. 2004/15/0069, vom 13. September 2006, Zlen. 2003/13/0004, 0008, vom 28. Februar 2007, Zl. 2004/13/0039, vom 21. November 2007, Zl. 2004/13/0133, vom 18. November 2008, Zl. 2006/15/0205, und vom 4. März 2009, Zl. 2004/15/0174; das vorletzte dieser Erkenntnisse betraf Rechnungen der P. GmbH). Eine Anschrift kann unter dem Gesichtspunkt des § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 auch unrichtig sein, wenn sie mit der im Firmenbuch eingetragenen übereinstimmt (vgl. dazu die zitierten Erkenntnisse vom 10. August 2005, vom 28. Februar 2007 und vom 4. März 2009).

Zu dem in der Beschwerde in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argument, "schon im rechtlichen Bezuge" stelle "die im Firmenbuch eingetragene Anschrift den maßgeblichen Firmensitz der bezughabenden Unternehmung dar", ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die zuletzt genannten Erkenntnisse zu verweisen. Den Feststellungen der belangten Behörde über die Verhältnisse an den angegebenen Adressen begegnet die Beschwerde nicht mit Ausführungen darüber, welche Geschäftstätigkeiten der P. GmbH dort feststellbar gewesen wären. Auf die Feststellungen der belangten Behörde über die an den beiden Anschriften tatsächlich etablierten Unternehmen wird nicht eingegangen, sodass etwa die Behauptung, aus der Kenntnis der P. GmbH von der sie betreffenden, in der Kanzlei der Steuerberaterin durchgeführten Prüfung ergebe sich ihre "Antreffbarkeit" an der in den Rechnungen genannten Adresse, nicht nachvollziehbar ist. Auch auf die Feststellung über Anweisungen an die Steuerberaterin aus der Schweiz und nicht von den genannten Anschriften aus wird nicht eingegangen. Mit der bloßen Rüge, die belangte Behörde habe nicht die genauen Zeitpunkte genannt, zu denen die Versuche, die P. GmbH an den beiden Anschriften zu erreichen, erfolglos gewesen seien, wird die Beweiswürdigung der belangten Behörde unter diesen Umständen nicht erschüttert, zumal nicht behauptet wird, während des jeweils relevanten Zeitraumes seien die von der belangten Behörde beschriebenen anderen Unternehmen an den beiden Adressen noch nicht etabliert gewesen. Dass die belangte Behörde auf Änderungen "nach Rechnungslegung und Geltendmachung des daraus erfließenden Vorsteuerabzuges" abgestellt hätte, ist ihrer Entscheidung nicht zu entnehmen. Die darüber hinaus noch kritisierte Aussage darüber, wer vor dem 28. November 2000 Gesellschafter der P. GmbH gewesen sei, ist für die Beurteilung des Vorsteuerabzuges ohne Bedeutung.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Februar 2010

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